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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.03.1976, Az.: IV ZR 79/73

Gewährung von Versicherungsschutz für einen Unfallfahrer; Wahrheitswidrige Angaben eines Versicherungsnehmers; Vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.03.1976
Aktenzeichen
IV ZR 79/73
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 11442
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Koblenz - 05.04.1973
OLG Koblenz - 18.01.1973

Fundstelle

  • VersR 1976, 383

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Auch der Mitversicherte ist dem Versicherer gegenüber zur Aufklärung des Tatbestands verpflichtet.

  2. 2.

    Der notwendige Hinweis des Versicherers, daß der Verlust des Versicherungsschutzes auch dann droht, wenn dem Versicherer keine Nachteile durch die Verletzung der Aufklärungspflicht entstehen, erübrigt sich dann, wenn der Versicherte arglistig seine Aufklärungspflicht verletzt oder hartnäckig an seinen falschen Angaben festhält, obwohl ihn der Versicherer wiederholt auf die Bedenken gegen seine Angaben aufmerksam gemacht hat.

  3. 3.

    War die Verletzung der Aufklärungspflicht generell geeignet, das Aufklärungsinteresse des Versicherers erheblich zu gefährden, so verbleibt es bei der gänzlichen Leistungsfreiheit des Versicherers auch dann, wenn sich die Gefahr nach dem tatsächlichen Verlauf nicht verwirklicht hat.

  4. 4.

    Zur Frage, wann bei einem Fehlverhalten des Versicherten nur ein geringes Verschulden anzunehmen ist.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Neben dem Hauptversicherten ist auch der Mitversicherte zur Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet.

  2. 2.

    Der Verlust des Versicherungsschutzes droht auch dann, wenn dem Versicherer durch die Aufklärungspflichtverletzung keine konkreten Nachteile entstehen; es richt eine erhebliche Gefährung seines Aufklärungsinteresses.

  3. 3.

    Die Hinweispflicht des Versicheres entfällt, wenn der Versicherte arglistig falsche Angaben macht und daran festhält, obwohl der Versicherer Zweifel an den Aussagen kundmacht.

  4. 4.

    Handelt es sich um eine Fehlverhalten, daß einem Versicherungsnehmer verständlicherweise unter der besonderen Unfallsituation unterlaufen ist, so liegt nur geringes Verschulden vor.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Hauß und
die Richter Dr. Bukow, Dr. Buchholz, Dr. Hoegen und Dehner
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. April 1973 aufgehoben.

Das Versäumnisurteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. Januar 1973 wird aufrechterhalten.

Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger war kaufmännischer Angestellter der Firma P. in T., die ihm einen firmeneigenen Personenkraftwagen (Opel Kadett) zur Verfügung gestellt hatte. Das Fahrzeug war bei der Beklagten haftpflichtversichert.

2

Am 12. August 1967 kam es auf der B 51 hinter K. zu einem Unfall. Das Fahrzeug des Klägers schleuderte auf die linke Fahrbahnseite und stieß mit einem entgegenkommenden Personenkraftwagen zusammen, dessen Fahrer R. dem plötzlich vor ihm auf seiner Fahrbahn auftauchenden Kraftfahrzeug des Klägers nicht mehr ausweichen konnte. An den Folgen des Unfalls starben der im Wagen des Klägers sitzende Hubert E. und Frau R., die Beifahrerin des Autos, das entgegengekommen war. Verletzt wurden der Kläger, der Fahrer R. und dessen drei Kinder. Der Kläger wurde am 23. Juni 1971 wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit zu einer Freiheitsstrafe von einen Jahr und sechs Monaten verurteilt.

3

Seit dem 13. August 1967, dem Tage nach dem Unfall, behauptete der Kläger sowohl gegenüber den Ermittlungsbehörden als auch gegenüber der Beklagten, nicht er, sondern der verstorbene Hubert E. habe das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls gelenkt. Wegen dieser falschen Angabe zur Person des Fahrers entzog die Beklagte ihm am 30. Dezember 1971 den Versicherungsschutz und kündigte ihm den Regreß ihrer bisherigen Aufwendungen an.

4

Mit der erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsschutz zu gewähren. Er bestreitet, gegenüber der Beklagten falsche Angaben gemacht zu haben. Seine Einlassung im Strafverfahren sei nicht als Obliegenheitsverletzung zu werten. Weiter ist er der Ansicht, bei dem Unfall einen Unfallschock erlitten zu haben und deshalb über die Vorgänge vor dem Unfall nicht mehr richtig unterrichtet zu sein. Schließlich habe seine falsche Angabe den Umfang der Leistungen der Beklagten nicht beeinflußt.

5

Die Beklagte ist den Behauptungen des Klägers entgegengetreten.

6

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat mit der Berufung den Klageantrag weiter verfolgt. Da er in dem Verhandlungstermin vom 18. Januar 1973 nicht vertreten war, hat das Oberlandesgericht durch Versäumnisurteil vom gleichen Tage die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen dieses Versäumnisurteil rechtzeitig Einspruch eingelegt und beantragt,

7

das Versäumnisurteil aufzuheben sowie das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß die Beklagte im Verhältnis zu ihm nicht berechtigt ist, ihm den Versicherungsschutz für den Unfall vom 12. August 1967 zu entziehen und Erstattung ihrer Aufwendungen zu begehren, daß sie vielmehr verpflichtet ist, ihn von allen Kraftfahrzeughaftpflichtansprüchen Dritter aus Anlaß dieses Unfalls freizustellen.

8

Die Beklagte hat gebeten,

9

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

10

Das Berufungsgericht hat das Versäumnisurteil vom 18. Januar 1973 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts geändert. Es hat festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Deckungsschutz wegen der aus dem Verkehrsunfall vom 12. August 1967 entstandenen Schadensersatzansprüche zu gewähren.

11

Mit der Revision hat die Beklagte den Antrag weiterverfolgt, das Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts vom 18. Januar 1973 aufrechtzuerhalten.

12

In dem zur Verhandlung über die Revision anberaumten Verhandlungstermin vom 12. Dezember 1975 war der Kläger nicht vertreten.

13

Die Beklagte hat beantragt,

durch Versäumnisurteil gemäß ihrem Antrag zu entscheiden.

14

Im Verhandlungstermin hat die Beklagte erklärt, daß sie auf Grund der Versicherung des Halters des Wagens alle aus dem Unfall entstandenen Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger auch für die Zukunft befriedigt habe.

Entscheidungsgründe

15

I.

Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine Bedenken. Über den Revisionsantrag war daher sachlich zu entscheiden, und zwar durch Versäumnisurteil (§§ 331, 557 ZPO).

16

II.

Der Kläger ist als Fahrer mitversicherte Person (§ 10 Nr. 2 c AKB). Für die mitversicherten Personen gelten nach § 3 Nr. 1 AKB sinngemäß die u.a. in § 7 AKB getroffenen Bestimmungen. Nach § 7/1 Nr. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, "alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes ... dienlich sein kann". Hierzu gehört mit an erster Stelle die zutreffende Angabe des Fahrers, der zur Zeit des Unfalls das Fahrzeug gelenkt hat.

17

1.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten wahrheitswidrig angegeben, nicht er, sondern der tödlich verunglückte Hubert E. sei der Fahrer des Unglückswagens gewesen. Diese falsche Angabe erscheint in der Schadensmeldung der Halterin, in den Schreiben des Klägers vom 5. September 1967 und - auf die ausdrückliche nochmalige Antrage der Beklagten vom 12. Februar 1969 - vom 25. Februar 1969 sowie in der Ende des Jahres 1971 erteilten Antwort auf eine weitere Antrage der Beklagten.

18

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Unstreitig hat er bei dem Unfall keine Kopfverletzung und keine Gehirnerschütterung erlitten. Selbst wenn er einen leichten Unfallschock davongetragen haben sollte, schließt das seinen Vorsatz nicht aus. Denn in diesem Fall hätte er angeben müssen, sich nicht erinnern zu können, keinesfalls durfte er behaupten, daß ein anderer - Hubert E. - das Fahrzeug gefahren hat (vgl. OLG Köln VersR 1969, 555) und an dieser falschen Behauptung jahrelang festhalten.

19

2.

Die vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht des Klägers hat die Leistungsfreiheit der Beklagten zur Folge (§ 7 V AKB). Der Versicherer kann den Versicherungsschutz aber nur verweigern, wenn er den Versicherungsnehmer vorher darauf hingewiesen hat, daß ihm bei vorsätzlich falschen Angaben der Verlust des Versicherungsschutzes droht, und zwar auch dann, wenn ein Nachteil für den Versicherer nicht eintritt (seit BGHZ 48, 7 ständige Rechtsprechung; vgl. auch VerBAV 1969, 78/79 zu Nr. 7 und die Neufassung in VerBAV 1973, 102).

20

Hier ist eine ordnungsmäßige Rechtsbelehrung nicht erfolgt, was das Berufungsgericht übersehen hat. Denn die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 12. Februar 1969 zwar darauf hingewiesen, daß vorsätzlich falsche Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen; es fehlt aber der Hinweis, daß der Verlust des Versicherungsschutzes auch dann droht, wenn dem Versicherer keine Nachteile durch die Verletzung der Aufklärungspflicht entstehen. Ein solcher Hinweis kann sich aber aus besonderen Gründen erübrigen. Die von der Rechtsprechung entwickelte Belehrungspflicht des Versicherers will den schutzwürdigen Versicherungsnehmer vor einem unerwarteten Rechtsverlust bei falschen Angaben bewahren. Hierfür ist kein Raum, wenn der Versicherungsnehmer arglistig seine Aufklärungspflicht verletzt oder hartnäckig an seiner falschen Angabe festhält, obwohl der Versicherer ihn wiederholt auf die Bedenken, die gegen seine Angaben sprechen, aufmerksam gemacht hat. Ein Versicherungsnehmer, der sich so verhält, ist weniger schutzwürdig als ein Versicherungsnehmer, der oft noch stark unter dem Eindruck des Schadensereignisses stehend sich zu falschen Angaben verleiten läßt. Der Kläger würde bei gerechter Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Parteien den ihm generell gewährten Schutz in unzulässiger Weise ausnutzen, wenn er der Beklagten entgegenhalten könnte, daß er zwar über den ihm bei falschen Angaben drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs belehrt worden sei, dabei aber unerwähnt geblieben sei, daß der Rechtsverlust auch dann eintrete, wenn die falschen Angaben dem Versicherer keine Nachteile bringen würden (BGH VersR 1971, 405; vgl. auch BGH VersR 1973, 217).

21

Im Ergebnis hat das Berufungsgericht deshalb zu Recht angenommen, daß der Kläger durch seine wiederholte falsche Angabe des Fahrers gegenüber der Beklagten seine Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hat.

22

III.

Der erkennende Senat hat schon wiederholt ausgesprochen, daß nicht jede vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht schlechthin zur Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 7 V AKB führt. Bei der Verwirkung des Versicherungsanspruchs wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung handelt es sich um eine Vertragsbestimmung von außergewöhnlicher Härte. Sie ist zwar nach § 6 Abs. 3 VVG zulässig und bei erheblichen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen die Interessen des Versicherers hinzunehmen. Sie darf jedoch nicht starr und ohne Rücksicht darauf gehandhabt werden, ob sich im Einzelfall ein krasses Mißverhältnis zwischen dem Verstoß und den dadurch ausgelösten Folgen ergibt. Der gänzliche Entzug des Versicherungsschutzes nach § 7 V AKB läßt sich deshalb nur rechtfertigen, wenn der Verstoß geeignet war, die berechtigten Interessen des Versicherers in ernster Weise zu gefährden, und dem Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fällt.

23

1.

Bei der Prüfung der generellen Eignung der Obliegenheitsverletzung, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, meint das Berufungsgericht, die Gefährdung müsse sich konkret feststellen lassen. Es fährt dann fort: Aus dem Strafurteil ergebe sich, daß der Kläger sich an der Unfallstelle als Fahrer des Unfallwagens bezeichnet habe. Die Sicherung der Unfallspuren sei durch seine erst am folgenden Tag geäußerte falsche Angabe nicht mehr beeinträchtigt worden. Die Feststellungen am Unfallort hätten zur Ermittlung von Zeugen geführt, den Sachverständigen zur Grundlage ihrer Gutachten gedient und schließlich bewirkt, daß die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt sei, der Kläger sei Fahrer des Unfallfahrzeugs gewesen. Hätte der Kläger vom 13. August 1967 an wahre Angaben gemacht, so hätte das an der Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Familie R. nichts geändert. Folge der falschen Angabe des Klägers sei nur gewesen, daß die Beklagte zunächst der Witwe E. keinen Schadensersatz geleistet und sich auf einen gegen sie geführten Prozeß eingelassen habe. Erst nach der Verurteilung des Klägers als Fahrer habe die Beklagte sich entschlossen, sich mit der Witwe E. zu vergleichen. Daraus ergebe sich, daß der Prozeß zwischen der Witwe E. und der Beklagten vermieden worden wäre, wenn der Kläger seine Aufklärungspflicht erfüllt hätte. Ob der Umfang der Leistungen der Beklagten sich dadurch erhöht habe, sei unbekannt.

24

An diesen Ausführungen beanstandet die Revision zu Recht, daß sie das Kausalitätserfordernis auf vorsätzlich begangene Verstöße erstrecken. Hierauf deutet schon der einleitende Satz des Berufungsurteils, die ernsthafte Gefährdung der versicherten Interessen müsse sich konkret feststellen lassen. Das widerspricht aber den §§ 7 V AKB und 6 Abs. 3 VVG, wonach es bei vorsätzlichem Verstoß nicht darauf ankommt, ob dem Versicherer ein Nachteil entsteht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Verstoß generell geeignet war, das Aufklärungsinteresse des Versicherers erheblich zu gefährden. Ist dies der Fall, so verbleibt es bei der gänzlichen Leistungsfreiheit auch dann, wenn sich die Gefahr nach nach dem tatsächlichen Verlauf nicht verwirktlicht hat (BGH LM Nr. 37 zu § 6 VVG = VersR 1972, 341). Im vorliegenden Falle kann eine ernsthafte Gefährdung der Interessen des Versicherers nicht zweifelhaft sein. Das Interesse des Haftpflichtversicherers geht dahin, durch die Aufklärung des Versicherungsnehmers einen möglichst genauen Überblick über die Versicherungsleistungen zu erlangen. Wäre nicht der Kläger, sondern der tödlich verunglückte Hubert E. mit dem Unglückswagen gefahren, so müßte die Beklagte ihm als Fahrer Versicherungsschutz gewähren. Seine Hinterbliebenen könnten sich aber wegen ihrer Schadensersatzansprüche nicht an die Beklagte halten (§ 11 Nr. 4 AKB). Es macht also für die Ermittlungen und Regulierungsverhandlungen einen außerordentlich großen Unterschied, wer den Unfallwagen gefahren hat. Ohne die richtige Mitteilung des Klägers konnte die Beklagte nicht erkennen, welchem mitversicherten Fahrer sie Versicherungsschutz gewähren und welche Schadensersatzansprüche sie decken mußte. Das Berufungsgericht erkennt schließlich selbst, daß die Beklagte sich infolge der falschen Angabe des Klägers mit der Witwe E. auf einen Prozeß einlassen mußte, daß es der Beklagten unmöglich war, den Umfang ihrer Leistungen festzustellen und im Rahmen des Versicherungsvertrages die Haftpflichtansprüche zu erfüllen. Es ist deshalb nur folgerichtig, in der falschen Angabe des Klägers eine ernsthafte Gefährdung des Aufklärungsinteresses der Beklagten zu sehen.

25

2.

Hat das Berufungsgericht die ernsthafte Gefährdung der berechtigten Interessen des Versicherers letzthin auch "unterstellt", so fehlt es nach seiner Auffassung aber an der letzten Voraussetzung für die Entziehung des Versicherungsschutzes. Denn dem Kläger sei kein erhebliches Verschulden vorzuwerfen. Er habe sich in einer Interessenkollision befunden, in der er seine Interessen den Interessen der Beklagten an einer raschen und unkomplizierten Aufklärung des Unfalles vorangestellt habe. Im Strafverfahren sei er nicht gezwungen, die strafbare Handlung zuzugeben. Hätte er außerhalb des Strafverfahrens im Widerspruch zu seiner Einlassung eingeräumt, das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt gelenkt zu haben, so hätte er dadurch möglicherweise seine Verteidigung im Strafprozeß erschwert. Im übrigen habe der Kläger die Beklagte laufend über den Gang des Strafverfahrens unterrichtet. Die Beklagte habe sich dadurch über die allein streitige Frage eine eigene Meinung bilden können. Ihre Information als solche habe nicht auf dem Spiel gestanden, nur die technische Schadensabwicklung sei erschwert worden.

26

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Revision ist zuzugeben, daß jede falsche Angabe gegenüber dem Haftpflichtversicherer entschuldigt wäre, wenn die Beurteilung des Berufungsgerichts zugrunde gelegt würde. Die vom Berufungsgericht angenommene "Interessenkollision" berechtigte den Kläger nicht, sein Bemühen um eine möglichst günstige Beurteilung des Strafverfahrens unter Verletzung der berechtigten Interessen des Versicherers zu verfolgen. Richtig ist, daß der Kläger im Strafverfahren nicht gezwungen ist, eine strafbare Handlung zuzugeben. Das befreit ihn aber nicht davon, sich seinem Haftpflichtversicherer zu offenbaren. Hierdurch wird seine Verteidigung im Strafprozeß nicht erschwert, weil der Versicherer den Versicherten im Strafverfahren nicht belasten darf, wenn dieser sich dort mit einer anderen Darstellung oder durch Schweigen zu verteidigen sucht. Demgegenüber konnte die sog. laufende Information der Beklagten über den Stand des Strafverfahrens den Kläger in keiner Weise entlasten. Abgesehen davon, daß diese Information nur die Verschleierung des wirklichen Unfallherganges wiederholte und vertiefte, war für die Beklagte nur eine zutreffende Information von Wert, die es ihr ermöglichte, eine sachgerechte Schadensabwicklung vorzunehmen.

27

Geringes Verschulden ist bei einem Fehlverhalten gegeben, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer in der entstandenen Lage leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (BGH LM Nr. 37 zu § 6 VVG = VersR 1972, 341/342). So kann es bei einer kurzen, vorübergehenden Kopflosigkeit beim Anblick eines angerichteten Unfalls liegen. Weiter zählt eine Beeinträchtigung der Geistestätigkeit durch die erlittene eigene Unfallverletzung hierher. Auch jugendliches Alter kann möglicherweise zu berücksichtigen sein. Keiner der vorerwähnten Umstände, die das Verschulden des Klägers mildern könnten, ist hier gegeben. Der Kläger, der noch am Tage des Unfalls wiederholt zutreffend angab, daß er der Fahrer des Unfallwagens gewesen sei, hat erst vom folgenden Tage an die Unwahrheit gesagt und daran hartnäckig jahrelang, uneingeschränkt auch gegenüber der Beklagten, festgehalten. Von einem nur geringen Verschulden, das dem Vertragspartner Verständnis nahelegen müßte, kann danach keine Rede sein.

28

IV.

Nach alledem ist es nicht treuwidrig, daß die Beklagte die in § 7 V AKB bestimmte Leistungsfreiheit beansprucht. Nach der Geschäftsplanmäßigen Erklärung der Kfz-Haftpflichtversicherer von 1973 (VerBAV 1973, 103) ist die Beklagte jedoch nur noch berechtigt, gegen den Kläger Rückgriff bis zur Höhe von 5.000,- DM zu nehmen.

29

Das angefochtene Urteil muß deshalb aufgehoben werden. Das Versäumnisurteil des Oberlandesgericht, das die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgericht zurückgewiesen hat, war aufrechtzuerhalten (§ 343 ZPO).

30

Das Versäumnisurteil des Senats war gemäß § 708 Ziffer 3 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Dr. Hauß
Dr. Bukow
Dr. Buchholz
Dr. Hoegen
Dehner