Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.09.1978, Az.: VII ZR 254/77
Entgangener Gewinn als durch Nachbesserung entstandener Schaden; Vertretenmüssen der Überschreitung einer angemessenen Reparaturzeit; Haftung für ein Verhalten eines zur Durchführung eines Auftrags herangezogenen Technikers; Anlass für einen gerichtlichen Hinweis; Erhalten von Aufträgen "nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge" in der reparaturbedingten Liegezeit eines Schiffes; Schadensermittlung durch Sachverständigengutachten und dem Liegegeldsatz nach dem Deutschen Binnentankschiffahrtstarif
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.09.1978
- Aktenzeichen
- VII ZR 254/77
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1978, 12992
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Karlsruhe - 01.09.1977
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- DB 1979, 258 (amtl. Leitsatz)
Prozessführer
Franz M., B.straße ..., W.
Prozessgegner
Johann L., St. J.straße ..., CH 4132 Mu
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 1978
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Dr. Girisch, Meise, Bliesener und Obenhaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Freiburg - vom 1. September 1977 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger betreibt in VI W. eine Reparaturwerkstatt für Schiffs-Dieselmotoren als Vertragswerkstatt der K.-H.-D. AG (KHD). Im April und Mai 1973 führte er im Auftrag des Beklagten an beiden Motoren von dessen Motorschiff "Cresco" Reparatur- und Überholungsarbeiten aus. Zu diesem Zweck bestellte er bei der KHD für den Steuerbordmotor einen neuen Motorblock und befestigte dann die alten Zylinderrohre mit den von der KHD - zusammen mit dem Motorblock - gelieferten Zentrierringen. Dabei entging sowohl ihm als auch dem von ihm hinzugezogenen Monteur der KHD, daß bei dem übersandten Motorblock weder die mitgelieferten Zentrierringe noch die alten Zylinderrohre hätten verwendet werden dürfen, sondern neue Zylinderrohre ohne Zentrierringe hätten eingebaut werden müssen.
Infolge der unsachgemäßen Reparatur kam es wiederholt zu Motorschäden. Da das Schiff deswegen nicht stromauf in die Werkstatt des Klägers fahren konnte, setzte schließlich die KHD vom 13.-29. September 1973 den Steuerbordmotor in Du. kostenlos instand.
Der Kläger hat restlichen Werklohn zunächst in Höhe von 25.820,54 DM nebst Zinsen eingeklagt. Der Beklagte hat die Klageforderung bestritten und hilfsweise mit einem Gegenanspruch auf entgangenen Gewinn in Höhe von 25.440 DM aufgerechnet, weil das Schiff vom 13.-29. September 1973 16 Tage lang stillgelegen habe.
Das Landgericht hat - unter Klageabweisung im übrigen - dem Kläger 20.693,54 DM nebst Zinsen zugesprochen. Der Beklagt hat Berufung, der Kläger Anschlußberufung in Höhe von 1.125 DM nebst Zinsen eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten lediglich zur Zahlung von 1.354,54 DM nebst Zinsen verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen, weil die Werklohn forderung des Klägers von 20.794,54 DM in Höhe von 19.440 DM durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen sei. Gegen die Abweisung richtet sich die - zugelassene - Revision des Klägers, mit der er seine Berufungsanträge weiterverfolgt.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Reparatur durch die KHD eine Nachbesserung des Klägers oder eine eigene Werkleistung der KHD für den Beklagten sei.
Im ersten Fall gehöre der entgangene Gewinn zu den mit der Nachbesserung verbundenen Schäden, die der Unternehmer jedenfalls dann zu ersetzen habe, wenn er - wie hier - die Überschreitung der angemessenen Reparaturzeit zu vertreten habe. Im zweiten Falle müsse der Kläger nach § 635 BGB für den entgangenen Gewinn einstehen. Auf sein Nachbesserungsrecht könne er sich nicht berufen. Einer Fristsetzung nach § 634 Abs. 2 BGB habe es nicht bedurft, da hier die sofortige Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch das besondere Interesse des Beklagten gerechtfertigt gewesen sei. Ohne die sofortige Reparatur wäre das Schiff nämlich nicht mehr einsatzfähig gewesen. Eine Nachbesserung in der Werkstatt des Klägers sei nicht in Betracht gekommen, da das Schiff mit dem schadhaften Steuerbordmotor nicht mehr von Köln stromauf nach Weil habe fahren können. Daß der Kläger eine Nachbesserung auch im Raum K./Du. habe vornehmen können, habe er nicht behauptet. Wäre das Schiff von K. nach W. geschleppt worden, hätte das zusätzliche Schleppkosten zur Folge gehabt, ohne daß sich die Liegezeit während der neuen Reparatur verkürzt hätte. Da im übrigen die KHD dem Beklagten die kostenlose Reparatur des Schiffsmotors angeboten habe, habe die Annahme dieses Angebots durch den Beklagten auch im Interesse des Klägers gelegen.
Der Kläger habe den Mangel, nämlich den unrichtigen Zusammenbau der Ersatzteile mit den alten Bestandteilen des Motors, auch zu vertreten. Als Inhaber einer Vertragswerkstatt der KHD habe er für die erforderliche Fachkenntnis bei der Verwendung der Ersatzteile einzustehen. Soweit der Mangel auf ein Versehen der von ihm zur Durchführung des Auftrags herangezogenen Techniker der KHD zurückzuführen sein sollte, hafte er dafür gemäß § 278 BGB, zumal er die ihm für diese Tätigkeit entstandenen Aufwendungen dem Beklagten in Rechnung gestellt habe.
2.
Die Höhe des entgangenen Gewinns schätzt das Berufungsgericht auf 24.466 DM. Dabei geht es davon aus, daß der Beklagte das Schiff - wie sich aus den vorgelegten Frachtrechnungen für die Zeit vor und nach der Reparatur ergebe - während der 16-tägigen Liegedauer ständig hätte einsetzen können. Durch das Sachverständigengutachten des Vorstandes der Schifferbörse zu Du.-R. sei erwiesen, daß als entgangener Gewinn ein Tagessatz von 1.592,39 Schweizer Franken (Sfr) nicht übersetzt sei. Da sich nach dem Deutschen Binnentankschiffahrtstarif i.d.F. der RVO des Bundesministers für Verkehr vom 15. Juli 1973 ein - umgerechneter - Liegegeldsatz von rund 1.660 Sfr ergebe, schätzt das Berufungsgericht den dem Beklagten entgangenen Gewinn auf täglich 1.600 Sfr. Insgesamt betrage somit der Gewinnentgang für 16 Liegetage 25.600 Sfr, dem nach den Bankkursen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Betrag von 24.466 DM entspreche. Davon seien jedoch 5.026 DM abzusetzen, die der Beklagte für den Einbau von sieben neuen Zylinderlaufbüchsen hätte aufwenden müssen, falls die Reparatur des Motors von Anfang an mangelfrei durchgeführt worden wäre.
II.
Das hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1.
Zu Recht rügt der Kläger allerdings, daß das Berufungsgericht im Rahmen seiner alternativen Begründung den Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns auch auf § 633 Abs. 1 BGB stützt. Zwar trifft es zu, daß der zur Mängelbeseitigung verpflichtete Unternehmer auch Schäden an sonstigem Eigentum des Bestellers beheben muß, die im Zuge der Nachbesserung zwangsläufig entstehen (vgl. BGH NJW 1963, 805, 806; BGHZ 58, 332, 338 f; Senatsurteil vom 16. Mai 1974 - VII ZR 35/72 - BauR 1975, 130, 133). Dazu gehört der entgangene Gewinn - und damit auch der Gewinn, der während der Nachbesserungsarbeiten entgeht - aber gerade nicht. Insoweit kommt vielmehr, wie der Senat erst vor kurzem entschieden hat (vgl. NJW 1978, 1626), als Anspruchsgrundlage lediglich § 635 BGB in Betracht. Denn der Anspruch auf Gewinnentgang besteht neben der Nachbesserungspflicht und unabhängig von ihr. Er wird durch die erfolgreiche Nachbesserung nicht ausgeschlossen (vgl. das eben erwähnte Urteil).
2.
Das angefochtene Urteil wird aber von den weiteren, auf § 635 BGB gestützten Erwägungen des Berufungsgerichts getragen, die auch für den vom Berufungsgericht genannten ersten Fall Geltung haben.
a)
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 634 Abs. 2 BGB bejaht. Dabei kann offen bleiben, ob die Geltendmachung des hier in Frage stehenden Anspruchs überhaupt von der Einhaltung der in § 634 BGB geregelten Voraussetzungen abhängig ist; denn hier sind sie jedenfalls erfüllt.
Die vom Berufungsgericht festgestellten Umstände machten hier eine Nachfristsetzung entbehrlich. Der Kläger macht denn auch lediglich geltend, er hätte die Reparatur in Du. ausführen können. Mit diesem neuen Vorbringen kann er nicht gehört werden. Bisher hatte er sich nie darauf berufen, daß es ihm möglich gewesen wäre, die Mängel durch eigene Monteure an Ort und Stelle beheben zu lassen. Da er andererseits zur ersten (mangelhaften) Reparatur des Steuerbordmotors Mitarbeiter der KHD angefordert hatte, sprach so viel gegen diese Möglichkeit, daß für das Berufungsgericht kein Anlaß für einen Hinweis gemäß § 139 ZPO bestand.
b)
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Kläger den Mangel seiner eigenen Instandsetzungsarbeiten zu vertreten hat. Die Revision bemängelt, daß das Berufungsgericht keine konkreten Anhaltspunkte für ein Verschulden des Klägers festgestellt habe. Die Rüge geht fehl. Den Kläger trifft die Beweislast für das Gegenteil (vgl. BGHZ 42, 16, 18; 48, 310, 312). Er hat sich nicht entlastet.
Der Kläger ist als Inhaber einer Vertragswerkstatt der KHD verpflichtet, sich stets über die sein Arbeitsgebiet betreffenden Neuentwicklungen dieses Unternehmens zu vergewissern. Darin ist sein persönliches Verschulden zu sehen. Im übrigen haftet er aber auch für das - von ihm nicht mehr angezweifelte - Verschulden der von ihm zur Ausführung der Arbeiten hinzugezogenen Techniker der KHD. Diese sind seine Erfüllungsgehilfen (vgl. dazu auch das Senatsurteil NJW 1978, 1157).
c)
Schließlich begegnet auch die Entscheidung über die Höhe der Aufrechnungsforderung keinen Bedenken. Der Beklagte hat nachgewiesen, daß sein Schiff sowohl vor als auch nach der Liegezeit ständig im Einsatz war. Das Berufungsgericht durfte daher davon ausgehen, daß der Beklagte "nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge" (§ 252 BGB) auch in der reparaturbedingten Liegezeit Frachtaufträge erhalten hätte.
Das Berufungsgericht hat die Höhe des entgangenen Gewinns anhand des vorliegenden Sachverständigengutachtens und des Liegegeldsatzes nach dem Deutschen Binnentankschiffahrtstarif gemäß § 287 ZPO rechtsfehlerfrei geschätzt. Das stellt die Revision auch nicht in Frage. Dadurch, daß das Berufungsgericht die 5.026 DM für den Einbau von 7 neuen Zylinderlaufbüchsen sowohl bei der Werklohnforderung angesetzt als auch von der Aufrechnungsforderung abgesetzt, also doppelt gerechnet hat, ist der Kläger nicht beschwert.
III.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Girisch
Meise
Bliesener
Obenhaus