Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.11.1979, Az.: VIII ZR 317/78
Unwirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Nichtkaufleuten; Erlöschen einer Garantie bei Eingriff oder Beschädigung durch den Käufer oder Dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.11.1979
- Aktenzeichen
- VIII ZR 317/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 12491
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Stuttgart - 27.10.1978
- LG Stuttgart
Rechtsgrundlagen
- § 9 AGBG
- § 459 Abs. 1 BGB
- § 13 Abs. 1 AGBG
- § 11 Nr. 10 AGBG
Fundstellen
- MDR 1980, 486-487 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 831-832 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma Radio-Musikhaus L., Inhaber Albert A. L., K.straße ... in S.
Prozessgegner
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.,
gesetzlich vertreten durch die erste Vorsitzende. Frau Lieselotte Si., Au.straße ... in S.
Amtlicher Leitsatz
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Nichtkaufleuten verwendete Bestimmung, nach der beim Verkauf neu hergestellter Radio-, Fernseh- und Fotogeräten die Gewährleistung (Garantie) sofort nach einem Eingriff oder einer Beschädigung durch den Käufer oder Dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen erlischt, ist unwirksam.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 1979
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Claßen, Dr. Hiddemann, Wolf und Treier
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Oktober 1978 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Radio-, Fernseh- und Fotogeräten. Ihren Verkäufen legt sie ihre Geschäftsbedingungen zugrunde, die unter der Überschrift "100 % Vollgarantie" zur Gewährleistung folgendes bestimmen:
"Für die Nachbesserung des Gerätes umfaßt die Vollgarantie die Kosten für Teile und Lohn (Wandlung und Minderung ausgeschlossen).... Für das Gerät wird eine Garantiezeit von 6 Monaten gewährt.... Die Garantie erstreckt sich nicht auf Schäden, die durch Beschädigungen, falschen Anschluß oder falsche Bedienung durch den Kunden verursacht werden....
Die Garantie erlischt sofort nach einem Eingriff oder einer Beschädigung durch den Käufer oder dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen."
Die Klägerin - eine als Verein eingetragene Verbraucherzentrale - verlangt von der Beklagten gemäß § 13 AGBG, die Verwendung der letztgenannten Klausel über das Erlöschen der Garantie bei Eingriffen und Beschädigungen im Rechtsverkehr gegenüber Nichtkaufleuten zu unterlassen. Sie hält die Klausel sowohl nach § 11 Nr. 10 Buchst. a AGBG als auch im Hinblick auf die Generalklausel des § 9 AGBG für unwirksam, weil durch sie den Käufern der ihnen allein eingeräumte Nachbesserungsanspruch unter den genannten Voraussetzungen genommen werde. Die Beklagte hält sich dagegen zur Verwendung dieser Klausel für befugt, weil sie die Rechte des Käufers nicht einschränke, sondern lediglich den Zweck verfolge, ihr - der Verkäuferin - eine gewährleistungsrechtliche Nachbesserung zu ermöglichen und Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob die Mängel bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen seien.
Das Landgericht hat dem Klagebegehren - unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 50.000 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung - stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die beanstandete Klausel nach § 11 Nr. 10 AGBG deswegen unwirksam, weil der Nachbesserungsanspruch, auf den die Beklagte ihre Gewährleistung beschränkt habe, nur unter der auflösenden Bedingung gewährt werde, daß der Käufer oder ein Dritter weder einen Eingriff in das Gerät vorgenommen noch dieses beschädigt habe. Ein derart eingeschränkter Nachbesserungsanspruch entspreche nicht den Mindestanforderungen, die der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei der formularmäßigen Einschränkung der Gewährleistung zu beachten habe. Dem schutzwürdigen Anliegen der Beklagten, die Voraussetzungen einer sie treffenden Gewährleistungspflicht prüfen zu können, sei dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß der Käufer ohnehin die Beweislast für einen bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Mangel trage und damit auch die Vermutung widerlegen müsse, er habe durch den Eingriff den geltend gemachten Mangel selbst verursacht.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.
A)
Die Klägerin legt die von ihr beanstandete Klausel - ausgehend von ihrem Wortlaut - dahin aus, daß jede irgendwie geartete "Beschädigung" der Kaufsache, auch wenn sie mit dem geltend gemachten Mangel nicht in Zusammenhang steht, den Wegfall der Gewährleistungspflicht zur Folge hat, und daß unter "Eingriff" im Sinne dieser Bestimmung nicht nur der ergebnislos gebliebene Reparaturversuch durch den Käufer oder einem von diesem bestellten Dritten, sondern bereits das Öffnen des Gerätes zu dem Zweck, die Ursache einer aufgetretenen Störung und damit ggfls. das Vorliegen eines Mangels (§ 459 Abs. 1 BGB) festzustellen, zu verstehen ist.
1.
Dieser Ausgangspunkt ist für die Beurteilung der Frage, ob die verwendete Klausel gemäß §§ 9 ff AGBG unwirksam ist und demgemäß die Beklagte als Verwenderin auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann (§ 13 Abs. 1 AGBG), zutreffend. Zwar hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf berufen, daß sie selbst dieser Klausel eine so weittragende Bedeutung nicht beigemessen habe und überdies ein Gericht im Streitfall insbesondere den Begriff des "Eingriffs" einschränkend als fehlgeschlagenen Reparaturversuch auslegen würde. Damit verkennt jedoch die Beklagte sowohl den von dem Verkäufer mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfolgten Zweck als auch den Sinn des in § 13 Abs. 1 AGBG geschaffenen Unterlassungsanspruchs. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollen nicht zuletzt den Vertragspartner des Verwenders - insbesondere wenn die diesem Vertragspartner nach dispositivem Recht zustehenden Ansprüche abgeschnitten oder beschränkt werden - von vornherein von der Geltendmachung derartiger Ansprüche abhalten, so daß es gar nicht erst zum Rechtsstreit und damit zu einer gerichtlichen Überprüfung und Auslegung der Klausel kommt. Es entspricht dabei der Erfahrung, daß sich Käufer, wenn ihnen vom Verkäufer die Klauseln unter Hinweis auf ihren "eindeutigen" Wortlaut vorgehalten werden, allein aus diesem Grunde von der Geltendmachung an sich begründeter Ansprüche abhalten lassen, obwohl bei sinnvoller Auslegung der Klausel diese Ansprüche gar nicht von ihr erfaßt werden. Dieser naheliegenden Gefahr, der vor allem geschäftlich ungewandte und unerfahrene Verbraucher leicht unterliegen, soll der vom Gesetzgeber geschaffene Unterlassungsanspruch (§ 13 AGBG) vorbeugen.
2.
Ob die Beklagte die beanstandete Klausel mit der oben erwähnten Einschränkung verstanden wissen wollte und auch bisher im rechtsgeschäftlichen Verkehr nur so verwendet hat, ist daher unerheblich; es wäre ihre Sache gewesen, der Klausel von vornherein eine entsprechend engere und eindeutige Fassung zu geben. Für das vorliegende Unterlassungsbegehren der Klägerin ist allein entscheidend, wie der angesprochene Personenkreis - der durchschnittliche Käufer von neu hergestellten Radio-, Fernseh- und Fotogeräten - diese Klausel nach ihrem Wortlaut verstehen kann. Dieser Wortlaut aber schließt - davon gehen ersichtlich auch beide Vorinstanzen aus - jede Art von Beschädigung sowie als Eingriff auch das öffnen der Geräte lediglich zum Zwecke der Untersuchung mit ein.
B)
Geht man von einer solchen Reichweite der beanstandeten Klausel aus, so läßt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klausel insgesamt unwirksam ist, einen Rechtsfehler nicht erkennen.
1.
Das folgt für den an die bloße Beschädigung der Kaufsache geknüpften Wegfall jeder Gewährleistungspflicht bereits unmittelbar aus § 11 Nr. 10 a AGBG.
a)
Die Grenzen der formularmäßigen Freizeichnung durch den Verkäufer einer neu hergestellten, an einen Nichtkaufmann veräußerten Sache ergeben sich aus § 11 Nr. 10 AGBG. Nach Buchst. a dieser Bestimmung können Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Verkäufer) nicht insgesamt ausgeschlossen werden. Es muß dem Käufer vielmehr zumindest ein derartiger Anspruch verbleiben, wobei es dem Verkäufer gestattet ist, unter Ausschluß der Gewährleistungsansprüche im eigentlichen Sinn (Wandlung, Minderung, Ersatzlieferung; vgl. §§ 459 ff BGB) den Käufer - jedenfalls zunächst (vgl. § 11 Nr. 10 Buchst. b AGBG) - auf einen Nachbesserungsanspruch zu verweisen. Von dieser Befugnis hat die Beklagte hier Gebrauch gemacht.
b)
Beschränkt der Verkäufer seine Verpflichtung zur Gewährleistung formularmäßig auf einen derartigen Nachbesserungsanspruch, so muß dieser allerdings umfassend sein und darf insbesondere keine Einschränkungen enthalten, die auch die gesetzliche Regelung in §§ 459 ff BGB nicht kennt. Eine Beschränkung der Nachbesserungspflicht dahingehend, daß der Verkäufer z.B. lediglich für verschuldete Mängel haftet oder seine Nachbesserungspflicht von einer vorherigen Anerkennung der Mängel abhängig macht, würde daher den Mindestanforderungen des § 11 Nr. 10 AGBG nicht entsprechen und unwirksam sein (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 3. Aufl. § 11 Nr. 10 Rdn. 15; Koch/Stübing, AGBG, § 11 Nr. 10 Rdn. 19).
c)
Entsprechendes gilt auch für die hier beanstandete Klausel. Ihre Anwendung würde zur Folge haben, daß der Käufer, sofern die Kaufsache bei ihm beschädigt worden ist, allein dadurch der ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche auch dann verlustig geht, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang tatsächlich mit einem Mangel behaftet war. Ein derartiger Rechtsverlust ist aber der kaufrechtlichen Gewährleistung (§§ 459 ff BGB) fremd.
2.
Anders als typischerweise bei der Beschädigung knüpft die beanstandete Klausel hinsichtlich des Eingriffs in die Kaufsache - darauf hat die Beklagte in den Vorinstanzen in erster Linie abgestellt - an ein Verhalten des Käufers an, das dieser zur Vermeidung der angedrohten Rechtsfolgen unterlassen könnte. Ob sich auch insoweit eine Unwirksamkeit der Klausel bereits unmittelbar aus § 11 Nr. 10 AGBG ergibt - mit der Folge, daß damit auch möglicherweise eine auf den fehlgeschlagenen Reparaturversuch beschränkte Klausel schlechthin unwirksam wäre -, kann hier auf sich beruhen. Denn jedenfalls ergibt sich die Unwirksamkeit aus der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG.
a)
Nach dieser Vorschrift ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Bestimmung dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, - und das ist hier der Fall. Der Käufer eines Radio-, Fernseh- und Fotogerätes kann ein berechtigtes Interesse daran haben, bei einer während der Gewährleistungsfrist auftretenden Störung durch Untersuchung - wenn nötig nach öffnen des Gerätes - festzustellen oder durch einen sachkundigen Dritten feststellen zu lassen, welcher Art die Störung ist und ob sie auf einem bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Mangel beruht, bevor er das Gerät im Rahmen der Gewährleistung dem Verkäufer aushändigt, - mit der Folge, daß sich dann seine Beweislage ohnehin verschlechtert. Häufig wird er sich nach einer solchen Prüfung darüber schlüssig werden, ob er unter Verzicht auf die Gewährleistung den Mangel selbst beseitigen oder durch Dritte auf seine Kosten beseitigen lassen will, um auf diesem Wege einen längeren Verzicht auf das Gerät zu vermeiden und sich die Schwierigkeiten eines Transportes zum Verkäufer - u.U. über größere Entfernungen - zu ersparen.
b)
Gegenüber diesen berechtigten Interessen des Käufers sind schutzwürdige Belange des Verkäufers an einer so weitgehenden Sanktion, wie sie der Wegfall jeglicher Gewährleistung - ohne weitere Prüfung, ob ein Mangel vorgelegen hat - darstellen würde, nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, mit dem "Eingriff" des Käufers verschlechtere sich ihre Beweislage, übersieht sie, daß der Käufer nach Annahme der Sache als Erfüllung (§ 363 BGB) das Vorliegen eines Mangels bereits bei Gefahrübergang zu beweisen hat (vgl. Mezger in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 459 Anm. 33 m.w.Nachw.) und dabei auch eine entsprechend substantiierte Behauptung des Verkäufers widerlegen muß, erst der Eingriff in das Gerät habe den Mangel herbeigeführt. Dieses beweismäßige Risiko nimmt der Käufer in Kauf, wenn er zunächst das Gerät selbst untersucht oder untersuchen läßt; ihm darüber hinaus als Folge dieses "Eingriffs" jegliche Gewährleistung abzuschneiden, wäre unangemessen. Ob dies auch bei einer Klausel gelten würde, die den Wegfall der Gewährleistungspflicht ausschließlich an die Vornahme eines vergeblichen Reparaturversuchs durch den Käufer knüpft, bedarf hier keiner Entscheidung; denn eine solche Klausel ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Von einer derartigen Fassung der Klausel geht aber ersichtlich Schmidt-Salzer (Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2. Aufl. S. 233 f Rdn. F 133) aus, wenn er ihre Unzulässigkeit davon abhängig machen will, ob und in welchem Umfang Mangelfolgeschäden drohen und daher eine alsbaldige Beseitigung dringend erforderlich ist.
III.
Ist mithin die beanstandete Klausel gemäß § 11 Nr. 10 Buchst. a bzw. § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, so kann die Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 und 2 AGBG die Beklagte als Verwenderin - und zwar gegenüber Nichtkaufleuten (vgl. § 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG) - auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Die Revision war daher - mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO - zurückzuweisen.
Claßen
Dr. Hiddemann
Wolf
Treier