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Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.11.1977, Az.: VI ZR 114/76

Geltendmachung eines KFZ-Schadens anhand der voraussichtlichen Reparaturkosten; Zwischenzeitlicher Verkauf des unreparierten Fahrzeugs durch den Geschädigten und daraus folgende Verbietung der Abrechnung auf "Reparaturkostenbasis"; Möglichkeit der Schadensberechnung auf Grundlage einer fiktiven Instandsetzung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
22.11.1977
Aktenzeichen
VI ZR 114/76
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 12829
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Nürnberg - 27.04.1976

Prozessführer

Sieghard K., N.

Prozessgegner

1. Rolf K., N.,

2. V. Haftpflichtversicherung H.,
gesetzlich vertreten durch ihren Vorstand, Dr. Hans Joachim S., M.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 1977
durch
die Richter Dunz, Scheffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann und Dr. Deinhardt
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. April 1976 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung von Zinsbeträgen aus nicht mehr im Streit befindlichen Teilansprüchen richtet.

  2. II.

    Im übrigen wird auf das Rechtsmittel das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht einen restlichen Ersatzbetrag für die Beschädigung eines Kraftfahrzeugs. Die Haftung der Beklagten steht außer Streit. Der Kläger berechnet den Schaden aufgrund von einem Sachverständigen geschätzter Reparaturkosten sowie technischer und merkantiler Wertminderung. Das Fahrzeug, ein Renault (Sportcoupé) mit einem Kilometerstand von 8814, wurde jedoch vom Kraftfahrzeughalter, der Firma Autohaus K. (Renault-Händler), nicht repariert, sondern verkauft. Die Beklagten haben die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Kauferlös bezahlt. Sie meinen, der Ersatzanspruch berechne sich nicht nach den "fiktiven Reparaturkosten" und der verbleibenden Wertminderung, wenn der Geschädigte sich durch einen Verkauf des beschädigten Fahrzeugs selbst außerstande gesetzt habe, dessen Wiederherstellung i.S. des § 249 BGB durchzuführen.

2

Die vom Kläger eingeklagte Differenz beträgt 1.908,30 DM nebst 12 % Zinsen aus 8.006,59 DM für die Zeit vom 24. Mai bis 15. Juni 1974, sowie 12 % Zinsen aus 5.006,59 DM vom 16. Juni bis 23. Oktober 1974, 12 % Zinsen aus 2.108,30 DM vom 24. Oktober 1974 bis 25. Februar 1975 zuzüglich 12 % Zinsen aus 1.908,30 DM seit 26. Februar 1975.

3

Beide Instanzen haben diesen Anspruch abgewiesen.

4

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

A.

Soweit der Kläger Zinsen aus nicht mehr im Streit befindlichen Teilansprüchen begehrt, war die Revision als unzulässig zu verwerfen, weil sie zu diesem Punkt nicht begründet worden ist (§§ 554, 554 a ZPO).

6

B.

I.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß an sich der Schaden eines Kraftfahrzeugs anhand der voraussichtlichen Reparaturkosten und zwar in der Höhe geltend gemacht werden könne, wie er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu bewerten sei. Es meint jedoch, daß eine Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs vor diesem Zeitpunkt die Herstellung i.S. von § 251 Abs. 1 BGB unmöglich mache, denn damit habe der Geschädigte sich selbst die Möglichkeit genommen, einen Zustand herstellen zu können, der dem Gedanken der Naturalrestitution nach § 249 BGB entspreche. Deshalb könne der Kläger nach der Veräußerung als Schaden nicht mehr die "fiktiven" Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung, sondern nur noch nach § 251 Abs. 1 BGB die Wiederbeschaffungskosten für einen vergleichbaren Gebrauchtwagen abzüglich des Restwertes des Unfallfahrzeugs geltend zu machen. Insoweit hätten die Beklagten jedoch Ersatz geleistet.

7

II.

Die Revision des Klägers führt insoweit zur Aufhebung und Zurückverweisung.

8

1.

Der Senat hat die lange umstritten gewesene Frage, ob der zwischenzeitliche Verkauf des unreparierten Fahrzeugs durch den Geschädigten die Abrechnung auf "Reparaturkostenbasis" schon an sich verbietet, inzwischen in verneinendem Sinne entschieden (Urt. v. 23. März 1976 - VI ZR 41/74 = BGHZ 66, 239). Auf die eingehende Begründung kann hier Bezug genommen werden. Die seitherige Diskussion dieser Entscheidung im Schrifttum (zust. Wussow WI 1976, 109; wohl auch Riedmaier VersR 1977, 1, 2; nur teilweise kritisch Heinze JR 1977, 418 und Klimke VersR 1977, 502; vergl. auch Emmerich JuS 1976, 813) gibt keinen Anlaß, vom Kernsatz dieses Urteils abzugehen.

9

Die angefochtene Entscheidung, bei deren Erlaß das vorgenannte Senatsurteil noch nicht veröffentlicht war, beruht auf der gegenteiligen Meinung. Sie kann daher keinen Bestand haben.

10

2.

Indessen vermag der erkennende Senat insoweit eine ersetzende Entscheidung nicht selbst zu treffen.

11

a)

Dies ergibt sich schon daraus, daß die Richtigkeit der hypothetischen Schadensberechnung des Klägers bestritten ist und daher gegebenenfalls der Beweiserhebung bedarf. Dabei mag das Berufungsgericht beachten, daß der Gläubiger für die Angemessenheit des zur Reparatur erforderlichen Betrages beweispflichtig ist. Hat er dem Ersatzpflichtigen keine angemessene Möglichkeit geschaffen, die Höhe des wirklich entstandenen Schadens festzustellen, so könnte sich das unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung zu seinem Nachteil auswirken.

12

b)

Vor allem aber wird bei der neuerlichen Entscheidung folgendes zu beachten sein:

13

Der Senat hat in dem erwähnten Urteil zwar begründet, daß der Verkauf des unreparierten Fahrzeugs durch den Geschädigten den Anspruch auf Reparaturkosten dogmatisch entgegen der früher überwiegenden Meinung nicht ausschließt. Er hat zur praktischen Rechtfertigung dieses Ergebnisses darauf hingewiesen, daß die beiden Abrechnungsarten bei richtiger Berechnung in der Regel keine wesentlichen Unterschiede ergeben werden (ebenso jetzt Klimke a.a.O. S. 503).

14

Gleichzeitig hat der Senat aber (a.a.O. S. 248) klargestellt, daß diese Möglichkeit der Schadensberechnung auf der Grundlage einer fiktiven Instandsetzung den Geschädigten nicht der Verpflichtung enthebt, sich unter mehreren vom Erfolg her gleichwertigen Mitteln der Schadensbeseitigung auch bei der Berechnung seines Ersatzanspruchs für diejenige mit einem deutlich geringeren Aufwand zu entscheiden. Daß dies in der besonderen Lage der Geschädigten (Firma K.) der tatsächlich gewählte Weg war, lag nahe. Denn die Geschädigte hatte als Renault-Händlerin die Möglichkeit zum vorteilhaften Erwerb eines Neuwagens, der angesichts der Fahrleistung des Unfallwagens nicht fern lag, und andererseits machte die relative Neuwertigkeit des Fahrzeugs dieses trotz seiner Beschädigung (etwa für "Bastler") besonders attraktiv. Ob sich angesichts all dieser Umstände die gewählte, sehr viel unwirtschaftlichere Abrechnungsweise für den Kläger als Rechtsnachfolger der Firma K. nach § 242 BGB verbot, wird der Tatrichter zu entscheiden haben, wobei die Beweislast gegebenenfalls bei den Beklagten liegt.

Dunz
Scheffen
Dr. Kullmann
Dr. Ankermann
Dr. Deinhardt