Bundesgerichtshof
Beschl. v. 17.01.1980, Az.: VII ZB 16/79
Anforderungen an den Nachweis der späteren Zustellung eines angefochtenen Urteils; Abweichen des Zustellungszeitpunktes vom Datum des Empfangsbekenntnisses; Erfordernis substantiierter Behauptungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 17.01.1980
- Aktenzeichen
- VII ZB 16/79
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 11861
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamburg - 24.10.1979
- LG Hamburg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1980, 482-483 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 998 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Glasermeister Heinrich H., B. Straße ..., H.
Prozessgegner
Firma Ernst Kurt P. KG,
vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Uwe P., L., O.
Amtlicher Leitsatz
An den Nachweis der Behauptung, das angefochtene Urteil sei erst später zugestellt worden, als das Datum des Empfangsbekenntnisses ausweist, sind strenge Anforderungen zu stellen. (Ergänzung zur Senatsentscheidung NJW 1979, 2566).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 17. Januar 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Dr. Girisch, Meise, Dr. Recken und Bliesener
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamburg vom 24. Oktober 1979 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Beschwerdewert: 12.154,50 DM.
Gründe
I.
Der Kläger hat 12.154,50 DM Werklohn nebst Zinsen eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbestätigung (§ 212 a ZPO) zugestellt worden. Das mit dem gestempelten Datum vom 16. Juli 1979 (Montag) versehene Empfangsbekenntnis ist am 19. Juli 1979 bei Gericht eingegangen. Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 15. August 1979, eingegangen beim Oberlandesgericht am 20. August 1979 (Montag), Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift ist - zu Unrecht - vermerkt, daß das Urteil am 20. Juli 1979 zugestellt worden sei.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, da die Berufungsfrist versäumt sei. Der Kläger hat sofortige Beschwerde eingelegt. Außerdem hat er einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, über den das Berufungsgericht noch nicht entschieden hat. Zur Begründung seiner Beschwerde behauptet er, sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter habe von dem landgerichtlichen Urteil - entgegen dem Stempeldatum des Empfangsbekenntnisses - "frühestens am 18. Juli 1979" Kenntnis erlangt. Er beruft sich zum Beweis dieser Behauptung auf die eidesstattliche Versicherung seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom 30. Oktober 1979, in der es heißt:
"Nach nochmaliger Überprüfung des Aktenvorganges ... bin ich mir sicher, daß ich trotz des offensichtlich vorliegenden Eingangstempels vom 16. Juli 1979 das Empfangsbekenntnis nicht am 16. Juli 1979 vorgelegt bekommen habe, sondern frühestens am 18. Juli 1979.
Daß auf dem Empfangsbekenntnis der 16.7.1979 vermerkt ist, muß entweder darauf beruhen, daß vergessen wurde, den Stempel weiterzustellen. Selbst wenn das Empfangsbekenntnis tatsächlich am 16.7.1979 mit dem Stempel versehen worden sein sollte, so war dies keinesfalls der Tag, an dem ich das Empfangsbekenntnis unterzeichnet habe. Dies müßte sich auch durch den Eingang des Empfangsbekenntnisses unschwer klären lassen."
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Rechtsmittelgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob ein Rechtsmittel zulässig ist. Es hat den Sachverhalt selbständig zu werten und dabei auch neue Tatsachen zu berücksichtigen. Deshalb ist auch der Nachweis zulässig, daß das gestempelte Datum auf dem Empfangsbekenntnis falsch ist (vgl. Senatsurteil NJV 1979, 2566 mit weiteren Nachweisen). An diesen Nachweis sind aber strenge Anforderungen zu stellen. Sonst wäre einer Umgehung der Rechtsmittelfristen Tür und Tor geöffnet.
Hier ist der Nachweis nicht erbracht. Die eidesstattliche Versicherung, auf die sich der Kläger stützt, ist dazu nicht geeignet. Sie läßt nicht erkennen, aus welchen konkreten Tatsachen der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers seine "Überzeugung" ableitet, er habe frühestens am 18. Juli 1979 von dem landgerichtlichen Urteil Kenntnis erlangt. Mit unsubstantiierten Behauptungen und bloßen Vermutungen, die sich einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht entziehen, kann der Nachweis der Unrichtigkeit nicht geführt werden.
Der Umstand, daß das Empfangsbekenntnis erst am 19. Juli 1979 (zwischen 10 und 11 Uhr) bei Gericht eingegangen ist, rechtfertigt nicht den Schluß, das Urteil müsse erst später als am 16. Juli 1979 zugestellt worden sein. Es fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, vielmehr spricht alles dagegen, daß etwa in der Kanzlei des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers vergessen worden wäre, den Datumsstempel weiterzustellen. Das hätte dann nämlich gleich zweimal hintereinander (am 17. und 18. Juli 1979) geschehen sein müssen, um zu erklären, daß ein erst am 18. Juli 1979 eingegangenes Schriftstück noch mit dem Datum vom 16. Juli 1979 versehen worden wäre. Außerdem hätte sich ein solches "Versehen" auch beim Abstempeln weiterer Schriftstücke auswirken müssen. Schließlich spricht der Umstand, daß der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Klägers - wie er zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags an Eides statt versichert hat - bestrebt war, die Berufung noch am 16. August 1979 einzulegen, dafür, daß das Urteil bereits am 16. Juli 1979 zugestellt war.
Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu befinden haben.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 12.154,50 DM.
Girisch
Meise
Recken
Bliesener