Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.10.1977, Az.: VIII ZR 73/76
Anspruch auf den Ersatz des Mietzinsausfalles ; Rechtmäßigkeit einer Kündigung des Mietvertrages; Einstufung der Errichtung einer Leuchtreklame als Mangel der Mietsache
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 12.10.1977
- Aktenzeichen
- VIII ZR 73/76
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1977, 13124
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 04.03.1976
- LG Duisburg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1978, 340 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1978, 306 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1978, 103 (Volltext mit amtl. LS)
- WuM 1978, 86-87 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Werner Ho., C.straße ... in ...
Prozessgegner
Grundstücks- und Finanzierungs GmbH & Co. KG
vertreten durch die Grundstücks- und Finanzierungs GmbH
diese vertreten durch ihre Geschäftsführer Hans Pf. und Anton E., K.straße ... in Du. (H.)
Amtlicher Leitsatz
Weigert sich der Vermieter trotz Aufforderung des Mieters schon vor Überlassung der Mietsache, die Anbringung einer Anlage zu unterbinden, deren Errichtung er einem Dritten vertraglich gestattet hat und die den Mietgebrauch beeinträchtigen würde, so kann der Mieter Rechte aus positiver Vertragsverletzung geltend machen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 28. September 1977
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Merz, Treier und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. März 1976 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 15. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 3. Dezember 1970, ergänzt durch Nachtrag vom 9. Dezember 1970, vermietete die Klägerin dem Beklagten das Penthaus auf dem damals noch im Bau befindlichen Hochhaus in Du., Fr. -Wi.-Straße ..., sowie einen Einstellplatz für ein Kraftfahrzeug gegen einen monatlichen Mietzins von 2.564,10 DM. Der Beklagte wollte das Penthaus als Wohnung und als Fotoatelier nutzen. Die Parteien vereinbarten eine Mietzeit von 10 Jahren ab Übergabe der Mietsache. In Nr. 2 Abs. 2 d des Vertrages erklärten sie die Klägerin für berechtigt, den Vertrag vor Ablauf der Mietzeit fristlos zu kündigen, falls der Beklagte mit zwei aufeinanderfolgenden Mietzinsraten ganz oder teilweise in Verzug geriet. In Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 des Mietvertrages vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin im Falle der Kündigung wegen Zahlungsverzugs des Mieters berechtigt sei, die Erstattung ihres Schadens zu verlangen, der durch Leerstehen der Räume oder dadurch entstehe, daß das Penthaus billiger vermietet werden müsse.
Der Beklagte zog in das am 1. März 1972 bezugsfertige Penthaus nicht ein. Mietzins zahlte er nicht. Die Klägerin kündigte den Mietvertrag durch Schreiben vom 24. April 1972 wegen Zahlungsverzuges fristlos unter Vorbehalt von Schadensersatzansprüchen. Sie vermietete den Einstellplatz für das Kraftfahrzeug ab 11. Juni 1972 und das Penthaus im Mai 1974 anderweitig. Der neue Mieter des Penthauses entrichtet einen geringeren Mietzins als der Beklagte nach dem von den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag zu zahlen hatte.
In dem Rechtsstreit 2 O 176/72 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin die Miete für die Monate März und April 1972 und den Mietzinsausfall der Klägerin für Mai 1972 zu zahlen. Nunmehr verlangt die Klägerin die Erstattung ihres Mietzinsausfalls für das Penthaus für die Zeit von Juni bis Dezember 1972 in Höhe von monatlich 2.497,50 DM, außerdem Ersatz eines Mietzinsausfalls von 22,20 DM für den Einstellplatz für das Kraftfahrzeug für die Zeit vom 1. bis 10. Juni 1972. Der Beklagte begehrt widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 18.000 DM Schadensersatz wegen Entgangs von Einnahmen für Werbeaufnahmen.
Die Klägerin rechtfertigt ihren Schadensersatzanspruch mit der Vereinbarung der Parteien in Nr. 2 Abs. 2 d und Abs. 3 Satz 3 des Mietvertrages. Der Beklagte macht geltend, er sei mit der Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses nicht in Verzug geraten und berechtigt, den von ihm geltend gemachten Schadensersatz zu verlangen, weil die Mietsache bereits bei Bezugsfertigkeit mit einem Fehler behaftet gewesen und auch jetzt noch mangelhaft sei. Einen Fehler der Mietsache sieht er darin, daß - was unstreitig ist - die Klägerin noch vor Bezugsfertigkeit der Mietsache die Dachfläche, die um das Penthaus herum verläuft, an die Firma Kl. zur Anbringung einer Leuchtreklame vermietet hatte, diese Firma die Errichtung einer 25 m breiten und 3,20 m hohen Leuchtreklame auf der Dachfläche an den Längsseiten des Penthauses vor dessen Fenstern plante und am 26. Februar 1973 an den Schmalseiten des Penthauses eine Leuchtreklame errichtet wurde. Der Beklagte wendet weiter ein, der Mietvertrag sei von ihm wegen der Mangelhaftigkeit der Mietsache bei einer Besprechung mit dem Angestellten Bergmann der Klägerin im Februar 1972 gekündigt worden.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Widerklage der Klage stattgegeben. Der Beklagte hat Berufung eingelegt und seine Widerklage um den Antrag auf Feststellung erweitert, daß der Klägerin auch über die eingeklagten Ansprüche hinaus keine Schadensersatzforderung zustehe. Die Klägerin hat mit der Anschlußberufung ihre Klage um die Ansprüche auf Erstattung von Mietzinsausfall für die Zeit von Januar 1973 bis April 1974 erweitert. Das Berufungsgericht hat durch Teil- und Grundurteil den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit das Landgericht die Widerklage abgewiesen hatte. Über die negative Feststellungswiderklage hat es nicht entschieden.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin entsprechend dem Widerklageantrag.
Entscheidungsgründe
1.
a)
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei der Klägerin nach Nr. 2 Abs. 3 Satz 3 des Mietvertrages zum Ersatz des Mietzinsausfalles verpflichtet, weil die wegen Zahlungsverzuges des Beklagten erklärte Kündigung des Mietvertrages gerechtfertigt gewesen sei. Der Beklagte sei zur Verweigerung der MietZinszahlung nicht befugt gewesen. In dem Bestehen des Mietvertrages mit der Firma Kl. und der Planung für die Errichtung einer Leuchtreklame könne ein Mangel der Mietsache nicht gesehen werden. Da der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Übernahme der Mietsache abzulehnen, sei der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht begründet.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
b)
Die Frage, ob die Mietsache wegen der Gefahr der Anbringung einer Leuchtreklame mit einem Fehler im Sinne des § 537 BGB behaftet war, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Die Anwendung der Vorschriften über die Sachmängelhaftung im Mietrecht setzt nämlich die Übergabe der Mietsache voraus (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1976 - VIII ZR 233/74 Seite 14; BGB-RGRK 12. Aufl. § 537 Rdn. 2, § 542 Rdn. 16; Palandt/Putzo, BGB, 36. Aufl., § 537 Anm. 1 c aa (und § 538 Anm. 1 c aa; a.A. Hassold, NJW 1974, 1743). Der Beklagte hat das Penthaus aber nicht bezogen.
c)
Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte sei mit der Zahlung des Mietzinses in Verzug geraten.
aa)
Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe die um das Penthaus herum verlaufende Dachfläche an die Firma Kl. bereits bei Bezugsfertigkeit des Penthauses vermietet gehabt und die Firma Kl. habe damals die Anbringung einer Leuchtreklame an den Längsseiten des Penthauses geplant und hierfür die Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde erbeten. Es nimmt an, der Beklagte wäre im Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt worden, wenn die geplante Leuchtreklame errichtet worden wäre.
bb)
Mit Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe das Vorbringen des Beklagten nicht beachtet, daß dieser mehrfach - u.a. mit Schreiben vom 3. Februar 1972 - darauf bestanden habe, die Errichtung der vorgesehenen Leuchtreklame zu unterlassen, und daß die Klägerin mit Schreiben vom 11. Februar 1972 auf der Anbringung der geplanten Leuchtreklame beharrt habe. Dieses Vorbringen ist für das Revisionsverfahren als richtig zu unterstellen.
cc)
Mit den genannten Feststellungen und dem genannten Vorbringen des Beklagten ist die Annahme, der Beklagte sei in Zahlungsverzug geraten, nicht zu vereinbaren. Bestand die Klägerin nämlich auf der Errichtung der Leuchtreklame, so weigerte sie sich, dem Beklagten die vermietete Sache in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten (§ 536 BGB); denn ein Penthaus, das wie hier als Wohnung und Fotoatelier dienen soll, wird durch eine vor den Fenstern angebrachte 25 m breite und 3,20 m hohe Leuchtreklame zumindest infolge der Lichteinwirkung der Anlage erheblich beeinträchtigt. Daß die Weigerung, einen Mietvertrag so zu erfüllen wie er geschlossen ist, einer Verweigerung der Erfüllung schlechthin gleichsteht, hat der erkennende Senat bereits früher ausgesprochen (Urteil vom 3. Juli 1968 - VIII ZR 106/66 = WM 1968, 1202, 1203). Die Klägerin beging, falls sie auf der Errichtung einer solchen Leuchtreklame beharrte, daher eine positive Vertragsverletzung, welche sie zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtete. Dann entfiel die Pflicht des Beklagten zur Entrichtung der Gegenleistung (Mietzinszahlung) und der Beklagte ist - jedenfalls grundsätzlich - berechtigt, die Erstattung eines auf der Vertragsverletzung beruhenden Verdienstentganges zu verlangen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 36. Aufl., § 276 Anm. 7 e bb und § 325 Anm. 3 a aa und b je m.Nachw.). Die Annahme einer positiven Vertragsverletzung wird auch für den Fall nicht ausgeschlossen, daß die nach § 82 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 1970 (GV NW, S. 96) genehmigungspflichtige Leuchtreklame von der Bauaufsichtsbehörde möglicherweise nicht genehmigt werden durfte. Auch dann stellte nämlich die beharrliche Weigerung der Klägerin, den Vertrag zu erfüllen, einen schweren Verstoß gegen die ihr obliegende Pflicht zur Gewährung ungestörten Mietgebrauchs dar.
2.
Das Urteil des Berufungsgerichts mußte nach allem aufgehoben werden. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil der Sachverhalt unter dem vorstehend erörterten Gesichtspunkt noch nicht geklärt ist. Die Sache mußte deshalb zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat. Der Senat hat von der in § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Das Berufungsgericht wird die Erwägungen zu 1 c) cc) zu berücksichtigen haben. Erneut wird es beachten müssen, daß der Beklagte nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Minderung des Schadens verpflichtet und deshalb gehalten war, die Klägerin darauf aufmerksam zu machen, daß ihm ein Gewinnentgang drohte, wenn er die nach seinem Vorbringen vorgesehenen Werbeaufnahmen nicht machen konnte. Die Frage, wie weit ein Verhalten des Beklagten von Einfluß auf Entstehen und Höhe des Schadens war, wird das Berufungsgericht unter Anwendung des § 287 ZPO zu entscheiden haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 1968 - VIII ZR 139/66 B NJW 1968, 985 = WM 1968, 476).
Hoffmann
Merz
Treier
Dr. Brunotte