Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.10.1978, Az.: 4 StR 429/78
Unmittelbares Ansetzen bei einem Kraftfahrzeugdiebstahl; Beschaffen eines Nachschlüssels für ein Kraftfahrzeug in diebischer Absicht
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.10.1978
- Aktenzeichen
- 4 StR 429/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1978, 12533
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Dortmund - 13.02.1978
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 28, 162 - 164
- JZ 1979, 36
- MDR 1979, 152-153 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1979, 378 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Diebstahl
Prozessführer
Kaufmann Heinz Georg M. aus H., geboren am ... 1943 in W.
Amtlicher Leitsatz
Wer sich in diebischer Absicht einen Nachschlüssel für ein Kraftfahrzeug beschafft, setzt damit noch nicht unmittelbar zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes an.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 26. Oktober 1978,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Salger,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Dr. Spiegel Dr. Ruß Dr. Engelhardt Goydke als beisitzende Richter,
Bundesanwältin ... als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 13. Februar 1978 wie folgt abgeändert:
Der Angeklagte wird wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr vier Monaten verurteilt; im übrigen wird er freigesprochen.
Soweit Freispruch erfolgt, werden die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten, auf die Staatskasse übernommen.
Die weiter gehende Revision wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vollendeten Pkw-Diebstahls in einem und wegen versuchten Pkw-Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie hat teilweise Erfolg.
Die Verfahrensrüge ist offensichtlich unbegründet. Dasselbe gilt für die Sachbeschwerde, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls (Fall 1 der Urteilsgründe) wendet. Die Feststellungen tragen dagegen nicht die Verurteilungen wegen versuchten Diebstahls (Fälle 3, 4 und 5 der Urteilsgründe). Das Landgericht ist hier der Meinung, daß der Angeklagte bereits unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt habe, indem er sich für die einzelnen Fahrzeuge Nachschlüssel anfertigte, "so daß für ihn jederzeit die Möglichkeit bestand, diese Fahrzeuge aufzuschließen und zu entwenden" (UA 18). Dieser Auffassung ist der Generalbundesanwalt beigetreten.
II.
Der Versuch einer strafbaren Handlung liegt gemäß § 22 StGB dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nach in Rechtsprechung und Lehre übereinstimmender Ansicht nicht erst der Fall, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich dementsprechend auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. BGHSt 22, 81, 82; BGH 4 StR 71/73 vom 8. März 1973 bei Dallinger MDR 1973, 728). Dies ist dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (BGHSt 26, 201 ff mit weiteren Nachweisen; BGH, Urteil vom 29. April 1976 - 4 StR 117/76 - S. 8 und 9).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 3, 4 und 5 der Urteilsgründe wegen Versuchs nicht gerechtfertigt. Der Angeklagte hat zwar in allen diesen Fällen Tätigkeiten vorgenommen, die auf die beabsichtigten Diebstähle gerichtet waren. Er hatte sich jeweils Nachschlüssel (Kopien der Zündschlüssel) für die auf dem Gelände einer Kfz-Werkstatt ausgesuchten Fahrzeuge beschafft, und er hat sich ferner in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe nach der Anschrift des jeweiligen Fahrzeughalters und Eigentümers erkundigt und durch Telefonanrufe versucht, den augenblicklichen Standort der Fahrzeuge in Erfahrung zu bringen. Diese Maßnahmen waren nach seinem Tatplan notwendig, um den richtigen Augenblick für die Ausführung der Taten bestimmen zu können. Im Falle 5 der Gründe hat der Angeklagte das Kennzeichen des Pkw ermittelt, das dieser vor seiner Abmeldung hatte. In allen diesen Fällen handelte es sich um wichtige Vorbereitungsmaßnahmen, die zu ergreifen der Angeklagte vor der Tatdurchführung für notwendig hielt. Die Vorbereitungen waren indes noch nicht so weit gediehen, daß das Tun des Angeklagten ohne weitere Zwischenakte unmittelbar in die Verwirklichung der Straftatbestände hätte einmünden können. In den Fällen 3 und 4 war dem Angeklagten der augenblickliche Standort der Fahrzeuge nicht bekannt. Deshalb fehlte es bereits an den objektiven Voraussetzungen für eine unmittelbar bevorstehende Tatausführung. Der Angeklagte konnte daher hier die Schwelle zum "jetzt geht es los" noch nicht erreicht haben. Im Fall 5 hatte sich der Angeklagte den Nachschlüssel beschafft und das frühere Kennzeichen des Fahrzeugs in Erfahrung gebracht, er kannte hier auch den Standort des Diebstahlsobjekts, jedoch hatte er sich noch nicht einmal auf den Weg gemacht, um das Fahrzeug zu entwenden. Die Kammer hat bei dieser Sachlage auch keine Feststellungen getroffen, daß er den Entschluß zur unmittelbaren Tatausführung schon gefaßt hatte.
III.
Damit sind nur straflose Vorbereitungshandlungen erwiesen. Dieses Ergebnis entspricht im übrigen der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Nachschlüsseldiebstahl gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. (vgl. RG JW 1931, 2787). Das Urteil ist daher in den Fällen 3, 4 und 5 der Urteilsgründe aufzuheben. Von der Aufhebung miterfaßt wird der Ausspruch über die Gesamtstrafe. Da weitere Feststellungen, die zu einer Verurteilung des Angeklagten in diesen Fällen führen könnten, ersichtlich nicht mehr getroffen werden können und der Besitz von Nachschlüsseln infolge der ersatzlosen Streichung des § 245 a StGB a.F. durch Art. 1 Nr. 67 des 1. StrRG nicht mehr unter Strafe gestellt ist und sich seine Prüfung schon aus diesem Grunde erübrigt, war der Angeklagte von den Vorwürfen des versuchten Diebstahls freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO). Da auszuschließen ist, daß die für den vollendeten Diebstahl verhängte Einzelstrafe von den Einzelstrafen für die Versuchshandlungen beeinflußt worden ist, konnte sie bestehen bleiben. Der Senat hat die Urteilsformel zur Klarstellung neu gefaßt.
Spiegel
Ruß
Engelhardt
Goydke