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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.06.1979, Az.: IX ZR 69/75

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.06.1979
Aktenzeichen
IX ZR 69/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 16838
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 02.07.1971
LG Hannover

Fundstellen

  • DB 1979, 1597-1598 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1979, 251 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1979, 932 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1979, 1987 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Firma Bankhaus Z.H. G., offene Handelsgesellschaft in Liquidation, H., gesetzlich vertreten durch den gerichtlich bestellten Abwickler Rechtsanwalt Dr. W., E., K. Str. ...,

Prozessgegner

Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Landesverwaltungsamt, Wiedergutmachung, Auestraße 14, Hannover 1,

Amtlicher Leitsatz

Bei einer OHG besteht die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren weiter, wenn Abwicklungsmaßnahmen notwendig werden, nachdem die Firma im Handelsregister auf die Anzeige der Liquidatoren, die Abwicklung sei beendet, gelöscht worden ist. Anders als bei der GmbH (BGHZ 53, 264; BGH RzW 1973, 350) bedarf es dazu keiner gerichtlichen Bestellung.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 1979 durch die Richter Dr. Thumm, Henkel, Fuchs, Portmann und Dr. Lang

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. Juli 1971 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Bis zur Geschäftsbeendigung im Zuge der nationalsozialistischen Verfolgung betrieb die Klägerin in Hannover eine Bank. Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft waren der Kommerzienrat Hermann G. und sein Sohn Dr. Gustav G.. Sie waren jüdischer Herkunft. Hermann G. starb 1935 und wurde von seinem Sohn Dr. Gustav G. und seiner Tochter Hedwig F. beerbt. Dr. Gustav G. starb 1952. Alleinerbin ist seine Ehefrau Lilli Ernestine G., die jetzt den Familiennamen Gu. führt.

2

Auf Antrag der Erbinnen der früheren Gesellschafter, Lilli Ernestine G. und Hedwig F., bestellte das Amtsgericht Hannover am 6. August 1955 Rechtsanwalt und Notar Dr. W. aus E. zum Nachtragsliquidator der Gesellschaft.

3

Im Verfahren vor der Entschädigungsbehörde über den Goodwill-Schaden der OHG i.L. trat Dr. W. zunächst als Bevollmächtigter der Erbin Lilli Ernestine Gu. verwitwete G. auf. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1963, das am nächsten Tag bei der Behörde einging, wies er jedoch zu dem Anspruch auf Entschädigung für den Verlust des Goodwill darauf hin, daß er durch Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 6. August 1955 zum Nachtrags abwickler für die offene Handelsgesellschaft unter der Firma Z. H. G. bestellt worden sei (Bl. E1/306 d. EA).

4

Mit Bescheid vom 29. April 1964 lehnte die Behörde den Antrag auf Entschädigung für Schaden an Vermögen ab, weil ein entschädigungsfähiger Goodwill nicht vorhanden gewesen sei. Der Bescheid erging

"In dem Entschädigungsverfahren der Firma Bankhaus "Z. H. G.", o.H.G. in Liquidation, gesetzlich vertreten durch die Liquidatoren

  1. A)

    Lilli Gu. vw. G. geb. Fr., ...

    geb. am ...1903 in B.

    wohnhaft: ... B. Drive, S., G./USA

    als Erbin nach Dr. Gustav G.

  2. B)
    1. 1)

      Lilli Gu. vw. G. geb. Fr.,

    2. 2)

      Hedwig F. geb. G.,

      wohnhaft: in N./USA,

      als Erben nach Hermann G.

Bevollmächtigte zu A, B 1:

Rechtsanwälte und Notare

Dr. Hubert W., Helmut B., Hubert S. Rechtsanwalt

... E., K. Str. ... (E.)

Bevollmächtigter zu B 2:

Rechtsanwalt und Notar Dr. Be.,

... B. K.str. ..."

5

Der Bescheid wurde am 12./13. Mai 1964 dem Rechtsanwalt Dr. Be. und den Rechtsanwälten Dr. W., B. und S. als Bevollmächtigten der Erben zugestellt. Ihm war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, in der es heißt:

"Soweit durch diesen Bescheid der geltend gemachte Anspruch abgelehnt worden ist, kann der Antragsteller ihn innerhalb einer Frist von drei Monaten - wenn er im außereuropäischen Ausland wohnt, innerhalb einer Frist von sechs Monaten - dadurch anfechten, daß er den abgelehnten Anspruch durch eine Klage vor dem Landgericht - Entschädigungskammer - in Hannover geltend macht."

6

Gegen diesen Bescheid hat Rechtsanwalt Dr. W. im Namen der Klägerin Klage erhoben und dabei die Vertretungsverhältnisse wie in dem angefochtenen Bescheid bezeichnet. Die Klageschrift ist am 5. November 1964 bei dem Landgericht eingegangen und acht Tage später dem Beklagten zugestellt worden. Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 75.000 DM verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage wegen Verspätung als unzulässig abgewiesen Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe

7

I.

Die Revision ist zulässig.

8

1.

In der Zeit zwischen dem Erlaß des Berufungsurteils und der Einlegung der Revision hat die klagende OHG ihre Parteifähigkeit (§50 ZPO, §124 Abs. 1 HGB) nicht dadurch verloren, daß, wie die vom Senat beigezogenen Handelsregisterakten 81 HRA 18 389 AG Hannover ergeben, 1974 auf Anmeldung des Liquidators Rechtsanwalt Dr. W. das Erlöschen der Firma in das Handelsregister eingetragen worden ist. Eine solche Eintragung wirkt nur deklaratorisch. Wenn sich nach der Löschung herausstellt, daß doch noch Gesellschaftsvermögen vorhanden oder ein Anspruch geltend zu machen ist, so ist die Liquidation noch nicht beendet, die Firma in Wahrheit noch nicht erloschen (RG JW 1926, 1432 Nr. 1; RGZ 134, 91, 94; BGH LM GmbHG §74 Nr. 1; BGH RzW 1973, 350). Die OHG hat nur scheinbar zu bestehen aufgehört, in Wahrheit existiert sie noch. Die unzutreffende Löschung im Register kann wieder gelöscht werden (§142 Abs. 1 FGG). Auch wenn das noch nicht geschehen ist, kann die Gesellschaft unter ihrer bisherigen Firma auftreten, also klagen und verklagt werden (Schilling in Großkommentar zum HGB, 3. Aufl. §157 Anm. 11).

9

2.

Die Klägerin wird im Revisionsverfahren durch Rechtsanwalt Dr. W. als ihren Abwickler nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§§51, 52 ZPO, §149 Satz 2 HGB).

10

Dr. W. ist 1955 zum Liquidator der Gesellschaft bestellt worden (§146 Abs. 2 HGB). Damit wurde er alleiniger Abwickler. Zwar ist rechtlich auch eine Bestellung zum Mitabwickler neben anderen Liquidatoren möglich. Im Zweifel ist aber anzunehmen, daß der vom Gericht ernannte Liquidator nicht neben, sondern an die Stelle der bisherigen Liquidatoren treten soll (Flechtheim bei Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. §146 Anm. 13; Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl. S. 490). Hier deutet nichts darauf, daß Rechtsanwalt Dr. W. nur zum Mitliquidator ernannt worden wäre. Der Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 6. August 1955 bestellte ihn schlechthin "zum Nachtragsliquidator".

11

Daß 1974 das Erlöschen der Firma im Handelsregister eingetragen worden ist, hat seine Liquidatorenstellung nicht berührt. Wenn die Liquidation der nur scheinbar beendeten Gesellschaft noch andauert, hat der bisherige Abwickler seine Tätigkeit fortzusetzen (Baumbach/Duden, HGB 23. Aufl. §157 Anm. 1 C; Hueck a.a.O. S. 518/519). Das schließt das Fortbestehen seiner Vertretungsbefugnis (§149 Satz 2 HGB) ein.

12

Nach der Entscheidung BGHZ 53, 264 (= LM GmbHG §74 Nr. 2 mit Anmerkung von Fleck), der sich der Senat in RzW 1973, 350 angeschlossen hat, lebt allerdings bei einer GmbH die Vertretungsbefugnis der früheren Abwickler nicht wieder auf, sondern das Gericht hat auf Antrag die bisherigen oder andere Abwickler neu zu bestellen, wenn sich nachträglich weitere Abwicklungsmaßnahmen als notwendig erweisen, nachdem die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht worden ist, weil die Abwickler die Beendigung der Liquidation angezeigt hatten. Zu diesem Ergebnis ist der Bundesgerichtshof dadurch gekommen, daß er §273 Abs. 4 AktG auf die GmbH entsprechend angewandt hat. Das läßt sich nicht auf die OHG übertragen, die anders als AG und GmbH keine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, so daß eine analoge Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften fernliegt. Unter den im allgemeinen besser überschaubaren Verhältnissen der OHG, bei der in der Regel die Gesellschafter Liquidatoren werden (§146 Abs. 1 Satz 1 HGB), bedarf der Rechtsverkehr nicht im gleichen Maße wie bei den Kapitalgesellschaften des Schutzes in der Weise, daß bei der Fortsetzung einer nur vermeintlich beendeten Liquidation durch einen Bestellungsakt Klarheit über die Person der Abwickler geschaffen wird.

13

II.

Die Revision ist begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage zulässig.

14

1.

Rechtsanwalt Dr. W. hat allerdings in der Klageschrift die Vertretungsverhältnisse unrichtig bezeichnet. Dies ist jedoch unschädlich. Nach §§253 Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO ist die Angabe der gesetzlichen Vertreter nicht erforderlich. Rechtsanwalt Dr. W., der die Klage namens der Klägerin erhob, hatte als ihr Liquidator das Recht, sie zu vertreten, handelte also im Rahmen einer ihm gesetzlich zustehenden Vertretungsmacht und bezeichnete nur das Vertretungsverhältnis falsch.

15

2.

Das Berufungsgericht hält die rund 5 1/2 Monate nach der Zustellung des Bescheides eingereichte und demnächst zugestellte Klage für unzulässig, weil die Klagefrist nicht gewahrt sei. Obwohl der Bescheid nicht an Rechtsanwalt Dr. Witte in seiner Eigenschaft als Liquidator der Gesellschaft gerichtet gewesen sei, habe seine Zustellung die Klagefrist in Lauf gesetzt. Diese betrage drei Monate (§210 Abs. 1 BEG). Sie sei nicht nach §210 Abs. 2 BEG auf sechs Monate erstreckt. Denn der Ort der Geschäftsführung und damit der Sitz der werbenden OHG habe sich in Hannover befunden und weder die Liquidation noch die Tatsache, daß die Erben der Gesellschafter im außereuropäischen Ausland wohnten, hätten zu einer Verlegung des Sitzes geführt. Eine den Lauf der dreimonatigen Klagefrist hindernde unrichtige Rechtsmittelbelehrung habe die Behörde der Klägerin nicht erteilt. Ein etwaiges Fehlverständnis infolge einer Unklarheit zur Frage der Dauer der Klagefrist hätte nach BGH RzW 1967, 137 Nr. 36 möglicherweise zur Wiedereinsetzung in die versäumte Frist führen können. Einen dahingehenden Antrag habe die Klägerin aber nicht gestellt.

16

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

17

Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin nach wie vor ihren Sitz in H. habe, wendet sich die Revision nicht. Diese Beurteilung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. RzW 1969, 286).

18

Gleichwohl hat die Zustellung des Bescheides (§210 Abs. 3 BEG) die dreimonatige Klagefrist des §210 Abs. 1 BEG nicht in Gang gesetzt. Ob das schon daraus folgt, daß die Zustellung nach §§196 Abs. 1 Satz 1, 197 Abs. 1 BEG, §§7 Abs. 2, 9 Abs. 2 VwZustG fehlerhaft war, weil sie nicht an Rechtsanwalt Dr. W. in seiner Eigenschaft als Abwickler der OHG gerichtet war, kann offen bleiben.

19

Nach §195 Abs. 2 Nr. 3 BEG muß der Bescheid den Hinweis enthalten, daß Klage erhoben werden kann, soweit der Anspruch abgelehnt worden ist, und die Belehrung, in welcher Form, innerhalb welcher Frist sowie bei welchem Gericht die Klage zu erheben ist. Fehlt es an dieser Belehrung oder ist sie unvollständig oder unrichtig, so wird die Klagefrist nicht in Lauf gesetzt (BGH RzW 1958, 117; 1959, 332 Nr. 37; 1961, 85 Nr. 47; 1963, 174; 1973, 352). Der Schutz des Rechtssuchenden verlangt dabei nicht nur eine inhaltlich richtige, sondern auch eine eindeutige und klare Rechtsmittelbelehrung. Ist sie unklar oder irreführend, so setzt sie die Klagefrist nicht in Lauf (BGH RzW 1967, 38; 1973, 351). Das gilt selbst dann, wenn der Antragsteller durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (BGH RzW 1961, 85 Nr. 47; 1973, 351). In dem Urteil BGH RzW 1967, 137 Nr. 36 wird allerdings die davon abweichende, vom Berufungsgericht angeführte Ansicht vertreten, die Unklarheit einer Belehrung hindere den Lauf der Klagefrist nicht, sondern eröffne allenfalls bei Versäumung der Frist die Möglichkeit, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen Diese für die damalige Entscheidung nicht tragende Erwägung berücksichtigt nicht genügend den durch die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung bezweckten Schutz des Antragstellers. Der Senat hat sie deshalb nicht wieder aufgegriffen.

20

Die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Bescheid war irreführend und unklar. Sie stellte nicht auf den für die Dauer der Klagefrist nach §210 BEG maßgeblichen Sitz der Klägerin ab, sondern darauf, wo die Antragstellerin wohnt. Die Verwendung des Begriffs "wohnen" war in diesem Zusammenhang mißverständlich. Die Klägerin "wohnte" als OHG nicht, sondern hatte als Handelsgesellschaft an einem bestimmten Ort ihren Sitz. Dieser war im angefochtenen Bescheid nicht angegeben, wohl aber der außereuropäische Wohnort der Gesellschaftererbinnen, die fälschlich als Liquidatoren bezeichnet waren. Die Nichtangabe des Sitzes der Klägerin und die Bezeichnung der außereuropäischen Wohnorte der als Liquidatoren ausgegebenen Erbinnen konnten zu der Annahme verleiten, daß unabhängig vom Sitz der OHG für die Klagefrist der Wohnsitz der Erbinnen im außereuropäischen Ausland maßgebend sei, die Klagefrist also sechs Monate betrage. Die Rechtsmittelbelehrung war somit unklar und irreführend.

21

Rund 5 1/2 Monate nach der Zustellung des Bescheides ist die Klage damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht verspätet erhoben worden. Das angefochtene Prozeßurteil muß aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit der Bestand des Anspruchs geprüft werden kann.

Dr. Thumm Henkel Fuchs Portmann Dr. Lang