Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.06.1979, Az.: VII ZR 248/78
Voraussetzungen für das Zustandekommen eines unmittelbaren Vertragsverhältnisses; Anforderungen an einen Vertrag zugunsten Dritter; Auslegung einer Garantieerklärung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.06.1979
- Aktenzeichen
- VII ZR 248/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 12991
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Schleswig - 01.08.1978
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 75, 75 - 81
- DB 1979, 1932-1933 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1979, 685-687
- MDR 1979, 1013 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1979, 2036 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Dipl.-Geologe Marc K., M. straße ..., Ki.,
Prozessgegner
Firma Otto S., Flachglas-Großhandel, Se. weg ... Ki.,
Amtlicher Leitsatz
- a)
Eine Herstellergarantie kann durch Vertrag zu Gunsten Dritter zwischen dem Hersteller und dem Großhändler an den Endabnehmer weitergegeben werden.
- b)
Die fünfjährige Garantie eines Herstellers von Spezial-Fensterglas erstreckt sich auf alle Mängel, die in der Garantiezeit auftreten.
- c)
Zur Frage, ab wann und in welcher Frist Ansprüche aus einer solchen Garantie verjähren.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 1979
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Dr. Girisch, Doerry, Bliesener und Obenhaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Schleswig vom 1. August 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger beauftragte im Jahre 1969 die Firma Glas-Kr. in Ki. mit der Ausführung der Glaserarbeiten für sein Haus. Daraufhin setzte die Firma Glas-Kr. Isolar-Glaseinheiten ein, die von der Beklagten als Lizenznehmerin hergestellt worden waren. Die Lieferung erfolgte am 9. Oktober 1969 über die Firma Flachglas-Vertriebs KG, die das Material bei der Beklagten bestellt und dort am 7. Oktober 1969 abgeholt hatte.
Am 19. September 1974 teilte der Architekt des Klägers der Firma Flachglas-Vertriebs KG fernmündlich mit, daß der Kläger kurz zuvor an einem Teil der eingesetzten Scheiben die Bildung von Kondenswasser festgestellt habe. Mit Einschreiben vom 9. Oktober 1974 rügte der Kläger das auch gegenüber der Firma Glas-Kr. Mit einem ihr am 28. Oktober 1974 zugegangenen Schreiben vom 25. Oktober 1974 wurde die Beklagte von der Firma Flachglas-Vertriebs KG davon unterrichtet, daß die Firma Glas-Kr. Isolar-Scheiben im Hause des Klägers wegen Kondenswasserbildung reklamiert habe. Die Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 8. November 1974, daß die Garantiezeit bereits überschritten sei. Als dieses Schreiben den Kläger über die Firma Glas-Kr. am 14. November 1974 erreichte, erfuhr er erstmals davon, daß die Beklagte in Prospekten mit einer als "Garantie" überschriebenen Erklärung warb, in der es u.a. heißt:
"Die Hersteller von ISOLAR-Glas garantieren - gerechnet vom Tage der ersten Lieferung an - für 5 Jahre, daß unter normalen Bedingungen weder durch Bildung eines Films noch durch Staubablagerungen im Scheibenzwischenraum die Durchsichtigkeit des ISOLAR-Glases beeinträchtigt wird. ... Diese Garantie verpflichtet nur zum Ersatz der fehlerhaften ISOLAR-Glas-Einheit. ... Die Gruppe der europäischen ISOLAR-Hersteller ... haben zur Güte und Garantieabsicherung von ISOLAR-Gläsern einen Garantiefonds etabliert. Dieser Fonds dient der außerordentlichen Absicherung der ISOLAR-Garantieaussage und macht sie letztlich unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und Umständen. Der Garantiefonds steht also hinter der Garantieaussage jedes ISOLAR-Glas-Lizenzherstellers. ..."
In der Folgezeit lehnte die Firma Glas-Kr. unter Hinweis auf die vereinbarte Geltung der VOB/B jede eigene Haftung ab. Im Januar 1975 besichtigte ein Außendienstmitarbeiter der Beklagten die beanstandeten Glas-Einheiten. Die Beklagte erklärte sich daraufhin zum Ersatz einer Glasscheibe bereit, lehnte aber weitere Ansprüche des Klägers ab.
Im Dezember 1975 erhob die Firma Glas-Kroll gegen den jetzigen Kläger negative Feststellungsklage, daß ihm keine Ansprüche gegen sie zustünden. In diesem Prozeß verkündete der jetzige Kläger der Beklagten den Streit. Die Beklagte trat dem Rechtsstreit nicht bei. Mit rechtskräftigem Urteil vom 7. April 1976 hat das Landgericht Kiel festgestellt, daß dem Kläger kein Ersatzanspruch gegen die Firma Glas-Kr. zusteht.
Daraufhin nahm der Kläger die Beklagte aus ihrer Herstellergarantie in Anspruch. Mit der im Januar 1977 erhobenen Klage hat er zunächst die Lieferung von 12 Ersatz-Glas-Einheiten begehrt. Das Landgericht hat dieser Klage im Wege des Versäumnisurteils stattgegeben. Die Beklagte hat Einspruch eingelegt. Im Mai 1977 hat der Kläger die von ihm beanstandeten Scheiben auswechseln lassen. Er verlangt seitdem Ersatz der Materialkosten, die er zunächst mit 8.218,15 DM beziffert hat.
Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er nur noch Zahlung von 6.682,60 DM nebst Zinsen fordert, ist erfolglos geblieben. Mit der - zugelassenen - Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seinen Berufungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
1.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß zwischen der Beklagten als Herstellerin und dem Kläger als Endabnehmer der Glasscheiben kein unmittelbares Vertragsverhältnis zustande gekommen sei. Ob das richtig ist, kann auf sich beruhen. Das angefochtene Urteil kann nämlich schon deshalb keinen Bestand haben, weil zwischen der Beklagten und der Flachglas-Vertriebs KG ein Garantievertrag zugunsten des Klägers als Endabnehmer zustande gekommen ist (Vertrag zugunsten Dritter).
a)
Das Berufungsgericht lehnt auch einen solchen Vertrag ab. In aller Regel hätten weder der Hersteller noch derjenige Zwischenlieferant, der mit dem Endabnehmer nicht in unmittelbare vertragliche Beziehungen tritt, den Willen, diesen Endabnehmer begünstigende Rechte und sie selbst belastende Verpflichtungen zu begründen. Im übrigen wende sich das Angebot der Beklagten auf Abschluß eines Garantievertrages unmittelbar an den Endabnehmer, da nach der Garantieerklärung der Fonds der ISOLAR-Hersteller die Garantie "letztlich unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und Umständen" mache. Der Kläger hätte hier auch bei Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter zur Geltendmachung des Klageanspruchs der Mitwirkung des Versprechensempfängers bedurft; da ihm nämlich nach dem Inhalt der Garantieerklärung - jedenfalls zunächst - nur ein Naturalersatzanspruch eingeräumt worden sei, liege in dem Verlangen auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Geld die Ausübung eines Gestaltungsrechts.
b)
Diese Ausführungen rügt die Revision zu Recht.
Die Garantieerklärung der Beklagten, die ersichtlich im gesamten Gebiet der Bundesrepublik gilt und deshalb vom Senat selbst ausgelegt werden kann (§ 549 Abs. 1 ZPO), knüpft an den Tag der ersten Lieferung an, also an die Lieferung des Glases an die Flachglas-Vertriebs KG. Damit liegt es nahe, auch den vertraglichen Bindungswillen der Beklagten auf diesen Zeitpunkt zu beziehen. Das deckt sich mit der Interessenlage des Zwischenhändlers, der durch die Begründung des Garantievertrags zugunsten des Endabnehmers auch für sich Vorteile erlangt. Tritt nämlich ein von der Garantieerklärung erfaßter Mangel auf, wird er im Verhältnis zu seinem Vertragspartner von der eigenen Haftung frei, soweit der Hersteller den Mangel auf Grund der vertraglichen Garantiepflicht selbst behebt. Deshalb spricht alles dafür, daß die Flachglas-Vertriebs KG den Garantievertrag so bald wie möglich begründen wollte, um sich so die damit für sie verbundene mittelbare Freistellungswirkung zu sichern und von späteren Zufälligkeiten (z.B. der Frage, ob der Endabnehmer als Dritter von der Garantie Kenntnis erlangt) unabhängig zu machen. Daß der gebildete Garantiefonds die von der Beklagten übernommene Einstandspflicht "von örtlichen Gegebenheiten und Umständen" unabhängig machen wollte, steht dem nicht entgegen. Diese Wendung hebt die materielle Sicherheit der Garantie hervor, besagt aber nichts darüber, an wen die Beklagte ihr Angebot auf Abschluß des Garantievertrages richten wollte. Die mit der Garantie verfolgte Werbung wird dadurch nicht in Frage gestellt, da sie sich in erster Linie bei den von der Herstellerin beziehenden Zwischenhändlern auswirkt, der letzte Zwischenhändler dem Endabnehmer auch in der Regel die mit der Garantie verbundenen Vorteile vor Augen führen wird, um den Kunden zu gewinnen.
c)
Spricht somit die Interessenlage aller Beteiligten dafür, die Garantie alsbald über einen Vertrag zugunsten Dritter zu begründen (§ 328 BGB), so ist auch davon auszugehen, daß die Beklagte und die Flachglas-Vertriebs KG den Willen zu einer derartigen Vertragsgestaltung hatten. Dafür spricht auch, daß nach dem Schreiben der Beklagten vom 8. November 1974 diese in der Flachglas-Vertriebs KG ihren Vertragspartner hinsichtlich des Garantievertrages sah. Anderenfalls hätte die Beklagte nicht von einer Beanstandung des Glases durch die Flachglas-Vertriebs KG, sondern von einer Mängelrüge des Klägers gesprochen und sich auch sonst in erster Linie mit dem Kläger als Endabnehmer und nicht mit der Flachglas-Vertriebs KG auseinandergesetzt.
Daß die Person des "Dritten" bei der hier gegebenen Vertragsgestaltung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen der Beklagten und der Flachglas-Vertriebs KG noch nicht feststand, berührt das Ergebnis nicht. Für die vertragschließenden Parteien spielte die Identität des künftigen Endabnehmers zunächst keine Rolle. Es genügte die Vereinbarung, daß der jeweilige Endabnehmer der Drittbegünstigte sein sollte. Damit war er ausreichend bestimmbar.
2.
Der Kläger hat die ihm durch den Vertrag zu seinen Gunsten eingeräumten Garantierechte rechtzeitig geltend gemacht.
Zwar hat die Beklagte von dem Garantiefall erst nach Ablauf der Garantiefrist erfahren. Da die Glasscheiben am 7. Oktober 1969 von der Flachglas-Vertriebs KG bei der Beklagten abgeholt wurden, war die 5-Jahres-Frist bereits abgelaufen, als die Beklagte am 28. Oktober 1974 von der Beanstandung Kenntnis erlangte. Das spielt indessen keine Rolle, weil die Garantiefrist nach dem klaren Wortlaut der Garantieerklärung lediglich für den Eintritt des unter die Garantie fallenden Materialschadens, nicht aber für die Geltendmachung des Garantieanspruches Ausschlußwirkung entfaltet.
Entscheidend ist somit allein, daß der Mangel im September 1974 - also innerhalb der Garantiefrist - aufgetreten ist. Daß zu diesem Zeitpunkt der Anspruch des Klägers gegenüber der Firma Glas-Kr. bereits verjährt war, weil diesem Vertrag die VOB/B zugrunde lag, ist unbeachtlich. Die Garantie sollte "unabhängig von den örtlichen Gegebenheiten und Umständen", also auch ohne Rücksicht auf die vertraglichen Abmachungen des Endabnehmers mit dem Glaser, Geltung haben.
3.
Falls die von der Beklagten hergestellten Glasscheiben die vom Kläger behaupteten Mängel aufgewiesen haben sollten (davon ist für die Revisionsinstanz auszugehen), stünde der Begründetheit der Klage nicht entgegen, daß der Kläger jetzt nicht mehr Ersatzlieferung, sondern Schadensersatz in Geld begehrt.
Die Garantieerklärung der Beklagten soll die Mängelansprüche verstärken, die dem Endabnehmer gegen den von ihm beauftragten Werkunternehmer (Glaser) zustehen. Der Garantievertrag lehnt sich also an werkvertragliches Gewährleistungsrecht an. Hier war der Vertrag des Klägers mit der Firma Glas-Kr. ein Werklieferungsvertrag über unvertretbare Sachen; denn die Glasscheiben waren nach den besonderen Maßen der Fensterrahmen im Hause des Klägers gefertigt worden. Daß der Vertrag der Beklagten mit der Firma Flachglas-Vertriebs KG ein Kauf ist, spielt keine Rolle. Maßgeblich ist die wirtschaftliche Funktion, die die Garantie für den begünstigten Endabnehmer als Dritten zu erfüllen hat.
Der Kläger durfte die - für die Revisionsinstanz zu unterstellenden - Mängel selbst beseitigen und von der Beklagten Geldersatz fordern. Die Beklagte befand sich nämlich, wenn die Scheiben mangelhaft waren, mit der aus der Garantie geschuldeten Ersatzlieferung spätestens seit Klageerhebung (Januar 1977) in Verzug. Überdies hatte sie sich hartnäckig geweigert, den ursprünglich eingeklagten Anspruch auf Ersatzlieferung zu erfüllen. Sie hatte sogar gegen ein sie dazu verurteilendes Versäumnisurteil Einspruch eingelegt. Dem Kläger war unter diesen Umständen ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten. Er konnte die mangelhaften Scheiben auswechseln lassen und von der Beklagten Ersatz der ihm dadurch entstandenen Aufwendungen fordern.
Es ändert nichts, daß die Beklagte sich bereit erklärt hatte, eine einzige von insgesamt 12 beanstandeten Scheiben auszuwechseln. Darauf brauchte sich der Kläger nicht einzulassen.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, der Kläger hätte für den Übergang vom Natural- zum Geldersatz der Mitwirkung des Versprechensempfängers (Flachglas-Vertriebs KG) bedurft. Die Interessen dieser Firma wurden nicht davon berührt, in welcher Weise der Kläger seine Garantiean- sprüche geltend machte. Aus dem Garantievertrag läßt sich nicht herleiten, daß der Kläger insoweit gehindert gewesen wäre, selbständig zu handeln.
4.
Der Garantieanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Wie bereits ausgeführt, hat die Garantie den Zweck, die werkvertraglichen Mängelansprüche des Endabnehmers gegen den von ihm beauftragten Unternehmer zu verstärken. Diesem Zweck der Garantie entspricht es, daß die Garantieansprüche in derselben Frist verjähren wie die entsprechenden Gewährleistungsansprüche des Endabnehmers. Hier handelt es sich bei der Verglasung aller Fenster eines Hauses um eine Arbeit bei einem Bauwerk. Die werkvertragliche Verjährungsfrist beträgt also 5 Jahre. Entsprechend unterliegen auch die Ansprüche aus der Garantie einer 5-jährigen Verjährung. Daß der Kläger mit der Firma Glas-Kr. die Geltung der VOB/B vereinbart hatte, ändert nichts. Die Garantie sollte hier für den Endabnehmer "unabhängig von den Umständen des Einzelfalls" gewährt werden. Sie sollte die werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche des Endabnehmers verstärken und daher nach Sinn und Zweck gerade nicht der im Werkvertrag vereinbarten Verkürzung der Verjährungsfrist unterliegen.
Die Beklagte hat mit der Garantie zugesagt, für alle innerhalb der Garantiefrist aufgetretenen Mängel einzustehen. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, daß die Verjährung der Ansprüche aus der Garantie bereits mit der Lieferung, dem Einbau oder der Abnahme des Glases beginnt. Vielmehr entspricht es allein dem Sinn und Zweck der Garantie, daß die Verjährung erst mit der Entdeckung des Mangels zu laufen beginnt (vgl. auch BGH NJW 1979, 645). Andernfalls könnten nämlich Mängel, die erst gegen Ende der Garantiefrist entdeckt werden, vielfach nicht mehr vor Eintritt der Verjährung erfolgreich geltend gemacht werden. Das zeigt gerade der vorliegende Fall.
Hier hat der Kläger die im September 1974 - also noch innerhalb von 5 Jahren seit Auslieferung der Scheiben - entdeckten Mängel zum Gegenstand der im Januar 1977 erhobenen Klage gemacht. Damit ist die Verjährung rechtzeitig unterbrochen worden.
5.
Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nunmehr prüfen muß, ob und inwieweit die Scheiben mangelhaft waren und was die Ersatzscheiben gekostet haben.
Girisch
Doerry
Bliesener
Obenhaus