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Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.01.1973, Az.: V ZR 47/71

Befriedigung aus einer ein Grundstück belastenden Grundschuld im Wege der Zwangsvollstreckung mit Hilfe der vollstreckbaren Urkunde ; Bestellung des Pfandrechts an einer Grundschuld ; Pfandrecht am Recht als notwendige Voraussetzung eines Pfandrechts am Brief; Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
26.01.1973
Aktenzeichen
V ZR 47/71
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1973, 11660
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Koblenz - 02.02.1971
LG Mainz - 18.06.1969

Fundstellen

  • BGHZ 60, 174 - 177
  • MDR 1973, 396-397 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1973, 514-515 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Verwaltungsangestellter Josef R., W., G.straße ...

Prozessgegner

S. Volksbank eGmbH G.
vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder B. und S., in L.

Amtlicher Leitsatz

In der schriftlichen Unterwerfung unter Nr. 19 Abs. 2 - Pfandklausel - der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der gewerblichen Kreditgenossenschaften (Volksbanken), Fassung Januar 1956, kann nicht die Erklärung der Verpfändung einer Grundschuld gefunden werden.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 1973
durch
die Richter Dr. Rothe, Dr. Freitag, Hill, Offterdinger und von der Mühlen
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. Februar 1971 aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 18. Juni 1969 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Tatbestand

1

Das dem Beklagten gehörige Grundstück G.straße ... in W.-H. ist mit einer Briefgrundschuld in Höhe von 10.000 DM belastet. Bei der Grundschuldbestellung hat sich die frühere Eigentümerin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Die Grundschuld ist am 25. April 1961 in notariell beglaubigter Urkunde zur Sicherung eines später getilgten Wechselkredits an die Firma H. GmbH in L. abgetreten worden. Diese Firma, die damals satzungsgemäß von zwei Geschäftsführern vertreten wurde, hatte ihrerseits bei der Volksbank K. eGmbH, die später sich mit einer ändern Volksbank zur Klägerin zusammengeschlossen hat, Kredit aufgenommen. Zur Sicherung dieses Kredits übergab der Geschäftsführer P. am 24. Mai 1961 den genannten Grundschuldbrief samt der Abtretungserklärung vom 25. April 1961 formlos der Volksbank K. Im Jahr 1962 geriet die H. GmbH mit einer Verschuldung bei der Volksbank K. in Höhe von 40.000 DM in Konkurs.

2

Die Klägerin will sich kraft Pfandrechts aus der Grundschuld befriedigen. Mangels Nachweises des Pfandrechts an der in vollstreckbarer Urkunde bestellten Briefgrundschuld durch öffentlich beglaubigte Urkunden begehrt sie die Feststellung, daß die Vollstreckungsklausel zum Grundschuldbrief zu erteilen ist.

3

Unstreitig hat P. am 28. Februar 1961 namens der H. GmbH und am 20. Februar 1962, zu welchem Zeitpunkt er die GmbH allein zu vertreten berechtigt war, ohne Zusatz die den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der gewerblichen Kreditgenossenschaften (Volksbanken), Fassung Januar 1956" anhängende Empfangsbescheinigung unterschrieben. Die hier maßgebende Pfandklausel der AGB (Nr. 19 Abs. 2) lautet:

"Die irgendwie in den Besitz oder die Verfügungsgewalt irgendeiner Stelle der Bank gelangten Wertgegenstände jeder Art (z.B. Wertpapiere, Sammeldepotanteile, Schecks, Wechsel, Devisen, Waren, Konnossemente, Lager- und Ladescheine, Konsortialbeteiligungen, Bezugsrechte und sonstige Rechte jeder Art einschließlich der Ansprüche des Kunden gegen die Bank selbst) dienen, soweit gesetzlich zulässig, als Pfand für alle - auch bedingten oder befristeten - Ansprüche der Bank gegen den Kunden und seine Firma .... Es macht keinen Unterschied, ob die Bank den mittelbaren oder unmittelbaren Besitz, die tatsächliche oder rechtliche Verfügungsgewalt über die Wertgegenstände erlangt hat."

4

Zur Empfangsbescheinigung ist vorgedruckt:

"Wir bitten Sie, die nachstehende Empfangsbescheinigung hier abzutrennen und uns unterschrieben möglichst umgehend zurückzusenden.

An ...

in ...

Hiermit bestätige(n) ich/wir den Empfang Ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Nr. 121/005 Fassung Januar 1956 und erkenne(n) den Inhalt für mich/uns als rechtsverbindlich an.

Ort und DatumStempel und Unterschrift"
......
5

Die Klägerin macht geltend, die Grundschuld sei ihr von der H. GmbH wirksam verpfändet worden.

6

Der für die Verpfändung einer Grundschuld erforderlichen Schriftform sei durch die Unterzeichnung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Februar 1961 und der späteren Genehmigung dieses Rechtsgeschäfts Rechnung getragen.

7

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg.

9

Mit der im Berufungsurteil zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

1.

Die Klägerin sucht als Pfandgläubigerin im Weg der Zwangsvollstreckung mit Hilfe der vollstreckbaren Urkunde Befriedigung aus der das Grundstück des Beklagten belastenden Grundschuld (§ 1291 i.V.m.. § 1282 BGB). Der Klaganspruch setzt voraus, daß sie ein Pfandrecht an der Grundschuld erlangt hat. Die Bestellung des Pfandrechts an einer Grundschuld erfolgt nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§§ 1291, 1274 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist sonach die Einigung über die Bestellung des Pfandrechts an der Grundschuld und die Übergabe des Briefs; die Erteilung der Verpfändungserklärung bedarf der Schriftform (§§ 1192, 1154 Abs. 1 Satz 1 BGB).

11

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verpfändungserklärung in schriftlicher Form durch die Unterzeichnung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Papadimitriou am 28. Februar 1961 erteilt worden, von P. genehmigt als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer der H. GmbH am 20. Februar 1962.

12

2.

Hier kann unerörtert bleiben, ob die zur Abtrennung von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmte und - wie hier zu unterstellen ist - nach der Unterschrift abgetrennte "Empfangsbescheinigung" die nach § 126 Abs. 1 BGB bei Vermeidung der Nichtigkeit der Erklärung (§ 125 BGB) zur Wahrung der Schriftform erforderliche Urkunde darstellt (vgl. dazu RGZ 136, 422, 425; BGHZ 40, 255, 262).

13

Entscheidend ist, daß der Pfandklausel der hier vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der in Nr. 19 Abs. 2 niedergelegten Form eine Erklärung der Grundschuldgläubigerin, an der hier streitigen Grundschuld zugunsten der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Pfandrecht bestellen zu wollen, entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht entnommen werden kann. Eine andere schriftliche Erklärung über die Verpfändung der Grundschuld liegt nicht vor. Nach der genannten Klausel dienen (für die Ansprüche der Bank gegen den Kunden) als Pfand, soweit gesetzlich zulässig, "die irgendwie in den Besitz oder die Verfügungsgewalt irgendeiner Stelle der Bank gelangten Wertgegenstände jeder Art (z.B. Wertpapiere, ... und sonstige Rechte jeder Art ...)". Der Brief, in dessen Besitz die Rechtsvorgängerin der Klägerin allerdings gelangt ist, kann nicht für sich "als Pfand dienen", denn Pfandgegenstand ist ein Anspruch, nämlich das Recht des Grundschuldgläubigers, sich aus dem Grundstück eine bestimmte Geldsumme zahlen zu lassen (§ 1191 Abs. 1 BGB). Die selbständige Verpfändung des Grundschuldbriefs ist ausgeschlossen; ein Pfandrecht am Brief setzt notwendig das Pfandrecht am Recht voraus (§ 952 BGB). Deshalb kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichts die Grundschuld auch dann nicht schon als verpfändet angesehen werden, wenn man den Grundschuldbrief als "Wertpapier" im Sinn des Klammervermerks auffassen wollte. Gegen diese Auslegung spräche im übrigen, daß der über ein Grundpfandrecht erteilte Brief - abgesehen von solchen auf den Inhaber ausgestellten - ein Wertpapier jedenfalls weder im Sinn des Depotgesetzes (Opitz, Depotgesetz, 2. Aufl. § 1 Anm. 3 B e mit Nachw.) noch im Sinn der §§ 369, 370 HGB (RGZ 149, 93, 95; Robrecht, Betrieb 1969, 868, 870) ist. Die Übergabe des Briefs ist zwar zur Begründung des Pfandrechts notwendig; sie allein vermag aber die Entstehung des Pfandrechts am Recht nicht zu bewirken. Erforderlich wäre dazu vielmehr weiterhin die schriftliche Erklärung, an Briefgrundschulden, im einzelnen bestimmt als diejenigen, deren Briefe in den Besitz der Bank kommen, ein Pfandrecht bestellen zu wollen. Dieser Wille kommt aber in Nr. 19 Abs. 2 AGB nicht zum Ausdruck, und zwar auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, das Anerkenntnis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stelle schon das dingliche Rechtsgeschäft zur Sicherstellung für alle, auch zukünftige Forderungen der Klägerin dar und es sollten durch dieses Geschäft auch die erst zukünftig in den Besitz der Klägerin gelangenden Vermögenswerte des Bankkunden erfaßt sein (RGZ 84, 1, 5).

14

Dahinstehen mag, ob mit dem Reichsgerichtsurteil vom 2. Mai 1933 (WarnRspr 25 Nr. 115 = LZ 1933, 932) ganz allgemein für den Fall, das Hypotheken und Grundschulden als Sicherheiten in der Pfandklausel erwähnt sind, angenommen werden kann, der Pfandgegenstand sei hinreichend bestimmt (vgl. dazu auch Staudinger/Spreng, BGB 11. Aufl., § 1274 Anm. 8 b; Erman/Roncke, BGB, 5. Aufl., § 1274, Anm. 1; Soergel/Augustin, BGB, 10. Aufl., § 1274 Rdn. 2; BGB RGRK, 11. Aufl., § 1274 Anm. 4). Nach Ansicht des Reichsgerichts (a.a.O.) sollen dann diejenigen Hypotheken oder Grundschulden verpfändet sein, deren Briefe künftig in den Besitz der Bank gelangen würden. Der Pfandgegenstand sei damit durch ein zukünftiges Ereignis zweifelsfrei näher bestimmt; es sei nicht erforderlich, daß der Eintritt dieser in der Urkunde bezeichneten zukünftigen Ereignisse in der Verpflichtungserklärung oder in einer Ergänzungsurkunde schriftlich beurkundet würde. Bedenken erheben dagegen unter Berücksichtigung des Zwecks der Formvorschrift und der Vorstellungen eines Bankkunden bei der Unterzeichnung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Haupt (Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der deutschen Banken, S. 178 ff), Duden (Vorträge für Sparkassenprüfer, September 1956 S. 55, 62), Liesecke (WM 1969, 546, 552 f) und Schaarschmidt (Die Sparkassenkredite, 4. Aufl., S. 14 Rdn. 42). Offen gelassen ist diese Frage in den Erläuterungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen- und Girozentralen, herausgegeben vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V., Bonn, (Rdn. 226).

15

Bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist von dem Verständnis des Durchschnittskunden auszugehen. Es ist der typische Sinn der Bedingungen zu ermitteln (BGHZ 33, 216, 218; LM BGB § 455 Nr. 20; § 157 (Gf) Nr. 5; WM 1971, 722 = BB 1971, 802). Von diesem Blickpunkt aus kann das Briefgrundpfandrecht nicht als "ein Wertgegenstand" verstanden werden, der durch Übergabe des Briefs "in den Besitz oder die Verfügungsgewalt der Bank" gelangt. Ein dingliches Recht, wie das Briefgrundpfandrecht, gelangt nicht durch die Übergabe des Briefs, sondern wesentlich durch die Abtretung des Rechts "in die Verfügungsgewalt"eines anderen. Es besteht insbesondere kein Anlaß, die Klausel in § 19 Abs. 2 AGB dahin erweiternd auszulegen, daß etwa der Besitz am Brief genügen sollte, um ein Pfandrecht an dem durch ihn ausgewiesenen Grundpfandrecht zu begründen (anders für eine besonders geartete Individualerklärung RGZ 149, 93, 95). Eine solche erweiternde Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen verbietet sich schon deshalb, weil Unklarheiten bei deren Abfassung zu Lasten der Partei gehen, die diese Bedingungen formuliert hat oder verwendet und diese Vertragsgestaltung dem Partner vorschreibt. Abgesehen davon liegt entgegen den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts nahe, daß in den hier vorliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen - ebenso wie in denjenigen der Privatbanken - Hypotheken und Grundschulden im Gegensatz zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen absichtlich nicht etwähnt sind (vgl. Schütz, Bankgeschäftliches Formularbuch, 18. Aufl., S. 496 unter Nr. 7). Unter Berücksichtigung der Vorstellungen eines verständigen und redlichen Bankkunden kann daher dem Berufungsgericht darin nicht gefolgt werden, daß "ganz offensichtlich alle Papiere, die Rechte verkörpern oder auch nur zu deren Geltendmachung legitimieren oder eine Beweisführung erleichtern, in der Aufzählung erfaßt" seien und daher in der Pfandklausel "auch Briefgrundschulden gemeint" seien.

16

Da die Verpfändungserklärung der Schriftform bedarf, ist die mündliche Erklärung des Geschäftsführers der H. GmbH bei der Briefübergabe ("damit Sie gedeckt sind") unerheblich.

17

Mangels rechtswirksamer Verpfändung der Grundschuld erweist sich die Klage sonach als unbegründet, ohne daß auf die weiteren Revisionsrügen einzugehen ist.

18

3.

Dementsprechend war die Klage unter Aufhebung des angefochtenen und Abänderung des erstinstanzlichen Urteils mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

Rothe
Dr. Freitag
Hill
Offterdinger
von der Mühlen