Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.12.1971, Az.: IV ZR 42/70
Zulässigkeit von Einwänden gegen den Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Endvermögens im Rahmen der Scheidung einer Ehe; Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen den Auskunftsanspruch aus § 1379 BGB; Rechtswirksamer Verzicht auf einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.12.1971
- Aktenzeichen
- IV ZR 42/70
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11174
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 29.04.1970
- LG Düsseldorf
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1972, 280-281 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1972, 309 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1972, 433-434 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Man kann einem Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Endvermögens nicht den Einwand entgegensetzen, dass die Ehe schon nach wenigen Jahren wieder geschieden worden sei und dass sogar während ihres Bestehens die eheliche Gemeinschaft nicht in vollem Umfang verwirklicht worden sei.
- 2.
Bei dem Auskunftsanspruch aus § 1379 BGB handelt es sich lediglich um einen Hilfsanspruch, der zur Verwirklichung der Ausgleichsforderung gemäß § 1378 BGB dient.
Diesem Hilfsanspruch kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden, sofern ausnahmsweise nicht zweifelhaft sein kann, dass demjenigen, der Auskunft begehrt, keine Ausgleichsforderung zusteht.
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 1971
unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Hauß und
der Bundesrichter Johannsen, Dr. Pfretzschner, Dr. Bukow und Dr. Buchholz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. April 1970 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Ihre am 30. August 1960 geschlossene Ehe wurde auf die am 29. Juni 1963 zugestellte Klage des Ehemannes und auf die Widerklage der Ehefrau durch ein seit dem 5. August 1966 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. März 1966 geschieden. Die Klägerin betrieb vor der Ehe und betreibt jetzt noch ein Maklerbüro. Von dessen Ertrag unterhält sie sich, ihren Sohn aus erster Ehe und ihre Mutter, die ihren Haushalt führt. Der Beklagte besitzt Häuser. Er befaßt sich mit deren Verwaltung und ist außerdem als Architekt tätig.
Die Klägerin hat zunächst mit der Klage beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr über den Bestand seines Vermögens am 31. Mai 1963 Auskunft zu erteilen.
Durch einen am 6. Januar 1969 zugestellten Schriftsatz hat sie die Klage erweitert und den Antrag wie folgt gefaßt:
den Beklagten zu verurteilen, ihr über den Bestand seines Vermögens per 31. Mai 1963 durch Vorlage eines Verzeichnisses seines Vermögensbestandes, aus dem sich der Wert der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten ergibt, Auskunft zu erteilen, nach Auskunftserteilung den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Ausgleichsforderung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.
Er hat die Auskunft unter Berufung auf § 1381 BGB verweigert und dazu vorgetragen: Die Erfüllung der Ausgleichsforderung, deren sich die Klägerin berühme, sei unbillig. Die Klägerin habe während des Bestandes der Ehe ihre wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben hätten, schuldhaft nicht erfüllt. Sie habe es ohne Grund abgelehnt, mit ihm einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Dadurch hätten die Parteien niemals in ehelicher Gemeinschaft und kaum einen Tag zusammengelebt. Bereits kurz nach der Heirat habe sie von ihm die Übereignung von drei Grundstücken und die Adoption ihres Sohnes gefordert. Sie habe außerdem abgelehnt, in seinem Geschäft oder bei der Verwaltung seines Haus- und Grundbesitzes tätig zu sein. Das sei ihr auch im Ehescheidungsurteil zur Last gelegt worden. Die Klägerin habe ihre Wohnung und ihr Geschäft nicht aufgegeben, weil sie von vornherein beabsichtigt habe, nach Erlangung entsprechender Vermögensvorteile "wieder abzuspringen". Sie habe außerdem in einem Schreiben an ihn, den Beklagten, vom 14. Oktober 1960 erklärt, sie verzichte auf Zugewinn und stelle zukünftig keine Ansprüche. Auch in einem Entwurf eines Vergleichs im Zusammenhang mit dem Klageentwurf einer 1962 beabsichtigten Ehescheidungsklage sei enthalten gewesen, daß die Parteien wechselseitig auf Ansprüche aus Zugewinn verzichteten. Schließlich hätten die Parteien auch im Laufe des Verfahrens, das zur Scheidung ihrer Ehe geführt hat, eine Vereinbarung getroffen, bei der die Klägerin auf ihren Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns verzichtet habe. Außerdem sei dieser Anspruch verjährt.
Die Klägerin hat das Vorbringen des Beklagten bestritten. Insbesondere hat sie geltend gemacht, sie habe durchaus gute Gründe gehabt, das Verlangen des Beklagten nach Herstellung der ehelichen Gemeinschaft wegen der unbilligen und unzumutbaren Bedingungen, die der Beklagte gestellt habe, zu verweigern.
Dem ist der Beklagte wiederum entgegengetreten.
Das Landgericht hat den Beklagten durch Teilurteil zur Erteilung der Auskunft über den Bestand seines Vermögens am 31. Mai 1963 verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dieser hat Revision eingelegt. Er verfolgt seinen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Klägerin könnte von dem Beklagten keine Auskunft über den Bestand seines Endvermögens verlangen, wenn sie rechtswirksam auf einen ihr etwa zustehenden Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns verzichtet hätte. Zwar können die Parteien im Verlaufe eines anhängigen Ehescheidungsverfahrens für den Fall, daß die Ehe auf die Klage geschieden wird, eine Vereinbarung über den Ausgleich des Zugewinns treffen. Eine solche Vereinbarung ist nicht formbedürftig, und § 1378 Abs. 3 Halbsatz 2 BGB steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen (BGHZ 54, 38). Die Parteien haben auch, wie sich aus dem Schriftsatz des damaligen Klägers, jetzigen Beklagten, vom 29. August 1964 und dem gemeinsamen Schriftsatz der Parteien vom 27. Oktober 1964 ergibt, im Verlaufe ihres Ehescheidungsverfahrens eine Scheidungsvereinbarung getroffen. Danach sollte die Ehe aus der alleinigen Schuld der Klägerin geschieden werden. Sie wollte die Kosten des Scheidungsprozesses übernehmen und verzichtete auf alle ihr etwa gegen den jetzigen Beklagten zustehenden Ansprüche.
Dieser Verzicht galt aber nur für den Fall, daß die Ehe der Parteien entsprechend der getroffenen Vereinbarung alsbald geschieden wurde. Sie war gegenstandslos, da es hierzu nicht gekommen ist. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, daß die Angaben der damaligen Beklagten, jetzigen Klägerin, über die von ihr eingeräumten Eheverfehlungen der Wahrheit entsprachen. Der Rechtsstreit mußte daher streitig weitergeführt werden. Die damalige Beklagte, jetzige Klägerin, machte ihre Widerklage, die sie zuvor auf Grund der Vereinbarung zurückgenommen hatte, erneut geltend. Die Parteien haben noch fast zwei Jahre gestritten, bis das Landgericht durch Urteil vom 24. März 1966 schließlich die Ehe auf die Klage und Widerklage aus gleicher Schuld beider Parteien geschieden hat. Danach hat die Klägerin nicht wirksam auf ihren Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns verzichtet.
Die Klägerin kann daher von dem Beklagten grundsätzlich Auskunft über den Bestand seines Endvermögens verlangen.
Jeder Ehegatte hat nach Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand seines Endvermögens ohne Rücksicht darauf, ob ihm tatsächlich eine Ausgleichsforderung gegen den anderen Ehegatten zusteht. Der Auskunftsanspruch soll ihm ermöglichen, sich Klarheit über das Bestehen einer solchen Forderung zu verschaffen. Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist daher allein, daß die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben und daß dieser Güterstand endete. Der beklagte Ehegatte kann gegenüber seiner Pflicht, Auskunft zu erteilen, grundsätzlich nicht einwenden, daß er nach § 1381 BGB berechtigt sei, die Erfüllung der Ausgleichsforderung zu verweigern (BGHZ 44, 163). Denn auch über die Berechtigung dieses Einwands kann nur entschieden werden, wenn überhaupt Klarheit darüber besteht, in welcher Höhe ein auszugleichender Zugewinn vorhanden ist.
Der Anspruch auf Auskunft nach § 1379 BGB ist nur ein Hilfsanspruch, der der Verwirklichung der Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB dient. Ihm kann der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengesetzt werden, wenn ausnahmsweise einmal nicht zweifelhaft sein kann, daß dem Auskunft Begehrenden keine Ausgleichsforderung zusteht.
Die Voraussetzungen, unter denen der auf Auskunft in Anspruch genommene Ehegatte geltend machen kann, das Verlangen sei rechtsmißbräuchlich, liegen hier nicht vor. Zwar ist die Klage auf Scheidung der Ehe bereits erhoben worden, als die Ehe noch nicht drei Jahre bestanden hatte und es ist auch während ihres Bestehens die eheliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten nicht in vollem Umfang hergestellt worden. Das führt indes nicht dazu, der Klägerin jeglichen Anspruch auf Zugewinnausgleich zu versagen. Die Parteien hatten ihre Ehe nicht etwa nur der Form halber ohne die Absicht geschlossen, eine eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Zu einer vollen Verwirklichung dieser Gemeinschaft ist es nicht gekommen, weil dem auf Seiten beider Parteien Schwierigkeiten entgegenstanden. Die Klägerin hatte für Ihren Sohn aus erster Ehe und für ihre Mutter zu sorgen. Sie war berufstätig, und es konnte ihr nicht verargt werden, wenn sie sich nicht bereit fand, ihren Beruf aufzugeben, bevor nicht ihre und ihrer Angehörigen Zukunft ausreichend gesichert war. Der Beklagte hatte sich schwerer Eheverfehlungen schuldig gemacht, die die Klägerin berechtigten, die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft zu verweigern. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, daß der Beklagte berechtigt ist, die Befriedigung der Zugewinnausgleichsforderung in voller Höhe zu verweigern.
Wenn er aber dazu nicht berechtigt ist, muß er Auskunft über den Bestand seines Endvermögens erteilen, denn nur wenn feststeht, in welcher Höhe überhaupt ein auszugleichender Zugewinn erzielt ist, kann entschieden werden, ob und inwieweit der Ausgleich des Zugewinns nach den hier gegebenen Umständen grob unbillig im Sinne des § 1381 BGB ist (BGHZ a.a.O.).
Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter dargelegt, daß der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns auch nicht verjährt ist. Die Verjährung ist durch Zustellung des Schriftsatzes der Klägerin vom 23. Dezember 1968 am 6. Januar 1969 unterbrochen worden. Die Klägerin konnte ihren Anspruch, solange der Beklagte keine Auskunft erteilt hatte, nicht beziffern. Da der Beklagte sich darauf berief, daß die Erfüllung der Ausgleichsforderung nach § 1381 BGB grob unbillig sei, konnte die Klägerin dem in der Weise Rechnung tragen, daß sie die Höhe des an sie zu zahlenden Betrags in das Ermessen des Gerichts stellte. Dieser so formulierte Zahlungsantrag genügte in dem hier zu entscheidenden Fall, um die Verjährung nach § 209 BGB zu unterbrechen.
Johannsen
Dr. Pfretzschner
Dr. Bukow
Dr. Buchholz