Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.06.1975, Az.: VIII ZR 232/73
Durchsetzbarkeit einer Forderung aus einem Börsentermingeschäft; Internationale Zuständigkeit des United-States-Gerichts; Begriffsbestimmung einer "börsentermingeschäftsfähigen Person"; Auswirkungen des § 61 Börsengesetz; Vollstreckbarkeit eines rechtskräftig ausländischen Urteils in Deutschland auch im Hinblick auf die "Ordre-Public-Klausel"
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.06.1975
- Aktenzeichen
- VIII ZR 232/73
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1975, 12557
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Frankfurt am Main - 03.10.1973
- LG Frankfurt am Main
Rechtsgrundlagen
- § 328 ZPO
- § 269 Abs. 1 BGB
- § 762 BGB
- § 764 BGB
- § 53 BörsG
- § 58 BörsG
- § 61 BörsG
Fundstellen
- IPRspr 1975, 13
- MDR 1975, 926 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1975, 1600-1601 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma O. Trading Inc., N. Y., B. USA,
gesetzlich vertreten durch ihren Präsidenten Dr. Maximilian B. Ba.,
Prozessgegner
Kaufmann Ludwig R. in F., A.straße ...,
Amtlicher Leitsatz
- a)
§ 61 BörsG ist eine Kollisionsnorm des deutschen internationalen Privatrechts.
- b)
Es wird daran festgehalten, daß Börsentermingeschäfte und Aufträge zu solchen Geschäften, die im Ausland von einem Inländer geschlossen wurden, dem Differenzeinwand unterliegen (BGHZ 58, 1).
Der Zweck des deutschen Börsengesetzes würde verfehlt, wenn ausländische Urteile gegen im Inland wohnhafte Personen über Forderungen aus Börsentermingeschäften, in denen die deutsche Regelung der Börsentermingeschäftsfähigkeit und der Differenzeinwand keine Beachtung gefunden haben, zur Vollstreckung anerkannt würden.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Haidinger und
die Richter Braxmaier, Dr. Hiddemann, Wolf und Merz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 3. Oktober 1973 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine amerikanische Maklerfirma, ist an der Kakaobörse in New York tätig. Der Beklagte ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Frankfurt/Main. Er soll dort ein Import-Exportgeschäft betrieben haben und ist erstmals am 12. Juli 1971 als Einzelkaufmann unter der Firma "T. Film Intercontinental Ludwig R." in das Handelsregister Frankfurt/Main eingetragen worden. Der Beklagte verwaltet ein beträchtliches Vermögen und hat schon früher an einer ausländischen Börse mit Warentermingeschäften spekuliert.
Im März 1967 eröffnete der Beklagte bei der Klägerin unter Einbezahlung von 22.648,79 US-Dollar ein Deckungskonto und beauftragte die Klägerin, für ihn Warentermingeschäfte in Kakao zu tätigen. Infolge eines starken Preisverfalls auf dem Kakaomarkt traten erhebliche Verluste für den Beklagten ein. Als das Konto des Beklagten von der Klägerin im Juli 1967 aufgelöst wurde, war ein Schuldsaldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 73.421,71 US-Dollar entstanden. Die Klägerin führte, nachdem dieser Saldo nicht ausgeglichen wurde, gegen den Beklagten einen Rechtsstreit vor einem Bundesgericht der Vereinigten Staaten von Amerika durch. Nach Beweisaufnahme wurde der Kläger am 4. Mai 1972 vom United States District Court-Southern District of New York-verurteilt, an die Klägerin 73.421,71 US-Dollar zu zahlen. Das gleiche Gericht hat ihn durch Kostenentscheidung vom 31. Mai 1972 zur Erstattung von 1.937,77 US-Dollar und durch ergänzende Entscheidung vom 6. Juni 1972 zur weiteren Zahlung von 25.385,81 US-Dollar an Zinsen aus der Klagesumme verurteilt. Diese Entscheidungen sind rechtskräftig.
Die Klägerin hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des United States District Court - Southern District of New York - 68 Civ.142 in Sachen gleichen Rubrums vom 4.5./8.5.1972 nebst ergänzendem Zinsausspruch vom 6.6./9.6.1972 und Kostenausspruch vom 31.5.1972, welche den Beklagten verurteilen, an die Klägerin
- a)
die Hauptforderung von 73.421,71 US-Dollar,
- b)
eine Zinsforderung von 25.385,81 US-Dollar,
- c)
eine Kostenforderung von 1.937,77 US-Dollar
zu zahlen, für zulässig zu erklären.
Die Klage wurde in den Tatsacheninstanzen abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die internationale Zuständigkeit des US-Gerichts (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird von der Revision nicht mehr bezweifelt. Erfüllungsort war nach der Natur des vom Beklagten mit der Klägerin für die Termingeschäfte erteilten Auftrags New York (§ 269 Abs. 1 BGB). Damit ist die internationale Zuständigkeit der dortigen Gerichte gegeben.
II.
Das Berufungsgericht hat den Urteilen des amerikanischen Gerichts die Anerkennung deshalb versagt, weil sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, 2. Alternative). Dem ist beizutreten.
1.
Das deutsche Recht behandelt die Forderungen aus Börsentermingeschäften (Differenzgeschäften) wie Spielschulden und läßt gegen sie den Differenzeinwand zu (§§ 764, 762 BGB), falls es sich nicht um ein Geschäft zwischen börsentermingeschäftsfähigen Vertragsparteien mit zugelassenen Werten gehandelt hat (§§ 50 ff BörsG). Börsentermingeschäftsfähig ist eine in Deutschland wohnende Partei nur, wenn sie als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen ist und ihr Gewerbebetrieb über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht (§ 53 Abs. 1 BörsG) oder wenn sie zur Zeit des Geschäftsabschlusses oder früher berufsmäßig Börsentermingeschäfte oder Bankiergeschäfte betrieben hat oder zum Börsenhandel dauernd zugelassen war (§ 53 Abs. 2 BörsG).
2.
Daß die den rechtskräftigen Urteilen des amerikanischen Gerichts zugrunde liegenden Forderungen der Klägerin aus Börsentermingeschäften herrühren, ist unstreitig. Nach deutschem Recht sind durch diese Geschäfte für den Beklagten Verbindlichkeiten nicht begründet worden; denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war der Beklagte zur Zeit des Abschlusses der Geschäfte nicht börsentermingeschäftsfähig (RGZ 147, 112/116). Er hatte seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland und war nicht als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen. Daß sich der Beklagte berufsmäßig mit Börsentermin- oder Bankiergeschäften befaßt habe oder zum Börsenhandel zugelassen gewesen sei, behauptet auch die Revision nicht.
III.
1.
Die Revision meint, aus der Entstehungsgeschichte des § 61 BörsG ergebe sich, daß nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers nicht jeder Verstoß gegen das deutsche Börsengesetz zum Ausschluß der Vollstreckbarkeit eines wegen Forderungen aus einem Börsentermingeschäft ergangenen ausländischen Urteils führen sollte. Dies gehe daraus hervor, daß der ursprüngliche Zusatz zu § 61 BörsG
"die Zwangsvollstreckung aus solchen Urteilen ausländischer Gerichte, welche durch dieses Gesetz verbotene Termingeschäfte betreffen, findet nicht statt"
im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden sei (vgl. dazu RGZ 55, 183/185).
2.
Dem ist entgegenzuhalten, daß der deutsche Gesetzgeber die Schutzwirkung der Bestimmungen über die Börsentermingeschäftsfähigkeit und des Differenzeinwands für im Inland wohnhafte Personen auch bei Termingeschäften im Ausland aufrechterhalten wollte, wenn er in § 61 BörsG bestimmt hat, daß die §§ 52-60 BörsG und damit die Verbindlichkeit solcher Geschäfte nur für börsentermingeschäftsfähige Beteiligte auch dann Anwendung finden, wenn das Geschäft im Ausland geschlossen oder zu erfüllen ist. § 61 BörsG ist demnach eine Kollisionsnorm des deutschen internationalen Privatrechts, mit der das Prinzip "locus regit actum" durchbrochen ist (RGZ 55, 183/185). Börsentermingeschäfte mit ihren hohen Risiken sind zwar grundsätzlich nicht verboten (vgl. die Neufassung von § 63 BörsG durch das Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes v. 28. April 1975 - BGBl S. 1013; ferner Runderlaß Nr. 58/58 vom 31. Dezember 1958, Bundesanzeiger Nr. 7 vom 13. Januar 1959). An ihnen soll sich aber nach dem Zweck der deutschen gesetzlichen Regelung nur ein kleiner, in §§ 53 f BörsG genau bezeichneter Kreis erfahrener Kaufleute beteiligen können, zu dem der Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses seiner Warentermingeschäfte in New York nicht gehörte. Daß Börsentermingeschäfte, die im Ausland von einem Deutschen geschlossen wurden, und Aufträge zu solchen Geschäften dem Differenzeinwand unterliegen, hat der Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 20. Dezember 1971 - II ZR 156/69 = BGHZ 58, 1/3 ff = NJW 1972, 382 (a.A. hierzu Anmerkung von Weber-Crewett in BB 1972, 595 ff) ausgesprochen. Hieran wird festgehalten.
3.
Die Revision meint weiter, dieser Grundsatz hindere nicht, ein über eine Forderung aus einem Börsentermingeschäft ergangenes, rechtskräftiges ausländisches Urteil als im Inland vollstreckbar anzuerkennen; denn nur untragbar erscheinende Verstöße gegen das inländische Recht könnten zur Anwendung der ordre public-Klausel des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO führen. Hierbei verkennt sie, daß der vom deutschen Gesetzgeber durch die Regelung der Börsentermingeschäftsfähigkeit und durch die Zulassung des Differenzeinwands gewollte Schutzzweck mit der Anerkennung eines solchen Urteils im Vollstreckungsverfahren außer acht gelassen würde. Ebenso wie vor deutschen Gerichten im Hinblick auf § 61 BörsG auch gegen Forderungen aus im Ausland wirksam abgeschlossenen Börsentermingeschäften der Einwand der mangelnden Geschäftsfähigkeit hierfür und der Differenzeinwand erhoben werden können, müssen diese Einwände auch bei der Anerkennung eines ausländischen Urteils zur Vollstreckung in Deutschland beachtet werden. Danach ist hier den ausländischen Urteilen wegen einer Forderung aus einem Börsentermingeschäft die Anerkennung zu versagen, weil sie gegen den Zweck der deutschen gesetzlichen Regelung verstoßen würde.
4.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 17. September 1968 - IV ZB 501/68 = BGHZ 50, 370. Diese Entscheidung betrifft den Fall, daß eine Kollisionsnorm des deutschen internationalen Privatrechts ausländisches Recht für anwendbar erklärt, das mit der deutschen gesetzlichen Regelung in Widerspruch steht. In einem solchen Falle ist das ausländische Recht grundsätzlich zu respektieren. Es ist ihm erst dann die Wirksamkeit im Inland zu versagen, wenn das Ergebnis seiner Anwendung in einer besonders schwerwiegenden Weise dem Sinn und Zweck der deutschen gesetzlichen Regelung widerspricht, wenn also das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, daß es für untragbar gehalten werden müßte (BGHZ 50, 370/375 f). Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Die maßgebende deutsche Kollisionsnorm des § 61 BörsG verweist nicht auf von unserer gesetzlichen Regelung abweichendes ausländisches Recht. Sie will vielmehr gerade das deutsche Recht immer und überall gegenüber Inländern zur Anwendung bringen. Dieser Gesetzeszweck würde verfehlt, wenn ausländische Urteile gegen im Inland wohnhafte Personen über Forderungen aus Börsentermingeschäften, in denen die deutsche Regelung der Börsentermingeschäftsfähigkeit und der Differenzeinwand keine Beachtung gefunden haben, zur Vollstreckung in Deutschland anerkannt würden.
IV.
Angesichts der durch § 61 BörsG geschaffenen Gesetzeslage, daß die deutsche gesetzliche Regelung für alle Börsentermingeschäfte von Inländern gelten soll, auch wenn die Geschäfte im Ausland abgeschlossen oder zu erfüllen sind, kommt es entgegen der Meinung der Revision nicht darauf an, ob die Börsenregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika den deutschen Börsenregelungen gleichwertig sind; denn auch dies könnte nicht zur Anerkennung der die Frage der besonderen Geschäftsfähigkeit und den Differenzeinwand unberücksichtigt lassenden amerikanischen Gerichtsurteile führen.
V.
Da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist hat die Klägerin die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 ZPO).
Braxmaier
Dr. Hiddemann
Wolf
Merz