Bundesgerichtshof
Urt. v. 01.07.1971, Az.: KZR 16/70
Grundsätze über das Zustandekommen eines Energielieferungsvertrages trotz Widerspruchs des Abnehmers gegen den tariflich festgesetzten Preis ; Vertragliche oder vertraglose Beziehungen zwischen zwei dauerhaft in Beziehung stehenden Parteien; Kontrahierungszwang gegenüber Sonderabnehmern; Ermittlung eines "gerechten Preises"; Wirksamkeit und Methode der Strompreisbestimmung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 01.07.1971
- Aktenzeichen
- KZR 16/70
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 12442
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Zweibrücken - 13.05.1970
Rechtsgrundlagen
- § 154 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 6 Abs. 1 EnergG
- § 315 BGB
- § 316 BGB
Fundstellen
- DB 1971, 2354 (amtl. Leitsatz)
- DVBl 1971, 895-897 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1972, 30-31 (Volltext mit amtl. LS)
- VerwRspr 23, 489 - 495
Amtlicher Leitsatz
Beanstandet ein Sonderabnehmer von elektrischem Strom das Vertragsangebot des ihn beliefernden Versorgungsunternehmens u.a. wegen der Höhe des darin vorgesehenen Strompreises, bezieht er aber nach wie vor Strom von dem Versorgungsunternehmen, so kann dieses - in entsprechender Anwendung der §§ 315, 316 BGB - berechtigt sein, nach billigem Ermessen die Höhe des Strompreises zu bestimmen und die Aufrechnung mit Gegenforderungen auszuschließen.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 1971
unter Mitwirkung
des Präsidenten des Bundesgerichtshofs Dr. Fischer und
der Bundesrichter Hill, Dr. Faller, Ballhaus und Dr. Kellermann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 13. Mai 1970 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die klagende Gemeinde betreibt ein Elektrizitätswerk als wirtschaftliches Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit in Form eines Eigenbetriebes. Das Elektrizitätswerk ist ein Verteilerunternehmen und bezieht die elektrische Energie von der Pfalzwerke AG, die diese teilweise selbst erzeugt und zum anderen Teil von dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) erhält. Zwischen der Pfalzwerke AG und der Klägerin besteht ein Gebietsschutzvertrag. Danach ist die Klägerin zur Alleinbelieferung aller im Gemeindegebiet ansässigen Abnehmer berechtigt.
Zu den durch die Klägerin belieferten Großabnehmern gehört seit langem auch die im Gemeindegebiet ansässige Beklagte. Ein schriftlicher Energielieferungsvertrag bestand und besteht zwischen den Parteien nicht. Mit Begleitschreiben vom 8. Oktober 1965 übersandte die Klägerin der Beklagten ein detailliertes schriftliches Vertragsangebot, dem auch ihre "Bedingungen für die Versorgung mit Sonderabnehmern" beigefügt waren. Hierin ist u.a. bestimmt, daß die Stromrechnungen innerhalb 8 Tagen nach Eingang ohne Abzug bar zu bezahlen sind, daß Einwendungen gegen die Richtigkeit der Rechnungen nicht zu Zahlungsaufschub oder -verweigerung berechtigen und daß die Aufrechnung des Abnehmers mit Ansprüchen an die Stadtverwaltung ausgeschlossen ist.
Die Beklagte hat sich geweigert, das Vertragsangebot zu unterschreiben, und hat verschiedene Bestimmungen der Sonderabnehmerbedingungen und die Höhe des Strompreises (5,6 DPfg/kWh) beanstandet. Gleichwohl deckte sie weiterhin ihren Strombedarf bei dem Elektrizitätswerk der Klägerin und bezahlte die auf der Grundlage der Preise des Vertragsangebots berechneten Stromrechnungen zunächst auch weiterhin in voller Hohe. Ab Dezember 1966 behielt sie verschiedene Rechnungsbeträge ein und zahlte in der Folgezeit nur unter Vorbehalt.
Gegenstand der Klage ist der Rechnungsbetrag für den im Dezember 1966 gelieferten Tagstrom in Höhe von 81.353,56 DM nebst 8 % Zinsen. Die Beklagte macht gegen die Klageforderung geltend, die Klägerin fordere auf Grund ihres Belieferungsmonopols unbillig überhöhte Preise. Der eingeklagte Rechnungsbetrag sei um 11.600,- DM übersetzt. Gegen die verbleibende Forderung von 69.753,56 DM rechnet sie mit Rückzahlungsansprüchen wegen überhöhter Strompreise der Klägerin seit dem Jahre 1960 auf.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Das Bundeskartellamt hat zur kartellrechtlichen Seite des Rechtsstreits Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der geltend gemachte Vergütungsanspruch der Klägerin vertraglicher Natur ist.
1.
a)
Die Beklagte hat zwar die Annahme des ihr von der Klägerin zugesandten Vertragsangebots vom 8. Oktober 1965 abgelehnt und dies damit begründet, einzelne Bestimmungen des Angebots seien unzumutbar, und die Höhe des Strompreises sei unangemessen. Gleichwohl hat sie weiterhin Strom von der Klägerin bezogen und auch die auf der Grundlage dieses Vertragsangebots berechneten Strompreise zunächst bezahlt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besteht für den Strombezug der Beklagten kein fester Tarif der Klägerin, der für ihre Stromlieferungen ohne weiteres zugrundezulegen ist. Vielmehr ist für die Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander ein jeweils zu schließender Sonderabnehmervertrag maßgeblich, für dessen inhaltliche Ausgestaltung Vertragsfreiheit besteht. Für einen Fall dieser Art kommen die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über das Zustandekommen eines Energielieferungsvertrages trotz Widerspruch des Abnehmers gegen den tariflich festgesetzten Preis (RGZ 111, 310, 312; BGH LM BGB Vorbem. zu § 145 Nr. 7; LM Allg.Bed.d.EVU Nr. 11) nicht zur Anwendung. Daher schließt der alsbaldige Widerspruch der Beklagten gegen die in der Vertragsofferte vom 8. Oktober 1965 enthaltenen, individuell auszuhandelnden Strompreise die Annahme aus, daß diese Preise gleichwohl deshalb Inhalt eines Vertrages zwischen den Parteien geworden sind, weil die Beklagte auch weiterhin Strom von der Klägerin bezog und zunächst voll bezahlte.
b)
Das Berufungsgericht hat diese Bedenken gegen die Annahme, daß das tatsächliche Verhalten der Beklagten rechtlich trotz ihres Widerspruchs als Unterwerfung unter das Vertragsangebot der Klägerin zu werten sei, gesehen. Es hat daher alternativ einen vertraglichen Vergütungsanspruch der Klägerin auf der Grundlage der in ihrem Vertragsangebot enthaltenen Strompreise auch in Anlehnung an die Gedankengänge in dem Senatsurteil BGHZ 41, 271, 273[BGH 02.04.1964 - KZR 10/62]-276 ("Werkmilchabzug") bejaht. In diesem Urteil ist ausgeführt, es entspreche der Lebenswirklichkeit und ersichtlich auch der Vorstellung der Parteien (Milcherzeuger und Molkereigenossenschaft), die kraft gesetzlicher Verpflichtung zwangsläufig als Lieferer und Abnehmer einer Ware zueinander in dauernde Beziehung treten müßten (Pflicht des Milcherzeugers, seine Milch nur an eine bestimmte Molkerei zu liefern, für die ihrerseits Abnahmezwang bestand, § 1 Abs. 1 und 4 des Milch- und Fettgesetzes), daß sie ihre Beziehungen als vertragliche betrachten und nicht in einem vertragslosen Zustand handeln wollten, wobei sich die von ihnen erbrachten und geschuldeten Leistungen nur nach den für derartige Dauerbeziehungen nicht passenden Bereicherungsvorschriften beurteilen würden. Auch bei Fehlen der Einigung über den Kaufpreis sei in derartigen Fällen entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls im übrigen ein Kaufvertrag zustande gekommen; die verbleibende Vertragslücke müsse gemäß den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen ausgefüllt werden.
Das gleiche gilt für Rechtsbeziehungen, wie sie hier auf Grund wirtschaftlicher und rechtlicher Gegebenheiten zwischen den Parteien vorliegen: Die Beklagte kann, wenn sie nicht auf den Strombezug überhaupt verzichten will, elektrische Energie nur von der Klägerin beziehen. Diese Zwangssituation ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem bestehenden Gebietsschutzvertrag, der der Klägerin das Alleinbelieferungsrecht für die in ihrem Versorgungsgebiet ansässigen Abnehmer - mithin auch für die Beklagte - sichert.
Für die Beurteilung der notwendig auf Dauer angelegten Beziehungen der Parteien zueinander bedeutet dies aber keinen entscheidenden Unterschied. Für die Klägerin andererseits besteht ein echter Kontrahierungszwang gemäß § 6 Abs. 1 EnergG, der auch gegenüber Sonderabnehmern gilt.
Das Berufungsgericht schließt aus Verlauf und Inhalt der Vertragsverhandlungen auf den übereinstimmenden Villen beider Parteien, eine vertragliche Einigung wenigstens insoweit zu erzielen, als der Preis "bei Verwendung objektiver Kriterien als angemessen zu erachten" ist. Lediglich die durch fehlende Einigung über die "Vergütungsspitze" verbliebene Vertragslücke sucht es durch entsprechende Anwendung des § 315 BGB zu schließen. Auf die Frage der Einigung der Parteien über einen Teil des Strompreises kommt es indessen nicht ein. Denn jedenfalls führt die mindestens entsprechende Anwendung des § 316 BGB, wie sie bei den vorstehend gekennzeichneten Beziehungen vertraglicher Art hier geboten ist, hinsichtlich des Strompreises im ganzen zum Bestimmungsrecht der Klägerin als derjenigen Vertragspartei, die die Gegenleistung für ihre Stromlieferungen zu fordern hat. Den Belangen der Beklagten, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihre Beziehungen zur Klägerin auf eine vertragliche Basis stellen, dabei aber nicht willkürlichen Maßnahmen der Klägerin ausgesetzt sein will, wird nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß nach der im Zweifel geltenden Vorschrift des § 315 BGB die Bestimmung der Leistung durch die Klägerin nach billigem Ermessen zu treffen ist und nur verbindlich ist, wenn sie diesem Erfordernis entspricht. Tut sie dies nicht, so ist die Leistungsbestimmung im Rechtsstreit Sache des Gerichts.
2.
Die Beantwortung der Frage, ob die Preisbestimmung der Klägerin billigem Ermessen entspricht, erfordert die Prüfung und Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Parteien unter Anlegung eines objektiven Maßstabs.
Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines "gerechten Preises" von Amts wegen; es geht vielmehr darum, ob die getroffene Bestimmung sich nach dem gegebenenfalls zu beweisenden Vorbringen der Klägerin als der bestimmungsberechtigten Partei noch in den Grenzen der Billigkeit hält (vgl. Senatsurteil BGHZ 41, 271, 179, 280).
Dagegen, daß das Berufungsgericht diese Frage bejaht hat, wendet die Revision sich ohne Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht ist insbesondere auf Grund der von der Klägerin vorgelegten Jahreserfolgsrechnung ihrer Stadtwerke für das Jahr 1966 sowie auf Grund der Aufstellung der Klägerin über ihren bei der Belieferung der Beklagten im Jahr 1966 erzielten Reingewinn zu der Überzeugung gelangt, daß die - auf etwa 3,5 % errechnete - Gewinnspanne der Klägerin sich innerhalb der Grenzen halte, die ihr bei Würdigung ihrer Verpflichtung, im Interesse des Gemeinwohls die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten (Hinweis auf die Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes), gezogen seien. Es hat dabei auf den Jahresgewinn allein aus den Stromlieferungen abgestellt und offen gelassen, ob die Klägerin das Entgelt für diese Lieferungen so hoch hätte ansetzen dürfen, daß sie die im Bereich der Gas- und Wasserversorgung eingetretenen Fehlbeträge hätte decken können.
Vergeblich macht die Revision demgegenüber geltend, das Berufungsgericht habe nicht den Gewinn zugrundelegen dürfen, der sich nach Abzug der Steuern ergebe; vermeide man diesen Fehler, so mache die Gewinnspanne 8,87 % aus. Für die hier erörterte Frage kommt es jedoch nicht darauf an, ob das Berufungsgericht einen betriebswirtschaftlich zutreffenden Begriff des Gewinns zugrundegelegt hat, sondern darauf, ob der erzielte Gewinn eine Überschreitung der Grenzen der Billigkeit erkennen läßt. Daß das Berufungsgericht unter diesem Gesichtswinkel darauf abgestellt hat, was der Klägerin nach Abzug der Steuern verbleibt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Auch das weitere Bedenken der Revision greift nicht durch, in der Jahreserfolgsrechnung der Klägerin sei zu Unrecht eine seitens der Stadtwerke an die Klägerin gezahlte Konzessionsabgabe in Ansatz gebracht. Die Revision stellt dabei darauf ab, daß die Stadtwerke "keine eigene Rechtspersönlichkeit" hätten und daß deshalb die Konzessionsabgabe ein "künstlicher Kostenfaktor" sei. Für die Einhaltung der Grenzen der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB kommt es jedoch nicht auf die Rechtsform an, die die Klägerin für die Stromversorgung gewählt hat. Wie sie - wovon ersichtlich auch die Revision ausgeht - von einem als juristische Person organisierten Versorgungsunternehmen die Konzessionsabgabe fordern könnte, so steht es ihr auch frei, die Entrichtung einer solchen Abgabe als Kostenfaktor anzusetzen, soweit es um die Frage geht, ob die durch sie getroffene Strompreisbestimmung der Billigkeit entspricht.
Nicht beizutreten vermag der Senat allerdings der Aufassung des Berufungsgerichts, daß für die Klägerin als Selbstverwaltungskörperschaft in folgender Hinsicht eine besondere Situation gegeben sei: Nach § 11 EigVO Rheinland-Pfalz sollten Eigenbetriebe nach Maßgabe des § 85 (RhPf) GO einen Überschuß für den Haushalt der Gemeinde abwerfen. Die Einschränkung dieses "Überschußgrundsatzes" durch die gebotene Beachtung der öffentlichen Aufgaben der Gemeinde bedeutet für diese nur, daß sie in ihrem Eigenbetrieb nicht den "überhaupt möglichen Höchstgewinn" erzielen dürfe. Die vom Berufungsgericht angeführten Vorschriften sind inhaltlich an die Adresse der Gemeinden gerichtet, räumen diesen aber nicht im Privatrechtsverkehr eine Sonderstellung ein. Ein Verhalten, das anderen Unternehmen als Eigenbetrieben der Gemeinden versagt ist, ist bei Eigenbetrieben nicht aus dem Grunde rechtlich anders zu beurteilen, weil diese für sich in Anspruch nehmen, nach jenen Vorschriften zu gewinnbringender Tätigkeit gehalten zu sein. Dies verhilft der Revision jedoch nicht zum Erfolg, da es sich bei den hier erörterten Ausführungen des Berufungsgerichts ersichtlich nur um Hilfserwägungen handelt, auf die es für den Bestand des Urteils nicht ankommt.
b)
Mit Recht hat das Berufungsgericht auch der von der Klägerin bestrittenen Behauptung der Beklagten, bei einem Direktbezug elektrischer Energie vom RWE über das Umspannwerk Oppau - der ihr durch den Gebietsschutzvertrag unmöglich gemacht sei - würde sie im Durchschnitt 0,8 DPfg/kWh weniger bezahlen müssen als für die Tag- und Nachtstromlieferungen von der Klägerin, keine entscheidende Bedeutung für die Frage der Billigkeit der Strompreisbestimmung durch die Klägerin beigemessen. Zwar hat der Senat in einer Kartellverwaltungssache (Beschluß vom 27. November 1964 KVR 3/63 LM GWB § 104 Nr. 1 - "Zeitgleiche Summenmessung") bei der Prüfung der Frage, ob die Strompreisgestaltung eines durch einen Gebietsschutzvertrag begünstigten reinen Verteilerunternehmens einen Mißbrauch der durch die Freistellung vom Kartellverbot (§§ 1, 103 Abs. 1 GWB) erlangten Marktstellung darstelle, zum Vergleich auf die Bedingungen des Regionalversorgungsunternehmens, von dem das Verteilerunternehmen seinen Strom bezog, abgestellt. Daraus kann aber die Revision nichts für ihren Standpunkt herleiten. Es mag dahinstehen, ob - wie die Revision unter Berufung auf Mestmäcker, Betrieb 1968, 787 ff, 835 ff, 836 meint - eine Preisgestaltung, die mißbräuchlich im Sinne des § 104 Abs. 1 GWB ist, stets auch nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entspricht. Denn auf diese Frage kommt es hier deshalb nicht an, weil der Sachvortrag der Beklagten nicht ergibt, daß die Klägerin ihre durch Freistellung von den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erlangte Stellung im Markt im Sinne des § 104 Nr. 1 GWB mißbraucht hätte.
Der Senat hat in seinem erwähnten Beschluß vom 27. November 1964 darauf hingewiesen, daß eine mißbräuchliche Preisgestaltung eines städtischen Elektrizitätswerkes nicht schon aus einem günstigeren Angebot eines Konkurrenzunternehmens an einen Großbetrieb folge, worin möglicherweise nur der Versuch der Abwerbung eines lukrativen Sonderabnehmers liege; die Entscheidung ist vielmehr darauf gestützt, daß das konkurrierende Regionalversorgungsunternehmen eine bestimmte Methode der Stromverbrauchsmessung, die für den Großabnehmer günstiger war und ihm von dem ihn beliefernden städtischen Elektrizitätswerk verweigert wurde, allgemein für alle ihre gegenwärtigen und künftigen Abnehmer anwende. So liegt der Fall hier nicht. Wenn einem großen Unternehmen wie dem der Beklagten beim Direktbezug von den RWE niedrigere Strompreise eingeräumt würden, so könnte nicht schon daraus auf mißbräuchlich überhöhte Preise der Klägerin geschlossen werden. Einen umfassenden, nicht nur ein einzelnes Preiselement berücksichtigenden Leistungs- und Preisvergleich zwischen Klägerin und RWE aber ermöglicht das Vorbringen der Beklagten nicht.
c)
Auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, daß die Strompreisbestimmung der Klägerin die Grenzen des billigen Ermessens nicht überschreite, ergeben keinen Rechtsirrtum zum Nachteil der Beklagten. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft. Sie sind nicht begründet (Art. 1 Nr. 4 BGHEntlG).
3.
Der Wirksamkeit der Strompreisbestimmung stehen nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts auch keine preisrechtlichen Vorschriften entgegen. Insoweit erhebt auch die Revision keine Bedenken.
II.
1.
Die durch die Beklagte erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen scheitert nach der Auffassung des Berufungsgerichts schon daran, daß die dem Vertragsangebot der Klägerin vom 8. Oktober 1965 beigefügten Geschäftsbedingungen Barzahlung der Stromrechnungen innerhalb von 8 Tagen ohne Abzug vorsahen und jede Aufrechnung mit Ansprüchen gegen die Stadtverwaltung ausschlossen. Das Berufungsgericht wertet diese Bedingungen als Ausschluß jeglicher Aufrechnung gegenüber Forderungen von der Art der Klageforderung.
2.
a)
Dieser Auffassung stehen die oben unter I. 1. a) erörterten Bedenken entgegen.
Daß der Vertrag zwischen den Parteien mangels eines Tarifs der Klägerin für Sonderabnehmer frei auszuhandeln war, wirkt sich nicht nur hinsichtlich des Strompreises, sondern auch hinsichtlich der sonstigen von den Parteien zu treffenden Vereinbarungen aus. Über das in den Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Aufrechnungsverbot ist nach den tatrichterlichen Feststellungen keine Einigung zustandegekommen, und auch für die Auffassung, daß die Beklagte jedenfalls durch schlüssiges Verhalten das Angebot der Klägerin angenommen habe, ist kein Raum.
b)
Am Ergebnis ändert dies jedoch nichts. Denn das Recht der Klägerin zur Bestimmung der Leistung der Beklagten, wie es sich nach den Ausführungen unter I. 1. b) aus der entsprechenden Anwendung des § 316 BGB ergibt, ist nicht auf die Bestimmung nur der Höhe des Strompreises beschränkt. Die gleichen Erwägungen, die wegen der Besonderheiten der wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen der Parteien zueinander für die entsprechende Anwendung des § 316 BGB hinsichtlich der Preishöhe sprechen, gelten vielmehr auch für Regelungen wie die hier in Rede stehende über den Ausschluß der Aufrechnung mit Gegenforderungen des Abnehmers jedenfalls insoweit, als bei Berücksichtigung der Art des Eigenbetriebs der Klägerin eine solche Regelung bei objektiver Betrachtung für den glatten Geschäftsablauf angemessen erscheint.
c)
Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier gegeben. Zu der Frage, ob der Ausschluß der Aufrechnung der Billigkeit entsprach, hat das Berufungsgericht ausgeführt, das Verlangen der Klägerin nach laufender Barzahlung für ihre laufenden Lieferungen entspreche der Art ihrer eigenen Verpflichtungen für den Bezug der weiterverteilten Energie. Es ergebe sich auch aus der Wirtschaftsführung eines Eigenbetriebes. Zu deren Kennzeichnung weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die Werksleitung eines Eigenbetriebs Vierteljahresübersichten über die Entwicklung der Erträge und Aufwendungen oder vierteljährliche Zwischenabschlüsse erstellen müsse; die Kosten- und Einnahmerechnung müsse wegen des Systems der Haushaltsführung fortlaufend geführt werden; nur so könne der Eigenbetrieb gegebenenfalls im Laufe des Wirtschaftsjahres den Wirtschaftsplan ändern, wozu er unter bestimmten Voraussetzungen gehalten sei. Könnte der Abnehmer gegen die Strompreisforderungen der Klägerin mit Gegenforderungen aufrechnen, die er aus Zahlungen in früheren Abrechnungsperioden herleite, so könnte dies die Wirtschaftlichkeit des Eigenbetriebs schmälern oder stören. Das Berufungsgericht schließt daraus, daß derartige Aufrechnungsmöglichkeiten systemfremd und für die Klägerin nicht zumutbar seien.
Bei diesen Ausführungen ist das Berufungsgericht zwar von der oben (II 2. a)) abgelehnten Ansicht ausgegangen, daß der Ausschluß der Aufrechnung als vertraglich vereinbart anzusehen sei. Die darin zum Ausdruck kommenden tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen jedoch auch den Schluß, daß der in den Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene, als Bestimmung der Gegenleistung zu wertende Ausschluß der Aufrechnung gegenüber Strompreisforderungen sich in den Grenzen der Billigkeit hält (§ 315 Abs. 3 BGB) und daß der Geltendmachung des so begründeten Aufrechnungsverbots auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegensteht. Erfolglos macht die Revision demgegenüber geltend, das Berufungsgericht habe einseitig nur die Interessen der Klägerin berücksichtigt, obwohl die Beklagte nach ihrem Vorbringen in den vorangegangenen Jahren 1,5 bis 2 Millionen DM zuviel gezahlt und in dieser Höhe liquide Mittel für ihr Unternehmen eingebüßt habe. Die Revision beachtet bei dieser Rüge nicht hinreichend, daß der Beklagten durch den Ausschluß der Aufrechnung nicht die Möglichkeit genommen wird, ihre angeblichen Gegenforderungen gerichtlich geltend zu machen. Es geht vielmehr nur darum, ob das Vorgehen der Klägerin schon aus dem Grunde als unbillig, dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechend zu werten ist, weil sie, auf das Aufrechnungsverbot gestützt, auf Zahlung ihrer Stromrechnung besteht, ohne eine möglicherweise langwierige gerichtliche Klärung der von der Beklagten erhobenen Gegenforderungen abzuwarten. Diese Frage ist auf Grund der vom Tatrichter getroffenen Feststellungen zu verneinen. Es bedeutet für die Beklagte auch bei voller Berücksichtigung ihrer Belange keine unzumutbare Härte, daß sie die begründete Klageforderung zunächst einmal erfüllt und hinsichtlich ihrer angeblichen Gegenforderungen auf die Möglichkeit der Klageerhebung verwiesen wird.
III.
Die Revision der Beklagten war hiernach auf ihre Kosten (§ 97 ZPO) zurückzuweisen.
Hill
Faller
Ballhaus
Dr. Kellermann