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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 13.05.1976, Az.: 4 StR 234/76

Strafrahmenwahl bei einem dem Jugendstrafrecht unterfallenden Diebstahl

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
13.05.1976
Aktenzeichen
4 StR 234/76
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1976, 12464
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Münster - 02.02.1976

Fundstellen

  • MDR 1976, 769 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1976, 1415 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Diebstahl

Prozessführer

Arbeiter Detlef T. aus B., dort geboren am ... 1957

Amtlicher Leitsatz

Bei der Beurteilung eines tatbestandsmäßig dem § 242 (und nicht dem § 244) StGB unterfallenden Diebstahls nach Jugendstrafrecht hat der Ausspruch, daß es sich um einen "besonders schweren Fall" (§ 243 StGB) des Diebstahls handele, zu unterbleiben.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 13. Mai 1976
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und
des Angeklagten
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 2. Februar 1976

    1. 1.

      in der Urteilsformel dahin geändert, daß dieser Angeklagte des Diebstahls - § 242 StGB - schuldig ist,

    2. 2.

      im Ausspruch über die Rechtsfolgen der Tat dieses Angeklagten mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. II.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Jugendrichter des Amtsgerichts Bocholt zurückverwiesen, der auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden hat.

  3. III.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

1.

Mit Recht beanstandet die Revision des Angeklagten, der zur Tatzeit noch keine 18 Jahre alt und folglich Jugendlicher war (§ 1 Abs. 2 JGG), daß die Strafkammer im Laufe des Verfahrens und vor allem während der Hauptverhandlung keinen Vertreter der Jugendgerichtshilfe zugezogen hat (§ 38 Abs. 3, § 50 Abs. 3, § 104 Abs. 1 Nr. 2 JGG).

2

Von diesem Verfahrensfehler wird aber der Schuldspruch, die Verurteilung des Angeklagten T. wegen des ihm zur Last gelegten Diebstahls, nicht berührt. Der Angeklagte war "voll geständig" (UA S. 24).

3

Die von der Strafkammer angeordneten Rechtsfolgen der Tat können dagegen nicht bestehen bleiben. Möglicherweise hätte die Jugendgerichtshilfe Gesichtspunkte vortragen können, die zu einer dem Angeklagten günstigeren Entscheidung geführt hätten.

4

2.

Zu Unrecht hat die Strafkammer den Angeklagten Teiting "eines besonders schweren Falles" des Diebstahls schuldig gesprochen. In der Neufassung des § 243 StGB sind nicht mehr wie früher selbständige Straftatbestände (Qualifizierungen) aufgestellt. Die Vorschrift enthält vielmehr nur noch eine Strafzumessungsvorschrift nach dem Prinzip der schweren Fälle mit Regelbeispielen (BGHSt 23, 254, 256; BGH NJW 1970, 2120). Bei Anwendung des Jugendstrafrechts gelten die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht. Für die Frage, ob zur Ahndung einer Straftat überhaupt und in welcher Höhe Jugendstrafe oder ein Zuchtmittel oder eine Erziehungsmaßregel zu verhängen ist, sind neben der Schwere des Unrechts und der Höhe der Schuld vor allem erzieherische Gründe maßgebend. Es besteht daher, wenn ein tatbestandsmäßig dem § 242 (und nicht dem § 244) StGB unterfallender Diebstahl nach Jugendstrafrecht zu beurteilen ist, kein Anlaß zum Ausspruch, daß bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts die Strafe dem Strafrahmen des § 243 StGB zu entnehmen gewesen wäre, daß es sich also um einen "besonders schweren Fall" des Diebstahls handele. So hat auch der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs für den ebenfalls eine "Strafzumessungsvorschrift nach dem Prinzip der schweren Fälle mit Regelbeispielen" enthaltenden Absatz 4 des § 11 BetMG dargelegt, daß die Erwähnung eines solchen nach allgemeinem Strafrecht gegebenen Erschwerungsgrundes im Urteilssatz bei Anwendung des Jugendstrafrechts "mißverständlich" ist (Urteil vom 12. Februar 1974 - 1 StR 502/73 -).

5

Andererseits kann der Tatrichter auch bei Anwendung des Jugendstrafrechts die gesetzliche Bewertung der größeren oder geringeren Schwere des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts, die in der Strafdrohung des allgemeinen Gesetzes ihren Ausdruck gefunden hat, nicht unbeachtet lassen (BGH NJW 1972, 693). Deswegen ist es nicht zu beanstanden und kann sogar angebracht sein, daß der Jugendstrafrecht anwendende Tatrichter bei seinen Erwägungen über Art und Maß der für geboten gehaltenen Ahndungsmittel (den "Strafzumessungserwägungen") in den Gründen des Urteil darauf eingeht, daß der Täter den Diebstahl in einer der erschwerenden Begehungsweisen ausgeführt hat, die in § 243 StGB verzeichnet sind.

Mayr
Börtzler
Zipfel
Richter BGH. Salger ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Mayr
Knoblich