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Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.01.1972, Az.: II ZR 86/69

Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung; Aufhebung einer Gemeinschaft; Gründung einer Gemeinschaft durch Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
31.01.1972
Aktenzeichen
II ZR 86/69
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1972, 11581
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 20.02.1969
LG Kempten

Fundstellen

  • BGHZ 58, 146 - 149
  • DB 1972, 772-773 (Volltext mit amtl. LS)
  • JR 1972, 248
  • JZ 1972, 403-404 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1972, 487-488 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1972, 818-820 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Anni S. O. B.straße ...

Prozessgegner

Agathe Bi., Bil., H.straße ...

Amtlicher Leitsatz

Unter besonderen Umständen kann ein Teilhaber, der die Aufhebung der Gemeinschaft betreibt, nach Treu und Glauben gehalten sein, auf die Zwangsversteigerung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes zu verzichten und sich mit einem auch seinen Interessen gerecht werdenden und zumutbaren Realteilungsvorschlag des anderen Teilhabers abzufinden.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 1972
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Stimpel und
der Bundesrichter Fleck, Dr. Bauer, Dr. Kellermann und Dr. Tidow
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 20. Februar 1969 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien, Schwestern, sind gleichberechtigte gemeinschaftliche Eigentümer von elf auf der Gemarkung von O. gelegenen Grundstücken, von denen sie neun im Jahre 1935 im Rahmen einer Erbauseinandersetzung mit ihrer Mutter und weiteren Geschwistern übernommen und zwei nachträglich erworben haben. Die Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung dieser Grundstücke zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Antrag,

die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

2

Den Antrag stützt sie im wesentlichen auf folgendes Vorbringen:

3

Bei dem im Jahre 1935 von den Parteien übernommenen Grundstücken handle es sich um alten Familienbesitz. Dieser, insbesondere das auf dem Grundstück P.straße ... stehende und von der Klägerin seit vielen Jahren allein geführte Fremdenheim "Forsthaus am K.", habe nach dem mehrfach mündlich geäußerten Willen des im Jahre 1922 verstorbenen Vaters der Parteien als lebenslange Existenzgrundlage für die unverheirateten und auch anderweitig nicht versorgten Töchter gelten sollen. Deshalb hätten im Jahre 1935 die Mutter und die anderen Geschwister den O. Grundbesitz den Parteien gegen eine geringe Barabfindung überlassen. Dabei sei auch die Beklagte, die - unbestrittenbis kurz vor ihrer im Jahre 1943 erfolgten Verehelichung das Fremdenheim gemeinsam mit der Klägerin geführt hat, einverstanden gewesen, daß die O. Grundstücke bis zum Ableben der Parteien ungeteilter Familienbesitz hätten bleiben sollen. Das habe sie auch später der Klägerin noch wiederholt erklärt. Außerdem stehe dem Zwangsversteigerungsbegehren der Beklagten entgegen, "daß der gemeinschaftliche Grundbesitz der Parteien sich ohne Verminderung des Wertes in zwei gleichartige, den Anteilen der Parteien, also je 50 % entsprechende Teile zerlegen" lasse.

4

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie bestreitet, daß zwischen den Parteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden sei, die Aufhebung der Gemeinschaft könne vor ihrem Ableben nicht verlangt werden. Richtig an dem Vorbringen der Klägerin hierzu sei lediglich, daß alle Beteiligten beim Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages im Jahre 1935 davon ausgegangen seien, für die Parteien solle durch die Überlassung des O. Grundbesitzes, insbesondere des Fremdenheimes, eine Existenzgrundlage geschaffen werden. Auch sei eine Teilung der Grundstücke in Natur überhaupt nicht oder nur mit Wertverlust möglich.

5

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

Das angefochtene Urteil hält nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

7

1.

Nach § 749 Abs. 1 BGB kann jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Dieses Recht kann, wie sich aus § 749 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt, durch Vereinbarung für immer oder auf Zeit ausgeschlossen werden. Das Berufungsgericht hat nicht festzustellen vermocht, daß eine solche Vereinbarung zwischen den Parteien besteht. Hiergegen wendet sich die Revision mit Verfahrensrügen aus § 286 ZPO. Diese sind nicht begründet.

8

Die Revision ist der Ansicht, das Berufungsgericht habe übersehen, daß es - nach den Bekundungen der Beklagten und der Zeugin St. - den Beteiligten des Auseinandersetzungsvertrages darum gegangen sei, den ledig gebliebenen Töchtern für die Zeit ihres ledigen Standes mit Hilfe des Familienbesitzes den Unterhalt zu sichern. Das trifft nicht zu, wie die auf Grund des Beweisergebnisses getroffene Feststellung des Berufungsgerichts (BU S. 12 unten/13 oben) zeigt, die Beteiligten hätten den Auseinandersetzungsvertrag mit dem Zweck geschlossen, den Familienbesitz als Ganzes zu erhalten und mit ihm die Existenz der Parteien zu sichern. Wenn die Revision weiter rügt, das Berufungsgericht habe bei der Würdigung der Zeugenaussagen nicht fragen dürfen, ob die Beteiligten des Auseinandersetzungsvertrages das Schicksal des Familiengutes "für alle Zukunft" hätten bestimmen wollen, so mißversteht sie insoweit das angefochtene Urteil. Die Frage ging, wie der Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts ohne weiteres ergibt, lediglich dahin, ob die Vertragschließenden davon ausgegangen seien, daß die Aufhebung der Gemeinschaft zwischen den Parteien für alle Zukunft ausgeschlossen sein sollte. Auch kann der Revision nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, die Auslegung der Aussagen der Zeuginnen Stillrich und Schwarzkopf durch das Berufungsgericht sei unmöglich. Zwar ist es richtig, daß die Zeuginnen bekundet haben, Zweck des Auseinandersetzungsvertrages sei es gewesen, den Familienbesitz als Ganzes zu erhalten und mit ihm die Existenz der Parteien zu sichern. Diese Aussagen zwingen jedoch nicht zu der Annahme, mit dem Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages hätten die den Familienbesitz übernehmenden, übrigens zu dessen teilweiser oder vollständigen Weiterveräußerung befugten (vgl. Ziff. IX des Vertrages) Parteien zugleich verbindlich die Aufhebung der Gemeinschaft zu ihren Lebzeiten oder zumindest solange ausgeschlossen, als eine von ihnen das Fremdenheim betreibe.

9

2.

Nach § 752 Satz 1 BGB erfolgt die Aufhebung der Gemeinschaft durch Teilung in Natur, wenn der gemeinschaftliche Gegenstand oder, falls mehrere Gegenstände gemeinschaftlich sind, diese sich ohne Verminderung des Wertes in gleichartige, den Anteilen der Teilhaber entsprechende Teile zerlegen lassen. Daß eine solche Teilung der gemeinschaftlichen, in zwei Fällen bebauten Grundstücke der Parteien möglich ist, hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Es kann deshalb unerörtert bleiben, ob, wie die Revision meint, die Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkte auf einem Verfahrensverstoß beruhen.

10

3.

Ist die Teilung in Natur ausgeschlossen, so wird die Gemeinschaft bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses aufgehoben (§ 753 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hingegen sehen die Vorschriften über die Aufhebung der Gemeinschaft nicht die Möglichkeit einer richterlichen Teilung vor (§§ 749 ff BGB). Von ihr hat der Gesetzgeber bewußt abgesehen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß eine Realteilung von nicht gleichartig teilbaren Gegenständen durch Gestaltungsakt den Richter vor kaum befriedigend zu lösende Schwierigkeiten stellen und sich der auch im Gemeinschaftsrecht geltende Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Teilhaber regelmäßig nur durch eine Umsetzung des gemeinschaftlichen Gegenstandes in Geld und dessen Verteilung zuverlässig erreichen lassen werde (vgl. Mot. II S. 883). Wegen dieser gesetzgeberischen Entscheidung ist es zwar nicht möglich, dem Teilhaber, der die Aufhebung betreibt, aus bloßen Billigkeitserwägungen das Recht auf Zwangsversteigerung zugunsten einer anderen Teilungsart zu versagen, zumal in Versteigerungsfällen mehr oder weniger Härten und Unbilligkeiten fast immer unvermeidbar und vom Gesetzgeber offenbar in Kauf genommen worden sind. Das schließt aber nicht aus, daß sich im Einzelfall das allgemeine Rechtsprinzip von Treu und Glauben auch gegenüber der Vorschrift des § 753 Abs. 1 BGB durchsetzt, die Aufhebung der Gemeinschaft gerade durch Zwangsversteigerung als unzulässige Rechtsausübung erscheint und sich der betreibende Teilhaber auf eine vom anderen Teil vorgeschlagene und vom Richter gebilligte Realteilung verweisen lassen muß. Das kann in Betracht kommen, wenn einerseits die Versteigerung die widersprechende Partei wesentlich härter treffen würde, als das im allgemeinen der Fall ist, und wenn außerdem dem betreibenden Teil - etwa aus Gründen der Entstehung der Gemeinschaft oder des ihr beiderseits zugrunde gelegten Zwecks - angesonnen werden kann, darauf Rücksicht zu nehmen. Liegen solche Umstände vor und macht der Teilhaber, der sich der Versteigerung widersetzt, vor oder im Widerspruchsprozeß einen Vorschlag zur Realteilung in gleichwertige Teile, der die ihn treffenden Härten entscheidend mildern würde, der aber auch den berechtigten Interessen des Teilhabers, der die Aufhebung verlangt, gerecht wird und diesem zuzumuten ist, dann kann dieser gehalten sein, den Vorschlag anzunehmen oder ganz auf die Aufhebung der Gemeinschaft zu verzichten.

11

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem sonstigen Parteivortrag kann das hier in Betracht kommen. Bei Abschluß des Erbauseinandersetzungsvertrages vom 8. Februar 1935, durch den die Gemeinschaft der Parteien begründet worden ist, war allen Beteiligten bekannt, daß der bereits im Jahre 1922 verstorbene Vater der Parteien mehrfach den Wunsch geäußert hatte, die O. Grundstücke sollten den ledig bleibenden und auch sonst nicht versorgten Töchtern zufallen. In Übereinstimmung mit diesem Wunsche verfolgten alle Beteiligten bei Vertragsschluß unstreitig den Zweck, den Parteien durch die Übertragung des O. Grundbesitzes, insbesondere des Fremdenheimes, eine wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen. Wie sehr für sie alle dieser Gesichtspunkt im Vordergrund ihrer Überlegungen gestanden hat, zeigt die weiter getroffene Abrede, daß sämtliche von den Parteien an ihre Mutter und an ihre Geschwister noch zu zahlenden Abfindungsbeträge solange nicht kündbar sein sollten, als die Parteien diese Beträge pünktlich mit 4 % jährlich verzinsten und beide oder eine von ihnen Miteigentümer oder Alleineigentümer des überlassenen Grundbesitzes oder wenigstens des Fremdenheimes waren (vgl. Ziff. II Abs. 4 des Vertrages). Entsprechend den Absichten des Auseinandersetzungsvertrages fanden zunächst auch beide Parteien ihre wirtschaftliche Existenz in der gemeinsamen Nutzung der übertragenen Grundstücke, insbesondere in dem Betrieb des Fremdenheimes. Dabei verblieb es, bis die Beklagte im Jahre 1943 heiratete. Das änderte aber nichts an der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Grundbesitzes. Diese erfüllt sich nunmehr darin, daß die Nutzung der Grundstücke, insbesondere die Führung des Fremdenheimes, die wirtschaftliche Existenz der 69jährigen Klägerin bildet.

12

Dieser Sachverhalt dürfte angesichts des der Klägerin im Versteigerungsfall drohenden Verlusts ihrer bisherigen Lebensgrundlage - vorbehaltlich einer abschließenden tatrichterlichen Würdigung - ausreichen, um der Beklagten zuzumuten, sich mit einem Realteilungsvorschlag der Klägerin abzufinden, sofern dieser den oben dargelegten Anforderungen entspricht. Da die Klägerin ihrerseits, wie ihr Vortrag in den Vorinstanzen erkennen läßt, zu einer realen Teilung des Grundbesitzes bereit ist, die zu wertmäßig gleichen Teilen - gegebenenfalls unter Ausgleich eines Spitzenbetrages durch sie - führen, ihr aber den Weiterbetrieb des Fremdenheimes ermöglichen soll, muß die Sache unter diesem rechtlichen Gesichtspunkte in der Tatsacheninstanz nochmals geprüft, den Parteien zur Ergänzung ihres Sachvortrages sowie der Klägerin zur Vorlage eines näher begründeten Teilungsvorschlages Gelegenheit gegeben werden. Dazu ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Stimpel
Fleck
Dr. Bauer
Dr. Kellermann
Dr. Tidow