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Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.10.1976, Az.: IV ZR 89/75

Anwendbarkeit der Hausratsverordnung im Falle des Getrenntlebens der Ehegatten im Vorfeld eines Eheprozesses; Unzulässsig Rechtsausübung durch Erhebung einer Klage auf Herausgabe der Ehewohnung im laufenden Eheprozess

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
13.10.1976
Aktenzeichen
IV ZR 89/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 12597
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 29.10.1974
LG Hildesheim

Fundstellen

  • BGHZ 67, 217 - 223
  • DB 1977, 298 (Volltext mit amtl. LS)
  • JR 1977, 115
  • JZ 1977, 64-65
  • MDR 1977, 210-211 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1977, 43-44 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Ehefrau Karin B. geb. L., W., I. A. L.

Prozessgegner

Ehemann, den früheren Kaufmann und jetzigen Gardinenwäscher Walter B., W., A. L.straße ...

Amtlicher Leitsatz

Während des Eheprozesses ist die auf § 985 BGB gestützte Klage eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig.

Die Besitzverhältnisse sind insoweit ausschließlich durch das Eheprozeßgericht im Wege der einstweiligen Anordnung zu regeln.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1976
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Hauß und
die Richter Professor Johannsen, Dr. Bukow, Dr. Hoegen und Dehner
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Oktober 1974 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eheleute. Sie leben im Güterstand der Gütertrennung. Die Klägerin hat sich Mitte April 1972 von dem Beklagten getrennt und wohnt seitdem bei ihren Eltern. Der Beklagte wohnt mit den drei gemeinschaftlichen Kindern, die 1964, 1965 und 1966 geboren sind, in der bisherigen ehelichen Wohnung in einem der Klägerin gehörenden Reihenhaus in W.. Die Klägerin ist ganztägig, der Beklagte halbtags berufstätig.

2

Die Klägerin reichte im April 1972 kurz nach der Trennung der Parteien die Scheidungsklage ein. In dem noch anhängigen Scheidungsverfahren, das sie von Juni 1972 bis Oktober 1974 nicht weiterbetrieben hat, macht sie eine Reihe von Eheverfehlungen des Beklagten geltend. Das Vormundschaftsgericht übertrug mit Beschluß vom 25. Februar 1974 die elterliche Gewalt über die Kinder der Parteien dem Beklagten.

3

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten, das Hausgrundstück zu räumen und an sie herauszugeben. Sie stützt ihr Klagebegehren insbesondere darauf, daß sie nicht bereit sei, die eheliche Gemeinschaft mit dem Beklagten wiederherzustellen, das ihr gehörende und von ihr finanzierte Haus jedoch zusammen mit ihren Kindern selbst bewohnen möchte; sie könne auch nicht auf Dauer bei ihren Eltern wohnen. Der Beklagte, der nicht geschieden werden möchte, hat Klageabweisung, hilfsweise Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 30.000 DM beantragt. Seinen Hilfsantrag hat er auf ein Zurückbehaltungsrecht gestützt.

4

Die Klage ist vom Landgericht als unzulässig, vom Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei zumindest zur Zeit unbegründet; sie stelle nach den Umständen jedenfalls gegenwärtig eine unzulässige Rechtsausübung dar.

6

Ob die dagegen vorgebrachten Revisionsrügen bei Zulässigkeit der Klage begründet wären, mag dahinstehen. Denn die Revision ist im Ergebnis erfolglos, weil die Klage unzulässig ist. Das ergibt sich aus der Sonderregelung des § 19 der 6. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz (HausrVO).

7

Nach rechtskräftiger Scheidung einer Ehe werden die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat im Streitfalle durch das in § 11 HausrVO bestimmte Amtsgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt (§§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 HausrVO). Diese Streitigkeiten werden von diesem Zeitpunkt an ausschließlich nach den Vorschriften der Verordnung behandelt und entschieden (§ 1 Abs. 2 HausrVO). Insoweit ist also die Zuständigkeit eines anderen Gerichts ebenso ausgeschlossen wie die Anwendung anderer Rechtsvorschriften. Das gilt auch für § 985 BGB; die für das zuständige Amtsgericht maßgebenden Vorschriften sind stattdessen die §§ 2, 3 Abs. 1 HausrVO. Macht ein Beteiligter Ansprüche hinsichtlich der Ehewohnung oder des Hausrats in einem Rechtsstreit geltend, so hat das Prozeßgericht die Sache insoweit an das zuständige Amtsgericht abzugeben (§ 18 Abs. 1 Satz 1, § 11 HausrVO). Die Verweisung erfolgt auch dann, wenn Verfahren über Ansprüche dieser Art vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils anhängig, aber noch nicht rechtskräftig entschieden waren.

8

Die Hausratsverordnung enthält indessen nicht nur Vorschriften für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe. Ihre Verfahrensvorschriften sind sinngemäß auf die Verteilung des Hausrats im Falle des Getrenntlebens der Ehegatten nach § 1361 a BGB anzuwenden (§ 18 a HausrVO), auch wenn ein Eheprozeß (noch) nicht anhängig ist. Es besteht insoweit also auch die Abgabepflicht für das Prozeßgericht nach § 18 HausrVO. Von der Anhängigkeit der Ehesache an kann das für diese zuständige Gericht gemäß § 19 HausrVO die Benutzung der Ehewohnung oder des Hausrats einstweilen regeln; dies geschieht im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 627 ZPO.

9

Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es nach Ansicht des Senats, Streitigkeiten der genannten Art bereits im Falle des Getrenntlebens der Ehegatten bzw. während des Eheprozesses bei denjenigen Gerichten zu konzentrieren, die diesen mit der Ehesache aufs engste verknüpften Angelegenheiten örtlich und sachlich am nächsten stehen. Diese Zweckbestimmung sowie schwerwiegende Gründe der Praktikabilität und der Prozeßwirtschaftlichkeit rechtfertigen die Annahme, daß eine Klage auf Herausgabe nach § 985 BGB hinsichtlich des Hausrats und der Ehewohnung während des Eheprozesses ebenso ausgeschlossen sein soll, wie es hinsichtlich des Hausrats bei Getrenntleben der Eheleute der Fall ist (§§ 18 a, 18 HausrVO). Die Besitzverhältnisse werden insoweit ausschließlich nach den Vorschriften der Hausratsverordnung i.V.m. § 627 ZPO durch das für den Eheprozeß zuständige Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung geregelt.

10

Wäre die Klage des Eigentümer-Ehegatten gegen den (mit-)besitzenden Ehegatten auf Herausgabe der Ehewohnung - und entsprechendes gilt für Hausrat - vor dem dafür sonst zuständigen Gericht während des Eheprozesses zulässig, so könnte der Beklagte während und sogar noch nach Abschluß des Herausgabeprozesses beim Gericht des Eheprozesses eine einstweilige Anordnung nach § 19 HausrVO i.V.m. § 627 ZPO beantragen mit dem Ziel, die Ehewohnung in (Mit-)Besitz behalten zu dürfen. Eine solche Anordnung begründete für ihn ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB), das im Herausgabeprozeß zur Abweisung der Klage führen würde und selbst der Vollstreckung eines etwa bereits zuvor ergangenen Herausgabetitels entgegengehalten werden könnte (§ 767 ZPO). Einer derartigen einstweiligen Anordnung stünde weder die Rechtshängigkeit des Herausgabeprozesses noch die Rechtskraft eines darin erlassenen Urteils entgegen. Denn es handelt sich im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur darum, die Benutzung der Ehewohnung zu regeln; das Eigentum der Ehegatten und ein etwa unabhägig von der einstweiligen Anordnung bestehendes Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB sind dabei anders als im Herausgabeprozeß nach § 985 BGB letztlich nicht ausschlaggebend. Der auf Herausgabe verklagte Ehegatte könnte also gegebenenfalls den Herausgabeprozeß oder dessen Ergebnis "unterlaufen".

11

Geht man von der praktisch bedeutsamsten Ehesache, dem Scheidungsverfahren, aus, so sprechen über die gerade aufgezeigte Gefahr hinaus weitere praktische Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Herausgabeklage nach § 983 BGB. Im Herausgabeprozeß wäre das Parteivorbringen im Scheidungsrechtsstreit regelmäßig zu berücksichtigen. Denn die Frage, ob der auf Herausgabe in Anspruch genommene Ehegatte ein Recht zum Besitz hat (§ 986 BGB), hängt rechtlich eng mit der gegenseitigen Verpflichtung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) zusammen, aufgrund deren sie - auch der Eigentümer-Ehegatte - jedenfalls bei ungestörter Ehe gehalten sind, einander die Mitbenutzung der Ehewohnung zu gestatten; die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft kann jedoch ganz oder teilweise entfallen, wenn ein Ehegatte, etwa gerade der auf Herausgabe der Wohnung klagende oder beide Ehegatten einen Scheidungsgrund haben (§ 1353 Abs. 2 Satz 2 BGB). Würde das für die Herausgabeklage zuständige Gericht den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Scheidungsverfahren aussetzen (§ 148 ZPO), so wäre es an einer Entscheidung überhaupt gehindert, weil es die Sache sodann an den Hausratsrichter abgeben müßte (§ 18 HausrVO). Ebenso wäre es in allen anderen Fällen, in denen der Scheidungsprozeß vor dem Herausgabeprozeß rechtskräftig abgeschlossen würde. Beschränkte sich das Gericht auf eine Aussetzung von kürzerer Dauer, so würde die Frage des Scheidungsrechts im Scheidungsprozeß und im Herausgabeprozeß möglicherweise nicht aufgrund desselben Tatsachenstoffes entschieden. Das erhöhte gegebenenfalls die Gefahr, daß insoweit einander widersprechende Entscheidungen ergingen. Gleiches gilt für den Fall, daß der Richter im Herausgabeprozeß die entscheidungserhebliche Scheidungsfrage etwa unabhängig von dem Gang des Scheidungsverfahrens prüfen und entscheiden würde. Dieses Verfahren hätte überdies den Nachteil, daß der Scheidungsstreit praktisch in zwei selbständigen Prozessen - mit teilweise unterschiedlichen Verfahrensvorschriften - ausgetragen würde. Soweit sich die Parteien im Herausgabeprozeß auf die Scheidungsakten beziehen und dadurch deren - möglicherweise wiederholte - Beiziehung erforderlich machen würden, könnte dies, wie der zur Entscheidung stehende Fall zeigt, auch zu einer erheblichen Verzögerung des Scheidungsprozesses führen.

12

Unter all diesen Gesichtspunkten unterscheiden sich Fälle der vorliegenden Art von einem etwaigen Rechtsstreit über die Herausgabe der Ehewohnung, der vor Anhängigkeit des Scheidungsprozesses durchgeführt wird, ebenso etwa von dem Fall des § 1933 BGB, in dem das Recht des Erblassers auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe zwar auch als Vortrage zu prüfen, ein Nebeneinander von Scheidungsprozeß und Erbrechtsprozeß aber gar nicht möglich ist.

13

Ob dem Ehegatten, der auf Herausgabe der Ehewohnung oder von Hausratsgegenständen in Anspruch genommen wird, ein Recht zum Besitz nach § 986 i.V.m. § 1353 BGB zusteht, wird häufig auch davon abhängen, ob Kinder der Ehegatten vorhanden sind, wem die elterliche Gewalt oder die Sorge für ihre Person zusteht, in welchen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Ehegatten leben und wie es mit ihren Unterhaltspflichten und Unterhaltsleistungen im Verhältnis zueinander und den Kindern gegenüber steht. Auch dies zeigt gerade der vorliegende Fall, der insoweit durchaus nicht atypisch gelagert ist. Diesen Fragen steht der Scheidungsrichter ebenfalls wesentlich näher als der Richter des Herausgabeprozesses. Der Scheidungsrichter ist damit, insbesondere in den Verfahren nach den §§ 627, 627 b ZPO, ständig befaßt und eng vertraut. Auch dies spricht dafür, die Herausgabeklage eines Ehegatten nach § 985 BGB während des Eheprozesses auszuschließen und insoweit die alleinige Zuständigkeit des Eheprozeßgerichts zur Regelung der Besitzverhältnisse hinsichtlich Ehewohnung und Hausrat im Verfahren nach § 19 HausrVO i.V.m. § 627 ZPO anzunehmen, soweit nicht § 18 a HausrVO eine weitere Zuständigkeit des Amtsgerichts vorsieht (so für Hausrat im Ergebnis auch OLG Nürnberg BayJMBl 1954, 121; OLG Celle NJV 1953, 1223; Scheffler in RGRK, § 19 HausrVO Rdn. 3; für Hausrat und Ehewohnung Erman/Ronke BGB 6. Aufl., § 19 HausrVO Rdn. 5).

14

Dem Eigentümer-Ehegatten ist auch zuzumuten, sich während der Dauer des Eheprozesses mit diesen Möglichkeiten zu begnügen. In Fällen, in denen es unangemessen oder für ihn gar unerträglich wäre, dem anderen Ehegatten den (Mit-)Besitz zu belassen, ist auch durch Anordnungen nach den §§ 18 a, 19 HausrVO zu helfen. Soweit der Eigentümer-Ehegatte die Herausgabe auf diesem Weg während des Eheprozesses nicht erreicht, muß er dies selbst dann, wenn er in diesem Prozeß schließlich obsiegt, als eine Auswirkung der noch bestehenden Ehe hinnehmen. Nach Ansicht des Senats tritt dies gegenüber den dargelegten Nachteilen zurück, die mit der Zulassung einer Herausgabeklage während des Eheprozesses verbunden wären.

15

Die Revision gegen das Berufungsurteil war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird, wie dies das Landgericht im Ergebnis mit Recht ausgesprochen hatte.

Dr. Hauß
Johannsen
Dr. Bukow
Dr. Hoegen
Dehner