Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.01.1979, Az.: III ZR 119/77
Klage gegen einen Bürgen auf Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung; Wirksamkeit des Grundgeschäfts; Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 11.01.1979
- Aktenzeichen
- III ZR 119/77
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 12463
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Braunschweig - 22.06.1977
- LG Braunschweig
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1979, 980-982 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1979, 476-477 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
W.-B. AG, B. Straße ..., O.
gesetzlich vertreten durch den Vorstand, die Herren Direktoren Lothar F. K. und Norbert
M.
Prozessgegner
Straßenbahnfahrer Gerhard M., B.straße ..., B.
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Darlehensvertrag mit vom Darlehensgeber festgelegten insgesamt unangemessenen Regelungen gegen die guten Sitten verstößt.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 1979
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Nüßgens und
die Richter Dr. Peetz, Dr. Ankermann, Kröner und Boujong
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 22. Juni 1977 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Tatbestand
Laut Urkunde vom 10. Oktober 1974 übernahm der Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Ansprüche der Klägerin aus ihrem Darlehensvertrag mit seinem Vater sowie für ihre damit in Zusammenhang stehenden Ansprüche.
Die Klägerin gewährte dem Vater des Beklagten auf den Antrag vom selben Tage ein Darlehen von 14.000 DM. Der in 47 Monatsraten zurückzuzahlende Gesamtkreditbetrag belief sich auf 23.870 DM (beantragtes Darlehen: 14.000 DM; 1,1 % monatliche Kreditgebühren: 7.496,50 DM; 2,5 % Antragsgebühr: 362,50 DM; Auslagen: 500 DM; Prämie für eine Restschuldversicherung: 1.511 DM). Das Darlehen sollte nach dem Antrag dem Verwendungszweck "Ablösung + pers. Anschaffungen" dienen. Zur Sicherung ließ sich die Klägerin sämtliche Lohn- und Gehaltsansprüche des Darlehensnehmers abtreten, der nach den Angaben im Antrag als Fahrer ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 DM hatte. Die Versicherungsgesellschaft, bei der die Klägerin eine Restschuldversicherung für den Fall des Todes und der Arbeitsunfähigkeit des Darlehensnehmers genommen hatte, teilte dem Darlehensnehmer unter dem 6. Dezember 1974 mit, daß die Versicherung das Risiko aus Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen nicht deckt.
Der gesamte noch ausstehende Darlehensbetrag sowie anfallende Gebühren, Kosten und Zinsen werden nach Nr. 9. der "Weiteren Darlehensvertragsbedingungen" der Klägerin u.a. sofort fällig, wenn der Darlehensnehmer mit der Zahlung eines Betrags von mindestens einer Monatsrate in Verzug gerät. Für fällige Forderungen werden bis zu 1,5 % pro Monat Verzugsgebühren vom Tag der Fälligkeit an berechnet (Nr. 8. der Bedingungen). Bei Eintritt der Fälligkeit belastet die Klägerin eine Bearbeitungsgebühr bis zu 3 % des fälliggestellten Betrags.
Der Darlehensnehmer starb am 25. März 1976 an Herzinfarkt. Die Versicherungsgesellschaft lehnt eine Deckung ab.
Der Darlehensnehmer zahlte bis zu seinem Tode 7.460,30 DM auf den Gesamtkreditbetrag. Seine Witwe leistete vier weitere Raten von je 250 DM.
Die Klägerin hat die Schuld des Darlehensnehmers zum 15. März 1976 auf 18.424,30 DM berechnet, hiervon 3.021,44 DM für nicht verbrauchte Kreditgebühren abgesetzt und den sich danach ergebenden Restbetrag von 15.402,86 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 1. April 1976 - abzüglich der von der Witwe des Darlehensnehmers geleisteten 1.000 DM - u.a. gegen den Beklagten als Bürgen geltend gemacht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und ausgeführt, der Darlehensvertrag sei sittenwidrig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 6.539,70 DM (nebst Zinsen aus wechselnden Beträgen, abzüglich der geleisteten Zahlungen) verurteilt und im übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision bittet die Klägerin,
der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Entscheidungsgründe
Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Der Beklagte haftet nicht für Ansprüche der Klägerin aus dem Darlehensvertrag, den sie mit dem Vater des Beklagten schloß. Dieser Vertrag ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Hierauf kann sich der Beklagte als Bürge berufen.
Nach den anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen ist ein Darlehensvertrag sittenwidrig, wenn zwischen den Leistungen des Darlehensgebers und den von ihm durch einseitige Vertragsgestaltung festgelegten Gegenleistungen des Darlehensnehmers ein auffälliges Mißverhältnis besteht und der Darlehensgeber die schwächere wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers bei der Festlegung der Vertragsbestimmungen bewußt zu seinem Vorteil ausnutzt; dem steht es gleich, wenn sich der Darlehensgeber als der objektiv sittenwidrig Handelnde zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschließt, daß sich der Darlehensnehmer nur auf Grund seiner wirtschaftlich schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Darlehensbedingungen einläßt (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 9. November 1978 - III ZR 21/77 - m.w.Nachw.).
Die Sittenwidrigkeit ergibt sich hier aus einer zusammenfassenden Würdigung des Inhalts und des Zwecks des Geschäfts und der gesamten sonstigen Geschäftsumstände.
Im Rahmen dieser Gesamtbeurteilung ist der Senat befugt, auch die von der Klägerin festgelegten allgemeinen Darlehensbedingungen auszulegen. Die Bank hat diese mustermäßigen (typischen) Bedingungen für eine unbestimmte Anzahl der von ihren Darlehenskunden geschlossenen Verträge verwendet. Sie gelten auch für Vertragsbeziehungen der Bank zu Kunden mit einem allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Bezirks des Oberlandesgerichts, in dem sie ihren Sitz hat.
2.
Das Berufungsgericht hat ein auffälliges Mißverhältnis zwischen den Leistungen der Klägerin und den von ihr festgelegten Entgeltleistungen des Darlehensnehmers auf Grund eines Vergleichs mit den als marktüblich und wirtschaftlich tragbar angesehenen Bedingungen anderer Kreditinstitute für Ratenkredite bejaht.
Ein solcher Vergleich stellt eine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrags dar (vgl. das o.a. Senatsurteil m.w. Nachw.). Es ist danach möglich, einen Darlehensvertrag an den sonst gebräuchlichen, als wirtschaftlich tragbar angesehenen Bedingungen für Ratenkredite und für Darlehen der Teilzahlungsbanken zu messen.
3.
Das Berufungsgericht bedient sich als eines Hilfsmittels für den Vergleich der von der Klägerin festgelegten Darlehensbedingungen mit den marktüblichen Bedingungen für Ratenkredite und für Darlehen der Teilzahlungsbanken der Bestimmung des effektiven Jahreszinses nach einer Annäherungsformel (der "Uniformmethode"):
Effektiver Jahreszins = Zinsbetrag × 12 × 100 / Darlehensbetrag × Anzahl der Laufzeit-Monate
Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es für den Vergleichszweck nicht der Anwendung der Zinsstaffel- oder einer sonstigen gleichwertigen Rechenmethode zur genaueren Bestimmung des effektiven Jahreszinses. Denn durch den Vergleich soll nicht der genaue Jahreszinssatz berechnet werden. Vielmehr soll ermittelt werden, ob die Klägerin im Vergleich zu anderen Kreditinstituten, also nach der Lage des Kapitalmarkts, ein übermäßig hohes Entgelt für den von ihr gewährten Ratenkredit festsetzte. Ein Vergleich ist dabei dann und nur dann möglich, wenn die zu vergleichenden Zinsen und sonstigen Entgeltleistungen nach ein und derselben Methode behandelt werden. Hiervon ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen.
4.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts forderte die Norddeutsche Landesbank entsprechend ihrer Auskunft für persönliche Anschaffungsdarlehen mit einer 47monatigen Laufzeit zum Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens durch den Darlehensnehmer 0,6 % Zinsen je Monat nebst einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 2 % auf den Darlehensbetrag (effektiver Jahreszins, berechnet nach der bei Kessler NJW 1977, 2060; Löwe NJW 1974, 2277, 2258 Fn. 16; Ungnade WM 1975, 1078, 1079 mitgeteilten Formel: 15,1 %). Ferner hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu deren Gunsten als wahr unterstellt, die bei Teilzahlungsbanken üblichen Entgeltleistungen hätten zu dieser Zeit 0,88 % des Darlehens als Kreditgebühr je Monat und 2 % des Darlehens als einmalige Antragsgebühr (effektiver Jahreszins: 21,68 %) betragen. Schon allein mit ihren Kredit- und Antragsgebühren - 1,1 % Kreditgebühr je Monat und 2,5 % einmaliger Antragsgebühr (effektiver Jahreszins: 27,10 %) - lag die Klägerin über den als marktüblich und wirtschaftlich tragbar anzusehenden Bedingungen. Diese Gebühren überstiegen bei ihr die anderer Teilzahlungsbanken um 25 %.
5.
Die von der Klägerin berechneten Auslagen (insgesamt 500 DM = rd. 3,57 % des Darlehens von 14.000 DM) - nach ihrer Darstellung Vermittlerkostenbilden kein Entgelt für den Gebrauch des Kapitals, sondern eine Vergütung für die Verschaffung oder die Hingabe und Überlassung des Kapitals. Sie sind nicht laufzeitabhängig und stellen daher keine Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts dar. Im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrags müssen sie gleichwohl einbezogen werden, um die Gesamtbelastung des Darlehensnehmers zu ermitteln. Ein Kreditinstitut kann bei der einseitigen Festlegung diese Kosten dem Darlehensnehmer in einem einmaligen Schuldbetrag aufbürden, von dem wie hier Kreditgebühren (Zinsen im Rechtssinne) zu entrichten sind, oder diese Kosten in die Vergütung für die Kapitalnutzung oder sonstige Entgeltleistungen (z.B. die Kredit- und Antragsgebühr) einarbeiten. In beiden Fällen belasten sie den Darlehensnehmer bei der Inanspruchnahme eines Darlehens. Für die Beurteilung der Frage der Sittenwidrigkeit sind der Zweck, dem sie dienen, und der Vorteil, den sie dem einen oder anderen Vertragspartner oder beiden bringen sollen, zu berücksichtigen (vgl. das o.a. Senatsurteil m.w.Nachw.).
Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Bedeutung der hier dem Darlehensnehmer aufgebürdeten Auslagen entsprechen diesen Grundsätzen und sind frei von Rechtsirrtum.
6.
Entsprechend ist auch für die Beurteilung der vom Darlehensnehmer zu leistenden Prämie für die Rest- schuldversicherung zu verfahren. Diese Kosten in Höhe von 10,79 % des Darlehens von 14.000 DM bilden kein Entgelt für die Kapitalnutzungsmöglichkeit. Sie sind daher auch nicht als Zinsen im Rechtssinne anzusehen. Gleichwohl können sie bei der Gesamtbeurteilung, ob der Darlehensvertrag sittenwidrig ist, nicht außer Betracht bleiben. Auch sie belasten den Darlehensnehmer wie sonstige Kosten und Auslagen bei der Aufnahme eines Kredits. Trotz der formalen Trennung des von der Klägerin als Versicherungsnehmerin geschlossenen Versicherungsvertrags vom Darlehensvertrag zwischen den Parteien gehören beide Verträge für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB zusammen (so auch Canaris NJW 1978, 1891, 1895 unter Hinweis auf die gesetzliche Wertung, wie sie jetzt in § 302 a Abs. 1 Satz 2 StGB Ausdruck gefunden hat; Freund und Reich NJW 1977, 636 in ihren ablehnenden Anmerkungen zu OLG München NJW 1977, 152 [OLG München 27.02.1976 - 2 U 3384/75]). Entscheidend ist für die Beurteilung auch hier, inwieweit die vom Darlehensnehmer zu tragenden Aufwendungen für die Versicherung dem einen oder anderen Vertragsteil oder beiden einen Vorteil bringen sollen.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Versicherungsschutz (auch) dem Darlehensnehmer zugute kommt. Nach Eintritt des Versicherungsfalles werden er oder seine Erben, soweit die Deckung reicht, mit der Zahlung des Versicherers an den Kreditgeber in entsprechender Höhe von eigenen Leistungen an diesen frei. Andererseits läßt sich nicht verkennen, daß die Versicherung dem Kreditgeber als zusätzliche Sicherheit dient, die ihn im Versicherungsfall, z.B. im Falle des Todes des Darlehensnehmers, soweit die Deckung reicht, des Risikos der Uneinbringlichkeit seiner Forderungen enthebt. Für die Kosten dieser zusätzlichen Sicherheit muß der Darlehensnehmer in voller Höhe aufkommen. Es bedarf nicht der Entscheidung, ob der Kreditgeber die Versicherung "hauptsächlich" in seinem eigenen Interesse nimmt, wovon das Berufungsgericht ausgeht. Er nimmt sie jedenfalls wesentlich auch im eigenen Sicherungsinteresse, weil ihm sonst das Risiko der Kreditgewährung zu groß wird, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat. Das ergibt sich aus Nr. 9 e der "Weiteren Darlehensvertragsbedingungen", nach der der gesamte noch ausstehende Darlehensbetrag sofort fällig wird, wenn der Darlehensnehmer die fälligwerdende Versicherungsprämie nicht entrichtet.
7.
Der Revision ist zuzugeben, daß das Verhältnis dieser Leistungen und Gegenleistungen für sich allein noch nicht ausreicht, die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit zu bejahen. Diese ergibt sich jedoch in Verbindung mit den sonstigen vom Berufungsgericht festgestellten erheblichen Umständen.
Das aufgenommene Darlehen sollte danach, wie schon aus dem Darlehensantrag zu entnehmen ist, zum Teil der Ablösung alter Verbindlichkeiten dienen. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war möglich, daß der Darlehensnehmer seine Rückzahlungsverpflichtungen ihr gegenüber nicht einhalten würde. Gerät der Darlehensnehmer aber in Rückstand mit der Zahlung der vereinbarten Raten, so hat die Klägerin in ihren kleingedruckten allgemeinen Darlehensbedingungen auf der Rückseite des Darlehensantrags zusätzliche Leistungen des Darlehensnehmers festgelegt, die seine Gesamtbelastung weiter ins Unangemessene und Untragbare steigern. Die Klägerin berechnet für fällige Forderungen bis zu 1,5 % monatliche Verzugsgebühren und zusätzlich die ihr durch Zahlungsverzug oder Vertragsverletzung entstehenden Kosten, insbesondere 5 DM für die erste und 7,50 DM für weitere Mahnungen (Nr. 8 der Weiteren Darlehensvertragsbedingungen). Bei Eintritt der Fälligkeit wird der Darlehensnehmer mit einer Bearbeitungsgebühr bis 3 % in Höhe des fälliggestellten Betrags, also auch in Höhe der fälligen Gebühren, Kosten und Zinsen belastet (Nr. 9 der Bedingungen). Die Aufzeichnungen der Klägerin sollen im übrigen "bis zum Beweis der Unrichtigkeit" als maßgeblich für den Bestand und die Höhe der Schuld gelten (Nr. 19 der Bedingungen).
Eine eindeutige Regelung über die Rückvergütung oder sonstige Behandlung der Kreditgebühren (Zinsen im Rechtssinne) im Falle vorzeitiger Fälligkeit ist den allgemeinen Bedingungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Nur im Falle vorzeitiger Ablösung des Darlehens soll der Darlehensnehmer eine Rückvergütung der Kreditgebühren "in Höhe von mindestens 5 %" Jahreszinsen erhalten, soweit der Darlehensrest mindestens 200 DM beträgt und mindestens drei Raten vorzeitig abgelöst werden.
Dieses Risiko erheblicher zusätzlicher Belastungen im Falle vorzeitiger Fälligkeit können rechtsunkundige oder nicht geschäftsgewandte Darlehensbewerber, an die sich die Klägerin als Teilzahlungsbank wendet, nicht abschätzen. Die kleingedruckten "Weiteren Darlehensvertragsbedingungen" auf der Rückseite des Darlehensantrags werden sie bei Stellung des Antrags häufig übersehen oder, selbst wenn sie sie lesen, in ihrer Bedeutung nicht voll erfassen. Das gilt in gleicher Weise für das Risiko einer Anpassung der Kreditgebühren an geänderte Diskontsätze der Deutschen Bundesbank. Die Klägerin behält sich diese Anpassung bei Änderungen gegenüber dem Tag der Antragstellung von mehr als 0,5 % vor, wenn die Laufzeit des Darlehens zwei Jahre übersteigt. Der Vorbehalt der Anpassung wird danach für Erhöhungen des Diskontsatzes wesentlich, während dem Darlehensnehmer ein Recht auf eine Ermäßigung der Kreditgebühren bei einer Senkung des Diskontsatzes versagt bleibt.
8.
Die Klägerin hatte bei der Kreditgewährung an den Darlehensnehmer, der sich in einer ungünstigen wirtschaftlichen Lage befand, allerdings ein erhöhtes Risiko.
Die Klägerin beschränkte sich zu ihrer Sicherung nicht darauf, sich den pfändbaren Teil der Lohn- und Gehaltsansprüche des Darlehensnehmers abtreten und sich zur Einziehung der nicht abtretbaren Bezüge, soweit sie pfändbar wären, ermächtigen zu lassen. Diese Sicherung wurde vielmehr durch eine Bürgschaft des Beklagten, seines Sohnes, und eine Restschuldversicherung für den Fall des Todes und der Arbeitsunfähigkeit des Darlehensnehmers ergänzt. Zwar war der Versicherungsschutz eingeschränkt, weil die Versicherung das Risiko aus Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen nicht deckte. Der verhältnismäßig teuere Versicherungsschutz hatte gleichwohl z.B. für den wichtigen Fall einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder eines unfallbedingten Todes des Darlehensnehmers noch wesentliche Bedeutung auch für die Sicherung der Klägerin. Die Sicherheiten waren geeignet, das erhöhte Risiko der Klägerin zum Teil zu senken.
Trotz dieses erhöhten Risikos bestand daher nach der rechtsfehlerfreien Auffassung des Berufungsgerichts ein auffälliges Mißverhältnis zwischen der Leistung der Klägerin und den von ihr festgelegten Entgelt- und sonstigen Zusatzleistungen des Darlehensnehmers.
9.
Die Klägerin kannte bei Abschluß des Darlehensvertrags die Umstände, die dessen Sittenwidrigkeit begründen. Der für sie handelnde Vertreter wußte, daß sich der Darlehensnehmer in einer wirtschaftlich ungünstigen Situation befand und daß er seine alten Verbindlichkeiten umschulden wollte. Die Klägerin hat sich daher zumindest grob fahrlässig der Einsicht verschlossen, daß der Darlehensnehmer nur infolge seiner wirtschaftlich ungünstigen Lage bereit war, das hochverzinsliche Darlehen in Anspruch zu nehmen, das mit weiteren ihn unangemessen belastenden, für einen rechtsunkundigen oder geschäftsungewandten Darlehensnehmer nicht zu durchschauenden Regelungen verbunden war.
10.
Es kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben, ob auch die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrags nach § 138 Abs. 2 BGB vorliegen.
11.
Die Klägerin hat nicht dargetan, daß ihr unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten ein höherer als der zuerkannte Betrag und höhere als die zuerkannten Zinsen zustehen.
Ihre Revision muß daher auf ihre Kosten (§ 97 ZPO) zurückgewiesen werden.
Peetz
Ankermann
Kröner
Boujong