Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.07.1971, Az.: VIII ZR 28/70
Auszug des Mieters aus der Wohnung ohne zuvor Instandsetzungen vornehmen zu lassen; Möglichkeit des Vermieters ohne eine Frist zu setzen mit der Androhung der Ablehnung der Annahme der Leistung Schadenersatz zu verlangen; Unterschied zwischen einer Zahlungsaufforderung und einer schriftlichen Aufforderung zur Instandsetzung; Anforderungen an die ernsthafte und endgültige Verweigerung seitens des Mieters; Wertung des Auszugs des Mieters ohne die Vornahme der Instandsetzungen als endgültige Erfüllungsverweigerung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.07.1971
- Aktenzeichen
- VIII ZR 28/70
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11984
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 12.01.1970
- LG Krefeld
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DB 1971, 1614-1615 (Volltext)
- MDR 1971, 1002 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Dipl.-Kaufmann Hilmar P. K. in D., G.straße ...
Prozessgegner
Regierungsbaurat a.D. Wilhelm S. in Kr., B.straße ...
Amtlicher Leitsatz
In dem Auszug des Mieters ohne Vornahme der vertraglich übernommenen Instandsetzungen kann bereits eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Haidinger sowie
der Bundesrichter Dr. Mezger, Mormann, Braxmaier und Dr. Hiddemann
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 1970 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von 565,60 DM verurteilt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, soweit über sie nicht bereits erkannt ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
- 2.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
- 3.
Der Beklagte hat 4/5 der Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Der Beklagte war vom 1. Oktober 1961 bis 31. März 1968 Mieter einer Wohnung im Hause des Klägers in Kr., B.straße ... § 9 des Mietvertrages lautete auszugsweise:
"2.
Für Beschädigungen der Mieträume und des Gebäudes sowie der zu den Mieträumen oder zu dem Gebäude gehörigen Anlagen ist der Mieter ersatzpflichtig, soweit sie von ihm oder zu seinem Haushalt gehörigen Personen, Untermietern, Besuchern, Lieferanten usw. verursacht sind. Der Mieter hat die Beweispflicht dafür, daß ein schuldhaftes Verhalten nicht vorgelegen hat.3.
Die Kosten der Schönheitsreparaturen, und zwar auch der ersten Schönheitsreparatur, sowie der Instandhaltung der Mieträume (kleinere Reparaturen an Rolläden, Licht- und Klingelanlagen, Schlössern, Wasserhähnen, Wasch- und Abflußbecken, Abort), trägt der Mieter. Der Vermieter ist berechtigt, die Ausführung der Schönheitsreparaturen für Küchen in einem Zeitraum von drei Jahren, für andere Räume in einem solchen von vier bis sechs Jahren zu verlangen.4.
Etwaiges Ungeziefer hat der Mieter in jedem Falle auf eigene Kosten durch einen Fachmann beseitigen zu lassen, ohne daß es auf den Nachweis des Einschleppens ankommt.5.
Läßt der Mieter die ihm obliegenden Reparaturen oder die Ungezieferbeseitigung auf schriftliche Aufforderung des Vermieters nicht unverzüglich ausführen, so ist der Vermieter berechtigt, die Ausführung auf Kosten des Mieters vornehmen zu lassen."
Der Beklagte zog aus, ohne Instandsetzungen vernehmen zu lassen. Der Kläger und der neue Mieter der Wohnung, Dr. P. ließen Renovierungsarbeiten und eine Bekämpfung von Ungeziefer (sog. Silberfischchen) vornehmen. Am 26. April 1968 schrieb der Kläger an den Beklagten:
"Bei der Übergabe Ihrer Wohnung B. str. ... habe ich bereits Ihrer Gattin in Gegenwart von Zeugen gesagt, daß ich die Wohnung in dem mir angebotenen Zustand nicht abnehmen würde.
Soweit ich bis jetzt übersehe, kostet die Instandsetzung der Wohnung über 4.000,- DM. Allein der Anstreichermeister verlangt für die Herrichtung der Wohnung 3.000,- DM.
In Anbetracht des bisherigen guten Einvernehmens und der klaren Rechtslage schlage ich Ihnen eine gütliche Einigung ohne Anerkenntnis irgendeiner Rechtspflicht vor. Ich bin bereit, mit einer Vergleichssumme von
2.500,00 DM
den Fall als erledigt zu betrachten.
Sollten Sie mein Angebot ablehnen und eine gerichtliche Auseinandersetzung erforderlich werden, müßte ich allerdings auf Zahlung der gesamten Instandsetzungskosten nebst 9 % Bankzinsen seit dem 1.5.ds.Js. bestehen.
Da die Verjährungsfrist in Kürze einsetzt, bin ich gezwungen, Ihnen eine Erklärungsfrist bis zum 30.4.1968 zu setzen.
Nach fruchtlosem Ablauf bin ich gehalten - um den Anspruch nicht untergehen zu lassen -, Ihnen einen Zahlungsbefehl in Höhe von 4.500,- DM zustellen zu lassen. Die Unterlagen werde ich Ihnen dann nach dem 30.4. - sobald ich sie alle beisammen habe - zustellen."
Der Beklagte leistete - auch auf eine Zahlungsaufforderung des Klägers vom 25. Juni 1968 über 4.500 DM - nicht.
Der Kläger hat den zuletzt genannten Betrag als Teilbetrag angeblicher Instandsetzungskosten von zusammen 8.360,27 DM eingeklagt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im übrigen in Höhe von 2.653,58 DM stattgegeben und die Revision zugelassen. Der Beklagte erstrebt mit der Revision die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Der Kläger hat beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A.
Zum Anspruchsgrund
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen positiver Forderungsverletzung begründet. Der Beklagte habe es abgelehnt, die geschuldete Leistung, nämlich die Instandsetzung der Wohnung, zu erbringen. Der Kläger könne demnach, ohne nach § 326 BGB eine Frist verbunden mit der Androhung der Ablehnung der Annahme der Leistung setzen zu müssen, Schadenersatz verlangen. Diesem Ersatzanspruch stehe nach BGHZ 49, 56 [BGH 15.11.1967 - VIII ZR 150/65] nicht entgegen, daß Dr. P. einen Teil der Instandsetzungsarbeiten auf Grund des mit dem Kläger geschlossenen neuen Mietvertrages auf seine Kosten habe vornehmen lassen.
II.
Die Revision greift diese Ausführung lediglich insoweit an, als das Berufungsgericht angenommen hat, der Kläger habe dem Beklagten keine Frist nach § 326 BGB zu setzen brauchen. Sie kann in diesem Punkte keinen Erfolg haben.
1.
Das Berufungsgericht hat die Verurteilung des Beklagten mit Recht nicht auf § 9 Nr. 5 des Mietvertrages gestützt. Auch wenn man davon ausgeht, daß diese Bestimmung nur eine besondere Form des in § 9 Nr. 3 geregelten Erfüllungsanspruchs des Klägers durch Zubilligung des Rechts zur Selbstvornahme enthält, so kann der Kläger Zahlung nach dieser Vertragsvorschrift nicht verlangen. Der Zahlungsanspruch nach § 9 Nr. 5 setzt nämlich eine schriftliche Aufforderung des Vermieters zur Instandsetzung und Ungezieferbeseitigung voraus. Eine solche ist nicht ergangen. Das Schreiben vom 26. April 1968 enthält lediglich eine Zahlungsaufforderung.
Scheidet § 9 Nr. 5 als Anspruchsgrundlage aus, so kommt es in der Tat darauf an, ob dem Kläger trotz fehlender Fristsetzung ein Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten zusteht; denn daß schon § 9 Nr. 3 einen Zahlungsanspruch gewährt, hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers gerade nicht festgestellt.
2.
Die Revision vermißt zu Unrecht hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob der Beklagte die ihm nach § 9 des Mietvertrages obliegende Durchführung von Arbeiten in der Mietwohnung ernsthaft und endgültig verweigert hat.
a)
Es stellt auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme rechtlich einwandfrei fest, die Wohnung habe beim Auszug des Beklagten einen ungepflegten Eindruck gemacht und sei stellenweise beschädigt gewesen. Schäden seien am Holzwerk der Türen und Türverkleidungen, an den Fensternischen und an den Steckern und Schaltern der elektrischen Anlage vorhanden gewesen. Darüber hinaus habe dem gesamten Holzwerk der Anstrich gefehlt. Fliesen und Armaturen in Küche und Bad seien beschädigt gewesen und die gesamte Wohnung habe starke Abwohnungserscheinungen aufgewiesen.
Diese Feststellungen werden von der Revision nicht angegriffen. Bei einem solchen Sachverhalt liegt es nahe, in der Tatsache des Auszugs des Mieters ohne Vornahme der vertraglich übernommenen Instandsetzungen bereits eine endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen.
b)
Das gilt jedenfalls bei einem Mietvertrag, der die Instandsetzungspflicht in der Weise regelt, wie es hier zwischen dem Kläger und dem Beklagten der Fall war. Der Beklagte hatte im Mietvertrag nicht nur, wie sonst häufig, schlicht die Schönheitsreparaturen übernommen. Er hatte alle Schäden zu beseitigen, soweit er nicht nachweisen konnte, daß sie nicht von ihm, zu seinem Haushalt gehörenden Personen, Besuchern, Lieferanten usw. herrührten (§ 9 Nr. 2). Durch den Mietvertrag war überdies klargestellt, daß es nicht seinem Belieben überlassen war, ob er Schönheitsreparaturen für erforderlich hielt und demnach ausführen lassen mußte (§ 9 Nr. 3 Satz 3; vgl. zu einer nahezu gleichlautenden vertraglichen Regelung BGHZ 49, 56, 58) [BGH 15.11.1967 - VIII ZR 150/65]. Außerdem ergab sich aus der Verpflichtung, auch die erste Schönheitsreparatur ausführen zu lassen (§ 9 Nr. 3 Satz 1), daß der Beklagte sich bei Beendigung des Mietvertrages dem Kläger gegenüber nicht darauf berufen konnte, die Wohnung habe sich bei Vertragsbeginn in keinem besseren Zustand als bei dessen Beendigung befunden. Nach dem Vertragswortlaut, auf den das Berufungsgericht ausdrücklich abstellt, war demnach für den Beklagten gar nicht zu verkennen, daß er nach Beendigung des Metverhältnisses die Wohnung auf jeden Fall in einen zur Weitervermietung geeigneten vertragsmäßigen Zustand zu versetzen hatte. Wenn das, wie der erkennende Senat a.a.O. bereits ausgesprochen hat, selbst bei einer so einschneidenden Klausel wie der vorliegenden auch nicht ohne weiteres bedeutet, daß die Wohnung in jedem Falle völlig neu hergerichtet werden muß, so konnte nach den über den Zustand der hier im Streit befindlichen Wohnung getroffenen Feststellungen das Berufungsgericht angesichts der für den Beklagten eindeutigen Rechtslage ohne Rechtsirrtum annehmen, dieser habe, wenn er die Mieträume zurückgab, ohne seiner Pflicht nach § 9 Nr. 2 bis 5 des Vertrages genügt zu haben, damit die endgültige ernsthafte Ablehnung der Erfüllung dieser Pflichten zu erkennen gegeben.
c)
Das Berufungsgericht hätte darüber hinaus berücksichtigen können, wie der Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 26. April 1968 reagierte. Auch wenn der Beklagte darin zur Zahlung und nicht zur Ausführung der notwendigen Instandsetzungen aufgefordert wurde, so hätte doch wegen der ihm unter Prozeßandrohung gesetzten Frist nichts näher gelegen, als die Erfüllung durch eigene Vornahme der erforderlichen Arbeiten anzukündigen, wenn er wirklich erfüllungsbereit gewesen wäre. Der Beklagte hat aber weder seine Erfüllungsbereitschaft erklärt, noch seine Nichterfüllung damit begründet, wegen des, wie er im Prozeß - bestritten - behauptet hat, vom Kläger und Dr. P. bereits in die Wege geleiteten Beginns der Arbeiten könne er seinerseits den Vertrag nicht mehr erfüllen. Auch hat er nicht eingewandt, was er zuletzt in der Berufungsinstanz vorgebracht hat, er habe bei seinem Auszug nicht damit zu rechnen brauchen, daß der Kläger auf der Erfüllung der Pflichten aus § 9 des Mietvertrages bestehen werde, weil, wie er gewußt habe, der Nachmieter Dr. P. bereits durch Vertrag die Instandsetzung der Wohnung übernommen habe. Dem Verhalten des Beklagten auf den Brief des Klägers vom 26. April 1968 entsprach auch seine Verteidigung im Rechtsstreit, wo er sich stets auf den Standpunkt gestellt hat, Instandsetzungen nach § 9 des Mietvertrages seien angesichts des Zustandes der Wohnung nicht erforderlich gewesen.
Hat der Beklagte aber spätestens auf das Schreiben des Klägers vom 26. April 1968 weder eigene Instandsetzungen noch Ersatz in Geld angeboten, so stand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt fest, daß er die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Mietvertrag endgültig verweigerte. Es ist deshalb kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht ihn als verpflichtet angesehen hat, dem Kläger den durch die Erfällungsverweigerung entstandenen Schaden zu ersetzen, der darin bestand, daß Instandsetzungen erforderlich waren, um entsprechend dem mit § 9 des Mietvertrages verfolgten Zweck die Wohnung einem neuen Mieter zu den vollen Marktwert anbieten zu können, den sie bei vertragsmäßiger Ausführung der in § 9 von Beklagten übernommenen Arbeiten gehabt hätte.
B.
Zur Anspruchshöhe
1.
Ein Teilerfolg kann der Revision nicht versagt werden, soweit sie sich gegen die Zuerkennung derjenigen Kosten wendet, die auf die Anbringung von Rauhfasertapeten an den Decken des Sobbyraumes, des Arbeitsraumes, des Schlafzimmers und der Küche entfielen (Rechnung Schiller vom 6. Mai 1968, Pos. 11, 21, 31 und 41). Der. Beklagte hatte vorgetragen, daß eine normale Instandsetzung dieser Decken möglich und ausreichend, die Anbringung von Rauhfasertapeten aber nicht erforderlich war. Das Gegenteil hat der Kläger weder dargetan noch bewiesen. Das Berufungsgericht hat Entsprechendes auch nicht festgestellt.
Ein Betrag von insgesamt 565,60 DM ist vom Berufungsgericht dem Kläger demnach zu Unrecht zugesprochen worden. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat insoweit nicht möglich. Waren die Decken, wovon nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, erneuerungsbedüftig, so muß der Beklagte jedenfalls die Kosten ersetzen, die eine normale Renovierung, also ohne Anbringung von neuen Rauhfasertapeten, gekostet hätte. Die Höhe dieser Kosten ist nicht festgestellt. Insoweit wird das Berufungsgericht weiter aufzuklären haben.
2.
Ohne Erfolg müssen die Angriffe bleiben, die die Revision dagegen richtet, daß das Berufungsgericht bei der Feststellung der Höhe der Schäden an Lichtanlage und an den Fliesen zur Schätzung nach § 287 ZPO gegriffen hat. Der Umstand, daß der Kläger es unterlassen hat, vor der Ausführung der einschlägigen Arbeiten ein Beweissicherungsverfahren durchführen zu lassen, schließt die Anwendung der genannten Vorschrift der Zivilprozeßordnung nicht aus.
C.
Unter Zurückweisung der Revision im übrigen war deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht dem Kläger 565,60 DM zugesprochen hat. Insoweit war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Wegen der restlichen Kosten der Revision konnte schon jetzt eine endgültige Entscheidung ergehen. Sie beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Dr. Mezger
Mormann
Braxmaier
Dr. Hiddemann