Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.03.1980, Az.: VIII ZR 195/79
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.03.1980
- Aktenzeichen
- VIII ZR 195/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 20646
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 04.05.1979
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DB 1980, 1486-1487 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1980, 751 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 1795 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1980, 346-348
Amtlicher Leitsatz
Zur Anfechtbarkeit von Vermögensverschiebungen über eine Mittelsperson.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 1980 durch den Vorsitzenden Richter Braxmaier und die Richter Claßen, Hoffmann, Wolf und Merz
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Mai 1979 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kaufmann Eugen Po. jun., der an der Firma C. GmbH & Co. Betriebs KG (C.) mit einer Kommanditeinlage von 100. 000 DM beteiligt war, schuldete der Klägerin den Betrag von 750. 000 DM aus einem Kredit, der am 15. Juli 1974 gekündigt worden war. Am 14. August 1974 forderte die Klägerin von Pockes die Rückzahlung der Schuldsumme bis spätestens 21. August 1974. Mit notariell beglaubigtem Vertrag vom 21./22. August 1974 verkaufte Pockes seinen Kommanditanteil an der C. an Frau Gerda B. für 100. 000 DM, die das Geld hierfür von einem Mitkommanditisten für kurze Zeit zur Verfügung gestellt erhalten hatte.
Am 30. Juli 1974 war die Komplementär-GmbH der Beklagten mit Eugen Po. als Geschäftsführer gegründet worden. Die Eintragung dieser GmbH im Handelsregister erfolgte am 5. August 1974. Am 13. August 1974 wurde sodann die Beklagte gegründet. Am 7. Oktober 1974 wurde sie in das Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin, die bereits am 22. August 1974 einen Zahlungsbefehl zur Durchsetzung ihrer Forderung gegen Po. beantragt hatte, hat seit 24. Oktober 1974 einen rechtskräftigen Titel gegen Eugen Po. auf Zahlung von 750. 000 DM nebst Zinsen. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel ist erfolglos geblieben. Am 17. Dezember 1974 gab Pockes die eidesstattliche Versicherung über sein Vermögen ab.
Mit notariell beglaubigtem Vertrag vom 20. Dezember 1974, 7. Januar 1975 verkaufte Frau B. den Kommanditanteil an der C. an die Beklagte für wiederum 100. 000 DM.
Am 29. Juli 1977 wurde die C. aufgelöst und der Beklagten für den Kommanditanteil in der Auseinandersetzung ein Betrag von 130. 000 DM gutgebracht. Diese Summe wurde an die Eltern von Po. ausbezahlt, um eine Darlehensschuld der Beklagten diesen gegenüber zu tilgen.
Die Klägerin hat die Übertragung des Kommanditanteils an die Beklagte über Frau B. als Mittelsperson angefochten. Sie fordert den nach der Veräußerung des Gesellschaftsanteils der Beklagten anläßlich der Auseinandersetzung der C. zugeflossenen Erlös von 130. 000 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Gründe
1.
Das Berufungsgericht führt aus, daß auch der Erwerb über eine Mittelsperson eine Anfechtung rechtfertigen könne, wenn die Veräußerung vom Schuldner an einen Dritten und von diesem an den Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ein einheitlicher Vorgang anzusehen sei. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ( BGHZ 38, 44, 46; Böhle-Stamschräder/Kilger, AnfG, 5. Aufl. § 1 Anm. III, 6; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Aufl. § 29 Rdn. 18). Eine mittelbare Vermögensverschiebung reicht zur Begründung einer Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG aus (Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. Anm. IV 7 b).
Zutreffend hat das Berufungsgericht die - möglicherweise - anfechtbare Rechtshandlung hier darin gesehen, daß der Schuldner Po. jun. aus seinem Vermögen etwas weggegeben hat, was dann - wenn auch über eine Mittelsperson, Frau B. nämlich, - an die Beklagte, die Anfechtungsgegnerin, gelangt ist; denn als mittelbare Zuwendung sind auch solche Rechtshandlungen anfechtbar, bei denen eine unmittelbare Leistung des Schuldners an den Empfänger durch Einschalten eines Mittelsmannes umgangen wird (BGHZ aaO).
Das Berufungsgericht konnte auch offen lassen, ob Frau Bauer sich einer ihr zugedachten Rolle als bloße Mittelsperson bewußt war. Eine Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG) setzt voraus, daß der Schuldner die anfechtbare Rechtshandlung in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat. Da hier die Beklagte beim Erwerb des vom Schuldner weggegebenen Geschäftsanteils durch Po. jun., den Schuldner selbst also, gesetzlich vertreten war, war ihr eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt, wenn sich eine solche aufgrund des Vortrags der Klägerin auf seiten von Pockes jun. feststellen läßt. Die Klägerin hat ihre Anfechtung im vorliegenden Falle darauf gestützt, daß der Schuldner in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt habe. Eine solche Anfechtung ergreift jede Rechtshandlung des Schuldners (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG). Deshalb kommt es nicht darauf an, ob bei der angefochtenen Handlung ein Leistungsaustausch stattgefunden hat. Entscheidend ist nur, daß durch die Rechtshandlung des Schuldners - möglicherweise erst im weiteren Verlauf der Dinge - eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist. Daß die mittelbare Vermögenszuwendung von Po. an die Beklagte auch von dem Weiterverkauf des Geschäftsanteils durch Frau B. abhing und daß die mittelbare Vermögenszuwendung daran hätte scheitern können, daß Frau B. den Anteil nicht weiterverkaufte, ist belanglos; denn tatsächlich kam durch ihr Verhalten die Vermögenszuwendung zustande und das genügt für die Anfechtbarkeit jedenfalls dann, wenn dieser tatsächliche Ablauf vom Schuldner erwartet und gewollt war. Auch § 11 Abs. 1 AnfG ist hier nicht anwendbar; denn die von der Klägerin angegriffene anfechtbare Handlung hat - wenn auch nur mittelbar - zwischen dem Schuldner und der Beklagten stattgefunden. Eine Rechtsnachfolge auf Seiten der Beklagten liegt daher gar nicht vor (Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 11 Anm. 1; RG WarnRspr 1908, Nr. 346).
Daß mit der Weggabe des Kommanditanteils an der C. eine Benachteiligung der Gläubiger hier eingetreten ist, weil dieser Gesellschaftsanteil nicht mehr als Vollstreckungsobjekt zur Verfügung stand, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Daß auch heute nicht mehr in diesen Kommanditanteil vollstreckt werden kann, weil die Kommanditgesellschaft zwischenzeitlich aufgelöst ist und die Auseinandersetzung stattgefunden hat, hindert die Anfechtung nicht. Die Beklagte hätte, wenn das Begehren der Klägerin berechtigt ist, vielmehr Wertersatz zu leisten (Böhle-Stamschräder/Kilger a.a.O. § 7 Anm. III, 10; Friesinger, MDR 1970, 557).
2.
Das Berufungsgericht ist zur Abweisung der Klage gekommen, weil es sich nicht davon überzeugen konnte, daß Frau B. den Kommanditanteil aufgrund einer schon bei dessen Erwerb getroffenen Abrede an die Beklagte weiterübertragen hat. Auf eine Absprache des Schuldners mit Frau B. kommt es aber, wie ausgeführt, nicht an, wenn sie nur dem Willen des Schuldners gemäß handelte.
Außerdem, so führt das Berufungsgericht weiter aus, sei es nicht davon überzeugt, daß Po. jun. von Anfang an den KG-Anteil der Beklagten habe zukommen lassen wollen, wenn auch auf dem Umweg über Frau B. als Mittelsperson.
Zwar sprächen viele Indizien hierfür, doch reichten diese insgesamt nicht aus.
Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht bei seiner Bewertung der für eine mittelbare Vermögensverschiebung über einen Strohmann von Po. auf die Beklagte sprechenden Indizien das Beweisangebot der Klägerin übergangen habe, daß die Gebühren des Notars beim Verkauf des Kommanditanteils an Frau B. von Po. bezahlt worden seien.
Diese Rüge ist begründet. Daß sie selbst die Notariatsgebühren als Käuferin nicht bezahlt hat, hat Frau B. bei ihrer Vernehmung als Zeugin bekundet. Sie hat erklärt, daß sie nicht wisse, wer diese Kosten beim Kauf des Anteils durch sie übernommen habe. Sie hat gleichzeitig den Notar von einer ihr gegenüber obliegenden Schweigepflicht entbunden. Die Klägerin hatte vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß Po. selbst die Notariatsgebühren bezahlt hat. Die Beklagte hatte das nach dem Inhalt der Akten zugestanden (Schriftsatz vom 10. Oktober 1978, S. 8 - Bl. 129 GA). Das Berufungsgericht hat diesen Umstand bei der Würdigung der von der Klägerin vorgetragenen Indizien, die für eine mittelbare Vermögensverschiebung sprechen sollen, nicht berücksichtigt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung hiervon beeinflußt ist. Deshalb konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache wird unter Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags der Klägerin vom Tatrichter neu überprüft werden müssen.
3.
Der Senat hat von § 565 Abs. 1 ZPO Gebrauch gemacht. Über die Kosten der Revision wird das Berufungsgericht entscheiden müssen, weil ihre Verteilung vom Ausgang der Sache abhängt.