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Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.05.1976, Az.: 1 StR 824/75

Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs; Anforderungen an die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts; Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Hauptverhandlung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.05.1976
Aktenzeichen
1 StR 824/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 12453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG München I - 06.06.1975

Verfahrensgegenstand

Versuchter Betrug

Prozessgegner

1. Kaufmann Dr. Christian von M. aus Mü., geboren am ... 1934 in B.

2. Kaufmann Christian K. aus St., geboren am ... 1913 in E.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 4. Mai 1976,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Pfeiffer,
die Richter am Bundesgerichtshof Loesdau, Dr. Mösl, Dr. Woesner, Kuhn als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... als Verteidiger des Angeklagten Dr. von Meister,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen der Angeklagten Dr. von M. und K. gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Juni 1975 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

1

Das Landgericht hat verurteilt:

2

1.

den Angeklagten Dr. von M. wegen versuchten Betrugs zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren sechs Monaten,

3

2.

den Angeklagten K. wegen Beihilfe ZUM versuchten Betrug zur Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

4

Beide Angeklagten rügen die Verletzung sachlichen Rechts, der Angeklagte Dr. von M. auch Verstoß gegen Verfahrensvorschriften.

5

I.

Die Revision Dr. von M.

6

1.

Die Revision meint, die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der Hauptverhandlung um mehr als zehn Tage nach § 229 Abs. 2 StPO hätten nicht vorgelegen, da die Verhandlung zum Zeitpunkt der Unterbrechung nicht bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden habe; der zehnte Verhandlungstag sei eine "reine Farce" gewesen und könne daher nicht als "Hauptverhandlung" gewertet werden.

7

Das Protokoll ergibt dazu, daß am zehnten Verhandlungstag die Staatsanwaltschaft erneut bestimmte Akten mit daraus gefertigten Fotokopien zweier Zeugenaussagen übergab, daß sich die Angeklagten sodann zur Sache erklärten, daß weiterhin drei Schreiben verlesen wurden und die Angeklagten dazu Erklärungen abgaben. Diese Vorgänge dienten eindeutig der Förderung des Verfahrens und genügten damit zur Währung der Frist des § 229 StPO; anders wäre es, wenn sich die Verhandlung auf die bloße Erörterung beschränkt hätte, ob und wann die sachliche Verhandlung fortgeführt werden könne (RGSt 62, 263, 264; BGH NJW 1952, 1149; vgl. insbesondere BGH, Urteil von 4. Dezember 1970 - 1 StR 34/70 - S. 11 m. Nachw.; Löwe/Rosenberg, StPO 22. Aufl. § 229 Anm. 5).

8

2.

Die Revision beanstandet ferner, daß die Hauptverhandlung vom 18. April 1975 bis zum 16. Mai 1975 unterbrochen wurde und daß diese auf § 229 Abs. 2 StPO beruhende Unterbrechung entgegen § 228 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht durch Beschluß des Gerichts, sondern durch Verfügung des Vorsitzenden angeordnet worden sei.

9

Das Protokoll bestätigt insoweit den Vortrag der Revision, daß die genannte Unterbrechung lediglich durch Verfügung des Vorsitzenden angeordnet worden ist.

10

Die Rüge dringt jedoch nicht durch, da nicht ersichtlich ist, daß das Urteil auf dem Verstoß beruhen könnte.

11

a)

Die Revision erblickt eine Beeinträchtigung der Rechte des Angeklagten darin, daß eine längere Unterbrechung der Hauptverhandlung die Zuverlässigkeit der Erinnerung beeinträchtigen und die Richter möglicherweise veranlassen kann, bei der Fällung des Urteils das Ergebnis aus den Akten zu schöpfen und damit deh Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung zu verletzen. Diesem Anliegen ist jedoch bereits durch die Einführung der Fristen des § 229 StPO Rechnung getragen worden; hierbei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß bei Einhaltung dieser Fristen in aller Regel die Einheitlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung gewahrt und damit der Gefahr begegnet ist, die Urteilsberatung könne sich auf den Akteninhalt und nicht ausschließlich auf das Ergebnis der Hauptverhandlung gründen. Erst bei einer Überschreitung der für die Unterbrechung der Hauptverhandlung zulässigen Fristen kann nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht (BGH NJW 1952, 1149; BGHSt 23, 224).

12

b)

Hier ist jedoch nicht die Frist des § 229 StPOüberschritten, vielmehr ist die an sich zulässige Unterbrechung nicht durch das Gericht, sondern durch den Vorsitzenden angeordnet worden.

13

Zwar kann nicht allgemein gesagt werden, daß auf einem Verstoß dieser Art das Urteil nicht beruhen könnte.. Wird etwa ein Antrag des Angeklagten auf Aussetzung oder längere Unterbrechung nicht durch Beschluß des Gerichts verbeschieden, sondern nur durch den Vorsitzenden abgelehnt oder stillschweigend Übergangen, so wird zu seinen Gunsten angenommen werden müssen, daß ihm die Möglichkeit genommen worden ist, Erklärungen abzugeben, und es wird deshalb auch nicht ausgeschlossen werden können, daß auf der hierdurch herbeigeführten Beschränkung der Verteidigung das Urteil beruht (vgl. RGSt 23, 136, 137 zu § 228 StPO aF).

14

So lag es aber im gegebenen Fall nicht. Ein Antrag des Angeklagten oder der Verteidigung lag nicht vor; keiner der Beteiligten hat das Verfahren beanstandet und darauf hingewirkt, daß anstelle der Verfügung des Vorsitzenden ein Gerichtsbeschluß erging. Vor allem aber vermag die Revision keinen Gesichtspunkt vorzutragen, der auch nur entfernt darauf hindeuten könnte, daß durch das Tätigwerden des Vorsitzenden anstelle des Gerichts die Rechte des Angeklagten beeinträchtigt worden wären oder er in seiner Verteidigung behindert gewesen sein könnte.

15

c)

Bei dieser Sachlage kann der Senat ausschließen, daß das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht; es ist deshalb auch nicht mehr darauf einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die widerspruchslose Hinnahme der Vorsitzendenverfügung durch die übrigen Mitglieder des Gerichts in einen (stillschweigenden) Gerichtsbeschluß umgedeutet werden könnte.

16

3.

Die Rüge, § 261 StPO sei dadurch verletzt, daß bestimmte dem Angeklagten günstige Zeugenaussagen nicht gewürdigt worden seien, kann auf sich beruhen. Mit den von der Revision angeführten Aussagen sei dargetan worden, daß eine Vermögensgefährdung durch die Handlungen des Angeklagten noch nicht eingetreten sei. Darauf kommt es aber nicht an, da der Eintritt einer Vermögensgefährdung für die rechtliche Wertung der Tat als versuchter Betrug nicht erforderlich ist.

17

4.

Mit der Sachrüge beanstandet die Revision vorwiegend, daß das Verhalten des Angeklagten als Versuch des Betrugs (§§ 263, 22 StGB nF) und nicht als straflose Vorbereitungshandlung gewertet worden ist.

18

Bei diesen Darlegungen ist verkannt, daß die Abgrenzung zwischen strafbarem Versuch und strafloser Vorbereitungshandlung nach altem wie nach neuem Recht nur dort problematisch sein kann, wo es darum geht, ob ein noch nicht tatbestandsmäßiges Verhalten in den Bereich des Versuchs einzubeziehen ist (BGHSt 26, 201, 203); Versuch liegt dagegen in der Regel dann vor, wenn der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, also im Falle des § 263 StGB täuscht, bevor es zum Vermögensschaden kommt (BGH GA 1956, 355; Dreher, StGB 36. Aufl. § 22 Rdn. 10).

19

Hier hat der Tatrichter festgestellt, daß der Angeklagte die Anträge für die Gewährung von Investitionszulagen und Investitionszuschüssen bei den zuständigen Behörden eingereicht und diesen Anträgen Scheinverträge beigefügt hat, mit denen die Behörden darüber getäuscht werden sollten, daß Investitionen für bestimmte maschinelle Anlagen geplant und durchgeführt seien (sogenannten T.-Vertrag) und daß die Finanzierung durch Geldgeber sichergestellt sei (sogenannter N.-Vertrag). Damit hat sich aber der Angeklagte bereits tatbestandsmäßig im Sinne einer Täuschungshandlung verhalten.

20

Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) kam nicht in Betracht, da die Firma Mo. den Antrag auf Investitionshilfe erst zurücknahm, nachdem der Angeklagte als Geschäftsführer abgelöst worden war (UA S. 64).

21

5.

Auch im übrigen deckt die Revision weder zur Schuld- noch zur Straffrage einen Rechtsfehler auf.

22

II.

Die Revision des Angeklagten K.

23

erhebt die allgemeine Sachrüge. Die darauf gebotene umfassende Prüfung des angefochtenen Urteils läßt ebenfalls keinen Rechtsfehler ersehen.

24

III.

Die Entscheidung entspricht im Ergebnis dem Antrag des Generalbundesanwalts.

Pfeiffer
Loesdau
Mösl
Woesner
Kuhn