Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.07.1976, Az.: VIII ZR 44/75
Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Unfalls bei Abbrucharbeiten; Schutzwirkung eines Mietvertrages für Dritte; Voraussetzungen der Einbeziehung in den Schutzbereich eines Mietvertrages; Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Mietrecht
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 07.07.1976
- Aktenzeichen
- VIII ZR 44/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 12930
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 16.01.1975
- LG Duisburg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1976, 1617-1618 (Volltext mit red./amtl. LS)
- MDR 1977, 134 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1976, 1843-1844 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma R. & H. He. KG in D., Gr.straße ...,
vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Herbert He. in D.
Prozessgegner
1. Firma Gustav Sch. Nachf. KG in M./R., St.weg,
vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Fritz Sch. in M./R., Ob. Straße ...
2. Firma C.-S., Lasen Constructiebedrijf. Inh. J. F. van E., G. Gro., Vl., Ni.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob ein selbständiger Werkunternehmer, dem der Mieter in Übereinstimmung mit dem Mietvertrag die Benutzung der Mietsache überlassen hat, in die Schutzwirkung des Mietvertrages einbezogen wird und die Einrede der Verjährung nach § 558 BGB erheben kann (Ergänzung zu BGHZ 61, 227).
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 1976
durch
die Richter Braxmaier, Claßen, Dr. Hiddemann, Merz und Treier
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 1975 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die A.-T.-H. AG beauftragte im April 1970 die Beklagte zu 1), ein Kalksilo auf ihrem Werkgelände in D.-Bru. abzubrechen. Die Beklagte zu 1) vergab diese Abbruch- und Verschrottungsarbeiten an die Beklagte zu 2). Der Inhalt des zwischen den beiden Beklagten abgeschlossenen Vertrages ergibt sich aus dem Schreiben der Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 2) vom 30. April 1970. Zur Durchführung der Abbrucharbeiten stellte die Klägerin aufgrund eines von ihr mit der Firma T. Verkehr GmbH, einer Tochtergesellschaft der A.-T.-H. AG, abgeschlossenen Vertrages, einen Autokran (DE. TC ...) mit Fahrer und Beifahrer zur Verfügung.
Am 26. Juni 1970 kam es beim Abbruch des Kalksilos zu einem schweren Unfall. Als der Mitinhaber der Beklagten zu 2), Dirk F., den Dachträger der Kalksilohalle abschweißte, der die letzte Oberverbindung zwischen den beiden noch stehenden Längswänden der Halle darstellte, kippte die eine Wand um. Der Kran der Klägerin, der auf der Bühne des Kalksilos stand, wurde dabei umgerissen und schwer beschädigt. Bei dem Unfall wurden Dirk F. getötet und der Kranführer Korb verletzt.
Mit der am 26. Juni 1973 beim Landgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten zu 1) am 11. Juli 1973 und der Beklagten zu 2) - dieser im Wege der Rechtshilfe - am 24. August 1973 zugestellt wurde, nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung der Kosten für die Bergung des Kranes und dessen Transport zur Reparaturwerkstätte, die sie auf 6.485 DM beziffert, sowie auf Ersatz des ihr während der Reparaturzeit entgangenen Gewinns, den sie mit 268.139 DM angibt, in Anspruch.
Die Beklagten haben ihre Verantwortlichkeit für den Unfall bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Vertrag über den Einsatz des Krans nach Mietrecht zu beurteilen sei, die Schutzwirkung des Mietvertrags sich auch auf die Beklagten erstrecke und deshalb die 6-monatige Verjährung nach § 558 BGB eingreife. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision, um deren Zurückweisung die Beklagten bitten, strebt die Verurteilung der Beklagten entsprechend dem Klageantrag, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, an.
Entscheidungsgründe
1.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Vertrag zwischen der Klägerin und der Firma T. Verkehr GmbH über die Überlassung des Kranes unterstehe den Vorschriften über den Mietvertrag, steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1968 - VIII ZR 21/66 = VersR 1968, 779).
2.
a)
Der Senat hat mehrfach entschieden, daß zu den Verträgen, die eine Schutzwirkung für Dritte bewirken, vor allem Mietverträge gehören (vgl. BGHZ 49, 278, 279 und 350, 353 sowie 61, 227, 233). Hieran ist ebenso festzuhalten wie an der ebenfalls in mehreren Entscheidungen vertretenen Ansicht des Senats, daß die Schutzwirkung nicht nur zur Folge hat, daß der Dritte den Vermieter, der ihn unter Verletzung der Vertragspflichten geschädigt hat, auf Ersatz in Anspruch nehmen kann, sondern daß er, wenn er den Vermieter geschädigt hat, auch die Möglichkeit hat, sich auf die kurze Verjährung des § 558 BGB zu berufen (vgl. BGHZ 49, 278, 280 und 61, 227, 233).
b)
Auch seine in den genannten Urteilen vertretene Auffassung, der Kreis der in den Schutzbereich fallenden Personen dürfe nicht zu weit ausgedehnt werden, erhält der Senat aufrecht. Sie hat im Schrifttum - soweit ersichtlich ohne Ausnahme - Zustimmung gefunden (vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1 Allgemeiner Teil, 11. Aufl. S. 168).
c)
Entgegen der Meinung der Revision ergibt die Anwendung der Rechtsprechung des Senats auf den vorliegenden Fall, daß die Beklagten in die Schutzwirkung des Mietvertrages einbezogen sind.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 7. Februar 1968 (BGHZ 49, 278, 280) ausgeführt hat, hängt die Entscheidung der Frage, ob der Schutz des Mietvertrages auf einen Dritten ausgedehnt werden kann, in erster Linie von dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages ab, weshalb es für den Fall, daß der Vertrag die Benutzung der gemieteten Sache durch einen Dritten nicht zuläßt, grundsätzlich ausgeschlossen ist, dem Dritten den Schutzbereich des Vertrages zuzubilligen. In Ergänzung dieser Entscheidung hat der Senat in seinem Urteil vom 19. September 1973 (BGHZ 61, 227, 234) dargelegt, daß der entscheidende Gesichtspunkt für die Einbeziehung weniger das Bestehen einer Obhuts- und Fürsorgepflicht des Mieters für den Dritten als vielmehr der Umstand ist, daß nach dem Inhalt des Vertrages der Mietgebrauch durch den Dritten gewissermaßen bestimmungsgemäß (a.a.O. S. 233) ausgeübt wird und daß das erkennbar für den Dritten ebenso wie für den Mieter die Gefahr mit sich bringt, wegen Beschädigung der Mietsache auf Ersatz in Anspruch genommen zu werden.
Hieraus folgt, daß die Beklagten in die Schutzwirkung des Mietvertrages einbezogen sind und sich deshalb mit Recht darauf berufen, daß die Ersatzansprüche der Klägerin nach § 558 BGB verjährt sind. Das Berufungsgericht stellt nämlich fest, der Kran sei zur Durchführung der Abbrucharbeiten vermietet worden und die Klägerin habe erkennen können, daß die Mieterin den Gebrauch der Mietsache Dritten überlassen müsse, weil die Mieterin sich ausschließlich mit Transportaufgaben befaßt habe. Die Ausübung des Mietgebrauchs durch die Beklagte zu 2) entsprach daher dem Inhalt des Vertrages und brachte erkennbar für die Beklagten ebenso wie für den Mieter die Gefahr mit sich, wegen Beschädigung der Mietsache auf Ersatz in Anspruch genommen zu werden.
Der Umstand, daß der Mietgebrauch einem selbständigen Werkunternehmer und nicht einer vom Mieter sozial abhängigen Person überlassen wurde, ist nicht entscheidend. Denn auf die Art der Rechtsbeziehungen zwischen dem Mieter und dem Dritten kommt es nicht an. Ob die Klägerin Einfluß auf die Auswahl des Abbruchunternehmers hatte, ist entgegen der Meinung der Revision nicht von Bedeutung. Auch in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen bestand nicht die Möglichkeit einer solchen Einflußnahme. Die Auffassung der Revision, die Einbeziehung des selbständigen Werkunternehmers in die Schutzwirkung des Mietvertrages müsse letztlich dazu führen, daß die Schutzwirkung allen Personen zuzubilligen sei, die sich in irgendeiner Weise der Mietsache bedienten, gleichgültig, aufgrund welcher rechtlichen Beziehungen dies geschehe, ist unrichtig. Wie oben dargelegt ist, kommt es nämlich immer darauf an, ob der Inhalt des Vertrages die Benutzung durch den Dritten zuläßt. Im übrigen ist die Mietsache hier nur von der Beklagten zu 2) benutzt worden.
3.
Nach allem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Claßen
Dr. Hiddemann
RiBGH
Merz ist beurlaubt und daher verhindert zu unterschreiben. Braxmaier
Treier