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Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.07.1974, Az.: IV ZR 212/72

Vorliegen einer einfachen Streitgenossenschaft bei Inanspruchnahme von Versicherungsnehmer und Versicherer als Gesamtschuldner durch den Geschädigten innerhalb eines Prozesses; Abgrenzung der einfachen von der notwendigen Streitgenossenschaft; Ausnahmen vom Grundsatz der notwendigen Streitgenossenschaft von Versicherungsnehmer und Versicherer

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
10.07.1974
Aktenzeichen
IV ZR 212/72
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1974, 11158
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 05.05.1972
LG München I

Fundstellen

  • BGHZ 63, 51 - 60
  • DB 1974, 2103-2105 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1975, 32-34 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1975, 43-44 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1974, 2124-2127 (Volltext mit amtl. LS) "Schädigung von Angehörigen"
  • VRS 47, 401
  • VersR 1974, 1117

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Werden der Versicherungsnehmer und der Versicherer von dem Geschädigten im selben Prozeß auf Zahlung von Schadensersatz als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so sind sie nicht notwendige, sondern einfache Streitgenossen.

  2. b)

    Fügt ein Ehegatte dem anderen durch Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seiner Gesundheit oder an seinem Eigentum zu, so kommen Haftungsbeschränkungen auf Grund der ehelichen Beziehungen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der verantwortliche Ehegatte durch eine Haftpflichtversicherung geschützt wird (im Anschluß an BGHZ 53, 352[BGH 11.03.1970 - IV ZR 772/68]).

  3. c)

    Zur Anwendung und Auslegung der Angehörigenklausel bei Haftpflichtansprüchen der Ehefrau des Versicherungsnehmers.

Redaktioneller Leitsatz

In dem Fall., daß Versicherungsnehmer und Versicherer vom Geschädigten als Gesamtschuldner in einem, d.h. dem selben Prozeß auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, handelt es sich um einfache Streitgenossen, nicht etwa um notwendige.
Hinweis:
Im Anschluß an BGH vom 11. 3. 1979, BGHZ 53, 352[BGH 11.03.1970 - IV ZR 772/68]; NJW 70, 1271.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 1974
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Hauß und
die Richter Dr. Pfretzschner, Dr. Reinhardt, Dr. Bukow und Rottmüller
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Erstbeklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Mai 1972 wird zurückgewiesen.

Der Erstbeklagte trägt die Kosten der Revision.

Tatbestand

1

Der Erstbeklagte und die Klägerin, seine Ehefrau, verunglückten am 22. Juli 1966 auf einer Urlaubsreise mit dem Kraftwagen. Die Fahrt führte gegen 22.30 Uhr über eine Gefällstrecke der österreichischen Bundesstraße am Achenpaß. Dort aufgestellte Verkehrszeichen begrenzen die zulässige Geschwindigkeit auf 25 km/h und enthalten die Warnung "Gefährliche Gefalle 20 %". Der Erstbeklagte, der den ihm gehörenden Wagen lenkte, fuhr schneller als 25 km/h, geriet in einer Rechtskurve auf die linke Fahrbahnseite und prallte gegen eine ca. 30 cm hohe Kanalschachtwand. Die Klägerin wurde vom Beifahrersitz nach vorn geschleudert und stieß mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe. Hierbei erlitt sie schwere Verletzungen vor allem an beiden Augen, die zu ihrer Erblindung führten. Die Eheleute leben seit Februar 1968 getrennt.

2

Die Klägerin hat den Erstbeklagten und dessen Haftpflichtversicherer, die Zweitbeklagte, als Gesamtschuldner auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch genommen. Sie hat ferner die Feststellung begehrt, daß ihr die Beklagten den gesamten unfallbedingten Schaden zu ersetzen haben, soweit nicht die Ansprüche auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Erstbeklagte habe den Unfall grob fahrlässig verschuldet; doch sei er ihr auch dann uneingeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fallen sollte.

3

Die Beklagten haben um Abweisung der Klage gebeten. Der Erstbeklagte hat ein grob fahrlässiges Verhalten bestritten und sich im übrigen auf den Standpunkt gestellt, gegenüber der Klägerin habe er nur für die in eigenen Angelegenheiten beobachtete Sorgfalt einzustehen (§ 1359 BGB). In jedem Falle treffe die Klägerin, die ihn durch ein Gespräch abgelenkt habe, ein Mitverschulden. Die Zweitbeklagte hat hierüber hinaus geltend gemacht, die Haftpflichtansprüche der Klägerin gegen ihren Ehemann seien nach § 11 Nr. 4 AKB von der Versicherung ausgeschlossen und zudem verjährt.

4

Das Landgericht hat durch Teilurteil den Erstbeklagten verurteilt, an die Klägerin 50.000,- DM Schmerzensgeld sowie ab 1. Mai 1970 eine Schmerzensgeldrente von monatlich 300,- DM zu zahlen; ferner hat es gegenüber dem Erstbeklagten die begehrte Feststellung getroffen. Die Berufung des Erstbeklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt er sein Ziel der Klageabweisung weiter.

5

Durch Schlußurteil hat das Landgericht die Zweitbeklagte im gleichen Umfang wie den Erstbeklagten und als Gesamtschuldnerin mit diesem verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Zweitbeklagten ist noch beim Berufungsgericht anhängig.

Entscheidungsgründe

6

I.

Die Klägerin hat mit der Klage nach § 3 Nr. 1, 2 PflVG (n.F.) den Versicherungsnehmer und den Versicherer als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Wären die beiden Beklagten notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Abs. 1 ZPO, so wäre es nicht zulässig gewesen, ein Teilurteil zur Sache nur gegen einen der Streitgenossen zu erlassen und die Entscheidung gegen den zweiten Streitgenossen dem Schlußurteil vorzubehalten (BGH LM ZPO § 62 Nr. 10 = NJW 1962, 1722 [BGH 08.06.1962 - V ZR 171/61]; Stein/Jonas/Pohle, ZPO, 19. Aufl., § 62 Anm. V 5; Thomas/Putzo, ZPO, 7. Aufl., § 62 Anm. 10; Zöller/Degenhart, ZPO, 11. Aufl., § 62 Anm. 3 d). Die Frage, ob ein solcher Verfahrensmangel der Tatsacheninstanz im Revisionsrechtszug von Amts wegen oder nur auf eine entsprechende - hier nicht erfolgte - Rüge der Revision gemäß §§ 559, 554 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO zu berücksichtigen ist, wird in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich entschieden (vgl. einerseits BVerwGE 3, 208, 211[BVerwG 19.03.1956 - V C 265/54]; BGH V. Zivilsenat LM ZPO § 62 Nr. 10 = NJW 1962, 1722; andererseits BGH II. Zivilsenat in BGHZ 16, 71, 74) [BGH 18.12.1954 - II ZR 76/54]. Einer Entscheidung dieser Frage, die möglicherweise für die beiden Fälle des § 62 Abs. 1 ZPO unterschiedlich zu beantworten ist, bedarf es nicht. Der Senat ist nämlich der Auffassung, daß die beiden Beklagten nicht notwendige, sondern nur einfache Streitgenossen sind, so daß der Erlaß eines der Klage stattgebenden Teilurteils gegen den Erstbeklagten zulässig war.

7

Zwar wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung durchweg die Auffassung vertreten, der Versicherungsnehmer und der Versicherer seien notwendige Streitgenossen, wenn sie gemäß § 3 Nr. 1, 2 PflVG in einem Verfahren auf Schadensersatz in Anspruch genommen würden (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., § 50 II 2 b; Zöller/Degenhart, a.a.O. § 62 Anm. 1 a; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, 1970, § 29 II 1 Fußn. 15; Prölss/Martin, VVG, 19. Aufl., § 3 Nr. 8 PflVG Anm. 1; Stiefel/Wussow/Hofmann, AKB, 9. Aufl., § 10 Anm. 2; Geigel, Haftpflichtprozeß, 15. Aufl., S. 377 Rdn. 60; OLG Oldenburg, VersR 1969, 47; OLG Köln, VersR 1970, 678 und 1974, 64; anderer Meinung: Sieg, Zeitschrift für Versicherungswissenschaft 1965, 357, 372; OLG Düsseldorf, VersR 1974, 229). Die Stellung der Beklagten als notwendige Streitgenossen wird daraus hergeleitet, daß gemäß § 3 Nr. 8 PflVG ein rechtskräftiges Urteil, wonach dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers wirkt. Die Erstreckung der Urteilswirkung ist danach auf den Fall begrenzt, daß über den Schadensersatzanspruch negativ entschieden wird. Diese Beschränkung der Urteilswirkung soll aber nicht im Wege stehen, die Voraussetzung der ersten Alternative zu § 62 Abs. 1 ZPO zu bejahen, wonach eine notwendige Streitgenossenschaft besteht, wenn das streitige Rechtsverhältnis den Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann. Die häufig als "Rechtskrafterstreckung" bezeichnete Urteilswirkung, die bei einem Nacheinander der Prozesse gegen die beiden Beklagten besteht, soll zur notwendigen Streitgenossenschaft bei einem Miteinander der Prozesse führen und damit die einheitliche Entscheidung sicherstellen (vgl. Rosenberg/Schwab, a.a.O., § 50 II). Anders entscheidet die neuere Rechtsprechung und durchweg auch die Rechtslehre in dem Fall, daß ein Gläubiger einer offenen Handelsgesellschaft im selben Prozeß die Forderung gegen die offene Handelsgesellschaft und gleichzeitig gegen einen Gesellschafter geltend macht, der nach § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich haftet. Hier folgt aus § 129 Abs. 1 HGB, daß ein die Gesellschaftsschuld bejahendes rechtskräftiges Urteil in diesem Umfang auch gegen den Gesellschafter wirkt, der wegen dieser Verbindlichkeit in Anspruch genommen wird, während andererseits der Gesellschafter sich darauf berufen kann, daß im Gesellschaftsprozeß das Bestehen einer Gesellschaftsschuld rechtskräftig verneint worden sei (vgl. im einzelnen Fischer, Großkomm. zum HGB, 3. Aufl., Anm. 28 zu § 124). Die Urteilswirkung ist also im Recht der offenen Handelsgesellschaft insoweit umfassender, als es nicht darauf ankommt, ob über das Bestehen der Gesellschaftsschuld positiv oder negativ entschieden worden ist. Andererseits geht die Urteilswirkung nur von einer Entscheidung aus, die im Prozeß gegen die Gesellschaft, nicht von einer solchen, die in dem Prozeß gegen den Gesellschafter getroffen worden ist. Es ist also nicht die reziproke Urteilswirkung angeordnet, wie sie § 3 Nr. 8 PflVG vorsieht. Wenn verneint worden ist, daß Gesellschaft und Gesellschafter, die im selben Prozeß verklagt sind, notwendige Streitgenossen seien, so ist hierfür entscheidend gewesen, daß die Entscheidung gegen die beiden Beklagten nicht notwendig einheitlich sein muß, weil sich der Gesellschafter mit persönlichen Einwendungen verteidigen kann (etwa mit dem Einwand des Erlasses der Forderung oder der Aufrechnung mit einer ihm zustehenden Forderung gegen den Gesellschaftsgläubiger). Es soll auch nicht darauf ankommen, ob sich der Beklagte im konkreten Fall mit persönlichen Einwendungen verteidigt oder nicht (so der VIII. Zivilsenat in BGHZ 54, 251 in Auseinandersetzung mit der Rechtslehre und mit der früheren gegenteiligen Rechtsprechung des Reichsgerichts). Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats, der sich der erkennende Senat anschließt, geht es schon aus Gründen der Rechtsklarheit und der Praktikabilität nicht an, daß je nach den wechselnden Einwendungen des Beklagten im Prozeß zu entscheiden ist, ob eine notwendige oder nur eine einfache Streitgenossenschaft vorliegt. Im Recht der offenen Handelsgesellschaft hat sich offenbar kein Bedürfnis ergeben, die für die notwendige Streitgenossenschaft geltenden Rechtsregeln auf einen Prozeß anzuwenden, in dem die Gesellschaft und ein Gesellschafter auf Bezahlung einer Gesellschaftsschuld in Anspruch genommen werden.

8

Einen Grund, die Frage der notwendigen Streitgenossenschaft von Versicherungsnehmer und Versicherer anders zu entscheiden als im Recht der offenen Handelsgesellschaft, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Entscheidung gegen den Versicherer kann durchaus anders ausfallen als die Entscheidung gegen den Versicherungsnehmer, so, wenn der Versicherer einen Risikoausschlußgrund (etwa § 11 AKB) oder seine nur subsidiäre Haftung in einem kranken Versicherungsverhältnis (vgl. § 3 Nr. 6 PflVG in Verbindung mit § 158 c VVG) geltend macht. Bei folgerichtiger Anwendung der für die notwendige Streitgenossenschaft geltenden Rechtsregeln dürfte in diesem Fall ein der Klage stattgebendes Teilurteil gegen den Versicherungsnehmer trotz Entscheidungsreife nicht ergehen, wenn das Sachurteil gegen den Versicherer weitere Aufklärungen und Beweiserhebungen erfordert. Es paßt auch nicht die Rechtsregel, daß die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens gegen einen Streitgenossen die Sachentscheidung gegen den anderen Streitgenossen hindert (vgl. hierzu die Entscheidung des Österreichischen. Obersten Gerichtshofs vom 5. Juni 1973, VersR 1974, 708 und den Beschluß des OLG Düsseldorf vom 9. Juli 1973, VersR 1974, 229). Das wird besonders deutlich, wenn gegen einen der beiden Streitgenossen das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Wären diese Rechtsfolgen zwangsläufig, so würde der Geschädigte gut daran tun, die beiden Streitgenossen stets in getrennten Verfahren zu verklagen. Was den in § 62 Abs. 1 ZPO niedergelegten Grundsatz angeht, daß bei Termins- oder Fristversäumnissen der säumige Streitgenosse durch den nicht säumigen Streitgenossen vertreten wird, so ist ein ernstes Bedürfnis für diese Vertretung nicht erkennbar. Denn der Versicherungsnehmer hat die Führung des Rechtsstreits dem Versicherer zu überlassen und dem von ihm beauftragten Anwalt Vollmacht zu geben (§ 7 II 5 AKB), im übrigen gilt die Bevollmächtigung des Versicherers, für den Versicherungsnehmer Erklärungen gemäß § 10 Nr. V AKB abzugeben (vgl. hierzu auch Sieg a.a.O.). Liegt ein Interessenwiderstreit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vor, paßt der Grundsatz des § 62 Abs. 1 ZPO nicht; im besonderen ist dann die bei der notwendigen Streitgenossenschaft anerkannte Rechtsregel nicht angemessen, daß das von einem Streitgenossen eingelegte Rechtsmittel auch zugunsten des anderen Streitgenossen wirkt. Entscheidet man sich trotz aller Bedenken zur Bejahung der notwendigen Streitgenossenschaft zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, so wäre das nur vertretbar, wenn die Anwendung der anerkannten Rechtsregeln, die sonst für die notwendige Streitgenossenschaft gelten, wesentlich zurückgedrängt würden (so der österreichische Gerichtshof a.a.O. und Call, VersR 1974, 710). Nach Ansicht des Senats ist aus den gleichen Gründen, die im Recht der offenen Handelsgesellschaft erörtert worden sind, auch bei einem Prozeß gegen Versicherer und Versicherungsnehmer gemäß § 3 Nr. 1, 2 PflVG anzunehmen, daß die beiden Beklagten nicht notwendige, sondern nur einfache Streitgenossen sind. Die Gefahr, daß es bei einer solchen verfahrensrechtlichen Würdigung der Rechtslage in der Praxis häufig zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen werde, wird vom Senat jedenfalls nicht hoch eingeschätzt. Diese Gefahr ist bei einem einheitlichen Prozeß gegen beide Beklagten ohnehin geringer als bei getrennten Verfahren, wo die Gefahr nach übereinstimmender Meinung hingenommen werden muß. Wird - wie meist - nur über den Haftungsgrund gestritten, so ist der Richter bei Entscheidungsreife ohnehin gezwungen, gegenüber beiden Beklagten gleichzeitig zu entscheiden.

9

II.

Das Berufungsgericht hat die Haftung des Erstbeklagten ohne Rechtsirrtum bejaht. Es ist von der Entscheidung des erkennenden Senats BGHZ 53, 352[BGH 11.03.1970 - IV ZR 772/68] ausgegangen, daß der mildere Haftungsmaßstab des § 1359 BGB nicht gilt, wenn ein Ehegatte dem anderen durch Verstoß gegen die Vorschriften des Straßenverkehrs Schaden an seiner Gesundheit oder an seinem Eigentum zufügt. Inzwischen hat sich der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dieser Rechtsprechung in dem Urteil BGHZ 61, 101 angeschlossen. Er hat insbesondere ausgesprochen, daß ein Ehegatte, der dem anderen hiernach wegen schuldhafter Körperverletzung ersatzpflichtig ist, grundsätzlich auch ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet. Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht bei.

10

Das Berufungsurteil steht mit den angeführten Entscheidungen im Einklang. Der Erstbeklagte hat unstreitig durch fahrlässige Mißachtung der aufgestellten Verkehrszeichen den Unfall und damit die schweren Verletzungen der Klägerin verschuldet. Seine Haftung nach den allgemeinen Bestimmungen entfällt entgegen der Meinung der Revision nicht deshalb, weil sich die Parteien auf einer einverständlich unternommenen Urlaubsreise befanden. Die Entscheidung BGHZ 53, 352[BGH 11.03.1970 - IV ZR 772/68] bietet keinen Anhalt für eine dahingehende Einschränkung. Dort ist nur bemerkt worden, der Haftungsmaßstab des § 1359 BGB möge bei Körperverletzungen und Sachbeschädigungen anzuwenden sein, die sich unter Ehegatten im häuslichen Bereich ereignen. Für die stets in den außerhäuslichen Bereich fallende Teilnahme am Straßenverkehr ist diese Möglichkeit schlechthin verneint worden. Der Grund, daß der Ehegatte als Kraftfahrzeuglenker für die Verletzung allgemein gültiger Verkehrspflichten einzustehen und nicht nur eheliche Obhutspflichten zu wahren hat, trifft für jede derartige Fahrt unabhängig von ihrem Anlaß und Zweck zu. An solche Umstände unterschiedliche Haftungsmaßstäbe zu knüpfen, wäre - von der praktischen Undurchführbarkeit abgesehen - sachlich nicht gerechtfertigt. Auch bei einer von der ehelichen Fürsorgepflicht mitbestimmten Urlaubsreise im Kraftwagen kann der schuldige gegenüber dem verletzten Ehegatten nicht einwenden, er pflege die Verkehrsvorschriften zu mißachten und die damit verbundene Gefährdung in Kauf zu nehmen.

11

Ebenso wenig ist in der genannten Entscheidung zum Ausdruck gekommen, dem verletzten Ehegatten stehe ein Ersatzanspruch nicht zu, wenn das eheliche Verhältnis im Zeitpunkt des Unfalls ungestört (intakt) gewesen sei. Es ist nur offen gelassen worden, ob der verletzte Partner mit Blick auf seine Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 BGB) gehalten sein kann, derartige Schadensersatzansprüche nicht geltend zu machen, solange sich der schuldige Ehegatte im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten in einer der ehelichen Gemeinschaft angepaßten Weise um einen Ausgleich des Schadens bemüht. Damit ist der rechtliche Bestand der Ansprüche nicht in Frage gestellt und schon gar nicht von den ehelichen Beziehungen gerade im Unfallzeitpunkt abhängig gemacht worden. Die Erwägungen, nach denen allenfalls die Geltendmachung eingeschränkt sein könnte, heben im Gegenteil auf das künftige, besonders fürsorge- und opferbereite Verhalten des schuldigen Ehegatten ab. Zu einem solchen Auffangen der schweren Unfallfolgen in einer hierauf eingestellten ehelichen Lebensgemeinschaft ist es vorliegend nicht gekommen. Die Parteien, deren Verhältnis schon vordem nicht ungetrübt war, haben sich im Gegenteil nach dem Unfall gerade seinetwegen unheilbar zerstritten und daraufhin scheiden lassen. Von einer Pflicht der Klägerin, keine Ersatzansprüche zu erheben, oder gar von deren rechtlichem Ausschluß kann bei dieser Entwicklung keine Rede sein.

12

Hinsichtlich der von der Revision herangezogenen Rechtsprechung zur gefahrengeneigten Arbeit hat es der erkennende Senat nur als nicht fernliegend bezeichnet, daß quantitative Eingrenzungen der Schadensersatzforderung, wie sie die Rechtsprechung im arbeitsrechtlichen Haftungsrecht anerkannt hat, unter Ehegatten in ähnlicher Weise in Betracht zu ziehen sein könnten. Ein gänzlicher Ausschluß der Forderung ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erwogen worden. Er käme überdies vorliegend nach den arbeitsrechtlichen Haftungsgrundsätzen nicht in Betracht, weil den Erstbeklagten ein erhebliches, an grobe Fahrlässigkeit zumindest grenzendes Verschulden trifft. Endlich bezieht sich die für denkbar gehaltene quantitative Eingrenzung der Schadensersatzansprüche wiederum nur auf den Fall ihrer Befriedigung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft und der dort möglichen Fürsorge.

13

Eine derartige Bescheidung wie Belastung innerhalb der Ehe auf sich zu nehmen haben die Eheleute keinen Grund, wenn der schuldige Partner zur Abwendung der wirtschaftlichen Folgen eines Unfalls eine Haftpflichtversicherung genommen hat oder im Falle der Zwangsversicherung nehmen mußte. Der vorsorglich erworbene Anspruch auf Deckung gehört dann zu seinem Vermögen, und hierauf kann der verletzte Ehegatte zurückgreifen, ohne dem anderen wirtschaftliche Opfer abzuverlangen, die letztlich wieder gemeinsam getragen werden müßten. Damit entfällt für jede etwa denkbare Verpflichtung, sich aus ehelicher Rücksicht Beschränkungen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufzuerlegen, der tragende Grund. Noch weniger kann dem verletzten Ehegatten unterstellt werden, er habe dem anderen ungeachtet des für diesen Fall bereitstehenden Versicherungsschutzes die Haftung für fahrlässiges Verhalten von vornherein erlassen wollen oder nachträglich darauf verzichtet. Der schuldige Ehegatte, hinter dem ein Haftpflichtversicherer steht, hat keinen Anlaß, von seinem verletzten Partner irgendwelche Verzichtsbereitschaft zu erwarten oder zu fordern, und erst recht kann der Versicherer eine solche Haftung nicht verlangen, weil sie allenfalls auf einem ehelichen Einverständnis über die beschränkten Möglichkeiten einer internen Wiedergutmachung beruhen könnte.

14

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß die Zweitbeklagte nach § 10 AKB verpflichtet war, dem Erstbeklagten Versicherungsschutz gegenüber den Ansprüchen der Klägerin zu gewähren. Auf den Ausschluß in § 11 Nr. 4 AKB kann sie sich nicht berufen. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Angehörigenklausel auf rechtliche Bedenken stößt, die ihrer Anwendung schlechthin entgegenstehen (vgl. Dieckmann, Festschrift für Reinhardt S. 51, 60 f.). Die Bestimmung führt praktisch zu dem Ergebnis, daß Versicherungsschutz gegenüber Haftpflichtansprüchen der Ehefrau nur gewährt wird, wenn diese berufstätig ist oder sonst eigenes Einkommen hat, nicht wenn sie sich nur als Hausfrau betätigt. Diese Unterscheidung muß um so befremdlicher wirken, als die Frau ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie (und damit zum eigenen) beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts erfüllt, § 1360 Satz 2 BGB. Sollte die so ausgestaltete Angehörigenklausel gleichwohl auch ferner hinzunehmen sein, so muß sie jedenfalls einengend ausgelegt werden. Bei einem 1969 erzielten eigenen Netto-Arbeitsverdienst von 586,87 DM monatlich, von dem auch die Revision ausgeht, könnte die Klägerin dann mit Blick auf die ehelichen Lebensverhältnisse nicht als Empfängerin von Unterhalt im Sinne von § 11 Nr. 4 AKB angesehen werden. Das gilt auch für den Fall, daß die Eheleute bestrebt waren, das Einkommen der Klägerin möglichst zum Hausbau zu verwenden. Sollte der Erstbeklagte den hiernach bestehenden Anspruch auf Versicherungsschutz haben verjähren lassen, was noch offen und insbesondere vom Berufungsgericht nicht schon angenommen worden ist, so könnte sich dies nicht zum Nachteil der Klägerin auswirken. Nach dem Scheitern der Ehe wäre sie keinesfalls für verpflichtet zu halten, die Folgen einer vom Erstbeklagten eingebüßten Deckung durch Beschränkung ihrer Ansprüche mitzutragen.

15

Ein zur Anspruchsminderung führendes mitwirkendes Verschulden der Klägerin hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint. Es hat zutreffend nichts Vorwerfbares darin gesehen, daß sie sich auf der Gefällstrecke mit dem Erstbeklagten unterhalten hat. Der Erstbeklagte hat nicht behauptet, der Klägerin auf irgendeine Weise bedeutet zu haben, er fühle sich durch das Gespräch in der aufmerksamen Fahrzeuglenkung behindert. Es ist offen, ob dies überhaupt der Fall war. Da es insoweit auf das subjektive Empfinden des Fahrers ankam, durfte die Klägerin die in Gang befindliche Unterhaltung als ungefährlich betrachten, solange der Erstbeklagte sie auch auf der schwierigen Strecke nicht von sich aus unterbrach. Es handelte sich bei dem während der Gebirgsfahrt auftretenden Gefälle nicht um eine unerwartete, jähe Gefahrenlage, bei der sich das Gebot des Stillschweigens für den Fahrgast von selbst verstehen muß.

16

Die von der Revision gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes erhobenen Rügen sind ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat nach seiner ausdrücklichen Darlegung gesehen, daß der festzustellende Grad des Verschuldens auch für die Bemessung des Schmerzensgeldes von Bedeutung war. Es hat dem Erstbeklagten abweichend vom Landgericht nur einfache Fahrlässigkeit zur Last gelegt, es aber gleichwohl bei den in erster Instanz zuerkannten Beträge belassen. Da dies nicht in der gerügten Verkennung der Bemessungsgrundlage geschehen ist, liegt hierin die dem Tatrichter zustehende Entscheidung, daß der Erstbeklagte die ausgeworfenen Summen schon bei einfacher Fahrlässigkeit schuldet. Dementsprechend ist die Bemessung durch das Landgericht nur als im Ergebnis richtig bestätigt worden. Auf die Rüge schließlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erstbeklagten seien fehlsam beurteilt worden, braucht nicht eingegangen zu werden, weil es hierauf nach den Darlegungen zur Frage des Versicherungsschutzes nicht ankommt.

17

Die Revision des Erstbeklagten war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

Dr. Hauß
Dr. Pfretzschner
Dr. Reinhardt
Dr. Bukow
Rottmüller