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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.06.1977, Az.: VII ZR 66/76

Voraussetzungen für die Verjährung einer Werklohnforderung; Anforderungen an die Auslegung eines Werkvertrages; Zeitpunkt der Fälligkeit eines Werklohnanspruches

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.06.1977
Aktenzeichen
VII ZR 66/76
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 13143
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 09.02.1976
LG Hannover

Fundstellen

  • DB 1977, 1942-1943 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1978, 46 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1977, 2075 (amtl. Leitsatz)

Prozessführer

Installateur Roland W., Im K., S. am M.

Prozessgegner

Günther P., Wa.straße ..., G.

Amtlicher Leitsatz

Für den Beginn der Verjährung des Werklohnanspruchs des Auftragnehmers ist nach § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (1952) der Zeitpunkt maßgebend, in welchem der Auftragnehmer die Schlußrechnung erteilt hat, nicht der - frühere - Zeitpunkt, in welchem er sie hätte erteilen können und müssen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 1977
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Meise, Dr. Recken, Doerry und Bliesener
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 9. Februar 1976 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger baute im Auftrag des Beklagten in dessen Neubau in G. sanitäre Anlagen ein. Die Parteien hatten die Geltung der VOB/B (1952) vereinbart. Im Juni 1971 waren die Anlagen fertiggestellt. Der Beklagte bezog das Haus noch im selben Monat. Der Kläger erteilte ihm erst rund 2 Jahre und 8 Monate später unter dem 12. Februar 1974 Schlußrechnung über 28.071,59 DM. Der Beklagte, der während der Bauarbeiten 17.000 DM als Abschlag auf den Werklohn gezahlt hatte, lehnte weitere Zahlung ab.

2

Der Kläger hat gegen den Beklagten mit dem am 13. Dezember 1974 beantragten und demnächst zugestellten Zahlungsbefehl restlichen Werklohn von zunächst 11,071,59 DM nebst Zinsen geltend gemacht, den er in der Berufungsinstanz auf 11.028,30 DM nebst Zinsen ermäßigt hat.

3

Der Beklagte hat sich u.a. auf Verjährung berufen.

4

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

5

Das Berufungsgericht meint, für den Verjährungsbeginn sei in Fällen wie hier gemäß § 198 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (1952) - entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - nicht der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Auftragnehmer die Schlußrechnung erteilt hat, sondern der - frühere - Zeitpunkt, in dem er die Schlußrechnung hätte erteilen können. Das sei hier spätestens Ende Juli 1971 der Fall gewesen. Die zweijährige Verjährungsfrist habe daher Ende 1971 begonnen und sei Ende 1973 abgelaufen. Der erst im Dezember 1974 beantragte Zahlungsbefehl habe die Verjährung nicht mehr unterbrechen können.

6

Die Entscheidung des Berufungsgerichts gibt dem Senat keinen Anlaß, seine ständige Rechtsprechung zu dieser Frage zu ändern.

7

1.

Nach § 198 Satz 1 BGB ist für den Verjährungsbeginn der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Forderung erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d.h. der Zeitpunkt, in dem sie fällig wird (ständige Rechtsprechung; vgl. u.a. BGHZ 53, 222, 225; 55, 340, 341; 62, 15, 17; Johannsen in RGRK 12. Aufl., BGB § 198 Rn. 2, 3; Soergel/Siebert 10. Aufl. BGB § 198 Rn. 1). Nach § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (1952) ist die Schlußzahlung

"alsbald nach Prüfung und Feststellung der vom Auftragnehmer vorgelegten Schlußrechnung zu leisten, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung".

8

Daraus hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung gefolgert, daß der Werklohnanspruch des Unternehmers erst zu diesem Zeitpunkt fällig wird und daß auch erst nach diesem Zeitpunkt sich der Beginn der Verjährungsfrist des Werklohnanspruchs richtet, gleichviel, ob der Auftragnehmer seine Schlußrechnung schon früher hätte erteilen können und nach dem Vertrag hätte erteilen müssen (vgl. u.a. BGHZ 53, 222, 225; BGH NJW 1968, 1962; 1969, 428; 1971, 1455; 1971, 1800 - insoweit in BGHZ 56, 312 nicht abgedruckt; ferner Senatsurteile vom 27. Februar 1969 - VII ZR 38/67 = Schäfer/Finnern Z 2.331 Bl. 78 und vom 21. Dezember 1970 - VII ZR 184/69 = Schäfer/Finnern Z 2.311 Bl. 42).

9

2.

Insbesondere in seiner Entscheidung NJW 1971, 1455 Nr. 9 hat der Senat die Gründe dargelegt, die seine Auffassung rechtfertigen. Daran hält er fest. Auf die Gründe jener Entscheidung kann daher verwiesen werden. Was das Berufungsgericht - im Anschluß an Schultz JZ 1973, 718 und an seine frühere Entscheidung BauR 1974, 413 - für seine abweichende Meinung vorbringt, überzeugt nicht.

10

a)

Es will aus § 199 BGB, der den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der Zulässigkeit der Kündigung vorverlegt, einen allgemeinen Grundsatz ableiten, wonach bei Ansprüchen "mit hinausgeschobener, aber von der Disposition des Gläubigers abhängiger Fälligkeit" die "Entstehung" des Anspruchs im Sinne von § 198 Satz 1 BGB mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen sei, in dem der Gläubiger die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit seines Anspruchs selbst herstellen könne. Das Oberlandesgericht beruft sich für seine Ansicht auf die Entstehungsgeschichte der §§ 198, 199 BGB.

11

§ 199 BGB - und ebenso § 200 BGB - enthalten jedoch Sonderregelungen, die keiner Erweiterung fähig sind (vgl. BGHZ 55, 340, 344; BGH NJW 1971, 1455). Das ergibt gerade die Entstehungsgeschichte. § 158 des Entwurfs I hatte in Absatz 3 die Regelung vorgesehen, daß dann, wenn die Entstehung eines Anspruchs von dem bloßen Wollen des Berechtigten abhänge, die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnen sollte, in welchem der Anspruch zur Entstehung gebracht werden könne. Nach Absatz 4 sollte dann, wenn die Befriedigung eines Anspruchs von dem Verlangen oder von der Kündigung des Berechtigten abhängig sei, die Verjährung mit dem Zeitpunkt beginnen, in welchem das Verlangen oder die Kündigung erfolgen könne. Diese Regelung, die in etwa der Auffassung des Berufungsgerichts entsprochen hätte, ist aber nicht Gesetz geworden. Schon in § 165 des Entwurfs II wurde sie - abgesehen vom Fall der Kündigung - nicht übernommen, weil sie als zu weitgehend empfunden wurde. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde dann die Bestimmung über die Kündigung (§ 199 BGB) nur noch um die - in den ersten beiden Entwürfen noch nicht enthaltene - Bestimmung über die Anfechtung (§ 200 BGB) ergänzt. Daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber eine Erweiterung der Sonderregelungen der §§ 199, 200 BGB gerade nicht gewollt hat (vgl. auch Mugdan, Materialien zum BGB I S. 779-781).

12

b)

Das Berufungsgericht meint, seine Auffassung entspreche besser dem Zweck des Verjährungsinstituts, der Wahrung des Rechtsfriedens zu dienen, den verspätet in Anspruch genommenen Auftraggeber vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen und eine baldige Klärung der gegenseitigen Ansprüche herbeizuführen. Deswegen dürfe dem Auftragnehmer nicht gestattet sein, durch verspätete Erteilung der Schlußrechnung die Verjährung hinauszuschieben.

13

Auch das überzeugt nicht. § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (1952) läßt für die Fälligkeit eindeutig den Zeitpunkt maßgebend sein, in welchem der Auftragnehmer die Schlußrechnung erteilt hat und nicht den Zeitpunkt, in welchem er sie hätte erteilen können und nach dem Vertrage hätte erteilen müssen. Indem der Auftraggeber durch Vereinbarung der VOB/B diese Regelung zum Vertragsinhalt gemacht hat, hat er in zulässiger Weise den Fälligkeitszeitpunkt vertraglich hinausgeschoben und muß sich an dieser Abrede festhalten lassen.

14

c)

Das Berufungsgericht mißversteht, was der Senat in NJW 1971, 1455 zu § 14 Nr. 4 VOB/B gesagt hat. Welchem Zweck diese Bestimmung dient, ist für den hier maßgebenden Gedankengang unerheblich. Der Hinweis auf § 14 Nr. 4 VOB/B soll lediglich zum Ausdruck bringen, daß der Auftraggeber einem die Schlußrechnung böswillig oder saumselig verzögernden Auftragnehmer nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern durch § 14 Nr. 4 VOB/B die Möglichkeit hat, die Schlußrechnung selbst zu erstellen oder erstellen zu lassen, und zwar auf Kosten des Auftragnehmers. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, daß der Auftraggeber nicht "verpflichtet" ist, diese Möglichkeit auszunutzen.

15

d)

Die Auffassung des Senats hat gegenüber der des Berufungsgerichts auch den Vorteil der größeren Praktikabilität. Wann der Auftraggeber die Schlußrechnung erhalten hat, ist in aller Regel leicht festzustellen. Wann der Auftragnehmer die Schlußrechnung hätte erteilen können oder nach dem Vertrag hätte erteilen müssen, kann vielfach zweifelhaft sein. Darauf abzustellen, würde eine weitere Unsicherheit in die Beurteilung der Verjährungsfrage hineinbringen. Die Vorschrift des § 14 Nr. 3 VOB/B (1952), wonach die Schlußrechnung je nach Dauer der Ausführungsfrist in bestimmter Frist einzureichen ist, hilft nicht weiter, da sie an die "Fertigstellung" anknüpft, die erfahrungsgemäß ebenfalls vielfach umstritten ist. Ersichtlich auch um solche Unsicherheiten zu vermeiden, hat die VOB/B die Fälligkeit von dem meist eindeutigen Zeitpunkt des Zugangs der Schlußrechnung abhängig gemacht. Besondere Bedeutung gewinnt dieser Zweck für den Verjährungsbeginn. Gerade hier aber wäre er vereitelt, wenn man nun doch über § 14 Nr. 3 VOB/B der "Fertigstellung" maßgeblichen Einfluß auf den Beginn der Verjährungsfrist einräumen würde.

16

3.

Nach alledem hätte die Verjährung hier am Ende desjenigen Jahres (§ 201 BGB) begonnen, in welchem der Zeitpunkt lag, der seinerseits wieder zwei Monate später lag als die Einreichung der Schlußrechnung. Da der Kläger die Schlußrechnung im Februar 1974 eingereicht hat, wurde seine Restwerklohnforderung im April 1974 fällig und die Verjährung würde erst Ende 1974 begonnen haben. Dazu kam es aber nicht mehr, da er bereits vorher einen Zahlungsbefehl erwirkt hat.

17

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr die gegen die Klageforderung weiter erhobenen Einwendungen prüfen müssen. Ihm wird auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen.

Vogt
Meise
Recken
Doerry
Bliesener