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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.11.1976, Az.: 3 StR 333/76

Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht; Abänderung von Schuldsprüchen; Erfüllung eines Regelbeispiels; Vorliegen eines besonders schweren Falles

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
11.11.1976
Aktenzeichen
3 StR 333/76
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1976, 12524
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Mannheim - 05.12.1975

Fundstellen

  • BGHSt 27, 56 - 59
  • MDR 1977, 239-240 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1977, 304-305 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Landfriedensbruch

Prozessführer

1. ...bis 9. ...

Amtlicher Leitsatz

Das Regelbeispiel des § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllt nur derjenige Täter des Landfriedensbruchs, der eigenhändig eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
- zu Ziffer 2
auf Antrag des Generalbundesanwalts und
nach Anhörung der Beschwerdeführer
gemäß § 349 Abs. 2 StPO,
zu Ziffer 1
nach Anhörung beider Verfahrensbeteiligter
gemäß § 349 Abs. 4 StPO -
am 11. November 1976
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revisionen der Angeklagten ..., und ... wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 5. Dezember 1975 dahin abgeändert, daß in den Schuldsprüchen gegen diese Angeklagten jeweils die Worte "in einem besonders schweren Falle" und im Schuldspruch gegen den Angeklagten ... die Worte "besonders schweren" entfallen.

  2. 2.

    Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten sowie die Revisionen der Angeklagten ... und ... werden verworfen.

  3. 3.

    Es wird davon abgesehen, den Angeklagten Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Gründe

1

Die im übrigen im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründeten Revisionen der Angeklagten führen insoweit zu einer Änderung der Schuldsprüche, als in diesen eine Verurteilung wegen besonders schwerer Fälle im Sinne des § 125 a StGB ausgesprochen ist. Bei Anwendung von Jugendstrafrecht hat eine Verurteilung wegen besonders schweren Falles nach einer Strafzumessungsvorschrift mit Regelbeispielen zu unterbleiben, da hier die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten und für die Verhängung der Rechtsfolgen vor allem erzieherische Gründe maßgebend sind (BGH, Beschluß vom 13. Mai 1976 - 4 StR 234/76, MDR 1976, 769 = NJW 1976, 1415 - LS -; vgl. auch Urteil vom 12. Februar 1974 - 1 StR 502/73). Das gilt für § 125 a StGB ebenso wie für § 243 StGB.

2

Immerhin kann der Tatrichter aber in den Gründen des Urteils darauf eingehen, daß der Täter die Tat in einer der erschwerenden Begehungsweisen begangen hat, da auch bei Anwendung des Jugendstrafrechts die gesetzliche Bewertung der Schwere des Unrechts, die in der Strafdrohung des allgemeinen Gesetzes ihren Ausdruck gefunden hat, Beachtung verdient (vgl. den bezeichneten Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 1976).

3

Während die Annahme des in § 125 a Satz 2 Nr. 4 StGB bezeichneten Regelbeispiels (bedeutender Schaden an fremden Sachen) bei den Angeklagten ... und ... im Falle D I 2 der Urteilsgründe, ebenso wie die Annahme des in § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB bezeichneten Regelbeispiels bei dem Angeklagten ..., keinen Bedenken begegnet, hält die Auffassung der Strafkammer, die Angeklagten und Revisionsführer ... und ... müßten sich im Sinne der Erfüllung eines Regelbeispiels des § 125 a StGB zurechnen lassen, daß andere am Landfriedensbruch Beteiligte mit ihrem Wissen Waffen mit sich führten, einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Das hat, gemäß § 357 StPO, auch seine Auswirkung auf die entsprechende Verurteilung des Angeklagten ..., der nicht Revision eingelegt hat.

4

Nach § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB liegt ein besonders schwerer Fall in der Regel vor, "wenn der Täter ... eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden". Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht für die Annahme, daß nur derjenige Täter (im Sinne des § 125 StGB), der selbst eine Waffe zur Verwendung bei der Tat bei sich führt, diesen Regelfall erfüllt. Ein Vergleich mit der Fassung des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB, der ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte dann vorsieht, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, bestätigt diese Annahme, zumal die Nummer 2 der gleichen Vorschrift - wie § 125 a StGB in allen seinen Regelbeispielen - allein den Täter und nicht daneben andere Beteiligte nennt. Ein ähnlicher Rückschluß läßt sich aus der jeweiligen Fassung des § 244 Abs. 2 Nr. 1, 2 und des § 250 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB sowie aus der des § 397 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. auch § 373 Abs. 2 Nr. 1, 2 AO 1977) ziehen. Diese Vorschriften lassen es zur Erfüllung des Tatbestands ebenfalls genügen, daß ein "anderer Beteiligter" eine Schußwaffe oder eine andere Waffe bei sich führt, Während es in diesen Fällen genügt, daß ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, wenn der Täter dies nur weiß (vgl. Dreher, StGB 36. Aufl. § 113 Rdn. 28, § 244 Rdn. 4), erfüllt im Sinne des § 125 a S. 2 Nr. 2 StGB nur derjenige Täter das Regelbeispiel, der eigenhändig eine andere Waffe bei sich führt. Die in der Literatur teilweise entgegengesetzte Auffassung (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 18. Aufl. § 125 a Rdn. 12; Rudolphi in SK § 125 a StGB Rdn. 5) geht, soweit sie die unterschiedliche Fassung der Vorschriften damit begründet, daß Täter nach § 125 StGB auch der Teilnehmer an einer Gewalttätigkeit oder einer Bedrohung ist (Cramer a.a.O.), fehl. Unter diesem Gesichtspunkt aus der Nichterwähnung der "anderen Beteiligten" in § 125 a StGB den Schluß zu ziehen, es genüge die Kenntnis eines Täters davon, daß ein anderer Beteiligter eine Waffe bei sich führt, wäre nur dann erlaubt, wenn § 125 a StGB nicht auf den Täter, sondern auf einen oder einen der Täter abstellen würde. Die Tatsache, daß auch ein nur als Anstifter oder Gehilfe an einer Gewalttätigkeit oder Bedrohung im Sinne des § 125 StGB Beteiligter "Täter" des Landfriedensbruchs ist, hat für § 125 StGB nur die Bedeutung, daß auch er, falls er selbst eine Schußwaffe oder nach Maßgabe des § 125 a S. 2 Nr. 2 StGB eine andere Waffe bei sich führt, ein Regelbeispiel des besonders schweren Falles erfüllt (Dreher, a.a.O. § 125 a Rdn. 2, 3; siehe auch Rdn. 8; im Ergebnis ebenso Preisendanz, StGB 29. Aufl. § 125 a Anm. 2 a und b).

5

Daß § 125 a StGB in diesem engeren Sinne auszulegen ist, zeigt auch ein Blick auf sein gesetzgeberisches Vorbild, den § 296 des Entwurfs 1962, der in seiner Nummer 1 den Täter, der Rädelsführer ist, als Regelbeispiel erfaßt; dem entspricht es, daß, hier wie dort, die weiteren Regelbeispiele sich auf Handlungsmodalitäten und -folgen des Täters selbst beschränken. Der Umstand, daß der Gesetzgeber - entgegen dem Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drucks. VI/261), den in der 5. Wahlperiode vom Sonderausschuß beratenen Formulierungshilfen und Fassungsvorschlägen des Bundesministeriums der Justiz (Protokolle des Sonderausschusses, 5. WP, S. 2839, 2901, 2917) sowie der Stellungnahme des Deutschen Richterbundes und einiger Landesjustizverwaltungen (vgl. den Schriftlichen Bericht des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform BT-Drucks. VI/502, S. 10) - den Rädelsführer schließlich nicht als Regelbeispiel aufgenommen hat (Protokolle des Sonderausschusses, 6. WP, S. 354/355), ändert nichts daran, daß auch die Gesetz gewordene Vorschrift auf Tatmodalitäten und -folgen des Täters selbst zugeschnitten ist.

6

Daß im Falle des § 125 a Satz 2 Nr. 3 StGB eine von einem anderen Beteiligten begangene Gewalttätigkeit nicht genügen kann, zeigt der Gleichlaut der Fassung mit der des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, bei dem dies, wie der Vergleich zu seiner Nummer 1 zeigt, ersichtlich nicht ausreicht (vgl. im Gegensatz dazu wiederum § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Dann aber können auch die Nummern 1, 2 und 4 des § 125 a StGB nicht anders verstanden werden als im Sinne der Eigenhändigkeit desjenigen Täters, für dessen Strafbarkeit diese Strafzumessungsvorschrift maßgebend sein soll.

7

Auch die gesamte Tendenz des Gesetzgebers des 3. StrRG, durchweg auf die Erfassung des konkreten individuellen Tatbeitrags abzustellen und jeden nach dem Maße seiner eigenen Beteiligung zu bestrafen, die namentlich in § 125 StGB zum Ausdruck kommt, spricht für die engere Auslegung.

8

Schließlich ergeben auch die Materialien sowohl zu § 296 des Entwurfs 1962 wie zum 3. StrRG keinerlei Hinweis darauf, § 125 a StGB sei - entgegen seinem Wortlaut - dahin zu verstehen, daß jeder Täter, der weiß, daß ein anderer als Täter Beteiligter eine Schußwaffe oder in Verwendungsabsicht eine andere Waffe bei sich führt, damit ein Regelbeispiel des § 125 a Satz 2 Nr. 1, 2 StGB erfülle. Für eine andere Abgrenzung, etwa dahin, daß zwar das bloße Wissen - im Gegensatz zu den Fällen des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, des § 244 Abs. 1 Nr. 1, 2 und des § 250 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB - nicht ausreiche, vielmehr eine zustimmende Haltung oder Mitwirkung hinzukommen müsse, dies dann aber auch genüge, fehlt ebenfalls jeder Anhalt. Auch würde sich die Frage der Praktikabilität einer solchen oder einer ähnlichen Abgrenzung gerade bei dem Massendelikt des § 125 StGB besonders scharf stellen.

9

Nach allem trifft das Regelbeispiel des § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB nur auf denjenigen Täter zu, der selbst eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden. Allerdings kann die Kenntnis eines anderen als Täter Beteiligten davon, daß Waffen in Verwendungsabsicht mitgeführt werden, - in Verbindung mit der Art seines Tatbeitrags, namentlich seinem etwaigen Zusammenwirken mit einem "Waffenträger" - es durchaus nahelegen, auch bei ihm einen besonders schweren Fall anzunehmen (vgl. Dreher, a.a.O. § 125 a Rdn. 8).

10

Das Regelbeispiel des § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB haben die bezeichneten Angeklagten - mit Ausnahme des Angeklagten ... - nicht erfüllt. Nähere Feststellungen, die zu der Entscheidung führen könnten, bei den Angeklagten ... und ... läge ein besonders schwerer Fall außerhalb der Regelbeispiele des § 125 a StGB vor, sind nach Sachlage auch bei einer erneuten tatrichterlichen Verhandlung nicht zu erwarten. Unter diesen Umständen kann der Senat abschließend entscheiden. Denn die gegen die einzelnen Angeklagten verhängten Rechtsfolgen können hier bestehen bleiben. Die Begründung der in maßvoller Abstufung gegen diese Angeklagten verhängten Zuchtmittel und Auflagen in dem angefochtenen Urteil läßt erkennen, daß die Annahme von besonders schweren Fällen nicht zu ihrem Nachteil ausgeschlagen ist. Daß ihnen bekannt war, daß andere Täter Waffen in Verwendungsabsicht bei sich führten, konnte auch unabhängig von der Annahme des bezeichneten Regelbeispiels erschwerend berücksichtigt werden. Bei den Angeklagten ... und ... kommt hinzu, daß sie bedeutenden Schaden an fremden Sachen im Sinne des § 125 a Satz 2 Nr. 4 StGB angerichtet haben.

Schmidt
Mayer
Neifer
Dr. Schauenburg
Dr. Krauth