Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.10.1976, Az.: VIII ZR 51/75
Voraussetzungen für den Verzug mit einer Hauptleistungspflicht; Vertraglich übernommene Pflicht des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen ; Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustandes der Mieträume
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.10.1976
- Aktenzeichen
- VIII ZR 51/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 13009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 20.01.1975
- LG Berlin - 12.10.1973
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1976, 2458 (Volltext mit red./amtl. LS)
- MDR 1977, 220 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1977, 36-37 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Abraham Ku. in B., S.straße ...
Prozessgegner
Firma P.-K., Alleininhaberin: Kauffrau Liselotte K. in B., Kur.
Amtlicher Leitsatz
Die Übernahme der Schönheitsreparaturen durch den Mieter begründet die Verpflichtung zu einer Hauptleistung. Das gleiche gilt für die Verpflichtung des Mieters zur Wiederherstellung des früheren Zustandes der Mieträume jedenfalls dann, wenn die Erfüllung der Leistung erhebliche Kosten erfordert.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Claßen, Wolf, Treier und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 20. Januar 1975 geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 12. Oktober 1973 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Alleininhaberin der klagenden Firma, Frau Liselotte K., war Eigentümerin des Anwesens B., Ku. Sie hat es inzwischen an die Firma M. verkauft. Der Beklagte mietete mit schriftlichem Vertrag vom 3. Dezember 1968 die damaligen Geschäfts- und Lagerräume der Firma K. in dem genannten Anwesen zum Betrieb eines Jugendlokals und einer Gaststätte. Er übernahm die Schönheitsreparaturen und verpflichtete sich für den Fall der Vornahme von baulichen Veränderungen, bei Beendigung des Mietverhältnisses den früheren Zustand wiederherzustellen. In der Folgezeit ließ er die Mieträume für seine Zwecke umbauen. Am 19. Mai 1971 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis. Weil der Beklagte der Aufforderung zur Räumung nicht nachkam, erhob sie gegen ihn beim Amtsgericht Charlottenburg Räumungsklage. Das Gericht gab der Klage statt. Das Räumungsurteil vom 16. November 1971, in welchem dem Beklagten eine Räumungsfrist bis 31. Dezember 1971 bewilligt wurde, ist seit 30. Dezember 1971 rechtskräftig. Mit Schreiben vom 16. Dezember 1971 teilten die anwaltschaftlichen Vertreter der Klägerin dem anwaltschaftlichen Vertreter des Beklagten folgendes mit:
"Sehr geehrter Herr Kollege,
in Sachen K. ./. Ku. (Räumung) teilen wir Ihnen unter Bezugnahme auf Ihre Antrage vom 25.11.1971 und unter Berücksichtigung der am 14.12. geführten persönlichen Besprechungen mit, daß unsere Mandantin keine Möglichkeit zu einer vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreites hinsichtlich der Kündigung des Mietvertrages und der verlangten Räumung auf einer Basis sieht, in der Ihr Mandant in irgend einer Weise Mieter der von ihm bislang innegehaltenen Räume bleibt.
Das Urteil sieht bekanntlich eine Räumung zum 31.12.1971 vor. Unter Hinweis auf § 14 Ziffer 2 des Mietvertrages fordern wir Ihren Herrn Mandanten auf, hinsichtlich der eingebauten Einrichtungen den früheren Zustand, einschließlich aller dazu erforderlichen Nebenarbeiten, bis zum Tage der Räumung wieder herzustellen.
Mit kollegialer Hochachtung"
Am 10. Februar 1971 ließ die Klägerin die Mieträume zwangsweise räumen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Arbeiten zur Wiederherstellung des früheren Zustandes begonnen. Seit April 1972 werden die Mieträume von der Firma R. benutzt, die sie von der Klägerin gemietet hat. In einer Vereinbarung vom 11. Oktober 1971 verpflichtete sich die Firma R., die nötigen Schönheitsreparaturen ausführen zu lassen und den Zustand wieder herzustellen, der bei Übernahme der Mieträume durch den Beklagten bestanden hatte, soweit die Kosten hierfür den Betrag von 100.000 DM nicht überstiegen. Die Klägerin hatte bei Vermeidung einer Vertragsstrafe von 30.000 DM die Räume innerhalb von 6 Monaten zur Verfügung zu stellen.
Auf Antrag der Klägerin wurden in einem Beweissicherungsverfahren die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes und zur Durchführung der Schönheitsreparaturen notwendigen Kosten von einem Sachverständigen festgestellt. Den von diesem errechneten Betrag von 82.055,89 DM macht die Klägerin mit der Klage geltend. Sie meint, sie könne ihn als Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
Der Revision kann der Erfolg nicht versagt werden.
1.
a)
Die Anwendung der als Haftungsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 326 BGB setzt voraus, daß der Schuldner mit einer Hauptleistung in Verzug geraten ist (BGH Urteil vom 30. September 1971 - VII ZR 20/70 = NJW 1972, 99).
Mit dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums nimmt der Senat an, daß die vertraglich übernommene Pflicht des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen eine Verpflichtung zu einer Hauptleistung ist (KG JW 1934, 1428 mit zustimmender Anmerkung von Roquette; KG NJW 1964, 725; OLG Hamburg NJW 1973, 2211; Staudinger/Kiefersauer, BGB, 11. Aufl., § 535 Rdn. 102; Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., § 326 Rdn. 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 35. Aufl., § 326 Anm. 3 b; Essers, ZMR 1956, 117 und Glaser, Betrieb 1968 Beilage 23 Ziffer VI 1; a.A. Roquette, Das Mietrecht des BGB, § 536 Rdn. 44, Bettermann ZMR 1956, 5; Palandt/Putzo, BGB, 35. Aufl., § 536 Anm. 4 c cc und Erman/Schopp, BGB, 6. Aufl., § 536 Rdn. 26). Die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen ist nämlich Teil der Instandhaltungspflicht (Roquette JW 1934, 1428). Diese ist nach § 536 BGB eine der Hauptpflichten des Vermieters. Dadurch, daß sie durch Vertrag dem Mieter auferlegt wird, wird sie in ihrer rechtlichen Einordnung als Hauptleistung nicht verändert (OLG Hamburg a.a.O.).
Auch die vom Mieter übernommene Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustandes der Mieträume ist jedenfalls dann eine Verpflichtung zu einer Hauptleistung, wenn wie hier erhebliche Kosten zur Erbringung der Leistung aufgewendet werden müssen und deshalb anzunehmen ist, daß die Vertragschließenden der Übernahme dieser Leistung durch den Mieter besonderen Wert beigemessen haben (vgl. BGB RGRK, 12. Aufl., § 326 Rdn. 17 und die dort zitierte Rechtsprechung).
b)
Die Frage, wann der Beklagte mit den Verpflichtungen zur Vornahme der Schönheitsreparaturen und zur Wiederherstellung des früheren Zustandes in Verzug geraten ist, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Das Urteil des Berufungsgerichts kann nämlich schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Klägerin dem Beklagten nicht angedroht hat, die Annahme der von ihm geforderten Leistung nach Ablauf der ihm gesetzten Frist abzulehnen (§ 326 Abs. 1 BGB) und auch nicht angenommen werden kann, daß die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 BGB vorliegen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Erfüllung seiner Verpflichtungen endgültig verweigert, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
aa)
Das Schreiben der anwaltschaftlichen Vertreter der Klägerin an den anwaltschaftlichen Vertreter des Beklagten vom 16. Dezember 1971 enthält zwar die Aufforderung zur Erfüllung und eine Fristsetzung, nämlich das Verlangen der Durchführung der geforderten Arbeiten bis zum 31. Dezember 1971, aber nicht die Erklärung, daß nach dem Ablauf der Frist die Annahme der Leistung abgelehnt werde. Zwar ist es nicht erforderlich, für die Ablehnung gerade die Worte des Gesetzes zu gebrauchen, aus der Erklärung muß aber klar hervorgehen, daß der Gläubiger die Vertragserfüllung nach Ablauf der Nachfrist bestimmt nicht mehr annehmen werde (vgl. Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 326 Rdn. 104 und die dort zitierte Rechtsprechung). In dem Schreiben vom 16. Dezember 1971 ist weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten eine Ablehnungsandrohung erklärt. Auch die übrigen von den Parteien vorgelegten Schreiben enthalten eine solche nicht. Daß sie - was zulässig gewesen wäre - mündlich erklärt worden sei, hat die Klägerin nicht behauptet.
bb)
Zwar bedarf es nach § 326 Abs. 2 BGB einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht, wenn die Erfüllung des Vertrags infolge des Verzugs für den anderen Teil kein Interesse hat. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen aber nicht für die Annahme aus, daß die Voraussetzungen dieser Bestimmung hier vorliegen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin in dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte nach Meinung des Berufungsgerichts spätestens mit seiner Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren baulichen Zustandes und zur Ausführung der Schönheitsreparaturen in Verzug geriet, die Räume bereits anderweitig vermietet, aber erst zum 10. April 1972. Als die Klägerin am 10. Februar 1972 die Zwangsräumung durchführen ließ, hatte der Beklagte mit den Umbauarbeiten beginnen lassen. Das Berufungsgericht hat, was sich aus seinen Ausführungen über die Dauer einer angemessenen Nachfrist ergibt, für die Durchführung der Umbau- und Renovierungsarbeiten einen Zeitraum von etwa einem Monat für ausreichend erachtet. Dann hätte der Beklagte aber die nötigen Arbeiten bis spätestens Mitte März 1972 vollenden können und es ist dann auch nicht einzusehen, weshalb das Interesse der Klägerin an der Erfüllung des Vertrages weggefallen sein soll. Da noch genügend Zeit bis zum Beginn des Mietverhältnisses mit der Firma R. verblieb, bestand für die Klägerin auch nicht die Gefahr, von dieser Firma aus der Vertragsstrafenvereinbarung in Anspruch genommen zu werden.
cc)
Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, bedarf es einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung auch dann nicht, wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig die Erfüllung verweigert hat. In einem solchen Verhalten ist nämlich eine positive Vertragsverletzung zu sehen, die den Gläubiger zum Schadensersatz berechtigt (vgl. das Senatsurteil vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 174/74 = WM 1976, 75, 76). Wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, sind aber an das Erfordernis der Endgültigkeit der Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen und kann Erfüllungsverweigerung nur angenommen werden, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, daß er seinen Vertragspflichten nicht nachkommen werde. Solange das zweifelhaft ist, muß der Gläubiger, wie der Senat in der genannten Entscheidung weiter dargelegt hat, versuchen, den Schuldner umzustimmen und eine klare Erklärung des Schuldners herbeizuführen, ob er vertragsgemäß erfüllen werde oder nicht. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Ihre Anwendung ergibt für den vorliegenden Fall, daß die vom Oberlandesgericht zur Begründung seiner Ansicht angeführten Umstände die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung in dem genannten Sinne nicht rechtfertigen. Der Beklagte hatte, wie er in der zuvor geführten Korrespondenz auch mehrfach angekündigt hatte, mit der Erfüllung begonnen, als die Klägerin die Zwangsräumung durchführen ließ. Das legt die Annahme nahe, daß der Beklagte, vor die Rechtsfolgen des § 326 BGB gestellt, seiner vertraglichen Verpflichtung, wenn auch verspätet, nachgekommen wäre. Dem nach Meinung des Berufungsgerichts verzögerlichen Verhalten des Beklagten hätte die Klägerin durch eine dem Gesetz entsprechende Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung ein Ende bereiten können.
2.
Da weitere Feststellungen in dieser Sache nicht zu treffen sind, konnte der Senat selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts war unter Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts zurückzuweisen, weil der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht begründet ist.
Die in den Rechtsmittelzügen entstandenen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen (§§ 91, 97 Abs. 1 ZPO).
Claßen
Wolf
Treier
Dr. Brunotte