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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.11.1976, Az.: VIII ZR 76/75

Wirksamkeit der Vereinbarung deutschen Rechts für eine Bürgschaft; Notwendigkeit der Zustimmung eines Ehegatten zur Übernahme einer Bürgschaft nach dem Heimatrecht des Bürgen; Wirksamkeit einer Bürgschaftsverpflichtung nach niederländischem Recht; Anwendung des Prinzips der Parteiautonomie

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.11.1976
Aktenzeichen
VIII ZR 76/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 13073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 24.02.1975

Fundstellen

  • DB 1977, 253 (Volltext mit amtl. LS)
  • IPRspr 1976, 9
  • JZ 1977, 438-439
  • MDR 1977, 221 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1977, 1011-1012 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

Prozessführer

Kaufmann Gerrit W. in A./Ni., Mr. v. Ha.,

Prozessgegner

Kaufmann Ernst B. in D., Ka. Straße ...,

Amtlicher Leitsatz

Die Vereinbarung deutschen Rechts für eine Bürgschaft ist wirksam und führt zur Beurteilung der sich aus ihr ergebenden Verpflichtung allein nach deutschem Recht, auch wenn der Bürge nach seinem Heimatrecht zur Übernahme einer Bürgschaft der Zustimmung seines Ehegatten bedarf.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Claßen, Hoffmann, Merz und Treier
für Recht erkannt;

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Februar 1975 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Gemäß notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Dezember 1973 schied der Kläger als Kommanditist und alleinvertretungsberechtigter Prokurist gegen eine bis zum 1. März 1974 an ihn zu zahlende Abfindungssumme von 50.000 DM aus der Firma ARG Ai. M. KG, D. (im folgenden: KG) aus. Am 19. Mai 1974 übernahm die niederländische Firma T., deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte ist, die KG und stellte den bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter M. von allen Verbindlichkeiten der KG frei. Hierzu übernahm der Beklagte persönlich ebenfalls am 19. Mai 1974 eine Bürgschaft mit folgendem Wortlaut:

"Für die vorstehend eingegangene Verpflichtung der Firma T. Ap. B.V. gegenüber Herrn Ma. übernehme ich hiermit in vollem Umfang die selbstschuldnerische Bürgschaft.

Gerichtsstand ist D. Es gilt deutsches Recht. Gerrit W., D., G.str. ...".

2

Die KG kam ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Abfindungsbetrags an den Kläger nicht nach. Der frühere Gesellschafter M. trat mit Urkunde vom 12. Juni 1974 insoweit die Rechte aus der Freistellungserklärung der Firma T. und aus der Bürgschaft des Beklagten an den Kläger ab. Der Kläger konnte auch von der Firma T. Zahlung nicht erlangen, weil diese in Konkurs fiel.

3

Der Kläger verlangt im Urkundenprozeß nunmehr vom Beklagten Zahlung von 50.000 DM nebst Zinsen aufgrund seiner Bürgschaft.

4

Das Landgericht und das Berufungsgericht haben der Urkundenklage stattgegeben.

5

Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I.

1.

Die Revision meint, da das Berufungsgericht offengelassen habe, ob die unstreitig in den Niederlanden unterzeichnete Bürgschaftserklärung des Beklagten im Bereich des niederländischen Rechts abgegeben worden sei und ob die Bürgschaftsverpflichtung nach niederländischem Recht wirksam sei, sei für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß die Bürgschaft nach niederländischem Recht zu beurteilen sei. Nach dieser Rechtsordnung sei sie aber wegen des Fehlens der Zustimmung der Ehefrau des Beklagten unwirksam.

8

2.

a)

Dem kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß in der Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 19. Mai 1974 ausdrücklich festgelegt sei, es gelte für sie deutsches Recht. Die Parteien hätten grundsätzlich das Recht, die für ihre schuldrechtlichen Beziehungen maßgebende Rechtsordnung selbst zu bestimmen. Zumal die Parteien des Bürgschaftsvertrags ein Interesse an der Anwendung deutschen Rechts gehabt hätten, sei ihre Rechtswahl für die Bürgschaft wirksam, weshalb die Normen des niederländischen Rechts unberücksichtigt bleiben könnten.

9

b)

Hierin hat das Berufungsgericht recht. Angesichts der eindeutigen Erklärung in der Bürgschaftsurkunde des Beklagten ist auf seine Bürgschaft deutsches Recht anzuwenden. Die deutsche Rechtsordnung bestimmt demnach hier, ob der Beklagte als Bürge zu leisten hat (Senatsurteil vom 11. März 1970 - VIII ZR 147/68 = NJW 1970, 1002 = WM 1970, 551; RGZ 54, 311, 315). Auch im internationalen Schuldrecht gilt nämlich das Prinzip der Parteiautonomie, d.h. die Vereinbarung der Parteien bestimmt in erster Linie, welches Recht auf ein Schuldverhältnis zur Anwendung kommt (BGHZ 52, 239, 241; Reithmann, Internationales Vertragsrecht, 2. Aufl. Rdn. 2 und 3; Soergel/Siebert/Kegel, BGB 10. Aufl. Rdn. 221 vor Art. 7 EG; vgl. hierzu BGHZ 31, 367, 370).

10

Der persönlich haftende Gesellschafter der KG, M., dem gegenüber bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft sowohl die Freistellungserklärung der Firma T., als auch die Bürgschaft des Beklagten abgegeben wurde und von dem der Kläger als Zessionar seine Rechte herleitet, hatte ein Interesse daran, daß die ihm gegenüber übernommenen Verpflichtungen der deutschen Rechtsordnung unterstellt wurden, weil er im Inland ansässig ist. Damit bestehen auch unter dem Gesichtspunkt eines Mißbrauchs der Rechtswahl (Soergel/Siebert/Kegel a.a.O. Anm. 228 vor Art. 7 EG; Erman, BGB 5. Aufl. Anm. 4 vor Art. 7 EG; Reithmann a.a.O. Rdn. 7) hier keine Bedenken gegen die Anwendung deutschen Rechts auf die Bürgschaft des Beklagten, zumal auch Angehörige eines fremden Staates, die in diesem Staat ihren Wohnsitz haben und dort einen Vertrag schließen, die Anwendbarkeit eines fremden - hier des deutschen - Rechts vereinbaren können, selbst wenn sie damit ein in ihrem Staate geltendes zwingendes Gesetz umgehen. Ein solches Verhalten ist im allgemeinen für den deutschen Richter kein Grund, einer Vereinbarung, die zur Anwendung deutschen Rechts führt, die Wirkung zu versagen (RGZ 108, 241, 243).

11

c)

Der Beklagte konnte auch vertraglich mit M. für seine Bürgschaft die Anwendung deutschen Rechts vereinbaren. Eine etwa nach niederländischem Recht notwendige Zustimmung der Ehefrau zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung beeinträchtigte seine Geschäftsfähigkeit, die sich gemäß Art. 7 Abs. 1 EGBGB immer nach dem Heimatrecht bestimmt, nicht (Erman a.a.O. Art. 7 EG Anm. 3 a; Palandt, BGB 35. Aufl. Art. 7 EG Anm. 3). War der Beklagte aber in seiner Geschäftsfähigkeit nicht eingeschränkt, dann war auch seine Rechtswahl für die Bürgschaft zulässig. Diese führt hier zur Anwendung deutschen Rechts auf seine Verpflichtung als Bürge. Nach deutschem Recht ist also auch darüber zu entscheiden, ob die Zustimmung der Ehefrau für die Abgabe der Bürgschaftserklärung des Beklagten notwendig war (Soergel/Siebert/Kegel a.a.O. Art. 7 EG Anm. 8). Eine Zustimmung der Ehefrau als Voraussetzung der Wirksamkeit einer Bürgschaft kennt das deutsche Recht, nach dem hier allein die Verpflichtung des Beklagten aufgrund seiner zulässigen Rechtswahl zu beurteilen ist, nicht. Zutreffend ist das Berufungsgericht daher davon ausgegangen, daß es auf die Frage, ob der Beklagte nach niederländischem Recht für eine wirksame Bürgschaftserklärung der Zustimmung seiner Ehefrau bedurft hätte, hier nicht ankommt.

12

Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts einzugehen, erübrigt sich, weil aufgrund der zulässigen Wahl des deutschen Rechts durch den Beklagten für seine Bürgschaftsverpflichtung der aus Art. 14 EGBGB abgeleitete Grundsatz, daß für die persönlichen Rechtsbeziehungen ausländischer Ehegatten zueinander die ausländischen Gesetze maßgebend sind, hier keine Anwendung findet.

13

II.

Seine Behauptung, daß ihm mittels einer Drohung von dem ausscheidenden Gesellschafter M. am 19. Mai 1974 die Abgabe seiner Bürgschaftserklärung abgenötigt worden sei, hat der Beklagte nicht mit im Urkundenprozeß zulässigen Mitteln unter Beweis gestellt (§ 595 Abs. 2 ZPO). Sie kann daher in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden.

14

III.

Da seine Revision erfolglos geblieben ist, hat der Beklagte auch die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Braxmaier
Claßen
Hoffmann
Merz
Treier