Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.02.1980, Az.: VII ZR 104/79
Schadensersatzanspruch infolge eines während der Ausführung von Dachdeckerarbeiten ausgelösten Brandes; Rückführung der Entstehung des Brandes auf die Verwendung des Propangasbrenners durch die Handwerker; Kenntnis von der Brennbarkeit des verarbeiteten Styropormaterials und von der Gefährlichkeit des Propangasbrenners; Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.02.1980
- Aktenzeichen
- VII ZR 104/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 12846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 29.11.1978
Prozessführer
die Eheleute Universitätsprofessor Dr. med. Günter F. und Frau Sanna F. geb. S., S. Straße ..., M.,
Prozessgegner
die Firma Joh. V. S., Inh. Dachdeckermeister Hans V., S.sraße ..., M.,
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Februar 1980
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Dr. Girisch,
Doerry,
Bliesener und
Obenhaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. November 1978 aufgehoben.
Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und über die Kosten der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Am 8. März 1977 führten die Leute der Beklagten im Obergeschoß des Neubaues der Kläger in M. C. weg ..., auftragsgemäß Dachdeckerarbeiten aus. Dabei verlegten sie Bitumen-Schweißbahnen und verschweißten sie mit einem Propangasbrenner. Während dieser Arbeiten entzündeten sich in der Nähe gestapelte Poresta-Platten. Es entstand ein größerer Brand. Dadurch wurden u.a. die Betondecke des Flachdaches, die Elektroleitungen und die Sanitärinstallationen beschädigt.
Die Kläger verlangen mit der Klage Schadensersatz in Höhe von 45.000 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.
Mit ihrer - angenommenen - Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgen die Kläger den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Brand von den Leuten der Beklagten verursacht worden sei. Es verneint jedenfalls deren Verschulden.
Beides hält der Revision nicht stand:
1.
a)
Das Berufungsgericht stellt fest: Die Leute der Beklagten hätten im Zeitpunkt der Brandentstehung in der Nähe der Poresta-Platten-Stapel und nur durch eine Brüstung von diesen getrennt mit einem Propangasbrenner Schweißarbeiten ausgeführt. Wind der Stärke 3-4 habe vom Schweißort zu den Poresta-Platten hingeweht. Das dort gelagerte Porestamaterial habe bei ca 230 GradC mittels einer externen Zündquelle entflammt werden können. Noch in ca 60-130 cm Entfernung vom Propangasbrenner habe der brennende Gasstrahl eine Temperatur von 250 GradC aufgewiesen. Porestamaterial könne auch ohne externe Zündquelle bei 500 GradC entflammen. Derartige Temperaturen könnten durch Wärmetransport- und Wärmestauphänomene entstehen, die beim Schweißen auftreten könnten.
b)
Nach diesem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt, der auch nicht mehr streitig ist, drängt es sich auf, daß die Entstehung des Brandes auf die Verwendung des Propangasbrenners durch die Leute der Beklagten zurückgeht. Nach der Lebenserfahrung führen Schweißarbeiten mit Gasbrennern häufig zu Bränden am Arbeitsplatz oder in seiner Nähe. Das Berufungsgericht hat keine andere Möglichkeit der Brandverursachung feststellen können, die Anlaß zu Zweifeln in dieser Richtung gäben. Auch die Beklagte zeigt eine solche Möglichkeit nicht auf. Bei dieser Sachlage ist nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, daß die Leute der Beklagten bei ihren Schweißarbeiten den Poresta-Platten-Stapel in Brand gesetzt haben. Dabei spielt es für die Frage der Ursächlichkeit keine Rolle, ob die Flamme des Propangasbrenners unmittelbar externe Zündquelle war oder aber mittelbar über eine Wärmeleitung und einen Wärmestau die Entzündung bewirkt hat.
Da das Berufungsgericht die den Anscheinsbeweis begründenden Tatsachen rechtsfehlerfrei festgestellt und allein die Grundsätze des Anscheinsbeweises verkannt hat, kann das Revisionsgericht selbst die rechtliche Schlußfolgerung daraus ziehen und die Ursächlichkeit bejahen.
2.
a)
Das Berufungsgericht meint, die Leute der Beklagten hätten nicht schuldhaft gehandelt. Über Wärmeleit- und Wärmestauprobleme hätten sie nicht unterrichtet sein müssen.
b)
Auch das rügt die Revision mit Erfolg.
Die Feststellungen des Berufungsgerichtes ergeben zwingend, daß die Leute der Beklagten bei den Schweißarbeiten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten haben. Ob sie die übliche Sorgfalt angewandt haben, wie das Berufungsgericht meint, ist unerheblich. Sie mußten jedenfalls die Brennbarkeit des von ihnen verarbeiteten Styropormaterials und die Gefährlichkeit ihres Propangasbrenners kennen. Sie mußten daher mit der sich aufdrängenden Möglichkeit rechnen, daß sich bei den Schweißarbeiten in der Nähe gelagerte brennbare Stoffe entzünden konnten. Diese Gefahr mußte ihnen bewußt sein, auch wenn sie von "Wärmeleitung" und "Wärmestau" als möglicher Brandursache nichts gewußt haben sollten. Deshalb hatten sie, zumal die Beklagte im Bauvertrag die Brandverhütung ausdrücklich unter alleiniger Verantwortung übernommen hatte, besonders umsichtig zu Werke zu gehen. Sie mußten die im Merkblatt "Brandschutz der Berufsgenossenschaft, Ausgabe 1974" aufgeführten Vorsichtsmaßnahmen einhalten. Darin ist u.a. gefordert, bei Arbeiten mit Schweißgeräten und Schweißbrennern besondere Vorsicht walten zu lassen, ortsfeste brennbare Stoffe abzudecken und Löschwasser oder geeignete betriebsbereite Löschgeräte in ausreichender Menge bereitzustellen. Alles das beachteten sie jedoch nicht, sondern hantierten ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen mit dem gefährlichen Gasbrenner in der Nähe des brennbaren Materials. Ihr Verhalten war schuldhaft.
3.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Das kann das Revisionsgericht angesichts der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen selbst aussprechen. Zur Höhe des Anspruchs bedarf es dagegen noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Insoweit und wegen der Kosten der Revision ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Girisch
Doerry
Bliesener
Obenhaus