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Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.05.1979, Az.: II ZR 15/79

Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten des Klägers; Erklärung der Erledigung einer Hauptsache durch den klagenden Gläubiger einer gepfändeten Forderung, die nie bestand; Tragung der Kosten eines Rechtsstreits; Einseitige Erledigungserklärung des Klägers; Schutzwürdiges rechtliches Interesse an der gerichtlichen Entscheidung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
14.05.1979
Aktenzeichen
II ZR 15/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 12404
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 02.11.1978
LG Düsseldorf - 15.03.1978

Fundstelle

  • MDR 1979, 1000-1001 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Kaufmann Uwe V., Am B., D.-L.

Prozessgegner

La. Bekleidungsfabrik KG, M. Straße ..., Mü.,
vertreten durch die PMN Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin,
diese vertreten durch die Geschäftsführerin Paula G., M. Straße ... a, Mü.

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Erklärt der klagende Gläubiger einer gepfändeten Forderung die Hauptsache für erledigt, nachdem die Einlassung des verklagten Drittschuldners ergeben hat, daß die angebliche Forderung von Anfang an nicht bestand, so ist über den aufrechterhaltenen Klagabweisungsantrag auch dann in der Sache zu entscheiden, wenn der Drittschuldner seiner Erklärungspflicht gemäß § 840 ZPO nicht nachgekommen war.

  2. b)

    Für eine Kostenentscheidung entsprechend § 91 a ZPO unter Berücksichtigung eines Anspruchs nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Ersatz der Prozeßkosten des Klägers ist in diesem Fall kein Raum.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1979
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Stimpel und
die Richter Dr. Schulze, Fleck, Bundschuh und Dr. Skibbe
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. November 1978 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15. März 1978 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin erwirkte aufgrund von Vollstreckungstiteln gegen ihren Schuldner Heinrich Bo. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gegen den Beklagten. Der Beschluß hatte den angeblichen Gesellschaftsanteil des Schuldners an einer mit dem Beklagten betriebenen BGB-Gesellschaft zum Gegenstand. Die auf der Zustellungsurkunde vermerkten Fragen an den Beklagten als Drittschuldner nach § 840 Abs. 1 ZPO wurden bis zur Erhebung der hier vorliegenden Klage nicht beantwortet.

2

Die Klägerin hat ursprünglich Zahlung von 5.000 DM nebst Zinsen und Nebenkosten verlangt und sich zur Begründung auf ihre durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlangte Rechtsstellung berufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen, es habe eine Gesellschaft zwischen ihm und Boiler nicht gegeben. Die Klägerin hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt, die Berufung unter Verurteilung der Klägerin in die Kosten zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ohne Ausspruch zur Hauptsache dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt dieser seinen im Berufungsrechtszug gestellten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

3

1.

Die Revision ist zulässig. Insbesondere steht ihr § 99 Abs. 1 ZPO nicht entgegen. Denn weil der Beklagte gegenüber der einseitig von der Klägerin abgegebenen Erledigungserklärung den Klagabweisungsantrag aufrechterhalten hat, ist die Hauptsache noch rechtshängig und Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens (BGHZ 37, 137, 142).

4

2.

Die revision hat auch in der Sache Erfolg.

5

Die Klägerin hat selbst nicht mehr behauptet, daß sie aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Ansprüche gegen den Beklagten erworben habe. Die Klage ist demnach - jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt - von Anfang an unbegründet gewesen.

6

Das Berufungsgericht hat, nachdem die Klägerin mit Rücksicht auf den Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatte, "in entsprechender Anwendung des § 91 a ZPO" allein darüber entschieden, welche Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, und diese dem Beklagten auferlegt. Hierbei geht es von der Auffassung aus, daß sich der Streitstoff und das zur richterlichen Entscheidung gestellte Begehren nicht schon kraft Gesetzes auf den Kostenpunkt beschränkt, wenn der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, die beklagte Partei hingegen beim Abweisungsantrag bleibt und zutreffend geltend macht, der mit der Klage verfolgte Anspruch sei von Anfang an unbegründet gewesen. Es meint jedoch, der Streit der Parteien müsse gleichwohl nach den Grundsätzen des § 91 a ZPO behandelt werden, wenn die beklagte Seite rechtsmißbräuchlich auf Klagabweisung beharre. Das sei hier der Fall, da die Klage zwar von Anfang an unbegründet gewesen sei und deshalb mit einer für die Klägerin ungünstigen Kostenentscheidung abgewiesen werden müßte, aber zugleich feststehe, daß der Beklagte der Klägerin nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erstattung der Prozeßkosten als Schadensersatz schulde.

7

a)

Bei seinen Erwägungen legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, daß die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin gegenüber der von vornherein unbegründeten Klage ins Leere ging. Das gilt unabhängig davon, ob für den Beklagten ein über die Nichtverurteilung hinausgehendes Interesse an der Sachentscheidung des Gerichts besteht (BGH, Urteil vom 7.11.68 - VII ZR 72/66, LM ZPO § 91 a Nr. 29). Das Bundesarbeitsgericht hat ersichtlich seinen hiervon abweichenden früheren Standpunkt (soweit nicht schon in der BAG 19, 342 veröffentlichten Entscheidung verlassen) nicht mehr aufrechterhalten, wie sich dem nach § 45 Abs. 2 ArbGG ergangenen Vorlagebeschluß 2 AZR 662/76 vom 18. Januar 1979 entnehmen läßt. Denn dort gelangt es ohne Ausführungen über das Rechtsschutzinteresse zur Sachprüfung eines Antrags, hinsichtlich dessen der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, die Beklagte der Erledigungserklärung aber widersprochen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings noch in seinem Urteil vom 7. Juni 1977 - I C 20/74 (MDR 1977, 867, 868) [BVerwG 07.06.1977 - I C 20/74] auf die in BVerwGE 20, 146 (154) und 31, 318 (320) abgedruckten Entscheidungen zurückgegriffen, wonach der Beklagte bei einseitiger Erledigungserklärung des Klägers an seinem Klagabweisungsantrag festzuhalten berechtigt ist, "wenn er ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der gerichtlichen Entscheidung hat, daß der mit der Klage gegen ihn erhobene Anspruch von Anfang an nicht bestanden habe". Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe braucht nicht angerufen zu werden. Die abweichenden Ansichten werden zu den zwar rechtsähnlichen, jedoch unterschiedlich gefaßten Bestimmungen einerseits der §§ 113 Abs. 1 Satz 4, 161 Abs. 2 VwGO und andererseits des § 91 a ZPO vertreten; außerdem ist der Unterschied auch im rechtlichen Gehalt der Vorschriften begründet. Denn § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sieht die für das verwaltungsgerichtliche Anfechtungsverfahren typische Möglichkeit vor, bei Erledigung des Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit durch Urteil auszusprechen, "wenn der Kläger ein berechtigter Interesse an dieser Feststellung hat". Dann liegt es aber nahe, diese Voraussetzung auch für die Frage heranzuziehen, ob über den aufrechterhaltenen Klagabweisungsantrag in der Sache zu entscheiden ist.

8

b)

Das Beharren des Beklagten auf dem Klagabweisungsantrag ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht rechtsmißbräuchlich. Wie die Regelung in § 269 Abs. 1 ZPO zeigt, hat der Beklagte grundsätzlich ein Recht auf ein Urteil über den geltend gemachten prozessualen Anspruch. Auch wenn man für möglich hält, daß es im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein kann, die Zustimmung zur Klagrücknahme oder zur Erledigungserklärung zu verweigern, gibt hier der Prozeßstoff dafür nichts her. Insbesondere rechtfertigt nicht schon die oft schwierige Lage des Vollstreckungsgläubigers, der vom Drittschuldner keine dem § 840 ZPO genügende Erklärung erhält, die Annahme der Mißbräuchlichkeit (vgl. Linke, ZZP 87 - 1974 -, 284, 301 f.). Ebensowenig liegt ein Fall widersprüchlichen Verhaltens des Beklagten unter dem Gesichtspunkt vor, daß er der Klägerin die dieser auferlegten Kosten nach § 840 ZPO ohnehin erstatten müßte. Denn dafür, ob er hierzu verpflichtet ist, braucht er sich nicht auf die Inzidentprüfung im Rahmen der nur nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung verweisen zu lassen. Die selbstverständliche Kehrseite hiervon ist, daß dem Gläubiger nicht entgegengehalten werden kann, einer späteren Schadensersatzklage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil er schon im Ausgangsverfahren die Verurteilung des Beklagten in die Kosten hätte erreichen können.

9

Worauf das Berufungsgericht im Grunde hinauswill, ist die entsprechende Anwendung von § 91 a ZPO, um in dessen Rahmen einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten als Drittschuldner berücksichtigen zu können. Das ist jedoch mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Mit dem 1942 in die Zivilprozeßordnung eingefügten § 91 a sollte erreicht werden, daß bei Erledigung der Hauptsache der Prozeß nicht allein wegen der Kostenentscheidung weitergeführt werden muß (vgl. Jonas, DR 1942, 997, 1002). Allein die - übereinstimmend erklärte oder tatsächlich eingetretene - Erledigung der Hauptsache rechtfertigt es, den Streit über diese nicht mehr, und zwar auch nicht mehr mittelbar im Hinblick auf die Kostenentscheidung, fortzusetzen, sondern über die Kosten nur unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hat jedoch das Gericht - wie hier - über die Hauptsache zu entscheiden, weil ein Fall der Erledigung nicht vorliegt, dann muß es die grundsätzlich an das Unterliegen in der Hauptsache anknüpfenden Vorschriften über die Pflicht zur Kostentragung anwenden.

10

c)

Das Berufungsurteil ist auch nicht mit anderer Begründung haltbar. Diese käme unter dem Gesichtspunkt der Klageänderung in Betracht, falls der Kläger nunmehr statt des - wie er meinte - übergegangenen Anspruchs die Zahlung von Schadensersatz nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Höhe seiner Prozeßkosten geltend machte. Einen - nach § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO hierfür erforderlichen - bezifferten Klagantrag hat er jedoch nicht (mehr) gestellt. Denn den ursprünglichen Antrag in der Hauptsache hat er fallenlassen, und sein Antrag, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, ist als Antrag in der Hauptsache wegen Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit nicht zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 6.12.56 - VII ZR 39/56; NJW 1957, 303; a.A. ohne nähere Begründung LAG Hannover, NJW 1974, 768 [LAG Hannover 28.11.1973 - 3 Sa 384/73]).

11

3.

Aus alledem folgt, daß der Rechtsstreit durch die einseitige Erklärung der Klägerin nicht erledigt worden ist und das Berufungsgericht eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung treffen durfte. Vielmehr war über den aufrechterhaltenen Klagabweisungsantrag zu befinden. Da die Klage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von Anfang an unbegründet war, ist sie abzuweisen, im Ergebnis also auf die Revision des Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.

12

Weil die Klägerin unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen (§§ 91, 97 ZPO). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 93 ZPO. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift überhaupt zugunsten der klagenden Partei anwendbar ist. Jedenfalls würde es dem Grundsatz der Einfachheit der Kostenregelung widersprechen, wenn hier sämtliche Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO geprüft werden müßten, und zwar nach den für die Entscheidung in der Hauptsache geltenden Regeln, weil nämlich jedes andere Verfahren mit den schutzwürdigen Interessen des Beklagten nicht vereinbar wäre. Dies ginge erheblich über die Prüfung hinaus, welche Partei Veranlassung zur Klage gegeben hat.

Stimpel
Dr. Schulze
Fleck
Bundschuh
Dr. Skibbe