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Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.04.1975, Az.: II ZR 113/74

Anerkennung der Haben-Posten einer Kontokorrentpartei durch die im Kontokorrentverkehr einen Rechnungsauszug übersendenden Partei; Darlegungslast und Beweislast für die Unrichtigkeit eines Saldos; Möglichkeit des Widerrufs eines rechtsgrundlosen Anerkenntnisses

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
28.04.1975
Aktenzeichen
II ZR 113/74
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1975, 12451
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 16.05.1974

Prozessführer

Elektromeister Karl Josef W., We., H.straße ...

Prozessgegner

R. Bank eGmbH, J., B. Straße ...,
vertreten durch den Direktor Hermann G., daselbst

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Stimpel und
die Richter Dr. Schulze, Dr. Bauer, Dr. Kellermann und Bundschuh
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Schlußurteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 16. Mai 1974 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des gleichzeitig verkündeten Urteils in der Sache R. Bank gegen W. - II ZR 5/74 - verwiesen. Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist die Klage auf Zahlung von 18.625,15 DM, die die Klägerin darauf gestützt hat, daß ihre Angestellte Dü. die Wechselbeträge der drei Blankowechsel dem Konto des Beklagten gutgeschrieben hat. Insoweit hat das Berufungsgericht der Klage durch das Schlußurteil stattgegeben. Der Beklagte verfolgt mit der zugelassenen Revision, die die Klägerin zurückzuweisen beantragt, seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

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I.

Das Berufungsgericht hält den Beklagten aus dem Rechts grund der ungerechtfertigten Bereicherung für verpflichtet, den ihm am 31. August 1955 auf seinem Girokonto gutgeschriebenen Betrag an die Klägerin zurückzuzahlen. Es führt dazu unter Berücksichtigung der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugin Dü. aus, die Zeugin habe die Wechsel dem Konto des Beklagten lediglich gutgeschrieben, um die Einlösung fälliger Wechsel in Höhe von 12.857,78 DM über das Girokonto zu ermöglichen, obwohl der dem Beklagten gewährte Überziehungskredit schon um rund 7.000,00 DM überzogen gewesen sei. Aus diesem Grunde habe die Zeugin, die nicht befugt gewesen sei, die nicht diskontfähigen Blenkoakzepte zum Diskont hereinzunehmen, sie "wie zum Diskont gegebene Wechsel behandelt". Damit stellt das Berufungsgericht fest, daß bei der Buchung der Gutschrift lediglich so verfahren wurde, als ob die Wechsel diskontiert worden seien, obwohl es in Wirklichkeit an einem Vertrag darüber fehlte. Es nimmt also, wie es an anderer Stelle sagt, eine Fehl- oder Falschbuchung an, die durch Zurückführung der Schuld des Beklagten auf dem Girokonto zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führte.

3

Diese Feststellungen greift die Revision mit einer Verfahrensrüge an, die der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet hat (Art. 1 Nr. 4 BGHEntlG). Da ihnen sonstige rechtliche Bedenken nicht entgegenstehen, sind die Feststellungen des Berufungsgerichts der weiteren Prüfung in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen.

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II.

Danach ist davon auszugehen, daß die Gutschrift, die eine Verringerung des Debetsaldos auf dem Konto des Beklagten zur Folge hatte und nach Ansicht des Berufungsgerichts einer weiteren Darlehensgewährung in Höhe des gutgeschriebenen Betrages gleichkam, ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Dies legt das Berufungsgericht seinen Ausführungen über die im Zusammenhang mit dem Kontokorrent Verhältnis erörterten Rechtsfragen zugrunde. Es läßt mangels entsprechendem Parteivortrag offen, ob und gegebenenfalls wann nach dem 31. August 1955 - dem Zeitpunkt der Gutschrift - ein von der S. gezogener Saldo durch Anerkenntnis festgestellt worden ist und meint, daß es darauf nicht ankomme: Wenn der Saldo nicht anerkannt sei, sei die Klägerin, da das Kontokorrentverhältnis beendet sei, ohne weiteres berechtigt, den Betrag, um den das Konto zu Unrecht entlastet wurde, aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückzufordern. Sei aber, was zu vermuten sei, der Saldo am Ende des Jahres 1955 und später noch öfter durch Anerkennungsvertrag festgestellt worden, dann stehe der Klägerin ein Anspruch auf Berichtigung des Saldos zu, weil ein nicht bestehender Posten zu ihren Ungunsten berücksichtigt worden sei. Diesen Anspruch mache die Klägerin konkludent mit der Zahlungsklage geltend. Gleiches gelte für den Widerruf ihres in der Mitteilung des Saldos liegenden Anerkenntnisses der Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung gemäß § 812 Abs. 2 BGB. Der somit der Klägerin zustehende Anspruch verjähre in 30 Jahren. Daß dieser Anspruch durch Lastschriften auf dem Konto des Beklagten nach dem 31. August 1955, die dazu bestimmt gewesen seien, die Fehlbuchung auszugleichen, erfüllt sei, habe der beweispflichtige Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

5

1.

Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizutreten, daß die Einrede der Verjährung gegen den hier zu beurteilenden Anspruch nicht durchgreift. Gegenstand des Anspruchs ist die durch die unrichtige Gutschrift bewirkte ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten, indem seine Schuld gegenüber der S. in Höhe der Gutschrift verringert worden ist. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung aber verjähren gemäß § 195 BGB in 30 Jahren.

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2.

Das Berufungsgericht geht ferner zutreffend davon aus, daß die Klägerin dann, wenn ein Saldoanerkenntnis fehlt, ohne weiteres auf den unrichtig gebuchten Einzelposten zurückgreifen und, da das Kontokorrentverhältnis beendet ist, auf Zahlung des entsprechenden Betrages klagen kann. Denn in diesem Falle fehlt es an der durch das Saldoanerkenntnis bewirkten Schuldumschaffung, durch die die Einzelforderungen erlöschen und an ihre Stelle die Saldoforderung tritt. Wenn der Beklagte diesem Anspruch mit der Behauptung entgegentritt, die Fehlbuchung sei durch Belastungsbuchungen ausgeglichen worden, dann trägt er dafür die Beweislast, denn er hat die Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu beweisen. Dies hat das Berufungsgericht auch nicht verkannt. Die Revision rügt indes mit Recht, daß es davon ausgegangen ist, der Beklagte habe seine Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Der Beklagte hat mit seinem noch innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingereichten Schriftsatz vom 17. Januar 1973 (GA 134) vorgetragen, anläßlich einer bei ihm vorgenommenen Steuerprüfung, in deren Verlauf auch Unterlagen bei der S. überprüft worden seien, sei im Prüfungsbericht festgestellt worden, daß die am 30. August 1955 von der S. zur Überbrückung eines finanziellen Engpasses entgegengenommenen Finanzierungswechsel in Höhe von 23.000,00 DM im Jahre 1955 und 1956 vom Beklagten bezahlt worden seien. Diesen Vortrag hat der Beklagte unter Beweis gestellt durch Einholung einer Auskunft des zuständigen Finanzamts, Vorlage des Prüfungsberichts und das Zeugnis von drei namentlich benannten Steuerbeamten. Der Beweisantritt ist zulässig und schlüssig. Das Berufungsgericht hätte daher bei Unterstellung, daß kein Schuldanerkenntnis vorliegt, dem Klaganspruch nicht ohne Beweiserhebung stattgeben dürfen.

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3.

Aber auch wenn von der wahrscheinlicheren Fallgestaltung ausgegangen wird, nämlich daß der Saldo des Girokontos seit 1955 mindestens einmal durch Anerkenntnis festgestellt worden ist, läßt sich das angefochtene Urteil nicht halten. Die Partei, die im Kontokorrent - verkehr einen Rechnungsauszug übersendet, erkennt dabei auch die Haben-Posten der anderen Kontokorrentpartei an (vgl. SenUrt. v. 21. 9. 67 - II ZR 202/62, WM 1967, 1163). Bei dem unterstellten Sachverhalt hat also die Sparda durch Übersendung des Rechnungsabschlusses die Gutschrift zugunsten des Beklagten anerkannt. Da sie aber unberechtigt war, fehlt insoweit der Rechtsgrund für das Anerkenntnis, sofern dadurch auch der Saldo unrichtig ist. Das Anerkenntnis kann dann als rechtlich grundlos widerrufen werden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit des Saldos trifft aber den Benachteiligten (vgl. SenUrt. v. 27. 1. 58 - II ZR 295/56, WM 1958, 620). Dieser muß also vortragen und notfalls beweisen, daß der Saldo im Zeitpunkt des Anerkenntnisses (noch) unrichtig war. Dazu gehört im Falle der Gutschrift der Nachweis, daß sie zu Unrecht erteilt worden ist und daß die dadurch eingetretene ungerechtfertigte Bereicherung, wenn dies vom Gegner substantiiert behauptet wird, bis zur Saldofeststellung nicht ausgeglichen worden ist. Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

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III.

Nach alledem muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Das weitere Schicksal des Rechtsstreits hängt zunächst von der Feststellung ab, ob ein Saldo - anerkenntnis abgegeben worden ist oder nicht. Dazu muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Auf die weiteren Rügen des Beklagten braucht deshalb nicht eingegangen zu werden. Er wird Gelegenheit haben, auf sie in der erneuten Verhandlung vor dem Berufungsgericht zurückzukommen.

Stimpel
Dr. Schulze
Dr. Bauer
Dr. Kellermann
Bundschuh