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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.01.1977, Az.: VIII ZR 42/75

Voraussetzungen eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts im Falle eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung; Wirkungen einer drohenden Insolvenz auf die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften mit dem in drohender Insolvenz befindenden Unternehmer; Voraussetzungen einer verwerflichen Gesinnung; Verteilung der Beweislast bei sich weder auf Eigentum stützende noch durch Einwendungen des Beklagten aus dem Eigentum berührende Ansprüche des Klägers; Umfang der Darlegungslast von Beklagten und Kläger im Falle eines durch eine Eigentumsvermutung begründeten Eigentumserwerb; Anforderungen an den Beweis zur Widerlegung der Eigentumsvermutung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
19.01.1977
Aktenzeichen
VIII ZR 42/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 13088
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Zweibrücken - 19.12.1974
LG Frankenthal - 30.03.1973

Fundstelle

  • MDR 1977, 661 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Kaufmann Peter B., F. a. M., Be.platz ...

Prozessgegner

1. Kaufmann Manfred Au., Fr./P. Pe.weg

2. Pferdehändler Walter T., Fu., Ho. Str. ...

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Sind, der vom früheren Besitzer als Erwerbsgrund behauptete Kaufvertrag und die darin geregelte Übereignung als Scheingeschäft nichtig, so scheitert die Widerlegung der Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 2 BGB nicht schon deshalb, weil nicht jede andere, nur denkbare und von keiner Partei behauptete Art des Eigentumserwerbs ausgeschlossen worden ist.

  2. b)

    Bei der Beweiswürdigung für die Widerlegung einer Eigentumsvermutung aus § 1006 BGB verletzt das Gericht § 286 ZPO, wenn es die Vermutung als nicht widerlegt behandelt, weil es einen Sachverhalt als möglich ansieht, den keine Partei behauptet und der sich auch nicht aufgrund allgemeiner Erfahrung aufdrängt.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Wolf, Merz und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 19. Dezember 1974 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 30. März 1973 zurückgewiesen hat.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger war früher Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der A. Marketing und Werbe-GmbH u. Co. KG (im folgenden: A.) war. Außerdem betätigte sich der Kläger als Turnierreiter und unterhielt privat einen Reitstall. Als die A. im Sommer 1971 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war und dicht vor dem Konkurs stand, verhandelte der Kläger mit mehreren Interessenten zunächst ergebnislos über den Verkauf einiger seiner Pferde.

2

Am 22. Oktober 1971 berichtete er telefonisch dem Beklagten zu 1), der ebenfalls Kaufmann und Turnierreiter ist und den er als Reiterfreund kannte, von dem zu befürchtenden Konkurs und von seiner Absicht, mehrere Pferde abzugeben und seinen Reitstall aufzulösen. Nach Rücksprache mit dem als Pferdehändler tätigen Beklagten zu 2) und dessen Bereitschaft, sich an einer Verwertung der Pferde zu beteiligen, verabredete der Beklagte zu 1) mit dem Kläger in einem an demselben Vormittag geführten Telefongespräch eine Zusammenkunft im Reitstall des Klägers. Dort, in einem nahegelegenen "Reiterstübchen" und anschließend im Büro des Werbekaufmanns R. trafen die Parteien Vereinbarungen, über deren Inhalt sie ebenso wie über den der beiden Telefongespräche streiten. Unstreitig haben jedoch der Kläger und der Zeuge R., der dem Kläger einige Wochen vorher ein Darlehen von 50.000,- DM gewährt hatte, am 22. Oktober 1971 einen auf den 8. Oktober rückdatierten Vertrag unterzeichnet, nach dessen Inhalt der Kläger an R. die Pferde "Do." für 7.000,- DM, "Li." für 15.000,- DM, "Da." für 14.000,- DM, "Gr." für 9.000,- DM und "Am." für 5.000,- DM, insgesamt 50.000,- DM verkaufte; "Eigentum und Besitz" wurden nach dem Vertragstext sofort übertragen, die Pferde sollten aber zunächst im Reitstall des Klägers bleiben.

3

Weiterhin unterzeichneten der Zeuge R. und der Beklagte zu 1) einerseits, R. und der Beklagte zu 2) andererseits am gleichen Tage je einen Kaufvertrag, nach deren Inhalt R. an den Beklagten zu 1) "Gr." und "Da." für 28.000,- DM sowie an den Beklagten zu 2) "Do." "Li." und "Am." für 42.000,- DM verkaufte und Eigentum und Besitz übertrug. Die Pferde wurden mit einem tierärztlichen Gesundheitsattest kurz darauf an die Beklagten übergeben, ebenso auch die Abstammungspapiere. Die Beklagten zahlten 28.000,- DM bzw. 42.000,- DM an R., der 20.000,- DM davon an den Kläger weiterleitete.

4

In der Folgezeit tauschten die Beklagten die Pferde "Li." und "Gr." gegeneinander aus und veräußerten bis zum Frühjahr 1972 alle fünf Pferde, wobei sie nach ihrer Behauptung 129.000,- DM Erlös erzielten.

5

Der Kläger, der dem Verkauf des Pferdes "Li." für 40.000,- DM zugestimmt hatte, behauptet, die schriftlichen Verträge zwischen ihm und R. sowie zwischen diesem und den Beklagten seien als Scheinverträge abgeschlossen worden; die 70.000,- DM seien als Darlehen gegeben, und er habe den Weiterverkauf der drei an den Beklagten zu 2) übergebenen Pferde von seiner Zustimmung abhängig gemacht, während "Gr." und "Da." überhaupt nicht hätten verkauft werden sollen.

6

In erster Instanz hat der Kläger von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern - unter Abzug der 70.000,- DM - Herausgabe des über 28.000,- DM hinausgehenden Erlöses für "Li." und Schadensersatz für den Verkauf der nach seiner Behauptung mit etwa 300.000,- DM zu bewertenden anderen Pferde nebst Zubehör in Höhe von 231.450,- DM eingeklagt und Herausgabe der Papiere für eine andere Stute und für zwei Fohlen verlangt. Das Landgericht hat ihm die Herausgabe der Papiere zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen, weil der Kläger den Scheincharakter jedenfalls der Verträge zwischen Ruoss und den Beklagten nicht bewiesen habe.

7

In der Berufungsinstanz hat der Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zu anteiliger Zahlung gefordert, die Klage später um 2.950,- DM (für einen Vielseitigkeitssattel) ermäßigt und statt dessen Herausgabe des Sattels gefordert. Das Berufungsgericht hat den Herausgabeanspruch zugesprochen und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagten bitten, verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Teils des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.

9

I.

1.

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe die aus § 1006 Abs. 2 BGB folgende Vermutung für das Eigentum der Beklagten an den fünf Pferden während der Zeit ihres Besitzes nicht widerlegt. Dabei könne offen bleiben, ob die schriftlichen Verträge zwischen dem Kläger und dem Zeugen R. einerseits sowie zwischen R. und den Beklagten andererseits als Scheinverträge nichtig seien. Selbst wenn das anzunehmen sei, bleibe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Möglichkeit, daß der Kläger die fünf Pferde in Vollzug eines eventuellen mündlichen Kaufvertrages an die Beklagten gemäß § 929 BGBübereignet habe. Damit entfielen alle auf ein Auftrags- oder Verwahrungsverhältnis, auf unrechtmäßige Besitzverschaffung, unerlaubte Handlung, Verfügung eines Nichtberechtigten oder ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Ansprüche des Klägers auf Herausgabe des Erlöses aus den Pferdeverkäufen oder auf Wertersatz bzw. Schadensersatz. Denn alle diese Ansprüche setzten Eigentum des Klägers voraus. Unterstelle man den ernst gemeinten Abschluß der am 22. Oktober 1971 unterschriebenen Kaufverträge, so seien diese nicht nach § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nichtig; die Ausbeutung einer Notlage und die Kenntnis der Beklagten von einer solchen Notlage habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt; auch ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung sei angesichts des hohen Risikos für die Beklagten durch eine mögliche Einbeziehung der Pferde in die Konkursmasse nicht festzustellen; da die besonderen Umstände kurz vor der Konkurseröffnung zudem keine eigennützige verwerfliche Gesinnung der Beklagten erkennen ließen, scheide ein auf § 138 BGB gestützter Anspruch auf Wertersatz für eine ungerechtfertigt erlangte Bereicherung nach §§ 812, 818 Abs. 2, 819 BGB aus.

10

2.

Diese Ausführungen tragen die angefochtene Entscheidung nicht.

11

a)

Zu Unrecht rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht die Nichtigkeit der am 22. Oktober 1971 unterzeichneten schriftlichen Kaufverträge nach § 138 BGB verneint hat.

12

aa)

Das Berufungsgericht unterstellt in diesem Zusammenhang den ernst gemeinten Abschluß der schriftlichen Verträge, verneint jedoch deren Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB, weil der Kläger die hierfür erforderliche Ausbeutung einer Notlage nicht hinreichend dargetan habe.

13

Dies ist nicht zu beanstanden. Denn der Kläger behauptet auch in der Revisionsbegründung nicht, sich in einer Notlage befunden zu haben. Vielmehr führt er ausdrücklich an, er habe sich in Reiner Zwangslage befunden, sondern nur einen "optischen Eindruck" auf die Gläubiger der "A." hervorrufen wollen.

14

Eine Verletzung der §§ 286, 313 ZPO ist daher nicht ersichtlich.

15

bb)

Das Berufungsgericht verneint weiter die Sittenwidrigkeit der Verträge unter dem Gesichtspunkt eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 BGB), weil weder ein derartiges Mißverhältnis noch eine eigennützige verwerfliche Gesinnung der Beklagten festzustellen seien.

16

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision sind gleichfalls unbegründet. Es kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verneinen durfte, ohne die vom Kläger angebotenen Beweise zum objektiven Wert der fünf Pferde zu erheben. Nach feststehender Rechtsprechung genügt im allgemeinen das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung noch nicht, um die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts i.S. von § 138 Abs. 1 HGB zu begründen. Als weiteres Merkmal muß eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils hinzukommen (Senatsurteil vom 21. Mai 1957 - VIII ZR 226/56 = LM BGB § 138 (Ba) Nr. 2 = NJW 1957, 1274 m.w.N.).

17

Das Vorliegen dieses Merkmals verneint das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum. Es stellt darauf ab, daß die Beklagten angesichts des bevorstehenden Konkurses der "A." und der Eilbedürftigkeit der Entscheidung sowie der Unsicherheit über den tatsächlichen Wert der Pferde mit den Verträgen ein Risiko eingegangen seien und daß dies letztlich auf Veranlassung des Klägers geschehen sei; unter solchen Umständen sei das Streben nach einem nicht unerheblichen Gewinn nicht verwerflich.

18

Mit dieser Wertung hat das Berufungsgericht den Begriff der verwerflichen Gesinnung nicht verkannt. Die Revision meint auch nur, die verwerfliche Gesinnung ergebe sich zwingend aus der Ausnutzung der Notlage des Klägers; die Entscheidungsgründe stünden in Widerspruch zum unstreitigen Tatbestand, wenn das Berufungsgericht hier davon ausgehe, der Kläger habe den Beklagten nicht alles über seine wirtschaftliche Lage mitgeteilt.

19

Daß die Beklagten eine Notlage des Klägers ausgenutzt hätten, kann schon deshalb nicht zutreffen, weil der Kläger eine solche Notlage, wie bereits ausgeführt, nicht einmal behauptet hat. Er stützt sein Vorbringen gerade darauf, daß er im Oktober 1971 die Pferde jederzeit zu viel höheren Preisen an den Zeugen Bö. hätte verkaufen können. Das Berufungsgericht hat daher insofern kein wesentliches Vorbringen unbeachtet gelassen.

20

Der von der Revision gesehene Widerspruch zwischen Tatbestand und Entscheidungsgründen ist für die Entscheidung unerheblich. Da der Kläger sich nicht in einer Notlage befand, wäre auch aus der vollständigen Kenntnis der Beklagten von seien wirtschaftlichen Umständen nicht auf eine verwerfliche Gesinnung zu schließen.

21

b)

Begründet ist die Revision aber insofern, als sie die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Eigentumsvermutung nach § 1006 BGB nicht widerlegt, für rechtsfehlerhaft halt.

22

aa)

Da das Berufungsgericht ausdrücklich offen läßt, ob die drei am 22. Oktober 1971 unterzeichneten Kaufverträge als Scheinverträge nichtig waren (§ 117 Abs. 1 BGB), ist für die Revisionsinstanz von deren Nichtigkeit auszugehen.

23

bb)

Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Kläger für alle Ansprüche, die unmittelbar oder mittelbar sein Eigentum für den Zeitpunkt der Weiterveräußerung der Pferde an Dritte voraussetzen (z.B. Anspruch auf den Erlös nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB oder aus einem Auftragsverhältnis, Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung oder wegen Verletzung einer Verwahrungspflicht), sein Eigentum beweisen muß. Das folgt aus § 1006 BGB, der nicht nur gegenüber Ansprüchen aus denn Eigentum gilt, sondern überall, wo ein Besitzer oder früherer Besitzer sich auf Eigentum beruft.

24

Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt, indem es den Kläger auch unabhängig von § 1006 BGB hinsichtlich der von ihm erhobenen Ansprüche für beweispflichtig halte, geht fehl. Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, für welche nicht das streitige Eigentum betreffenden Tatsachen das Berufungsgericht eine Beweispflicht erörtert, wäre die Ansicht der Revision auch unrichtig. Für Ansprüche, die sich weder auf Eigentum stützten noch durch Einwendungen der Beklagten aus dem Eigentum berührt würden, hätte der Kläger die Voraussetzungen nach allgemeinen Grundsätzen auch dann zu beweisen, wenn die schriftlichen Kaufverträge Scheinverträge waren.

25

cc)

Nicht haltbar ist aber die vom Berufungsgericht nach Erörterung des Beweisergebnisses gezogene Schlußfolgerung, der Kläger habe die für die Beklagten wirkende Vermutung aus § 1006 BGB nicht widerlegt. Diese Folgerung beruht entweder auf einer Verkennung des § 1006 BGB oder auf einer - von der Revision gerügten - Verletzung des § 286 ZPO durch Verwertung nicht in den Prozeß eingeführter und durch Außerachtlassung zu unterstellender Tatsachen.

26

Die Beklagten hatten noch im Laufe des 22. Oktober 1971 nach Abschluß der Besprechungen mit dem Kläger Besitz an den fünf Pferden erlangt. Daraus leitet sich, nachdem die Beklagten den Besitz durch Veräußerung der Pferde wieder verloren haben, nach § 1006 Abs. 2 BGB die doppelte Vermutung her, daß die Beklagten mit der Besitzerlangung Eigenbesitzer und Eigentümer geworden und während der Dauer ihres Besitzes geblieben waren (Senatsurteile vom 10. Mai 1960 - VIII ZR 90/59 = LM BGB § 1006 Nr. 7 = NJW 1960, 1517 = WM 1960, 936 und vom 13. Juli 1970 - VIII ZR 181/68 = WM 1970, 1272). Diese Vermutung muß der Kläger voll entkräften, wenn er die Fortdauer seines bis zum 22. Oktober 1971 bestandenen Eigentums geltend machen will. Die Beklagten als frühere Besitzer brauchen demgegenüber keine für ihren Eigentumserwerb sprechende Tatsachen vorzutragen. Wenn sie dies - wie hier - dennoch getan und sich auf Kaufverträge mit dem Zeugen R. sowie auf Übereignung durch den Verkäufer berufen haben, ändert das nichts an der Beweispflicht des Klägers (Senatsurteile vom 10. Mai 1960 - a.a.O. - m.w.N. und vom 11. Oktober 1961 - VIII ZR 113/60 = LM BGB § 1006 Nr. 9). Selbst wenn die Darstellung der Beklagten widerlegt ist, folgt daraus nicht zwangsläufig die Widerlegung auch der Eigentumsvermutung; denn es ist gerade der Sinn der in § 1006 BGB getroffenen Regelung, dem Eigenbesitzer die Darlegung und den Nachweis der Besitzerwerbstatsachen zu ersparen.

27

In einem solchen Falle hat aber das Gericht unter Würdigung des Beweisergebnisses zu prüfen, ob es die Eigentumsvermutung als widerlegt erachtet; dabei hat es - wie in jeder Beweiswürdigung - auch Beweisanzeichen und Erfahrungssätze zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 10. Mai 1960 - a.a.O. - und vom 21. Dezember 1960 - VIII ZR 145/59 = LM BGB § 1006 Nr. 8 = NJW 1961, 777 = WM 1961, 150).

28

Das Berufungsgericht meint nun, nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz teilweise wiederholten und durch Vernehmung weiterer Zeugen ausgedehnten Beweisaufnahme sei der dem Kläger obliegende Beweis nicht geführt; es sei nicht auszuschließen, daß die Beklagten die Pferde in Vollzug eines eventuell mündlich geschlossenen Kaufvertrages und einer Übereignung unmittelbar zwischen den Parteien erworben hätten.

29

Welche rechtliche Bedeutung diese Möglichkeit einer unmittelbaren Übereignung haben soll, ist nicht eindeutig. Sollte das Berufungsgericht etwa meinen, der Kläger müsse außer der von den Beklagten gegebenen Darstellung auch jeden denkbaren weiteren Erwerbsvorgang (darunter auch einen unmittelbaren zwischen den Parteien) widerlegen, läge darin eine Überspannung des § 1006 BGB. Diese Bestimmung mutet dem Gegner des Besitzers zwar den vollen Gegenbeweis gegen die gesetzliche Eigentumsvermutung zu, jedoch nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den beiderseitigen Sachvortrag abgesteckten Rahmen. Wäre der Beweispflichtige gezwungen, auch jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen, wäre eine Widerlegung der Eigentumsvermutung kaum möglich. Der Senat hat deshalb auch früher bereits ausgesprochen, daß die Anforderungen an den nach § 1006 BGB erforderlichen Beweis zur Widerlegung der Eigentumsvermutung nicht besonders streng bemessen werden dürfen (Senatsurteil vom 21. Dezember 1960 - a.a.O. -). Die auf eine derartig überspannte Auslegung des § 1006 BGB gestützte Entscheidung des Berufungsgerichts könnte keinen Bestand haben.

30

Sollte der Hinweis auf die Möglichkeit einer unmittelbaren Übereignung nicht in dem oben erörterten Sinn zu verstehen sein, könnte er nur als Erwägung im Rahmen der Würdigung der Beweisaufnahme über die von den Parteien aufgestellten Behauptungen von Bedeutung sein. Das verstieße aber gegen § 286 ZPO, weil das Berufungsgericht damit einen Sachverhalt in den Prozeß einführte, den keine Partei behauptet hat.

31

Der Kläger stützt sich auf eine solche Darstellung nicht, weil er jeden Kaufvertrag und jede Übereignung bestreitet. Die Beklagten haben ebenfalls eine andere Sachdarstellung gegeben. Sie haben zwar behauptet, der Kläger habe in dem ersten Telefongespräch am 22. Oktober 1971 davon gesprochen, er wolle Pferde verkaufen; zu einer Einigung darüber sei es aber nicht gekommen; als die Beklagten beim Kläger erschienen seien, habe sich herausgestellt, daß der Kläger nicht mehr verfügungsberechtigt gewesen sei, weil die Pferde an den Zeugen R. übereignet gewesen seien; daraufhin hätten sie - nach weiteren Besprechungen im Reiterstübchen und im Büro R. - die beiden Kaufverträge mit R. abgeschlossen.

32

Weder im Tatbestand des angefochtenen Urteils noch in einem der darin in Bezug genommenen Schriftsätze der Beklagten ist ein Hinweis auf ein unmittelbares Erwerbsgeschäft zwischen den Parteien und auf eine unmittelbare Übereignung enthalten. Die Form der Übereignung nach der Behauptung der Beklagten ergibt sich aus dem Text der Vertragsurkunden: Danach wurden "Eigentum und Besitz" sofort von R. auf die Beklagten übertragen. Darin liegt die Behauptung einer Einigung über den Eigentumsübergang, verbunden entweder mit einer Abtretung des Herausgabeanspruchs des Zeugen R. gegen den Kläger, in dessen Stall die Tiere noch standen, oder mit einer Besitzübertragung nach § 929 BGB durch Weisung des Verkäufers an den Kläger als besitzenden Dritten.

33

Den danach von keiner Partei behaupteten Sachverhalt durfte das Berufungsgericht auch nicht als Möglichkeit berücksichtigen, weil es nach § 286 ZPO nur im Rahmen des gesamten Inhalts der Verhandlung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entscheiden darf.

34

Denkbar wäre die Berücksichtigung der unmittelbaren Übereignung allenfalls noch, wenn sie sich als Folge einer allgemeinen Erfahrung darstellte. Davon kann jedoch keine Rede sein. Wenn - wovon das Revisionsgericht auszugehen hat - die schriftlichen Kaufverträge Scheinverträge waren, läßt sich nicht als allgemeine Erfahrung behaupten, der Kläger habe dann die Tiere nicht den Beklagten in Verwahrung gegeben, sondern unmittelbar verkauft.

35

Schließlich ist § 286 ZPO auch deshalb verletzt, weil das Berufungsgericht eine wesentliche, von ihm als möglich unterstellte Tatsache bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat: es unterstellt zwar, daß die schriftlichen Kaufverträge als Scheinverträge nichtig waren, zieht daraus aber nur den Schluß, damit entfalle die aus den Urkunden folgende Vermutung eines Kaufvertrages. Das Berufungsgericht übersieht dabei, daß der Scheincharakter der Verträge notwendigerweise auf einer Vereinbarung der Parteien und des Zeugen R. beruhen muß. Muß eine solche Vereinbarung entgegen den Behauptungen der Beklagten und den Aussagen der von ihnen benannten Zeugen aber als bewiesen unterstellt werden, so ist nicht auszuschließen, daß das Berufungsgericht das Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme anders gewürdigt und den Eigentumsübergang als widerlegt erachtet hätte. Das gilt um so mehr, als nach dem oben Ausgeführten die Möglichkeit einer unmittelbaren Übereignung im Rahmen der Beweiswürdigung unberücksichtigt bleiben muß.

36

Mit der von ihm gegebenen Begründung kann das angefochtene Urteil daher nicht bestehen bleiben.

37

3.

Auch bei Berücksichtigung anderer Gründe läßt sich das Berufungsurteil nicht aufrechterhalten.

38

Nach § 117 Abs. 2 BGB gilt zwar das durch ein Scheingeschäft verdeckte Geschäft. Es fehlt jedoch an Feststellungen darüber, welches Geschäft verdeckt werden sollte, wenn - wie hier unterstellt - die schriftlichen Kaufverträge nichtig waren. Aus diesem Grunde und weil dem Revisionsgericht eine eigene Beweiswürdigung versagt ist, konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden.

39

II.

Das Berufungsurteil mußte deshalb, soweit es angefochten ist, aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

40

Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht erwägen müssen, ob dem vom Kläger behaupteten und unter Beweis gestellten tatsächlichen Wert der Pferde auch für die Entscheidung über den Scheincharakter der schriftlichen Verträge Bedeutung zukommt. Da Feststellungen über eine finanzielle Zwangslage für das Privatvermögen des Klägers bisher fehlen, kann der Umstand, daß die Pferde möglicherweise einen erheblich höheren Wert hatten und daß der Kläger sie wesentlich günstiger an den Zeugen Bö. verkaufen konnte, Einfluß auf die Beurteilung der Vertragswirksamkeit und der weiteren Behauptungen des Klägers gewinnen. Es könnte auch zu erwägen sein, ob der Kläger Ansprüche aus einem neben einem formalen Kaufvertrag bestehenden Treuhandvertrag herleiten könnte.

41

III.

Da der Ausgang des Rechtsstreits noch ungewiß ist, war dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz zu übertragen.

Braxmaier
Hoffmann
Wolf
Merz
Dr. Brunotte