Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.09.1977, Az.: VIII ZR 120/75
Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Gerichtsentscheidungen ; Auswirkungen des Fehlens von Angaben über das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners; Voraussetzungen für das Vorliegen eines Versäumnisurteils
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.09.1977
- Aktenzeichen
- VIII ZR 120/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1977, 12991
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamburg - 27.03.1975
- LG Hamburg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- IPRspr 1977, 151
- MDR 1978, 488 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1978, 1114-1115 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Dr. Martin Sch., Bl.straße ... in H.,
Prozessgegner
Gesellschaft spanischen Rechts CH. E. S.A.,
gesetzlich vertreten durch den Präsidenten D. Es. M. C., V., Vi. in Ma./Sp.,
Amtlicher Leitsatz
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14. Juli 1960 (BGBl 1961 II 302) Art. III Abs. 1 c, Art. V Abs. 3
- a)
Für eine durch besonderen Beschluß vorgenommene Kostenfestsetzung bedarf es nicht der Vorlage einer erläuternden Urkunde nach Art. VII Abs. 2 b des Abkommens, wenn eine solche bereits für die Hauptsacheentscheidung vorgelegt ist.
- b)
Es gehört nicht zu den Prinzipien unseres Rechtssystems, daß die Bedingungen, unter denen einer Partei in einem fremden Staat das Armenrecht gewährt werden kann, mit unseren Regelungen in allen Punkten vergleichbar sind.
- c)
Mit denjenigen Beweismitteln, deren sich ein Beklagter bereits bei seinem Vortrag in einem in England geführten Rechtsstreit bedient hat oder hätte bedienen können, kann er im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung allein nicht ein betrügerisches Erschleichen des englischen Urteils darlegen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 1977
durch
die Richter Dr. Hiddemann, Claßen, Hoffmann, Wolf und Merz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen des Antragsgegners gegen das Teilurteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 27. März 1975 und gegen das Schlußurteil desselben Gerichts vom 19. Juni 1975 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der dem Antragsteller im Teilurteil vom 27. März 1975 zuerkannte Zinssatz von 7 1/2 % auf 7 % p.a. geändert wird.
Der Antragsgegner hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.
Tatbestand
Die Antragstellerin hatte mit Vertrag vom 26. Oktober 1965 das damals dem Antragsgegner gehörende MS "Ad." für eine Reise von Bi. nach den USA mit einer Ladung von Stahlplatten und Stahlrollen gechartert. Nach seinem Auslaufen geriet dieses Schiff wegen schweren Wetters in Seenot und mußte mit Schlepperhilfe einen französischen Hafen als Nothafen anlaufen, in welchem die Ladung in beschädigtem Zustand gelöscht wurde. Die Antragstellerin erhielt die Ladung nach Stellung einer Garantie für ihren Beitrag zur Großen Haverei im Mai 1966 ausgeliefert.
Die Antragstellerin verlangte vom Antragsgegner u.a. Schadensersatz für die Beschädigung der Ladung und Ersatz ihres Beitrags zu den Bergekosten mit der Behauptung, das Schiff sei nicht seetüchtig gewesen und sei zudem von der vereinbarten Reiseroute abgewichen. Nachdem sich die Parteien unter Mitwirkung des norwegischen Versicherers des Antragsgegners auf London als Gerichtsstand geeinigt hatten, erhob die Antragstellerin dort im Juni 1968 Klage, wobei für den Antragsgegner von seinem Versicherer instruierte und bezahlte englische Anwälte auftraten. Nach mehrjährigem Prozeßverlauf wurde am 12. Mai 1972 vom englischen Gericht Verhandlungstermin (date for trial) auf den 22. März 1973 bestimmt.
Nachdem es zu Differenzen zwischen dem Antragsgegner und seinem Versicherer gekommen war, legten die englischen Anwälte des Antragsgegners am 26. Februar 1973 das Mandat nieder und baten das englische Gericht um ihre Entlassung aus dem Verfahren. Diesem Antrag wurde am 27. Februar 1973 stattgegeben. Am selben Tage bestimmte der englische Richter unter Aufhebung des Verhandlungstermins vom 22. März 1973, daß an diesem Tage ein neuer Verhandlungstermin festgesetzt werden würde. Dieser Termin wurde sodann auf den 4. April 1973 angesetzt, was die gegnerischen Anwälte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 27. März 1973 mitteilten. Dieses Schreiben hat der Antragsgegner nach seiner Behauptung erst nach dem 4. April 1973 erhalten, weil er sich damals zu einer Kur in Meran aufhielt. Nach zweitägiger Verhandlung verurteilte der englische Richter den Antragsgegner am 5. April 1973 zu 139.410,68 £ Hauptsache und 66.092,49 £ Zinsen (= 7 %) und zu den noch gesondert festzusetzenden Kosten.
Der Versicherer des Antragsgegners zahlte daraufhin an die Antragstellerin am 24. Mai 1973 75.000 £.
Die Antragstellerin hat die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des englischen Urteils begehrt, das sie in einer vom Gericht beglaubigten Abschrift, der eine Urkunde über die vom englischen Richter M. gegebene mündliche Urteilsbegründung beigefügt ist, vorgelegt hat.
Das Landgericht hat dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung mit Ausnahme desjenigen Betrags entsprochen, den der Versicherer des Antragsgegners an die Antragstellerin bezahlt hat. Das Oberlandesgericht hat durch Teilurteil vom 27. März 1975 die Berufung des Antragsgegners im wesentlichen zurückgewiesen und seine Widerklage auf Feststellung, daß das Urteil des High Court of Justice London vom 5. April 1973 aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht anerkannt werden könne, abgewiesen. Mit Schlußurteil vom 19. Juni 1975 hat das Oberlandesgericht sodann auch den Kostenfestsetzungsbeschluß des englischen Gerichts vom 13. Juni 1974 über 15.970,60 £ für vollstreckbar erklärt.
Mit seinen Revisionen gegen beide Entscheidungen verfolgt der Antragsgegner seinen Antrag auf Zurückweisung des Vollstreckbarerklärungsantrags der Antragstellerin sowie seinen Widerklageantrag weiter.
Die Antragstellerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die beiden Revisionen sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
I.
Die Tatsacheninstanzen haben für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der englischen Entscheidungen das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14. Juli 1960 (BGBl 1961 II 302) angewandt. Das ist richtig und wird auch von der Revision nicht beanstandet.
1.
a)
Die Revision meint, die Antragstellerin habe entgegen Art. VII Abs. 2 b des Abkommens für das engliche Urteil vom 5. April 1973 keine hinreichende, vom Gericht des Urteilsstaates ausgestellte Urkunde mit näheren Angaben über das Verfahren und die Entscheidungsgründe vorgelegt; denn in der Niederschrift seiner mündlichen Urteilsbegründung, die Richter M. bestätigt habe, fehlten Angaben über das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners, obwohl solche nach englischen Vorschriften hätten angeführt werden müssen. Desgleich sei in der Verhandlung nicht festgestellt oder nachgewiesen worden, daß der Antragsgegner die Ladung zum Verhandlungstermin erhalten habe. Außerdem enthielten die vorgelegten, vom englischen Gericht bestätigten Unterlagen keinen Hinweis darauf, daß gegen den Antragsgegner tatsächlich eine Versäumnisentscheidung ergangen sei.
b)
Wegen der Kostenfestsetzungsentscheidung fehle jede Angabe über das Verfahren und die Gründe. Selbst eine Aufschlüsselung des zuerkannten Kostenbetrags sei nicht gegeben worden.
2.
Diese Revisionsrügen bleiben erfolglos. Nach Art. VII Abs. 2 b des deutsch-britischen Abkommens ist mit der vom englischen Gericht hergestellten beglaubigten Urteilsabschrift eine vom englischen Gericht auszustellende Urkunde vorzulegen, die nähere Angaben über das Verfahren und die Gründe enthält, auf denen die Entscheidung beruht. Mit Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß das von der Antragstellerin vorgelegte, von Richter M. bestätigte Protokoll seiner Urteilsverkündung vom 5. April 1973 diesen Anforderungen entspricht; denn es enthält eine Zusammenfassung des Verfahrensganges des in England geführten Rechtsstreits und eine Wiedergabe der Gründe, die Richter M. mündlich für seine Entscheidung gegeben hat. Dem deutschen mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung befaßten Gericht ist es anhand dieser Urkunde möglich, zu prüfen, ob Versagungsgründe für die Anerkennung der Entscheidung nach Art. III-V oder Art. VIII des deutsch-britischen Abkommens vorliegen. Selbst wenn in dieser Urkunde nach englischem Recht wiederzugebende Punkte fehlen sollten, so ist das unbeachtlich; denn die deutschen Gerichte sind an das englische innerstaatliche Recht nicht gebunden und das deutsch-britische Abkommen schreibt auch nicht die Einhaltung bestimmter Regeln für den Inhalt der nach Art. VII Abs. 2 b des Abkommens vorzulegenden Urkunde vor.
Es trifft auch nicht zu, daß das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners im englischen Prozeß in der Urkunde nicht erwähnt ist. Einmal hat Master W. in seiner der Urkunde beigehefteten "Bestätigung ..." vom 14. März 1974 die Verteidigungsschriftsätze der Anwälte des Antragsgegners angeführt. Zum anderen hat Richter M. in seiner Urteilsbegründung sowohl auf unbestrittene Tatsachen, als auch auf das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners, es habe sich um eine Leercharter gehandelt, hingewiesen. Er mußte nicht sämtliches Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners, soweit es ihm nicht entscheidungserheblich schien, in seiner Urteilsbegründung wiedergeben. Daß möglicherweise nach deutschem Verfahrensrecht an eine Urteilsbegründung andere Maßstäbe anzulegen wären, besagt angesichts der grundlegenden Unterschiede unserer Zivilprozeßordnung zum englischen Verfahrensrecht nichts.
Hinsichtlich der Entscheidung über den Betrag der vom Antragsgegner zu erstattenden Kosten vom 13. Juni 1974 bedurfte es nicht der Vorlage einer besonderen Urkunde nach Art. VII Abs. 2 b des Abkommens, weil die Kostenfestsetzung als Teil der Hauptsacheentscheidung gemäß Art. V Abs. 3 des Abkommens anzusehen ist.
3.
Wenn die Revision weiter rügt, es seien keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob der Antragsgegner die Ladung zum Verhandlungstermin am 4./5. April 1973 tatsächlich erhalten habe und daß es sich bei der englischen Entscheidung um eine Versäumnisentscheidung gehandelt habe, so verkennt sie, daß es hierauf nicht ankommt.
a)
Der englische Richter hat in seiner Entscheidungsbegründung ausdrücklich festgestellt, daß der Antragsgegner sich auf die Klage in England vorbehaltlos eingelassen hat und die Parteiausführungen schon im Juli 1969 abgeschlossen waren. Er hat weiter bemerkt, daß für den Fall, daß im Verhandlungstermin eine Partei nicht erscheint und nicht mehr vertreten ist, das englische Recht eine Fortsetzung der Verhandlung und Beweisaufnahme nach dem Ermessen des Richters zuläßt, wobei der Kläger "natürlich seine Berechtigung zu den verschiedenen in seinem Namen vorgebrachten Forderungen nachweisen" muß. Wenn überhaupt ein Vergleich eines solchen englischen Verfahrens mit deutschen Verfahrensvorschriften möglich ist, dann scheint hier eine Entscheidung nach Lage der Akten dem englischen Verfahren eher zu entsprechen als eine deutsche Versäumnisentscheidung, bei der bereits aus der Tatsache der Säumnis Rechtsfolgen abgeleitet werden und eine Beweisaufnahme über den Vortrag des Klägers nicht stattfindet.
b)
Nach Art. III Abs. 1 b des deutsch-britischen Abkommens darf aber auch einer aufgrund der Säumnis des Schuldners erlassenen englischen Entscheidung die Anerkennung nur dann versagt werden, wenn der Schuldner sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und wenn er dazu weiter nachweist, daß er von dem Verfahren nicht zeitig genug Kenntnis erlangt hatte, um sich verteidigen zu können. Hier hatte sich der Antragsgegner auf das Verfahren in England eingelassen und war vom Prozeßbeginn 1968 bis zum 27. Februar 1973 durch englische Anwälte im Verfahren vertreten. Daß seine Einlassung deshalb gegenstandslos geworden sei, weil seine Anwälte die Vertretung mit Zustimmung des englischen Gerichts niedergelegt haben, wie die Revision meint, ist unzutreffend. Diese Ansicht der Revision wird schon dadurch widerlegt, daß Master W. in seiner "Bestätigung A" vom 14. März 1974 die Verteidigungsschrift des Antragsgegners als Gegenstand des englischen Verfahrens angeführt hat. Außerdem war der Antragsgegner von dem ganzen, sich über Jahre hinziehenden Verfahren so unterrichtet, daß er sich hätte verteidigen können. Darauf, ob die nach englischem Recht von den Parteien zu bewirkende Ladung zum Verhandlungstermin dem Antragsgegner rechtzeitig bekannt geworden ist, kommt es nach Art. III Abs. 1 b des deutsch-britischen Abkommens für die Anerkennung einer Versäumnisentscheidung nicht an. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, wenn sie meint, daß unter "Verfahren" im Sinne von Art. III Abs. 1 b des Abkommens wegen dessen Bedeutung im englischen Recht der Verhandlungstermin (date for trial) gemeint sei. Dies ergibt sich schon daraus, daß eine Kenntnis vom Verfahren schon in denjenigen Fällen nach dem Abkommen anzunehmen ist, in denen zwar nicht die Ladung, wohl aber die das Verfahren einleitende Verfügung dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Daß dies hier nicht geschehen sei, behauptet die Revision - offenbar wegen der in einer Ablichtung der Urteilsbegründung vom englischen Gericht beigehefteten Einleitungsverfügung mit Zustellungsvermerk - nicht.
II.
1.
a)
Die Revision rügt, vor dem englischen Gericht habe der Antragsgegner kein ausreichendes rechtliches Gehör gehabt; denn, nachdem seine Anwälte das Mandat niedergelegt hatten, sei ein neuer Verhandlungstermin am 22. März 1973 bereits auf den 4. April 1973 angesetzt worden. Hiervon habe der Antragsgegner nicht einmal rechtzeitig Kenntnis erhalten, weil er sich zur Kur in Meran aufgehalten habe. Diese kurze Zeitspanne hätte nicht ausgereicht, andere englische Anwälte mit seiner Vertretung in dieser schwierigen Sache zu beauftragen. Der englische Richter habe es abgelehnt, weitere unmittelbar vom Antragsgegner abgegebene Erklärungen entgegenzunehmen.
b)
Die Regelungen über die Bewilligung des Armenrechts seien in England derartig eng und starr, daß sie nur fast mittellosen Parteien die Inanspruchnahme des Armenrechts ermöglichten. Es gehöre zu den Grundvorstellungen unserer öffentlichen Ordnung, daß die Rechtsverteidigung eines Betroffenen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht scheitern dürfe. Auch das Verfahren des englischen Richters im Termin vom 4./5. April 1973, bei dem der Antragsgegner ausgeschlossen gewesen sei, widerspreche unserer rechtsstaatlichen Ordnung.
2.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 1967 - VIII ZR 145/66 (= BGHZ 48, 327, 331) ausgeführt, daß durch den Vorbehalt des ordre public (Art. III Abs. 1 c deutsch-britisches Abkommen) dem Urteil eines ausländischen Gerichts die Anerkennung nicht schon deshalb versagt werden kann, weil es in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozeßrechts abweicht. Ein Versagungsgrund für die Anerkennung ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Nur dies, und nicht die Frage, ob bei gleicher Verfahrensweise der deutsche Richter gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts verstoßen hätte, gibt den Maßstab dafür ab, ob das Urteil eines ausländischen Gerichts gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international verstößt. Bei der Frage der Anwendung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) kann nicht ein Vergleich zwischen dem deutschen und dem ausländischen Recht vorgenommen werden. Es ist vielmehr auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Das ist einmal der Umstand, daß es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum anderen verlangt es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, daß ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluß nehmen können muß (BGHZ a.a.O.). Diese Auffassung des Senats ist durch einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 1968 - 2 BvR 740/67 gebilligt worden, mit dem eine Verfassungsbeschwerde gegen das angeführte Senatsurteil nicht zur Entscheidung angenommen worden ist.
Das Verfahren des englischen Richters entspricht rechtsstaatlichen Grundprinzipien und verstößt daher nicht gegen den deutschen ordre public.
a)
Schon von der Mandatsniederlegung seiner englischen Anwälte am 27. Februar 1973 an, von der er, wie sein Schreiben an das englische Gericht vom 28. Februar 1973 zeigt, Kenntnis hatte, mußte der Antragsgegner bemüht sein, für seine weitere Vertretung vor dem englischen Gericht zu sorgen. Er konnte nicht damit rechnen, daß das englische Gericht erneut den bereits einmal wegen seiner Erkrankung verlegten Verhandlungstermin auf längere Zeit verlegen würde. Wenn er nicht geeignete Schritte für seine weitere Vertretung unternahm, dann kann hierin, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör oder die deutsche öffentliche Ordnung gesehen werden; denn er hatte auf jeden Fall die Möglichkeit, auf das englische Verfahren durch neue Prozeßbevollmächtigte aktiv einzuwirken und dort zu Gehör zu kommen. Welche Schritte der Antragsgegner nach dem 28. Februar 1973 unternommen hat, um für seine weitere Vertretung in dem englischen Verfahren zu sorgen, vermag auch die Revision konkret nicht anzugeben.
b)
Desgleichen berührt eine vom deutschen Recht abweichende, wesentlich strengere Bedingungen erfordernde Regelung für die Bewilligung des Armenrechts in England die deutsche öffentliche Ordnung nicht; denn es gehört nicht zu den Prinzipien unseres Rechtssystems, daß die Bedingungen, unter denen einer Partei in einem fremden Staat das Armenrecht gewährt werden kann, mit unseren Regelungen in allen Punkten vergleichbar sind.
c)
Der Antragsgegner war auch nicht dadurch daran gehindert, auf das Verfahren des englischen Gerichts einzuwirken, daß der englische Richter weiteren unmittelbaren Vortrag des Antragsgegners zurückgewiesen hat. Ein solches Verhalten ist auch dem deutschen Recht, soweit in einem Verfahren Anwaltszwang besteht, nicht fremd.
III.
Auch soweit die Revision rügt, das englische Urteil sei durch betrügerische Machenschaften von der Antragstellerin erwirkt worden (Art. III Abs. 1 c 2 deutsch-britisches Abkommen), hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision stand.
Der Antragsgegner kann allein mit den Beweismitteln, deren er sich bereits in seinem Vortrag im englischen Verfahren bedient hat oder doch hätte bedienen können, nicht erneut dieses Verfahren unter dem Gesichtspunkt des betrügerischen Erschleichens des englischen Urteils wieder aufrollen. Er müßte, darauf hat das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen, dartun, daß die Antragstellerin durch Prozeßbetrug im Rechtsstreit in England obsiegt hat. Daß das englische Urteil offenkundig objektiv unrichtig sei, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Es liegt daher auch kein Indiz dafür vor, daß das englische Urteil durch eine vorsätzliche Täuschungshandlung von der Antragstellerin herbeigeführt worden sei, wie die Revision meint. Hinsichtlich des Ladungsschadens hat sich der englische Richter u.a. auch auf "den Bericht des Besichtigers, der zur Begutachtung der Waren bestellt wurde und der ihren beschädigten Wert bescheinigte," gestützt. Auch hier bringt der Antragsgegner nur dasjenige wor, was er im englischen Prozeß hätte vortragen können und beweisen müssen. Eine vorsätzliche Täuschung des englischen Richters ist damit nicht schlüssig dargetan, zumal englische Gerichte nur die ihnen von den Parteien vorgetragenen Beweise erheben.
IV.
Endlich verstößt die Anerkennung des englischen Urteils entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deswegen gegen die deutsche öffentliche Ordnung (Art. III Abs. 1 c des deutsch-britischen Abkommens), weil Richter Mocatta nicht besondere Ausführungen zur Kausalität der von ihm für bewiesen erachteten Vertragsverstöße des Antragsgegners für den Schaden der Antragstellerin gemacht hat. Selbst wenn insoweit ein Begründungsmangel gegeben sein sollte, würde dieser nicht hinreichen, eine Verletzung des deutschen ordre public anzunehmen; denn nur untragbar erscheinende Verstöße gegen das inländische Recht können zur Ablehnung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung unter diesem Gesichtspunkt führen (Senatsurteil vom 4. Juni 1975 - VIII ZR 232/73 = WM 1975, 676).
V.
Die Revision behauptet weiter, dem Antragsgegner sei der Antrag auf Kostenfestsetzung, der zu der Entscheidung vom 13. Juni 1974 geführt hat, vorher nicht zur Kenntnis gebracht worden, weshalb ihm auch hier das rechtliche Gehör von dem englischen Gericht verweigert worden sei.
Der Antragsgegner hat hierzu aber nicht dargelegt, er habe keine Möglichkeit gehabt, gegen die Entscheidung vom 13. Juni 1974 in England Rechtsmittel einzulegen und sich so Gehör zu verschaffen. Damit bleibt auch diese Rüge ergebnislos.
VI.
Nach Art. IX Abs. 3 des deutsch-britischen Abkommens ist der in einer für vollstreckbar erklärten Entscheidung zuerkannte Geldbetrag für die Zeit zwischen dem Tage, an dem das Gericht des Urteilstaates die Entscheidung erlassen hat, und dem Tage der Vollstreckbarerklärung zu demjenigen Satz zu verzinsen, der sich aus der Entscheidung selbst oder aus einer ihr beigefügten Bescheinigung des Gerichts des Urteilstaates ergibt. Hier ergibt sich aus der Urteilsbegründung des englischen Richters M. ein zuerkannter Zinssatz von 7 % bis zum Tage des Urteils des englischen Gerichts, obwohl dort von der Antragstellerin ein Zinssatz von 7 1/2 % begehrt war.
Die "Bestätigung B" des Master W. vom 14. März 1974, die wiederum der englischen Urteilsbegründung beigeheftet ist, gibt als Zinssatz 7 1/2 % zu Gunsten der Antragstellerin für die Zeit ab dem englischen Urteil bis zur Zahlung an.
Der Senat legt hier denjenigen Zinssatz für die nach. Art. IX Abs. 3 Satz 1 zu treffende Entscheidung über die Verzinsung der Urteilssumme bis zum Tage der Vollstreckbarerklärung zugrunde, der sich aus dem englischen Urteil selbst, wenn auch nur bis zum Verkündungstag als zuerkannt ergibt. Die "Bestätigung B" vom 14. März 1974 konnte nach Auffassung des Senats diesen Zinssatz nicht verändern. Sie geht auch insofern ins Leere, als mit ihr der Antragstellerin dieser Zinssatz bis zur Bezahlung der Urteilssumme zugebilligt wird, was im Hinblick auf Art. IX Abs. 3 Satz 2 des deutschbritischen Abkommens nicht möglich war. Dementsprechend war das Berufungsurteil in diesem Punkte zu berichtigen.
VII.
Die Widerklage des Antragsgegners, die das Berufungsgericht im zweiten Rechtszug zugelassen hatte, konnte nach Sachlage keinen Erfolg haben. Da seine Rechtsmittel mit Ausnahme einer geringfügigen, keine besonderen Kosten verursachenden Berichtigung des zuerkannten Zinssatzes ergebnislos geblieben sind, hat der Antragsgegner auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. II ZPO)
Claßen
Hoffmann
Wolf
Merz