Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.01.1975, Az.: KRB 4/74
„Aluminiumhalbzeug“
Abschluss eines Marktinformationsvertrages für Hersteller von Aluminiumhalbzeug mit dem Zweck einer zuverlässigen Marktinformation als Voraussetzung eines durch unlautere Ausspielungen nicht verfälschten Leistungswettbewerbs, einer rationellen Fertigung und einer wirtschaftlichen Lagerhaltung; Notwendigkeit eines Meldeverfahrens für abgeschlossene Geschäfte; Verstoß gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch Abschluss eines Marktinformationsvertrages; Umfang der Überprüfbarkeit von Tatsachen durch ein Rechtsbeschwerdegericht; Begriff der "offenkundigen Tatsachen"; Begriff der "gerichtskundigen Tatsachen"; Umfang des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs; Hauptverhandlung als alleinige Erkenntnisquelle des Tatrichters mit Verpflichtung zu einer vollständigen Sachaufklärung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 29.01.1975
- Aktenzeichen
- KRB 4/74
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1975, 13043
- Entscheidungsname
- Aluminiumhalbzeug
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 26, 56 - 67
- BGHZ 63, 389 - 389
- DB 1975, 440 (Kurzinformation)
- MDR 1975, 508 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1975, 788-790 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
1. - 18.
Amtlicher Leitsatz
Ein Vertrag über ein Preismeldeverfahren für abgeschlossene Geschäfte, das nur der einen Marktseite (Produzenten) zugänglich ist, ist in der Regel nach § 1 GWB unwirksam, wenn die Beteiligten nach den tatrichterlichen Feststellungen damit vertraglich auf den wettbewerbswirksamen Einsatz des Preises als Wettbewerbsmittel verzichten.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten
in der Sitzung vom 29. Januar 1975,
an der teilgenommen haben
der Präsident des Bundesgerichtshofs Dr. Dr. h. c. Fischer und
die Richter Offterdinger, Dr. Sprenkmann, Dr. Frhr. v. Gamm und Salger
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen das Urteil des Kartellsenats des Kammergerichts in Berlin vom 3. November 1972 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Die westdeutsche Aluminiumhalbzeug-Industrie ist der bedeutendste Produzent von Aluminium-Walz- und Preßerzeugnissen in Westeuropa. Die Hauptabnehmergruppen sind die Fahrzeugindustrie, das Bauwesen, der Apparate-, Schiff- und Waggonbau, die Hersteller von Haushaltsgeräten, Verpackungen und Behältern sowie die Elektrotechnik. Zahlreiche Hersteller von Aluminiumhalbzeug sind einem Marktinformationsvertrag beigetreten, dessen Zweck "die zuverlässige Marktinformation als Voraussetzung eines durch unlautere Ausspielungen nicht verfälschten Leistungswettbewerbs, einer rationellen Fertigung und einer wirtschaftlichen Lagerhaltung" sein soll. Das Abkommen sieht ein Meldeverfahren für abgeschlossene Geschäfte über den "Bruttopreis nebst sämtlichen Zu- und Abschlägen, insbesondere auch Rabatte, die spezifiziert anzugeben sind, oder den Nettopreis" unter Angabe der genauen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen vor. Abschlußbestätigungen, Auftragsbestätigungen oder Rechnungen über Effektiv- und Umarbeitungsgeschäfte sind laufend, spätestens am dritten Arbeitstag nach Ausstellung einem Treuhandbüro mit allen Einzelheiten anzuzeigen und den übrigen Vertragsbeteiligten auf konkrete Anfrage, in welcher der interessierende Kunde genannt ist, unter Identifizierung der früheren Lieferanten bekanntzugeben. Die Auskünfte erstrecken sich mindestens auf sechs und höchstens auf zwölf zurückliegende Monate.
Ursprünglich war auch die Meldung von Angeboten vorgesehen. Nach einem Abmahnungsschreiben des Bundeskartellamtes vom 11. August 1971 einigten sich die 25 Vertragsbeteiligten dahin, daß künftig keine Angebote mehr gemeldet werden sollten. Zwanzig von ihnen erklärten, daß die nach der Abmahnung vom Bundeskartellamt allein noch als zulässig angesehene Mengenstatistik für sie keinen hinreichenden Informationswert habe und sie deshalb an dem abgeänderten, auf die Meldung und Auskunftserteilung über abgeschlossene Geschäfte beschränkten Abkommen festhalten und es insoweit weiter durchführen wollten, was dann auch geschehen ist. Zur Zeit sind auf einem Markt mit 38 inländischen Herstellern noch 17 Unternehmen an dem Marktinformationsvertrag beteiligt. Sie verfügen über einen Anteil von 31 % des Inlandsbedarfs einschließlich der Importe. Die Vertragserzeugnisse bestehen zu etwa 20 % aus homogenen Massengütern. Rund 60 % betreffen spezialisierte Angebote, für die im allgemeinen nur drei Lieferanten, die restlichen rund 20 % solche Angebote, für die nur etwa 6-10 Lieferanten in Frage kommen. Der prozentuale Anteil der Auskunftsersuchen nach dem Marktinformationsvertrag im Verhältnis zu den Meldungen beträgt im Jahresdurchschnitt seit 1959 rund 9 %, von denen etwa 1/3 zu einer konkreten Auskunft geführt hat, wobei noch Doppelanfragen zu berücksichtigen sind.
Das Kammergericht ist der Auffassung, daß der Marktinformationsvertrag auch in der jetzt noch praktizierten Form gegen § 1 GWB verstoße. Da sich die vertragsbeteiligten Unternehmen oder die für sie handelnden Personen über die Unwirksamkeit dieses Vertrages hinweggesetzt haben, indem sie das Melde- und Abfragverfahren durchführten, hat das Kammergericht nach vorausgegangenem Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts gegen sie wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB, § 26 Abs. 4 Satz 2 OWiG Geldbußen in Höhe von je 5.000,- DM festgesetzt.
Gegen dieses Urteil haben die Betroffenen form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt.
Sie rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel sind unbegründet.
II.
Verfahrensrügen
1.
Die Beschwerdeführer beanstanden, daß das Kammergericht seine Darlegungen über die wettbewerblichen Folgen des hier zur Beurteilung stehenden Marktinformationsvertrages nicht für beweisbedürftig gehalten und damit gegen § 261 StPO verstoßen habe, denn entgegen den Urteilsausführungen handele es sich insoweit nicht um offenkundige Tatsachen. Sie rügen darüber hinaus die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil in der Hauptverhandlung nicht erörtert worden sei, daß das Gericht seine wettbewerbliche Bewertung des Marktinformationsvertrages als offenkundig betrachte. Dadurch seien sie in ihrer Verteidigung behindert, nämlich abgehalten worden, die Offenkundigkeit von Tatsachen in Frage zu stellen. Auch liege in der unterlassenen Beweiserhebung über die wettbewerblichen Auswirkungen des Marktinformationsvertrages eine Verletzung der Verpflichtung des Gerichts zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts.
2.
Zunächst ist festzustellen, daß das Kammergericht im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über das Vorbringen der Verteidigung zu den tatsächlichen Wettbewerbsverhältnissen und der Preisentwicklung auf dem Markt für Aluminiumhalbzeug ausgeführt hat, es habe seine Überzeugung, daß die negative Ertragslage der Aluminiumhalbzeug-Industrie ohne das wettbewerbsdämpfende Marktinformationsverfahren noch schneller eingetreten wäre (UA 19/20), aufgrund der unter Nr. 2 der Urteilsgründe "dargelegten Situation, die nach der ganzen Interessenlage offenkundig ist und keines Beweises bedarf", gewonnen. Damit hat das Kammergericht in der Tat seine in Nr. 2 der Urteilsgründe (UA 11-19) enthaltenen Feststellungen, aus denen es gefolgert hat, der hier abgeschlossene Marktinformationsvertrag sei geeignet, die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Aluminiumhalbzeug durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, keines weiteren Beweises für bedürftig erklärt. Daß es dabei den Begriff der "offenkundigen Tatsache" verkannt hätte, ist jedoch nicht dargetan. Nur hierauf kann sich die Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht erstrecken (BGHSt 6, 292, 296).
a)
Als offenkundig werden solche Tatsachen angesehen, die entweder allgemeinkundig sind, d.h. von denen verständige Menschen regelmäßig Kenntnis haben oder über die sie sich aus zuverlässiger Quelle ohne besondere Fachkunde sicher unterrichten können, wozu auch allgemeine, wissenschaftlich gesicherte Erfahrungssätze gehören, oder die gerichtskundig sind, d.h. von denen die zur Entscheidung berufenen Richter durch ihre richterliche Tätigkeit vor allem aus anderen Verfahren Kenntnis erlangt haben, worunter ebenfalls Erfahrungssätze fallen können, sofern sie in der besonderen Sachkunde des Gerichts feststehen (vgl. hierzu Loewe/Rosenberg, 22. Aufl., Anm. 4 zu § 261 StPO).
b)
Als gerichtskundig, nämlich ihm aus verschiedenen anderen Verfahren her bekannt, hat das Kammergericht ausdrücklich seine Feststellung bezeichnet, daß viele Hersteller ihre individuelle Preis- und Rabattgestaltung als Geschäftsgeheimnis betrachten, das der Konkurrenz nicht zugänglich gemacht werden darf (UA 11). Der Grund hierfür sei die Tatsache, daß die Hersteller die Preismodalitäten als wesentliches Wettbewerbsmittel einsetzen und daß sie verhindern wollen, daß Konkurrenten auf ihre Kosten Absatzvorteile erringen, indem sie in die Preisgestaltung eintreten (UA 12). Im Anschluß an diese Feststellungen beschäftigt sich das Kammergericht in dem angefochtenen Urteil ausschließlich mit den wettbewerblichen Wirkungen des Verzichts auf einen solchen "sog. Geheimwettbewerb". Es verwertet dabei seine auf dem Gebiet des Kartellrechts vorhandene besondere Sachkunde, indem es aus den als gerichtskundig festgestellten Tatsachen mit Hilfe von empirisch gewonnenen Einsichten und Vorstellungen, bestimmte, keineswegs als zwingend bezeichnete Folgerungen zieht und sie seiner Beweiswürdigung zugrunde legt. Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Der Tatrichter hält sich damit im Rahmen der ihm allein obliegenden freien Beweiswürdigung.
3.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist unbegründet. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den an dem Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern, und bei dieser nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu verwerten, zu denen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war, Stellung zu nehmen (BVerfGE 7, 278). Das ist hier ausweislich des Inhalts der Akten geschehen. Bereits im Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts vom 28. November 1971 (Band I S. 5 ff) waren alle für die Beurteilung des abgeschlossenen Marktinformationsvertrags wesentlichen wettbewerblichen Fragen angesprochen worden. Diese sind in der Hauptverhandlung vom 24. und 25. Oktober 1972 auch ausweislich des im Wortlaut zur Sitzungsniederschrift genommenen Plädoyers der Verteidigung (Band I S. 112, 131 bis 223) abgehandelt worden. Dabei war den Beschwerdeführern bekannt, daß der erkennende Kartellsenat des Kammergerichts bereits in einem vorangegangenen anderen Verfahren (Tuben-Beschluß vom 24.3.1972) entschieden hat, daß ein Verzicht auf den "sog. Geheimwettbewerb" (in jenem Verfahren vor allem die Meldung von Vertragsangeboten) zu einer Wettbewerbsbeschränkung führe. Ob diese Darlegungen ihre Richtigkeit haben und auch auf den vorliegenden Marktinformationsvertrag übernommen werden können, war gerade Gegenstand eingehender Erörterungen, wie das schriftlich vorliegende Plädoyer der Verteidigung beweist und wie sich auch aus der Wiedergabe des Verteidigungsvorbringens in den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt. Die Beschwerdeführer können deshalb weder hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen noch der daran anknüpfenden Schlußfolgerungen und Rechtsausführungen des Kammergerichts in dem angefochtenen Urteil überrascht worden sein. Damit kann von einer Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs hier nicht gesprochen werden.
4.
Zwar führt die Verwertung offenkundiger, hier gerichtskundiger Tatsachen und die Verwendung nichtallgemeinkundiger Erfahrungssätze aus besonderen Bereichen, wie etwa des wirtschaftlichen Wettbewerbs, zu einer gewissen Einschränkung des Grundsatzes, daß die Hauptverhandlung die alleinige Erkenntnisquelle des Tatrichters sein soll. Dieser Grundsatz darf in seinem wesentlichen Inhalt nicht angetastet werden. Deshalb sind auch dem an sich nicht unzulässigen Zurückgreifen auf gerichtskundige Tatsachen und nichtallgemeinkundige Erfahrungssätze Grenzen gesetzt. Diese ergeben sich vor allem aus der dem Gericht nach § 244 Abs. 2 StPO obliegenden Pflicht zur vollständigen Sachaufklärung (BGHSt 6, 292, 295).
a)
Daß das Kammergericht diese Grenze verletzt habe, kann nicht festgestellt werden. Der erkennende Kartellsenat des Kammergerichts sowie die weiteren Verfahrensbeteiligten verfügen auf dem Gebiet wettbewerblichen Verhaltens über einschlägige Kenntnisse. Die Rechtskundigen unter ihnen jedenfalls sind und waren in der Lage, sich darüber zu unterrichten, welche wettbewerblichen Auswirkungen nach den unterschiedlichen dazu in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten die aus dem Beitritt zum Marktinformationsvertrag resultierende Verpflichtung zur Meldung abgeschlossener Geschäfte verbunden mit dem Recht auf Information über die Meldungen anderer Vertragsbeteiligter hat. Dies beweisen im übrigen die in dem Plädoyer der Verteidigung und den Urteilsgründen angeführten einschlägigen Zitate. Unter diesen Umständen mußte es sich dem Kammergericht nicht aufdrängen, zu den ökonomischen Streitfagen ein besonderes Gutachten eines Sachverständigen anzufordern, weil auch von diesem nichts anderes zu erwarten war als die Darstellung der bisher zu dem entscheidungserheblichen Problem vertretenen vielfältigen Meinungen über Geheimwettbewerb und Markttransparenz als Faktoren eines funktionsfähigen Wettbewerbs. Gesicherte Erfahrungssätze, die der Erkenntnis des Tatrichters widersprechen könnten, bestehen hier nämlich nicht (vgl. Röper und Erlinghagen, Wettbewerbsbeschränkung durch Marktinformation; FIW-Schriftenreihe Band 65 S. 90 ff, 126 mit Nachweisen). Wenn das Kammergericht deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat, liegt darin kein Verstoß gegen seine Verpflichtung zur vollständigen Sachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO).
b)
Im übrigen greift die Revision mit ihren zahlreichen in der Rechtsbeschwerdebegründung eingeflochtenen Hinweisen auf eine angebliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts nicht die mangelnde Sachaufklärung, sondern die Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung des Sachverhalts in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise an (vgl. die Stellungnahme des Generalbundesanwalts vom 7. August 1974 zu II 1 und 2 b + c).
5.
Die von der Rechtsbeschwerde beanstandete Vernehmung des Vorstandsmitglieds der Betroffenen zu 12 und 13, Dr. Seebauer, und die Verwertung seiner Angaben zu Beweiszwecken begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Als gesetzlicher Vertreter betroffener Unternehmen kam seine Vernehmung nur als Mitbeschuldigter in Betracht. Für die Beweiswürdigung macht es jedoch keinen Unterschied, ob jemand als Mitbeschuldigter oder als Zeuge vernommen ist. Entscheidend ist die Beurteilung des inneren Wertes seiner Aussage (vgl. Loewe/Rosenberg 22. Aufl., Anm. 46 vor § 48 StPO).
Auch auf die Behauptung, daß das Kammergericht die Äußerungen des Dr. Seebauer mißverstanden habe, kann die Rechtsbeschwerde nicht gestützt werden. Darüber, wie eine Aussage zu verstehen ist, hat allein der Tatrichter zu entscheiden. Die Frage, ob er eine Aussage richtig verstanden hat, betrifft ausschließlich seine Überzeugung im Bereich des Tatsächlichen. Das kann vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft werden (BGHSt 21, 149, 151), insbesondere dann nicht, wenn, wie hier, sich weder aus der Sitzungsniederschrift noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils Anhaltspunkte ergeben, die auf ein Mißverständnis schließen lassen.
III.
Sachbeschwerde
Das Kammergericht hat im einzelnen ausgeführt, aufgrund welcher Feststellungen und Schlußfolgerungen es seine Überzeugung gewonnen hat, daß die Betroffenen gegen § 38 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 GWB verstoßen haben. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es verwehrt, diese Beweiswürdigung durch seine eigene zu ersetzen und damit dem Tatrichter die Verantwortung für diesen Bereich abzunehmen (BGHSt 10, 208, 210). Es hat auf die Sachrüge nur zu prüfen, ob die Beweiswürdigung rechtlich einwandfrei, das heißt frei von Widersprüchen, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze ist. Im übrigen muß es die tatrichterlichen Feststellungen und Schlußfolgerungen hinnehmen. Es könnte auch dann nicht eingreifen, wenn etwa bei gleichem Ausgangssachverhalt (hier gleicher Marktinformationsvertrag) der Tatrichter aufgrund möglicher unterschiedlicher tatsächlicher Folgerungen zu abweichenden rechtlichen Beurteilungen gelangt.
1.
Diese sich aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (§ 261 StPO) ergebende Rechtslage lassen die Beschwerdeführer außer acht, wenn sie die Beweiswürdigung des Kammergerichts angreifen und sie - in unzulässiger Weise - durch ihre eigene ersetzen. Sie verkennen vor allem, daß die Schlüsse des Tatrichters nur möglich, aber keineswegs zwingend zu sein brauchen; auf eine größere oder überwiegende Wahrscheinlichkeit kommt es dabei entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht an.
Die widerspruchsfreie Beweiswürdigung des Kammergerichts läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Das gilt insbesondere für die wettbewerbliche Beurteilung der Beteiligung der Beschwerdeführer an dem hier in Frage stehenden Marktinformationsvertrag, dessen Bestimmungen über die Meldepflichten und Informationsmöglichkeiten der Vertragsbeteiligten über bereits abgeschlossene Geschäfte das Kammergericht seinen Ausführungen allein zugrunde gelegt hat. Es hat dabei den Sachverhalt umfassend gewürdigt und insbesondere die tatsächliche Handhabung des Vertrages, die Aussagefähigkeit von Vergangenheitsdaten, den verhältnismäßig geringen Marktanteil der zur Zeit Vertragsbeteiligten, die wenigen Auskunftsersuchen und die tatsächliche Marktentwicklung sowie die gemeinsamen Zwecke der Beteiligten, die sie mit dem Abschluß des Vertrages verfolgen, berücksichtigt. Da hinsichtlich der wettbewerblichen Wirkungen des hier vorliegenden Marktinformationsvertrages gesicherte Erfahrungssätze nicht bestehen (vgl. vorstehend II, 4 a), die das Rechtsbeschwerdegericht zu beachten hätte, können die möglichen, wenn auch nicht unbedingt zwingenden, Schlußfolgerungen des Kammergerichts rechtlich nicht beanstandet werden.
a)
Das Kammergericht hat auch entgegen dem Vortrag der Rechtsbeschwerden nicht außer acht gelassen, daß die nicht vertragsbeteiligten Unternehmen der Aluminiumhalbzeug-Industrie durchaus in der Lage sind, sich Kenntnis über die Preisangebote ihrer Mitbewerber zu verschaffen (UA 21). Nur erlaubt nach seinen Feststellungen die den Teilnehmern an dem Marktinformationsvertrag zu gewährende Information es diesen kurzfristig und sehr genau - wenn auch nicht unter Ausschluß jeglicher Ungewißheit - abzuschätzen, welche Konkurrenzangebote von früheren Anbietern zu erwarten sind (UA 14). Diese Folgerung ist möglich und läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
b)
Auch die weitere von den Rechtsbeschwerdeführern beanstandete Erwägung, daß für die Vertragsbeteiligten in demselben Maße, in dem die Ungewißheit durch die Information über individuelle Konkurrenzpreise beseitigt wird, die Neigung zu großen Preiszugeständnissen entfällt (UA 16), läßt ebensowenig einen Rechtsfehler erkennen wie die Folgerung, daß eine solche Veränderung wettbewerblichen Handelns erheblich ist, weil nur das unverfälschte unternehmerische Verhalten in derartigen Grenz- und Zweifelsfällen einer Erstarrung des Preisgefüges entgegenwirkt (UA 16).
c)
Das Kammergericht verstößt nicht gegen gesicherte Erfahrungssätze, wenn es ausführt, daß jeder Vertragsbeteiligte, der weiß, daß seine Preise nebst sämtlichen Zu- und Abschlägen, insbesondere Rabatten, und allen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen jedem anderen Vertragspartner auf Anfrage bekanntgegeben werden, stets damit rechnen muß, daß dieser im Wettstreit um einen bestimmten Kunden in seine Preise eintritt, wenn er gleichartige Waren anbietet. Das bedeutet, daß eine besondere individuelle Preisanstrengung mit einiger Wahrscheinlichkeit nur für einen einmaligen Geschäftsabschluß Erfolg verspricht, während schon beim Eintreten des nächsten Bedarfsfalles mit dem Nachziehen anderer Vertragsteilnehmer zu rechnen ist. Damit wird die Neigung zu individuellen Preisvorstößen gedämpft (UA 17).
2.
Wenn das Kammergericht aus allen diesen Gründen zu der Feststellung gelangt, daß die Betroffenen zu einem gemeinsamen Zweck den Marktinformationsvertrag geschlossen und durch die mit ihm eingegangene Verpflichtung zur Meldung aller abgeschlossenen Geschäfte ihre Handlungsfreiheit hinsichtlich ihres Wettbewerbsverhaltens beschränkt haben, so ist das rechtlich nicht zu beanstanden.
a)
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann § 1 GWB auch Verpflichtungen zum Informationsaustausch erfassen, selbst wenn diese die Freiheit der Vertragsbeteiligten, über Abschluß und Inhalt von Verträgen mit der Marktgegenseite autonom und individuell zu entscheiden, unberührt lassen. Denn unter "Marktverhältnissen" im Sinne dieser Bestimmung ist die Summe aller Eigenschaften zu verstehen, die einem besonderen Markt das Gepräge geben. So gehören dazu unter anderem auch die Art und Intensität des Wettbewerbs und die Art des Auftretens der Marktpartner auf dem Markt. Der Regulierung dieser Faktoren, die für den Ablauf des Marktgeschehens, d. h. für die Bildung von Angebot und Nachfrage und den sich daraus ergebenden Preis und Absatz, von Bedeutung sein können, auf der einen Marktseite kann je nach den Umständen des Falles die Eignung innewohnen, die Chancen der anderen Marktseite zu beeinflussen (BGHZ 36, 105, 110). Schränken Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen den freien Einsatz solcher für den konkreten Markt relevanter Faktoren ein, so beschränken sie den Wettbewerb. Der Unternehmer soll grundsätzlich in der Wahl der Mittel frei sein, die er im Wettbewerb auf dem Markt einsetzt. Eine Beschränkung in dieser Wahl beeinträchtigt die wettbewerbliche Handlungsfreiheit. Sie bedeutet eine Verminderung der Intensität und damit eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs.
b)
Deshalb liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Kammergericht hier der in dem vertraglichen Verzicht auf den "sog. Geheimwettbewerb" liegenden Verpflichtung einen im Rahmen des § 1 GWB beachtlichen wettbewerbsbeschränkenden Charakter zuerkennt.
3.
Auch die objektive Eignung des Vertrages zur spürbaren Beeinflussung der Marktverhältnisse kann nach den Feststellungen des Kammergerichts nicht zweifelhaft sein. Indem die vertragsbeteiligten Unternehmen infolge ihres Verzichts auf den "sog. Geheimwettbewerb" die Transparenz von wesentlichen Marktinformationen, wie ihrer Preise, Rabatte, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen usw., nur für ihre Marktseite eröffnet haben, beeinträchtigen sie die wirtschaftliche Position der Marktgegenseite. Die Ausführungen des angefochtenen Urteils lassen insoweit keine Rechtsfehler erkennen. Zutreffend wird auch darauf hingewiesen, daß der Beitritt zu dem Marktinformationsvertrag allen Unternehmen der Aluminiumhalbzeug-Industrie offensteht und deshalb weder der Zahl der zur Zeit Vertragsbeteiligten noch ihrem Marktanteil von 31 % des Umsatzes und der geringen Zahl von Antragen und positiven Auskünften eine so entscheidende Bedeutung beigemessen werden kann, wie die Beschwerdeführer meinen. Soweit in diesem Zusammenhang in dem angefochtenen Urteil noch auf die Reaktionsverbundenheit innerhalb eines Marktes für gleichartige Erzeugnisse hingewiesen wird, ist das nicht widersprüchlich, wie die Beschwerdeführer behaupten, sondern unterstützt nur die Annahme des Kammergerichts, daß selbst bei einem Marktanteil von nur 31 % des Umsatzes die Eignung des Marktinformationsvertrages zur Beeinflussung des ganzen relevanten Marktes gegeben ist. Dabei wird ersichtlich auf die Eignung des Gruppenverhaltens der 17 am Marktinformationsvertrag Beteiligten im Gegensatz zu dem weit weniger wirksamen Einzelverhalten der übrigen nicht vertragsbeteiligten Unternehmen dieser Branche abgestellt.
4.
Da nach den rechtsfehlerfreien Darlegungen des Kammergerichts eine mit günstigen Individualpreisen angestrebte Absatzerweiterung um so eher erreicht werden kann, je länger die Individualpreise verborgen bleiben (UA 12), bedeutet die hier festgestellte vertragliche Bindung der an dem Marktinformationsvertrag Beteiligten den Verzicht auf einen wettbewerbswirksamen Einsatz des Preises als Wettbewerbsmittel. Damit wird aber die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, die § 1 GWB sichern will, gestört. Es wird die Dynamik des Marktgeschehens in einer nach den Feststellungen des Kammergerichts erheblichen Weise beeinträchtigt. Damit liegen hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 GWB vor.
5.
Daß die Betroffenen sich nach der eingehenden Abmahnung des Kartellamtes vom 11. August 1971, in der der Vertrag auch in der vorliegend praktizierten Form für unwirksam erklärt worden ist, über dessen Unwirksamkeit bedingt vorsätzlich hinweggesetzt haben (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB), ist in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei ausgeführt worden. Ebenso ist die Begründung für die Bemessung des festgesetzten Bußgeldes rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach alledem läßt die rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung aufgrund der zur Tatzeit geltenden Fassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, dessen hier einschlägige Bestimmungen (§§ 1, 38 Abs. 1 GWB) durch das Änderungsgesetz vom 3. August 1973 (BGBl I 917) keine Milderung erfahren haben und deshalb anzuwenden sind (§ 2 Abs. 3 StGB n.F.), keinen Rechtsfehler erkennen.
Die Rechtsbeschwerden sind deshalb als unbegründet zu verwerfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.
Offterdinger
Sprenkmann
v. Gamm
Salger