Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.10.1976, Az.: V ZR 36/75
Rechtswidrige Störung durch den Betrieb einer Anlage; Rechtswidrige Störung durch den Betrieb einer Schweinemästerei; Anspruch auf Einstellung des Betriebs einer Anlage; Anspruch auf Einstellung des Betriebs einer Schweinemästerei; Rechtswidrige Geruchsbeeinträchtigung eines Grundstücks; Beeinträchtigung in der Benutzung eines Grundstücks; Ortsüblichkeit der Benutzung eines Mästereigrundstücks
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.10.1976
- Aktenzeichen
- V ZR 36/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 12811
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Bamberg - 21.10.1974
- LG Bamberg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 67, 252 - 254
- DB 1977, 162 (Volltext mit amtl. LS)
- JR 1977, 115
- MDR 1977, 299 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1977, 146 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma T. GmbH,
vertreten durch ihren Geschäftsführer Conrad Reichsgraf von L., M., S.
Prozessgegner
Maschineneinsteller Georg K., B.-K., Haus Nr. ...
Amtlicher Leitsatz
Wird die rechtswidrige Störung durch den Betrieb einer Anlage (hier: Schweinemästerei) bewirkt, die bei umfassender Umgestaltung und unter entsprechenden Betriebsmaßnahmen störungsfrei benutzt werden kann, und steht fest, daß die Beeinträchtigung ohne eine solche Umgestaltung nicht behoben werden kann, kann der Beeinträchtigte die Einstellung des Betriebs verlangen, solange die Anlage oder die Betriebsführung nicht entsprechend geändert wird.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Hill und
die Richter Dr. Mattern, Offterdinger, Dr. Grell und von der Mühlen
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 21. Oktober 1974 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger, Eigentümer eines seit 1968 bebauten, in einem Gelände einer lose zusammenhängenden Wohnsiedlung gelegenen Grundstücks (Pl. Nr. 818/16 der früheren Gemarkung H.), klagt auf Einstellung der etwa 380 m entfernten und außerhalb der geschlossenen Ortsbebauung liegenden, im Jahre 1952 aufgenommenen Schweinemästerei der Beklagten in der Gemarkung H. (Pl. Nr. 809). Zur Begründung bringt er vor, der von diesem Betrieb ausgehende unerträgliche Geruch beeinflusse die Benutzung seines Wohngrundstücks wesentlich und diese Beeinträchtigung könne nur durch Verlegung des gesamten Betriebs an einen unbewohnten Ort abgestellt werden.
Die Beklagte bringt vor, der Kläger werde durch die von der ortsüblich betriebenen Mästerei ausgehenden Gerüche auf seinem Grundstück nicht wesentlich beeinträchtigt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben nach dem Hauptantrag erkannt.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter; der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Beklagte bringt in erster Linie vor, selbst für den Fall, daß eine rechtswidrige Geruchsbeeinträchtigung des klägerischen Grundstücks vorliege, könne sie allenfalls auf Beseitigung der konkreten Störung - hier des beeinträchtigenden Geruchs -, nicht aber auf Einstellung des Betriebs der Schweinemästerei, belangt werden (dazu unten unter III).
Sie hält weiter die Feststellungen, daß der Kläger durch die von der Mästerei ausgehenden Gerüche wesentlich in der Benutzung seines Grundstücks beeinträchtigt werde und daß ihre Schweinemästerei nicht eine ortsübliche Benutzung ihres Grundstücks sei, für fehlerhaft, die erstere weil sie unter Verfahrensverstößen getroffen worden sei (dazu unten II).
Die Revision ist unbegründet.
II.
1.
Das Berufungsgericht stellt fest, daß auf dem Grundstück des Klägers üble Gerüche ("penetrant, süßlich und ekelerregend") auftreten, die aus der Mästerei der Beklagten stammen (tierische Exkremente, Zubereitung der Fütterung) und die Benutzung des Grundstücks für das Empfinden eines Durchschnittsmenschen nach Art, Stärke, Häufigkeit und Dauer je nach den Witterungsverhältnissen nicht nur unwesentlich beeinträchtigen. Es stützt diese Feststellungen auf die Aussagen der vernommenen Zeugen, das vom Landgericht erhobene Sachverständigengutachten der B. L.-GmbH vom 25. Januar 1973, den gerichtlichen Augenschein und die vorgelegten Pläne. Der Senat hat die dagegen erhobenen Verfahrensrügen geprüft und diese Rügen nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).
2.
Ortsüblichkeit der Benutzung des Mästereigrundstücks hat das Berufungsgericht im Hinblick auf die sonst nicht geübte, besonders geruchsexzessive Art und Weise des Mastbetriebs der Beklagten verneint. Das Berufungsgericht hat dabei vor allem auf die Anlage (Unterbringung der Tiere, Futteraufbereitung, Ablagerung und Abbau der tierischen Ausscheidungen) abgestellt und nicht, wie die Revision meint, auf den Grad der Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks. Diese rechtliche Würdigung ist frei von Rechtsirrtum. Der Umstand, daß die Beklagte die Schweinemästerei schon 1952 eingerichtet, der Kläger sein Grundstück dagegen erst 1968 bebaut hat, ist entgegen der Meinung der Revision unerheblich.
III.
Unbegründet sind auch die Angriffe der Revision gegen den Urteilsausspruch.
Zur Begründung der Verurteilung zur Einstellung des störenden Betriebs kann allerdings nicht das wohlverstandene Interesse der Beklagten herangezogen werden, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt, sie zur Überdenkung ihrer Gesamtlage zu zwingen oder ihr aufwendige Vollstreckungsverfahren zu ersparen. In ihrem Interesse liegt es allein, daß sie in der Verfügungsgewalt über ihr Grundstückseigentum nicht mehr eingeschränkt werde, als der Schutz des Klägers vor Beeinträchtigungen seines Eigentums durch rechtswidrige Geruchseinwirkungen gebietet. Dieser Gesichtspunkt führt, wie die Revision zutreffend ausführt, dazu, daß die Art der Beseitigung der rechtswidrigen Immissionsbeeinträchtigungen im allgemeinen dem beklagten Störer überlassen bleiben muß (RGZ 37, 173; RG LZ 1925, 546; RG HRR 1926 Nr. 1980; BGHZ WM 1960, 1276, 1277 links; 1968, 123, 125 links) und daher der Urteilsausspruch oft nur allgemein auf Unterlassung von Störungen bestimmter Art (Geräusche, Staubniederlassungen, Gerüche) zu richten ist (BGH LM BGB § 906 Nr. 5 unter II 1; Senatsurteil vom 13. Juli 1965 - V ZR 47/63 -; Scherer, DRiZ 1963, 49, 53). Eine nähere Bestimmung des Unterlassungsgebots erlaubt indessen der Fortschritt der Meßtechnik in zunehmendem Umfang bei bestimmten Einwirkungen der in § 906 BGB genannten Art, so daß auch der Umfang der zu unterlassenden Einwirkung für das Vollstreckungsverfahren näher bestimmt werden kann (vgl. zur Geräusch- und Staubentwicklung BGHZ 46, 35 = WM 1966, 926; Schubert JR 1972, 177, 179 f).
Der genannte Grundsatz erleidet aber angesichts der Notwendigkeit, dem Kläger einen möglichst bestimmten Vollstreckungstitel zu gewähren, ohne den beklagten Störer mehr als notwendig in seiner Wahlfreiheit zu beengen, auch in anderer Hinsicht Einschränkungen. Von je her sind in der Rechtsprechung je nach den Umständen des Einzelfalls oder den Einlassungen des Beklagten auch Regelungen zugelassen worden, nach denen unter Einschränkung der Wahlmöglichkeit des beklagten Störers eine bestimmte Art der Beseitigung der Störung geboten wird. Dies ist der Fall, wenn nur eine bestimmte Maßnahme die Beseitigung der Störung gewährleistet (RG Recht 1908 Nr. 34, 123 = JW 1908, 682; LZ 1925, 546; HRR 1926 Nr. 1980; BGHZ 29, 317, 319). Wird die rechtswidrige Störung durch den Betrieb einer Anlage bewirkt, die bei umfassender Umgestaltung und unter entsprechenden Betriebsmaßnahmen störungsfrei benutzt werden kann und steht fest, daß die Beeinträchtigung des Nachbars ohne eine solche Umgestaltung nicht behoben werden kann, so wird der beklagte Störer auch dann nicht mehr als notwendig belastet, wenn der Betrieb so lange untersagt wird, als er die Anlage oder die Betriebsführung nicht entsprechend ändert (vgl. RG Recht 1909 Nr. 688; RGZ 162, 349, 351 f, 359).
In diesem Sinn sind die Feststellungen des Tatrichters und der angefochtene Urteilsausspruch aufzufassen. Das Berufungsgericht hat, dem Sachverständigengutachten folgend, im einzelnen dargelegt, daß die jetzt bestehenden Anlagen (Ställe, Entmistung, Güllentransport, Futterzentrale) ihrer Gesamtkonzeption nach und in der Einzelausgestaltung unter dem maßgebenden Gesichtspunkt der Geruchseinschränkung verfehlt und unzureichend, aber in ihrer örtlichen Lage jedenfalls durch umfassende und aufwendige Maßnahmen als Schweinemästerei so gestaltbar sind, daß rechtswidrige Einwirkungen auf das Grundstück des Klägers unterbleiben. Da dieses Ziel andererseits nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts nur durch eine solche Umgestaltung zu erreichen ist, liegen die Voraussetzungen für eine Verurteilung zur Betriebseinstellung vor, so lange die Beklagte eine solche grundlegende Umgestaltung nicht vornimmt. Daß der Tenor des angefochtenen Urteils in diesem Sinn zu verstehen ist, kommt in den Entscheidungsgründen unmittelbar zum Ausdruck (S. 28 u. 31 BU). Danach soll der Beklagten gerade die Wahl offenbleiben, ob sie unter grundlegender Umgestaltung der Betriebsanlage den Betrieb an derselben Stelle fortsetzen will oder ob sie ihn dort einstellen will. Aus diesem Grund bezeichnet das Berufungsgericht die ausgesprochene Betriebseinstellung an anderer Stelle als "vorübergehend" (S. 31 BU). Das Urteil beläßt sonach der Beklagten alle Möglichkeiten, die zur Beseitigung der rechtswidrigen Beeinträchtigung des Klägers offenstehen. Die dargelegte Einschränkung des auf Betriebseinstellung lautenden Tenors ergibt sich aus den Gründen.
Ob daneben auch die Voraussetzungen des § 907 BGB gegeben sind, bedarf keiner Prüfung.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.
Mattern
Offterdinger
Dr. Grell
von der Mühlen