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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 03.11.1977, Az.: IX ZR 80/77

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
03.11.1977
Aktenzeichen
IX ZR 80/77
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1977, 15236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 12.06.1972
LG Köln

Fundstellen

  • BGHZ 69, 395 - 398
  • DB 1978, 1126 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1978, 110
  • MDR 1978, 309-310 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Cecylia S. geborene W., als Rechtsnachfolgerin des Wladyslaw S., zuletzt wohnhaft gewesen: Vila G., rua R. S. Nr. ..., apto ..., S.-S., Brasilien,

Prozessgegner

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverwaltungsamt, Habsburgerring 9, Köln,

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Wenn das streitige Recht durch den Tod der Partei statt, auf den Erben auf einen Sonderrechtsnachfolger übergeht, kann nur dieser als Prozeßrechtsnachfolger das unterbrochene Verfahren aufnehmen.

  2. b)

    Wenn ein Prozeßbevollmächtigter während der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels den Antrag stellt, das Verfahren gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO wegen des Todes der Partei auszusetzen, so erfordert es seine Sorgfaltspflicht, daß er überwacht, ob das rechtzeitig vor Fristablauf geschieht.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 1977 durch den Vorsitzenden Richter Mai und die Richter Zorn, Henkel, Dr. Thumm und Portmann

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu erteilen, wird abgelehnt.

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Juni 1972 wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebühren- und auslagenfrei. Die außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin.

Gründe

1

Der Prozeßbevollmächtigte des ursprünglichen Klägers legte am 1. Juli 1976 Revision ein. Am 1. September 1976 beantragte er die Aussetzung des Verfahrens, weil sein Mandant am 27. November 1975 gestorben sei. Mit Beschluß vom 5. Oktober 1976, der beiden Parteien am 11. Oktober 1976 zugestellt wurde, setzte der Senat das Verfahren aus. Nach einem Hinweis darauf, daß bei Zustellung des Aussetzungsbeschlusses die Frist zur Begründung der Revision wohl schon abgelaufen gewesen sei, beantragte der Prozeßbevollmächtigte für die noch unbekannten Erben des bisherigen Klägers Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist, holte die Revisionsbegründung nach und erklärte für die Erben die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens. Nunmehr wies der Vorsitzende des Senats darauf hin, es bestünden Bedenken, ob die für die Erben des ursprünglichen Klägers erklärte Aufnahme des Verfahrens wirksam sei. Als Rechtsnachfolgerin komme die Ehefrau des Klägers in Betracht, für die das ausgesetzte Verfahren aufgenommen werden könnte. Daraufhin erklärte der Prozeßbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. August 1977, der am 15. August 1977 zugestellt wurde, er nehme das Revisionsverfahren für diese auf und wiederholte die in der Revisionsbegründung gestellten Sachanträge.

2

Mit dieser Aufnahme ist die Unterbrechung des Verfahrens beendet worden, und der Senat kann jetzt über die Revision entscheiden.

3

Nach § 209 Abs. 1 BEG, §§ 246 Abs. 2, 239 Abs. 1, 250 ZPO muß der Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei aufnehmen. Rechtsnachfolger im Sinne des § 239 Abs. 1 ZPO ist der Prozeßrechtsnachfolger, also derjenige, der an Stelle der verstorbenen Partei in deren Parteirolle eingerückt ist. Das ist nicht der Erbe, wenn das streitige Recht durch den Tod auf einen Sonderrechtsnachfolger übergeht (vgl. Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl. Vorbemerkungen I 6 a und b vor § 239, § 239 Anm. II 1, Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 239 Anm. G II und G II a 2; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 12. Aufl. § 127 I 1, S. 698/699). Im Streitfall ist der Entschädigungsanspruch nicht vererblich (Art. VI Nr. 1 Abs. 5 Satz 1 BEG-SchlußG). In Betracht kommt ein Rechtsübergang nach Art. VI Nr. 1 Abs. 6 BEG-SchlußG auf die Ehefrau des Verstorbenen. Für diese hat der Prozeßbevollmächtigte kraft fortbestehender Vollmacht (§ 86 ZPO) mit Wirkung vom 15. August 1977 das Verfahren aufgenommen. Erst seitdem hindert § 249 ZPO das Revisionsgericht nicht mehr an einer Entscheidung.

4

Die Revision ist unzulässig, weil sie zu spät begründet worden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erteilt werden kann.

5

Die einmonatige Frist für die Begründung des Rechtsmittels begann mit seiner Einlegung am 1. Juli 1976 (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 209 Abs. 1 BEG). Sie wäre an und für sich mit dem 1. August 1976 abgelaufen (§ 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Gemäß § 223 Abs. 1 ZPO wurde der Lauf dieser Frist jedoch durch die Gerichtsferien vom 15. Juli bis 15. September 1976 (§ 199 GVG) gehemmt. Der noch übrige Teil der Frist begann nach dem Ende der Hemmung als Tagesfrist weiterzulaufen; § 191 BGB ist nicht anzuwenden (BGH LM ZPO § 223 Nr. 7). Bei Beginn der Gerichtsferien, am 15. Juli 1976, waren dreizehn Tage abgelaufen. Der Lauf der übrigen achtzehn Tage - nämlich vom 15. Juli bis 1. August 1976 - begann mit dem 16. September, endete also mit dem 3. Oktober 1976 und, weil das ein Sonntag war, mit dem 4. Oktober 1976 (§ 222 Abs. 2 ZPO).

6

Innerhalb dieser Frist ist die Revision nicht begründet worden.

7

Die Aussetzung des Verfahrens wegen des Todes des ursprünglichen Klägers, die sein Prozeßbevollmächtigter gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO am 1. September 1976 beantragt hatte, beschloß der Bundesgerichtshof am 5. Oktober 1976. Sie wurde wirksam mit der Mitteilung des Beschlusses (§§ 248, 329 Abs. 3 Satz 2 ZPO a.F.), hier mit der Zustellung am 11. Oktober 1976, ließ also nicht mehr gemäß § 249 Abs. 1 ZPO den Lauf der Revisionsbegründungsfrist aufhören, die bereits mit dem 4. Oktober 1976 abgelaufen war.

8

Wiedereinsetzung in die versäumte Frist (§ 233 Abs. 1 ZPO) kann nicht erteilt werden.

9

Gegen die Rechtzeitigkeit (§ 234 ZPO) des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, das durch die Nachholung der Revisionsbegründung als der versäumten Prozeßhandlung (§ 236 ZPO) vervollständigt worden ist, bestehen keine Bedenken.

10

Das Gesuch ist nicht begründet. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden ihres Bevollmächtigten verhindert, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten (§§ 233 Abs. 1, 232 Abs. 2 ZPO a.F.).

11

Für die Klägerin wird vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe darauf vertraut und auch vertrauen dürfen, daß der Senat dem Aussetzungsantrag alsbald nach der Beendigung der Gerichtsferien und jedenfalls bis zum Ablauf der mit dem 1. (richtig: 4.) Oktober 1976 endenden Begründungsfrist stattgeben werde. Eine andere Entscheidung als die beantragte Anordnung der Aussetzung sei nach § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nicht zulässig gewesen. Weitere Erwägungen habe der Antrag nicht erfordert.

12

Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen.

13

Wenn ein Bevollmächtigter beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung zu verlängern, erfordert es seine Sorgfaltspflicht, daß er sich vor dem Fristablauf vergewissert, ob die Verlängerung auch tatsächlich erfolgt ist (BGHZ 10, 307). Nach BGHZ 12, 161 handelt er schuldhaft, wenn er nicht durch rechtzeitige Nachfrage Vorkehrung für den Fall trifft, daß sein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Rechtsmittels aus irgendeinem Grunde unbearbeitet geblieben ist. Dieselbe rechtliche Beurteilung liegt den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs LM ZPO § 233 (Ff) Nr. 8 a = MDR 1966, 493 und LM ZPO 233 (Fc) Nr. 32 = NJW 1968, 504 = MDR 1968, 238 zugrunde.

14

Geringere Anforderungen an die anwaltliche Pflicht, die Frist zur Rechtsmittelbegründung zu überwachen, können nicht gestellt werden, wenn der Prozeßbevollmächtigte nach der Einlegung des Rechtsmittels den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO wegen Todes seiner Partei gestellt hat. Er darf hier ebensowenig wie im Falle des Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist darauf vertrauen, daß dem Antrag rechtzeitig, d.h. vor dem Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels, entsprochen werde. Zu Verzögerungen der Entscheidung kann es hier wie dort kommen. Daß der Antrag nicht rechtzeitig bearbeitet werde, liegt hier deshalb sogar noch näher als bei dem Antrag auf Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist, weil keine Verfügung des Senatsvorsitzenden erbeten wird, sondern ein Beschluß des Senats. Dieser Beschluß setzt den Nachweis voraus, daß die Partei nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit gestorben ist. Im Regelfall wird er erst nach Prüfung durch den Vorsitzenden, Bestellung eines Berichterstatters, Vorbereitung durch diesen und Beschlußfassung des Senats an einem dazu zur Verfügung stehenden Sitzungstage gefaßt werden können und sodann durch Kundgabe nach § 329 Abs. 2 ZPO (§ 248 ZPO) wirksam werden. Wenn der Prozeßbevollmächtigte die Frist zur Rechtsmittelbegründung verstreichen läßt, ohne zumindest einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist zu stellen und diesen zu überwachen, sofern er bis kurz vor Fristablauf keine Mitteilung vom Erlaß des Aussetzungsbeschlusses erhalten hat, handelt er nicht schuldlos.

15

Die nicht fristgerecht begründete Revision wird nach § 554 a ZPO (§ 209 Abs. 1 BEG) als unzulässig verworfen.

Mai Zorn Henkel Dr. Thumm Portmann