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Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.02.1975, Az.: VII ZR 244/73

Voraussetzungen für eine vertragliche Vereinbarung der VOB (B); Anspruch auf Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung; Voraussetzungen der Wandlung und Minderung ; Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
06.02.1975
Aktenzeichen
VII ZR 244/73
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1975, 11274
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 16.10.1973
LG Dortmund - 19.01.1972

Fundstellen

  • BauR 1975, 280
  • DB 1975, 1019-1020 (Volltext)
  • NJW 1975, 825-826 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Das Nachschieben eines Kündigungsgrundes ist möglich.

Hinweise:

OLG Köln, BauR 1986, 467, 469; OLG Hamm, BauR 1986, 375; NJW-RR 1986, 764.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Meise, Dr. Recken, Doerry und Bliesener
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 16. Oktober 1973 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts in Dortmund vom 19. Januar 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben auch die Kosten der beiden Rechtsmittelzüge zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger beauftragte im Jahre 1970 die Beklagten mit der Elektroinstallation für sein neues Haus. Nach Fertigstellung der Rohinstallation leistete er am 28. August 1970 eine Anzahlung von 3.000 DM. In seinem Auftrag wies der beratende Ingenieur für Elektrotechnik W. mit Schreiben vom 2. September 1970 den Beklagten Kr. auf einzelne Mängel hin und bat um unverzügliche Nachbesserung, da die Putzarbeiten bereits in vollem Gange seien.

2

Als die Beklagten hierauf nicht reagierten, kündigte der Kläger den Werkvertrag mit Anwaltsschreiben vom 16. September 1970, da die Beklagten die Beanstandungen nicht behoben hätten und mit ihrer Leistung in Verzug seien; die Beseitigung der Mängel und die weiteren Arbeiten werde er einer anderen Firma übertragen. Die Beklagten antworteten auch auf dieses sowie ein Schreiben der Architekten vom 23. September 1970 nicht. Am 9. Oktober 1970 übersandte der Kläger ihnen ein Gutachten des Sachverständigen Döring vom 30. September 1970 über die Betriebsunfähigkeit der Anlage mit der Aufforderung, den Vorschuß von 3.000 DM umgehend zurückzuzahlen. Nunmehr wiesen die Beklagten mit Schreiben vom 13. Oktober 1970 die Kündigung als unberechtigt zurück.

3

Mit der Klage hat der Kläger 3.000 DM nebst Zinsen zurückgefordert. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen.

4

Mit der - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

5

1.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob - wie die Beklagten behauptet haben - die Parteien die Geltung der VOB (B) vereinbart hatten. Darauf kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Tat nicht an, wie sich aus dem folgenden ergibt.

6

2.

Das Berufungsgericht ist davon überzeugt, daß der von den Beklagten bis zur Kündigung des Vertrages geleistete Teil der Elektroarbeiten die Mängel hatte, welche in dem Gutachten Döring vom 30. September 1970 dargelegt sind. Nach diesem Gutachten waren die Arbeiten der Beklagten infolge zahlreicher und gewichtiger Mängel unbrauchbar und praktisch wertlos.

7

Trotzdem meint das Berufungsgericht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Er habe nämlich bei seiner Kündigung vom 16. September 1970 die im Gutachten Döring genannten Mängel noch gar nicht gekannt und die Kündigung in diesem Schreiben darauf auch nicht gestützt. Die erst nachträglich erkannten Mängel zur Begründung seiner Kündigung nachzuschieben, gehe nicht an.

8

3.

Damit setzt sich das Berufungsgericht in Widerspruch zu der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung, an der er festhält (vgl.Urteil vom 28. April 1960 - VII ZR 218/59 = LM Nr. 10 zu § 626 BGB;6. Februar 1967 - VII ZR 245/64 = Schäfer/Finnern Z. 2.510 Bl. 25 ff.;20. Juni 1963 - VII ZR 117/62 - und23. November 1967 - VII ZR 22/65 -).

9

Was das Berufungsgericht an Bedenken hiergegen vorbringt, überzeugt nicht.

10

Es meint: Wenn man ein Nachschieben von Kündigungsgründen zulasse, könnten über die Vorschrift des § 649 BGB die besonderen Voraussetzungen der Wandlung und Minderung sowie des Schadensersatzanspruchs aus § 635 BGB leicht umgangen werden, da sich der Besteller dann in jedem Fall, in dem auch nur der Verdacht erheblicher Mängel bestehe, eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB ersparen könne. Es wäre dann für ihn viel günstiger, statt dessen sofort den Vertrag zu kündigen. Infolge des Wegfalls des Werklohnanspruchs des Unternehmers und wegen des Fortbestandes seines Schadensersatzanspruchs stünde er sich dabei wesentlich besser, als wenn er nach den §§ 633-635 BGB vorginge. Während er danach nämlich lediglich die Wahl zwischen Wandlung und Minderung einerseits oder Schadensersatz andererseits habe, könnte er über § 649 BGB im Ergebnis gleichzeitig wandeln und Schadensersatz verlangen.

11

a)

Die vom Berufungsgericht angenommene Gefahr besteht in Wirklichkeit nicht.

12

Der Bauherr, der beim ersten Verdacht mangelhafter Leistung sofort kündigt, riskiert, daß sich später der Verdacht als haltlos erweist oder die Mängel sich als geringfügig herausstellen. Er hat dann die nachteiligen Folgen seiner voreiligen Kündigung; zu tragen, insbesondere den weitgehenden Vergütungsanspruch des Unternehmers aus §§ 649 Satz 2 BGB, 8 Nr. 1 Satz 2 und 3 VOB (B) zu erfüllen.

13

b)

Ist das Werk vollendet und abgenommen so besteht ohnehin keine Kündigungsmöglichkeit mehr. Die Rechtslage beurteilt sich dann allein nach den §§ 633 ff. BGB oder nach § 13 VOB (B).

14

c)

Ist das Werk noch in der Herstellung begriffen und hat - wie das Berufungsgericht hier feststellt - die erbrachte Teilleistung so schwerwiegende Mängel, daß sie für den Besteller wertlos ist, so führt wegen des "den Vertragszweck gefährdenden Verhaltens" des Unternehmers die Kündigung des Bestellers ausnahmsweise nicht dazu, daß dieser, wie es § 649 BGB an sich vorsieht, zur Zahlung des vollen Werklohns (mit den sich aus § 649 Satz 2 BGB ergebenden Einschränkungen) verpflichtet bliebe (BGHZ 31, 224, 229 [BGH 26.11.1959 - VII ZR 120/58]; 45, 372, 375) [BGH 20.06.1966 - VII ZR 40/64]. Dasselbe gilt nach § 8 Nr. 3 in Verbindung mit § 4 Nr. 7 VOB (B), wobei es der dort an sich vorgeschriebenen Fristsetzung nicht bedarf, wenn - wie hier - die Mängel der Teilleistung des Unternehmers so schwerwiegend sind, daß es dem Bauherrn von vornherein nicht zuzumuten ist, eine Nachbesserung vornehmen zu lassen (BGHZ 50, 160, 166) [BGH 06.05.1968 - VII ZR 33/66].

15

d)

Die Kündigung des Bestellers wegen eines den Vertragszweck gefährdenden Verhaltens des Unternehmers oder die Entziehung des Auftrags nach § 8 Nr. 3 VOB (B) beschränkt also die Werkleistung auf das bis dahin erbrachte Teilwerk. Außerdem kann sich daraus ein Anspruch auf Ersatz von Folgeschäden, etwa unvermeidlicher Mehraufwendungen für die Beauftragung eines anderen Unternehmers ergeben (BGHZ 45, 372, 375) [BGH 20.06.1966 - VII ZR 40/64]; ein solcher Anspruch ist aber nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

16

Ob der Besteller das Teilwerk bezahlen muß, hängt davon ab, ob es brauchbar ist (Urteil des Senatsvom 26. September 1968 - VII ZR 105/66 -; vgl. auch BGHZ 50, 160, 165) [BGH 06.05.1968 - VII ZR 33/66]. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das von den Beklagten erbrachte Teilwerk hier ganz unbrauchbar. Auf eine Mängelbeseitigung brauchte der Kläger sich unter diesen Umständen nicht einzulassen; eine Fristsetzung dazu war daher entbehrlich (§ 634 Abs. 2 BGB).

17

4.

Die Beklagten können somit für das von ihnen erbrachte Teilwerk eine Vergütung nicht beanspruchen und müssen die bereits erhaltene Anzahlung von 3.000 DM an den Kläger zurückzahlen.

18

Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache ist aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht die 3.000 DM zuerkannt. Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.

Vogt
Meise
Recken
Doerry
Bliesener