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Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.12.1978, Az.: 3 StR 381/78

Abgrenzung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl; Verständnis des Begriffes "auf frischer Tat betroffen"; Betreffen auf frischer Tat bei Verbleiben des Opfers bei dem Täter nach dem Diebstahl bis zur Nötigungshandlung, ohne den Diebstahl zu bemerken; Erfordernis eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges der Nötigungshandung mit dem Diebstahl für die Annahme eines räuberischen Diebstahls; Annahme des erforderlichen Zusammenhanges bei Entfernung vom Tatort der Entwendung zusammen mit seinem Opfer in einem Kraftwagen; Voraussetzungen der fehlerhaften Besetzung des Gerichts; Differenzierung zwischen Vollendung und Beendigung einer Tat; Zeitpunkt der Beendigung bei einem Diebstahl

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
13.12.1978
Aktenzeichen
3 StR 381/78
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1978, 13503
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Heidelberg - 30.05.1978

Fundstellen

  • BGHSt 28, 224 - 231
  • JZ 1979, 237-239
  • MDR 1979, 327-328 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1979, 726-728 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer u.a.

Prozessführer

Fotis M. aus St., geboren am ... 1953 in P. (R.),

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Abgrenzung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl.

  2. 2.

    Das Merkmal "auf frischer Tat betroffen" in § 252 StGB ist nicht verwirklicht, wenn der Bestohlene, dem die Brieftasche aus seiner Kleidung entwendet wird, nach dem Diebstahl bis zur Nötigungshandlung des Täters mit diesem zusammenbleibt, ohne den Diebstahl bemerkt zu haben (im Anschluß an BGHSt 26, 95).

  3. 3.

    Der Umstand, daß der Dieb sich nach der unbemerkten Entwendung zusammen mit seinem Opfer in einem Kraftwagen vom Tatort entfernt, rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Nötigungshandlung mit dem Diebstahl für die Annahme eines räuberischen Diebstahls.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
hat in der Sitzung vom 13. Dezember 1978,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schubath, Dr. Schauenburg, Dr. Krauth, Dr. Niepel als beisitzende Richter,
Bundesanwalt ... in der Verhandlung, Bundesanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 30. Mai 1978

    1. a)

      im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Diebstahls, der Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§§ 242, 240, 223 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 52, 53 StGB) schuldig ist,

    2. b)

      im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit räuberischem Diebstahl, Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis (§§ 316 a, 252, 223 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 52 StGB) zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten macht Verletzungen des förmlichen und des sachlichen Rechts geltend. Sie ist nur zum Teil begründet.

2

I.

Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Mit ihr beanstandet die Revision, daß den Vorsitz in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten der Richter am Landgericht ... als regelmäßiger Vertreter des Vorsitzenden der Strafkammer geführt hat. Damit sei das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO). Ein Fall der Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 GVG habe nicht vorgelegen, da der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts der Strafkammer in fehlerhafter Weise einen namentlich nicht bekannten Richter unter der Bezeichnung "N.N." als Vorsitzenden zugewiesen habe.

3

In dieser Form wird die Rüge den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gerecht und ist daher unzulässig. Sie gibt die den angeblichen Mangel enthaltenden Tatsachen nicht so vollständig an, daß das Revisionsgericht bereits aufgrund der Revisionsschrift prüfen könnte, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn der behauptete Sachverhalt bewiesen wird (vgl. BGHSt 22, 169; 27, 216). Allein der Umstand, daß ein Geschäftsverteilungsplan für die Stelle des Vorsitzenden einer Strafkammer keine bestimmte Person nennt, macht ihn noch nicht fehlerhaft. Vielmehr darf die Besetzung der Stelle einem noch nicht zur Verfügung stehenden Vorsitzenden vorbehalten bleiben, wenn zu erwarten ist, daß mit der Benennung dieser Person in absehbarer Zeit gerechnet werden kann (vgl. BGHSt 14, 11, 15 f). Solange dies der Fall ist, liegt bezüglich der Person des Vorsitzenden ein Fall der Verhinderung im Sinne des § 21 f Abs. 2 GVG vor, der den Eintritt des vom Präsidium bestimmten regelmäßigen Vertreters rechtfertigt. Daß dies hier nicht so gewesen wäre, trägt die Revision nicht vor. Sie teilt nicht einmal mit, seit wann der Geschäftsverteilungsplan die von ihr beanstandete Fassung hatte.

4

II.

Die Sachbeschwerde führt zur Änderung des Schuldspruchs in dem von der Verteidigung angestrebten Sinne und zur Aufhebung des Strafaus Spruchs. Soweit die Revision darüber hinaus - ohne dazu nähere Ausführungen zu machen die volle Aufhebung des Urteils zum Ziel hat, ist sie im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

5

1.

Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis besaß, am Tattage gegen 13.00 Uhr mit dem Schweizer Staatsbürger B. in einem Kraftwagen vom Stuttgarter Hauptbahnhof ab, um - so hatte er versprochen den Zeugen gegen ein vorher empfangenes Entgelt nach Hamm zu bringen. Er beabsichtigte aufgrund einer Verabredung mit dem Ägypter A. und dem Jugoslawen Sta., mit denen zusammen er B. in einem illegalen Spielclub beobachtet hatte, diesem sein Geld wegzunehmen. An einer Tankstelle an der Autobahn nach Heilbronn gelang es ihm, B. unbemerkt die Brieftasche mit 15.500 DM und persönlichen Papieren aus der Jackentasche zu entwenden und in seiner Gesäßtasche zu verwahren. Sein Ziel war es nun, "B. so schnell wie möglich aus dem Wagen zu bekommen." An der Autobahnausfahrt Wiesloch-Rauenberg, also etwa 50 km über Heilbronn hinaus, verließ er die Autobahn und suchte "in einem Rebengelände immer einsamere Wege" (UA S. 6) auf. Als der ängstlich werdende B. ihn fragte, ob er ihn töten wolle, fürchtete der Angeklagte, der Bestohlene werde nun sogleich den Verlust des Geldes bemerken. Um zu verhindern, daß B. ihn "zur Rede stelle bzw. Hilfe herbeihole" (UA S. 7), schlug er deshalb auf ihn ein, würgte ihn und stieß ihn aus dem Wagen. Nachdem er sein um Hilfe rufendes Opfer zu Boden geschlagen und ihm unter Beschimpfungen bedeutet hatte, er könnte ihm auch noch das in der Hemdbrusttasche verwahrte weitere Geld nehmen, fuhr er davon. B. wurde kurze Zeit darauf von einem Mann bemerkt und zur Polizei gebracht.

6

2.

Mit Recht macht die Revision geltend, daß die Anwendung des § 252 StGB - und damit auch des § 316 a StGB auf diesen Sachverhalt Bedenken begegnet.

7

a)

Das Landgericht nimmt an, daß der Angeklagte des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) und nicht des Raubes (§ 249 StGB) schuldig sei, weil der Diebstahl des Geldes vollendet war, als er Gewalt gegen den Bestohlenen übte. Es folgt damit der herrschenden Meinung in Lehre und Rechtsprechung, wonach die Vollendung der Tat und nicht erst deren Beendigung die Grenzlinie zwischen den beiden Straftatbeständen bezeichnet (vgl. zuletzt BGH NJW 1975, 1176, insoweit in BGHSt 26, 95 nicht abgedruckt). Von jeher anderer Ansicht ist Dreher (eingehende Begründung MDR 1976, 529; auch Dreher/Tröndle, StGB 38. Aufl. § 252 Rdn 4), der den Anwendungsbereich des § 252 StGB erst mit der tatsächlichen Beendigung des Diebstahls beginnen läßt. Soweit er aus der einhelligen Rechtsprechung, wonach Diebstahl mit Waffen auch dann vorliegt, wenn der Dieb zwischen Vollendung und Beendigung der Wegnahme zur Waffe greift, auf die Anwendbarkeit des § 250 schließt, wenn der Dieb die Waffe vor Beendigung des Diebstahls einsetzt (a.a.O. S. 530 r. Sp., vgl. die dort angeführte Rechtsprechung), trägt er dem Umstand nicht ausreichend Rechnung, daß der Raubtatbestand die Anwendung von Gewalt (oder bestimmt gearteter Drohungen) als Mittel der Wegnahme voraussetzt (Eser in Schönke/Schröder, StGB 19. Aufl. § 252 Rdn 3). Zwar ist das Mitführen einer Waffe im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB auch noch nach Vollendung, aber vor Beendigung der Tat ein Mitführen beim Diebstahl, weil in diesem Stadium der Ausführung die Tat noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Dagegen kann die Anwendung von Gewalt nach Vollendung der Wegnahme - etwa durch Einsatz einer mitgeführten Waffe nicht mehr als deren Mittel angesehen werden, weil die Wegnahme ja schon vorher vollendet war und lediglich die Sicherung des bereits gewonnenen Gewahrsams noch aussteht. Auf BGHSt 20, 194 kann sich die Gegenansicht nicht berufen. In dem dort entschiedenen Fall hat der 1. Strafsenat das Mitführen einer Waffe nach Vollendung und vor Beendigung des Raubes als die Tat zum schweren Raub qualifizierenden Umstand anerkannt. Dem entspricht auch das Urteil vom 23. August 1968 (JZ 1969, 606 = NJW 1968, 2252 = BGHSt 22, 227), in dem der 4. Strafsenat eine räuberische Erpressung, die auf einem nichtöffentlichen Weg vollendet und auf öffentlicher Straße beendet wurde, als schwere räuberische Erpressung nach §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. gewürdigt hat. Auch auf diese Entscheidung kann die Auffassung, die Anwendung von Gewalt als Mittel der Sicherung der Beute aus einem bereits vollendeten Diebstahl erfülle die Voraussetzungen des Raubes, nicht gestützt werden. Soweit der 4. Strafsenat in diesem Urteil auf BGHSt 20, 194 für die - von ihm lediglich unterstützend herangezogene - Überlegung verweist, wonach die "in Zueignungsabsicht begangene Wegnahme einer fremden Sache ... zum Raub" werde, "wenn der Täter bei der Begehung, d.h. bis zur Beendigung des Diebstahls Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet", wird damit die zitierte Entscheidung des 1. Strafsenats nicht richtig wiedergegeben, wie sich aus dem oben Gesagten bereits ergibt.

8

b)

Danach kommt allenfalls eine Strafbarkeit des Angeklagten "gleich einem Räuber" nach § 252 StGB in Betracht. Sie scheitert indes daran, daß der Angeklagte von B. nicht auf frischer Tat "betroffen" wurde.

9

Das Landgericht hält dieses Merkmal mit Rücksicht auf das Urteil BGHSt 26, 95 für gegeben, nach dessen Leitsatz auf frischer Tat auch der Dieb betroffen wird, der durch schnelles Zuschlagen dem Bemerktwerden zuvorkommt. Jene Entscheidung läßt sich jedoch auf den jetzt zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragen. Sie betraf einen Fall, in dem der Diebstahl in den Räumen der Bestohlenen bereits vollendet war, als diese ihre Wohnung betrat. Hier hat der 4. Strafsenat das "raumzeitliche Zusammentreffen einer Person mit dem Dieb" als von dem Sinn des Wortes "betreffen" gedeckt angesehen und auf das bis dahin allgemein für erforderlich erachtete Gesehenwerden oder doch wenigstens Gehörtwerden des Diebes verzichtet. Ob die Kritik dieser Auffassung (Dreher, MDR 1976, 529; Fezer, JZ 1975, 609; Samson in SK StGB § 252 Rdn 5; Dreher/Tröndle, StGB 38. Aufl. § 252 Rdn 5) gerechtfertigt ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. jedoch Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 1, wo als Synonyma für das Wort "betreffen" die Wörter "antreffen, ertappen" angegeben werden). Denn hier ist das Opfer nicht hinzugekommen, als der Dieb seine Tat ausgeführt hatte, sondern ist um Sachen, die es am Leibe trug, bestohlen worden und war anschließend bis zur Gewaltanwendung gegen ihn immer mit dem Dieb zusammen. Bei einer solchen Fallgestaltung kann von einem "Betreffen" auf frischer Tat als "raumzeitliches Zusammentreffen" nicht mehr die Rede sein. Dem entspricht es, daß der 4. Strafsenat selbst seine Entscheidung nicht in der Weise verallgemeinert sehen wollte, daß Gewaltanwendung gegen einen noch nichtsahnenden Bestohlenen vor der Beendigung des Diebstahls immer die Anwendung des § 252 StGB rechtfertigen sollte. Er hat seine Rechtsansicht vielmehr ausdrücklich auf den von ihm entschiedenen Fall beschränkt (a.a.O. S. 96: "nicht unter allen Umständen", "jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden"). Der Vorschlag Fezers (a.a.O. S. 610), die Anwendung des § 252 StGB in diesem Zusammenhang auf die Fälle zu beschränken, in denen der Täter auch tatsächlich bemerkt worden wäre, bedarf nach alledem hier keiner weiteren Erörterung.

10

c)

Selbst wenn man die von dem Angeklagten befürchtete Entdeckung seiner Diebestat, der er durch die Gewaltanwendung zuvorzukommen suchte, als ein "Betreffen" iS des § 252 StGB ansehen wollte, könnte diese Vorschrift nicht ange- wendet werden. Denn die Tat war im Augenblick der Anwendung von Gewalt durch den Angeklagten nicht mehr "frisch".

11

Wie lange der Diebstahl seinen Charakter als "frische Tat" behält, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht eindeutig geklärt. Einerseits wird von der herrschenden Auffassung vorausgesetzt, daß der Täter sich alsbald nach Vollendung der Tat am Tatort oder doch in dessen Nähe aufhält (RGSt 73, 343, 345; BGHSt 26, 95; Dreher/Tröndle a.a.O.; Samson a.a.O. Rdn 4; Eser in Schönke/Schröder, StGB 19. Aufl. § 252 Rdn 4; Baldus in LK 9. Aufl. § 252 Rdn 8; OLG Oldenburg HESt 2, 312). Andererseits wird hierzu vielfach auch auf die Entscheidung BGHSt 9, 255, 257 Bezug genommen, die einen solchen engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwar für die Anwendung des § 252 StGB genügend erklärte, aber die vom OLG Celle (HESt 1, 12) bejahte Frage ausdrücklich unentschieden ließ, ob nicht der Diebstahl im gesamten Zeitraum zwischen seiner Vollendung und seiner Beendigung als "frische Tat" anzusehen sei.

12

Das OLG Celle stellte sich mit seiner Rechtsauffassung in bewußten Gegensatz zu der schon damals herrschenden Lehre. Seine Entscheidung ist vereinzelt geblieben. Sie wird dem Wortsinn des Gesetzes, das von einer "frischen" Tat spricht, nicht gerecht. Es trifft zwar zu (a.a.O. S. 15/16), daß die Beendigung des ganzen Unternehmens noch aussteht, solange die Tat noch frisch ist; das bedeutet aber nicht auch umgekehrt, daß die Tat frisch ist, solange die Beendigung des Diebstahls noch fehlt. Das zeigt sich deutlich an einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zwischen der Wegnahme des Diebesguts und der Gewaltanwendung eine lange Zeit vergangen und eine große Entfernung überbrückt worden ist. Es ließe sich leicht eine Fallgestaltung denken, bei welcher der zeitliche und räumliche Abstand zwischen Diebstahl und Gewaltanwendung noch weit größer wird, ohne daß der Täter zuvor den an dem Diebesgut erlangten Gewahrsam im Sinne der Beendigung gesichert hätte. Da sich der Begriff der "Frische" nicht auf das gesamte mit der Schädigung des Opfers zusammenhängende Geschehen, sondern nur auf den Diebstahl bezieht, muß er deshalb bereits vor dessen Beendigung wegen Zeitablaufs unanwendbar werden können.

13

Es ist aus diesem Grunde Baldus (LK 9. Aufl. § 252 Rdn 5) zu folgen, der die Beendigung des Diebstahls lediglich als zeitliche Grenze ansieht, jenseits derer der Täter nicht mehr "auf frischer Tat" betroffen wird; meist höre die Tat schon auf, eine "frische" zu sein, bevor die Beute gesichert ist. Der Umstand, daß der Angeklagte den Diebstahl noch nicht beendet hatte, als er den Bestohlenen tätlich angriff, könnte daher - abgesehen von den dargelegten anderen Bedenken - noch nicht die Anwendung des § 252 StGB rechtfertigen.

14

Der maßgebende Zeitpunkt, bis zu dem die Tat "frisch" im Sinne der genannten Vorschrift bleibt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGHSt 9, 255, 257). Der Senat ist der Meinung, daß der in Rechtsprechung und Lehre verwendete Begriff des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs mit dem Diebstahl den Zeitraum, in dem der Täter betroffen sein muß, damit § 252 StGB angewendet werden kann, hinreichend sicher bestimmt. Wollte man, der Meinung des Generalbundesanwalts folgend, das Fortbestehen der "eigentlichen Tatsituation", hier der zum Diebstahl ausgenutzten gemeinsamen Autofahrt, für die Annahme des Tatbestandsmerkmals "frische Tat" genügen lassen, so geriete man in einen von den anerkannten Auslegungsgrundsätzen nicht mehr gedeckten Gegensatz zum Wortsinn dieses Begriffs. Wie schon dargelegt, kann sich die Tatsituation, wie sie hier nach dem Diebstahl gegeben war, über einen langen Zeitraum hinziehen und zu einer großen Entfernung des - vom Opfer begleiteten - Täters vom Tatort führen. Von einer "frischen Tat" könnte dann, da sich der Begriff immer gerade auf den Diebstahl beziehen muß, nicht mehr die Rede sein. Der Umstand, daß Täter und Opfer im vorliegenden Fall nach dem Diebstahl zusammenblieben, ist daher nicht geeignet, dem Begriff der "frischen Tat" hier einen besonderen Inhalt zu geben. Es muß vielmehr auch unter solchen Umständen dabei bleiben, daß räuberischer Diebstahl nur dann vorliegen kann, wenn der Täter alsbald nach der Tat am Tatort oder in dessen Nähe Nötigungsmittel einsetzt.

15

Das Ergebnis steht in Einklang mit der Entstehungsgeschichte des § 252 StGB. Die Vorschrift geht zurück auf § 230 des preußischen Strafgesetzbuches von 1852, in den die Wendung des Entwurfs "auf frischer Tat verfolgt" aus dem Grunde nicht aufgenommen wurde, weil Entwendung und Gewalt sehr weit auseinanderliegen könnten (Goltdammer, Materialien zum Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, Teil II [1862] S 516 f). Auch die in RGSt 73, 343 dargestellte Begründung für den Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, den Vorläufer des Reichsstrafgesetzbuches von 1971, läßt das Bestreben erkennen, die Gleichstellung des später gewalttätig werdenden Diebes mit dem Räuber durch das Erfordernis des Betroffenseins auf frischer Tat einzuschränken.

16

Es sind seither keine tatsächlichen Veränderungen in den Lebensverhältnissen eingetreten, die es bedenklich erscheinen ließen, der historischen Auslegungsmethode gerade in Bezug auf die hier in Rede stehende Frage erhebliches Gewicht beizumessen.

17

d)

Die Anwendung des § 252 StGB stößt noch aus einem weiteren Grunde auf Bedenken. Der Tatbestand ist nur dann erfüllt, wenn der Täter annimmt, der Bestohlene werde zumindest versuchen, sich auf der Stelle den Besitz seines Eigentums wiederzubeschaffen. "Seine Absicht muß darauf gerichtet sein, eine Gewahrsamsentziehung zu verhindern, die - sei es in Wirklichkeit, sei es nach seiner Annahme - gegenwärtig ist oder unmittelbar bevorsteht" (BGHSt 13, 64, 65; 9, 162). Ob es hier so lag, ist nach den Feststellungen zweifelhaft.

18

e)

Die Nötigung, die darin liegt, daß der Angeklagte sein Opfer durch Schläge zur Duldung des Hinausstoßens aus dem Wagen zwang, verbindet sich nach alledem mit der voraufgegangenen Entwendung nicht zu einem räuberischen Diebstahl. Sie steht zu dem Diebstahl vielmehr im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB). Auch das vom Angeklagten begangene Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis stellt eine - fortgesetzte - zeitlich selbständige Tat dar. Keine der Ausführungshandlungen der bereits erörterten Straftaten erfüllt zugleich § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.

19

Das Revisionsgericht kann den Schuldspruch selbst ändern. Der Angeklagte hätte sich ersichtlich nicht anders verteidigen können, wenn er auf die Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hingewiesen worden wäre. Über den Strafausspruch muß das Landgericht dagegen neu entscheiden. Dabei wird auch über die Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB neu zu befinden sein.

Schmidt
Dr. Schubath
Dr. Schauenburg
Dr. Krauth
Dr. Niepel