Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.09.1975, Az.: V ZR 180/73
Nichtigkeit einer vereinbarten Auflassung auf Grund eines rechtsunwirksamen Austauschversprechens bei Unterdrückung der Gegenleistungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.09.1975
- Aktenzeichen
- V ZR 180/73
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1975, 12498
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Nürnberg - 22.05.1973
- LG Amberg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1975, 2368-2369 (Volltext mit amtl. LS)
- DNotZ 1976, 95-96
- MDR 1976, 130-131 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1976, 237-238 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Heribert A. K., Am W.,
Prozessgegner
Hausfrau Emilie R., N., Ka.straße ...,
Amtlicher Leitsatz
Die Leistung auf ein beiderseits als rechtsunwirksam erkanntes Austauschversprechen kann durch den Zweck, die Gegenleistung zu erlangen und den Austausch zu verwirklichen, auch dann gekennzeichnet sein (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn der Leistende sein Versprechen voll erfüllt (im Anschluß an BGH DM BGB § 313 Nr. 48).
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Hill und
die Richter Dr. Mattern, Offterdinger, von der Mühlen und Dr. Eckstein
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Mai 1973, soweit sein Hilfsantrag in der Berufungsinstanz abgewiesen worden ist, und im Kostenpunkt aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird im Umfange der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien schlössen im Zusammenhang mit ihrer Scheidung am 22. April 1971 einen notariellen Vertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten seinen Miteigentumsanteil von einem Drittel am Hausgrundstück der Familie zu übertragen, die Beklagte, ihn von der Haftung für grundschuldgesicherte Forderungen freizustellen.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sich außerdem verpflichtet, ihm als Gegenleistung 15.000 DM zu zahlen und ihn von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Sohnes freizuhalten; diese Verpflichtungen seien jedoch im gegenseitigen Einverständnis nicht beurkundet worden.
In dem notariellen Vertrage ist ferner die Auflassung des Miteigentumsanteils an die Beklagte enthalten. Die Beklagte hat die Umschreibung im Grundbuch noch nicht beantragt.
Der Kläger erstrebt die Feststellung, daß der notarielle Vertrag in allen Teilen nichtig sei; hilfsweise hat er in der Berufungsinstanz beantragt, die Beklagte zum Verzicht auf ihre Rechte aus der Auflassung zu verurteilen.
Das Landgericht hat den Vertrag für nichtig erklärt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen, soweit der Kläger die Nichtigkeit der Auflassung festgestellt und hilfsweise die Beklagte zum Verzicht auf ihre Rechte aus der Auflassung verurteilt wissen will. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Berufungsbegehren weiter, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Der Berufungsrichter hat sich davon überzeugt, daß die Zahlung der Beklagten von 15.000 DM entgegen ihrer Darstellung als Gegenleistung an den Kläger vereinbart wurde. Ob die Beklagte sich weiter verpflichtet hat, den Kläger von Unterhaltsansprüchen seines Sohnes freizuhalten, läßt das Berufungsurteil offen.
Da das Zahlungsversprechen nicht beurkundet wurde, bestand, wie zutreffend ausgeführt, keine Verpflichtung des Klägers zur Auflassung seines Eigentums (§§ 313, 125 BGB). Die erfolgte Auflassung ist nach der Auffassung des Berufungsrichters jedoch wirksam, weil sie nach dem Willen der Parteien nicht von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts abhängen sollte (§ 139 BGB): sie seien sich der Formnichtigkeit des Grundgeschäfts bewußt gewesen und hätten gleichwohl den dinglichen Vertrag geschlossen; mit der Auflassung habe die mündliche Vereinbarung (soweit die Leistung des Klägers in Frage stand) erfüllt werden sollen.
Zu Unrecht meint die Revision, der Kläger könne - wenn er den Hinweis des Notars auf die Nichtigkeit der Vereinbarung bei Unterdrückung von Gegenleistungen überhaupt verstanden habe - allenfalls den notariellen Vertrag im ganzen als nichtig angesehen haben. Wenn sie damit sagen will, der Kläger habe - für die Beklagte erkennbar - mit der Auflassung keine rechtsverbindliche Erklärung abgeben, mit anderen Worten: sich nur zum Schein mit der Beklagten auf den Eigentumsübergang einigen wollen, setzt sie ihre eigene Überzeugung an die Stelle der tatrichterlichen. Die Überzeugung des Berufungsrichters verstößt entgegen ihrer Meinung nicht gegen die Lebenserfahrung: es liegt nicht fern, daß die Beurkundung für die Parteien den begrenzten Sinn hatte, ihrem Veräußerungs- und Erwerbswillen rechtsverbindlichen Ausdruck zu geben und diesen Punkt ihres Vorhabens in der für die Grundbuchänderung erforderlichen Form zu regeln. Ein Bindungswille des Klägers hinsichtlich der Eigentumsänderung setzte entgegen der Meinung der Revision nicht voraus, daß er eine Vorstellung von der Existenz und vom gegenseitigen Verhältnis zweier selbständiger Rechtsgeschäfte oder von der Möglichkeit hatte, zur Heilung des schuldrechtlichen zu gelangen (§ 313 Satz 2 BGB), indem er durch seine Auflassungserklärung der Beklagten ermöglichte, sich im Grundbuch als Eigentümerin eintragen zu lassen.
Nicht stichhaltig ist auch das Bedenken der Revision, die Anerkennung einer Auflassung, die mit einem formnichtigen Veräußerungs- und Erwerbsgeschäft verbunden worden ist, "führe letztlich zu einer Heilung eines nicht beurkundeten Grundstücksgeschäfts und umgehe damit gleichsam die gesetzliche Bestimmung (§ 313 BGB)". § 313 Satz 2 BGB sieht die Heilung nicht oder unvollständig beurkundeter Grundstücksgeschäfte vor. Mit Recht hat der Berufungsrichter die Lösung im Anschluß an die bisherige Rechtsprechung in der Kondiktion der Auflassungserklärung gesehen: erfüllen sich Erwartungen nicht, die der Veräußerer - dem anderen Teile erkennbar - mit der Einigung auf den Eigentumsübergang verbunden hatte, so kann er unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen den Verzicht des Erwerbers auf seine Rechte aus der Auflassung verlangen.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, daß (auch) die Auflassung im Vertrage vom 22. April 1971 nichtig sei, ist seine Revision demnach unbegründet.
Einen Bereicherungsanspruch des Klägers nach § 812 BGB, der die Beklagte verpflichte, auf ihre Rechte aus der Einigung über die Eigentumsänderung zu verzichten, verneint der Berufungsrichter, weil der Kläger aufgelassen habe, um seine Verbindlichkeit zur Übertragung des Miteigentumsanteils zu erfüllen, dabei aber gewußt habe, daß er zur Auflassung nicht verpflichtet sei (§ 814 BGB).
Diese Betrachtungsweise (vgl. auch RGZ 108, 329, 333/335) wird - wenn sie allgemein und unabhängig von den Umständen des Entscheidungsfalles gelten soll - dem Wesen des auf den Austausch von Leistungen gerichteten Geschäfts nicht gerecht. Sie übersieht auch die Rechtesprechung, die - bisher bei der Behandlung von Teilzahlungen auf einen als formnichtig erkannten Vertrag - das Schwergewicht der Leistung für den Regelfall nicht in der Einlösung eines unwirksamen Versprechens (der "Erfüllung der Verbindlichkeit" im Sinne von § 814 BGB), sondern in der dem anderen Teile erkennbaren Absicht sieht, ihn zur (freiwilligen) Gegenleistung zu bestimmen und den vereinbarten Austausch zustande zu bringen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB); auf RGZ 98, 237, 240 und BGH LM BGB § 313 Nr. 48 sei verwiesen.
Diese Vorstellung über Sinn und Zweck der Leistungen auf einen rechtsunwirksamen Austauschvertrag kann aber die Beteiligten nicht nur dann bestimmen, wenn sie Teilleistungen, insbesondere Anzahlungen erbringen und die erwartete Gegenleistung in einer Eigentumsverschaffung besteht, und sie verdient auch nicht nur bei einer solchen Konstellation Beachtung. Da der Kläger und die Beklagte sich im vorliegenden Falle bewußt waren, einander aufgrund ihrer mündlichen Vereinbarung wegen Formmangels und aufgrund ihres notariellen Vertrages wegen Unvollständigkeit nichts zu schulden, gleichwohl aber ihre Einigung über den Eigentumsübergang beurkunden ließen, wird vielmehr zunächst einmal davon auszugehen sein, daß der Kläger aufließ, um - auch ohne Rechtsanspruch - die Gegenleistung der Beklagten zu erlangen.
Dieser Erfolg ist möglicherweise (endgültig) nicht eingetreten (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn es zutrifft, daß die Beklagte neben einer Zahlung von 15.000 DM als Gegenleistung versprochen hatte, den Kläger von Unterhaltsansprüchen seines Sohnes freizuhalten. Da dies in der Vergangenheit nicht geschehen ist und die Beklagte die Freistellung für die Zukunft gleichfalls ablehnt, muß die tatrichterliche Würdigung der Verhältnisse und Vorgänge im Zeitpunkt der Vereinbarung ergeben, ob eine Erstattung der vom Kläger bereits aufgebrachten Beträge und eine klagweise zu erzwingende Freistellung für die Zukunft den Erfolg darstellen oder wenigstens dem Erfolge gleichkommen, den sich der Kläger von der Auflassung versprach und den er (für die Beklagte erkennbar) mit ihr bezweckte.
Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über den Hilfsantrag des Klägers in der Berufungsinstanz an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Mattern
Offterdinger
von der Mühlen
Dr. Eckstein