Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.05.1971, Az.: VII ZR 155/70
Fälligkeit der Forderung als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist; Beginn der Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres, in das der zu berechnende Fälligkeitszeitpunkt fällt; Abstellen auf den Zeitpunkt der Einreichung der Schlussrechnung; Unterlassene Stellung der Schlussrechnung innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist; Verletzung von vertraglichen Pflichten, die es nach Treu und Glauben rechtfertigen könnte, den Beginn der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, an dem die Schlussrechnung hätte eingereicht werden sollen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 24.05.1971
- Aktenzeichen
- VII ZR 155/70
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 27.07.1970
- LG Traunstein
Rechtsgrundlagen
- § 16 Nr. 2 Abs.1 S.1 VOB (B)
- § 14 Nr. 3 VOB (B)
- § 14 Nr. 4 VOB (B)
- § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB
- § 198 BGB
Fundstelle
- MDR 1971, 746 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Bauunternehmer Michael S., K., Sc., Haus Kr.
Prozessgegner
Pensionsinhaber Werner B., M., G.str. ...
Amtlicher Leitsatz
Ausgangspunkt der Berechnung für den Beginn der Verjährungsfrist der restlichen Werklohnforderung ist auch dann der Zeitpunkt der Einreichung der Schlußrechnung durch den Auftragnehmer, wenn dieser sie entgegen einer vertraglichen Bestimmung verspätet eingereicht hat (vgl. BGH VII ZR 38/67 vom 27. Februar 1969 Schäfer/Finnern Z. 2. 331 Bl. 75; VII ZR 184/69 vom 21. Dezember 1970 Schäfer/Finnern Z. 2. 311 Bl. 42).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 1971
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofs Glanzmann und
der Bundesrichter Rietschel, Erbel, Dr. Vogt und Schmidt
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das den Parteien am 27. Juli 1970 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte beauftragte den Kläger am 14. April 1965 mit Bauarbeiten an der Gaststätte und Pension "Ma." in B. - St. Die Parteien vereinbarten für den Bauvertrag die Anwendbarkeit der Bestimmungen der VOB (B). In dem Vertrag heißt es in Ziffer 6:
"Die Schlußrechnung mit allem Zubehör ist innerhalb 6 Wochen nach der Fertigstellung in 3facher Ausfertigung einzureichen".
Die Bauarbeiten waren am 16. Juli 1965 beendet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger 10.000 DM erhalten. Mit Rechnungen vom 28. Dezember 1967, die beim Beklagten Anfang Januar 1968 eingingen, forderte der Kläger einen restlichen Werklohn in Höhe von 20.013,27 DM.
Am 22. März 1968 erwirkte er gegen den Beklagten einen Zahlungsbefehl über diesen Betrag nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung als begründet angesehen und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seine Klageforderung weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht geht von der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB aus, da die Bauleistungen nicht für den Gewerbebetrieb des Beklagten erbracht worden seien. Es meint, der Kläger müsse sich hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist so behandeln lassen, wie wenn er die Schlußrechnung vertragsgemäß bis Ende August 1965 eingereicht hätte. Dadurch wäre die Fälligkeit der restlichen Werklohnforderung spätestens zwei Monate danach eingetreten, d.h. Ende Oktober 1965. Die Verjährungsfrist habe deshalb mit dem Ende des Jahres 1965 zu laufen begonnen. Sie sei schon abgelaufen gewesen, bevor dem Beklagten die Schlußrechnung überhaupt zugegangen sei. Er könne sich daher mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Dieser gegenüber könne der Kläger auch nicht mit der allgemeinen Arglisteinrede oder dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchdringen.
Die Revision ist begründet.
1.
Für den Beginn der Verjährungsfrist ist gemäß § 198 BGB der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung maßgebend (vgl. BGHZ 53, 222, 225 [BGH 12.02.1970 - VII ZR 168/67]; BGH VIII ZR 4/70 vom 17. Februar 1971 WM 1971, 385 = BB 1971, 371). Diese richtet sich bei einem den Bestimmungen der VOB (B) unterliegenden Bauvertrag nach § 16 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB (B). Danach ist die Schlußzahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der Schlußrechnung, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten nach deren Einreichung zu leisten. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ergibt sich daraus, daß bei einem solchen Vertrag die Verjährungsfrist für den restlichen Werklohn erst mit dem Ende des Jahres zu laufen beginnt, in das der nach § 16 Nr. 2 VOB (B) zu berechnende Fälligkeitszeitpunkt fällt (vgl. u.a. NJW 1968, 1962 = LM Nr. 32 zu VOB (B) = Schäfer/Finnern Z. 2. 331 Bl. 69; VII ZR 38/67 vom 27. Februar 1969 Schäfer/Finnern Z. 2. 331 Bl. 75; VII ZR 168/67 vom 12. Februar 1970 = BGHZ 53, 222, 225 [BGH 12.02.1970 - VII ZR 168/67] = NJW 1970, 938 = MDR 1970, 500 = WM 1970, 691 = BauR 1970, 113 = Schäfer/Finnern Z. 2. 331 Bl. 80).
2.
Das Berufungsgericht meint, daß hier hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung der Schlußrechnung abgestellt werden könne, weil der Kläger entgegen der vertraglichen Abmachung diese nicht innerhalb von sechs Wochen nach Fertigstellung der Bauarbeiten, erst recht nicht in den kürzeren Fristen, die sich für die Vorlage der Schlußrechnung aus § 14 Nr. 3 VOB (B) ergeben, eingereicht habe. Es stimmt damit im Ergebnis überein mit der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln (MDR 1969, 839) und steht im Gegensatz zu der Meinung der Oberlandesgerichte Karlsruhe (MDR 1961, 53) und Celle (MDR 1970, 674).
a)
Mit dieser Frage hat sich der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 27. Februar 1969 (a.a.O.) befaßt. Er hat dabei in einem Fall, in dem - wie hier - in den Vertragsbestimmungen vorgesehen war, daß die Schlußrechnung 6 Wochen nach Fertigstellung der Bauleistungen einzureichen sei, ausgesprochen, auch dann, wenn eine solche Frist vom Auftragnehmer nicht eingehalten werde, gelte gleichwohl für die Fälligkeit die Bestimmung des § 16 Nr. 2 VOB (B). Diese Auffassung hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21. Dezember 1970 - VII ZR 184/69 Schäfer/Finnern Z. 2. 311 Bl. 42 - ausdrücklich bestätigt. Daran ist festzuhalten.
b)
Eine entsprechende Anwendung der §§ 199, 200 BGB, die als Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn bei Kündigung und Anfechtung denjenigen bestimmen, von dem ab Kündigung bzw. Anfechtung zulässig sind (vgl. zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften Planck, 4. Aufl. § 198 BGB, Anm. 1 f), auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, da es sich um eine Sonderregelung handelt (vgl. dazu BGH VIII ZR 4/70 vom 17. Februar 1971 a.a.O.).
c)
Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. Es meint aber, hier habe es nicht im bloßen Belieben des Klägers gestanden, wann er die Schlußrechnung einreichen wollte, er habe vielmehr gegen seine vertragliche Verpflichtung verstoßen, diese innerhalb von sechs Wochen nach Fertigstellung der Bauleistungen einzureichen. Wenn er das getan hätte, dann wäre seine Werklohnforderung mit dem Ablauf des Jahres 1967 verjährt gewesen. Es sei nicht einzusehen, weshalb er als vertragsuntreue Partei besser gestellt sein sollte. Es müsse daher das allgemeine Rechtsprinzip zur Anwendung kommen, daß derjenige, der eine Vertragspflicht verletze, für sich daraus keine Rechte herleiten könne. Es wäre sonst in das Belieben des vertragswidrig Handelnden gestellt, die Fälligkeit der Forderung und damit die Verjährung um Jahre hinauszuschieben.
d)
Diese Auffassung wird den besonderen Gegebenheiten eines VOB-Bauvertrages nicht gerecht. Die Tatsache allein, daß der Auftragnehmer die Schlußrechnung nicht innerhalb der vereinbarten Fristen - den sich aus dem Vertrag ergebenden besonderen Fristen oder denen des § 14 Nr. 3 VOB (B) - eingereicht hat, kann noch nicht als eine solche Verletzung vertraglicher Pflichten angesehen werden, die es nach Treu und Glauben rechtfertigen könnte, den Beginn der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt vorzuverlegen, an dem die Schlußrechnung hätte eingereicht werden sollen und geprüft werden können. Das ergibt sich aus folgendem:
aa)
Der Auftragnehmer schadet sich selbst, wenn er die Schlußrechnung nicht in den vertraglich vereinbarten Fristen vorlegt. Er kann dann weder Zahlung beanspruchen noch eine Verzinsung verlangen (§ 16 Nr. 4 Abs. 3 VOB (B)). Er wird daher in der Regel selbst darauf bedacht sein, die Schlußrechnung möglichst innerhalb der vereinbarten Fristen vorzulegen. Es wird ihm fernliegen, die Einreichung der Schlußrechnung nur deshalb zu verzögern, um so einen späteren Beginn der Verjährung seiner restlichen Werklohnforderung zu erreichen.
bb)
Wird die Schlußrechnung nicht innerhalb der vertraglichen Fristen vorgelegt, hat der Auftraggeber den Vorteil, daß er praktisch eine Stundung der restlichen Werklohnforderung erhält.
Er erleidet allerdings den Nachteil, daß ihm im Einzelfall deren Nachprüfung erschwert sein kann und daß die Verjährung erst mit dem aus § 16 Nr. 2 VOB (B) zu berechnenden Zeitpunkt beginnt. Der Auftraggeber ist diesen Nachteilen aber nicht ungeschützt ausgesetzt. § 14 Nr. 4 VOB (B) eröffnet ihm einen Weg, auch ohne Mitwirkung des Auftragnehmers zu einer Abrechnung zu kommen. Er kann auf Kosten des Auftragnehmers die Schlußrechnung selbst aufstellen, wenn dieser in den besonderen vertraglich vereinbarten Fristen oder denen des § 14 Nr. 3 VOB (B) eine solche nicht einreicht, obwohl ihm dazu eine angemessene Nachfrist gesetzt war.
§ 14 Nr. 4 VOB (B) denkt zwar in erster Linie an die Fälle, in denen der Auftraggeber ein besonderes Interesse an dem schnellen Erhalt der Schlußrechnung hat. Die Bedeutung der Vorschrift erschöpft sich aber darin nicht. Ist der Auftragnehmer trotz Nachfristsetzung mit Vorlage der Schlußrechnung säumig, so kann der Auftraggeber die Rechnung stets von sich aus aufstellen und die Fälligkeit herbeiführen. Zahlt er dann den in der von ihm selbst aufgestellten Schlußrechnung ausgewiesenen Betrag, so zwingt er den Auftragnehmer, der die Abrechnung nicht anerkennen will, bei der Annahme der Zahlung einen Vorbehalt nach § 16 Nr. 2 Abs. 2 VOB (B) zu machen und diesen innerhalb von 12 Werktagen durch Vorlage einer eigenen prüfungsfähigen Rechnung zu begründen (§ 16 Nr. 2 Abs. 3 VOB (B)). Wenn das nicht geschieht, sind Nachforderungen des Auftragnehmers ausgeschlossen.
Die Bestimmungen der VOB (B) enthalten also in § 16 Nr. 2, § 14 Nr. 4 für die Fälligkeit der restlichen Werklohnforderung eine eigene, im Zusammenhang zu sehende Regelung mit besonderen Rechten und Pflichten beider Teile. Aus ihr ist zu folgern, daß der Auftraggeber aus vertragswidrig verspäteter Vorlage der Schlußrechnung durch den Auftragnehmer keine Vorverlegung der Verjährung herleiten kann, wenn er von der ihm nach § 14 Nr. 4 VOB (B) eingeräumten Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat.
e)
Anhaltspunkte für eine Verwirkung der restlichen Werklohnforderung des Klägers liegen nicht vor. Der Beklagte hat schon nicht dargetan, daß er sich darauf verlassen habe, der Kläger werde über die gezahlten 10.000 DM hinaus weitere Forderungen nicht mehr stellen.
3.
Nach alledem hat das Berufungsgericht zu Unrecht die geltend gemachte Werklohnforderung des Klägers - bei Annahme einer zweijährigen Verjährungsfrist - als verjährt angesehen. Mit dem am 22. März 1968 erwirkten Zahlungsbefehl ist vielmehr diese rechtzeitig unterbrochen worden (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Es kommt daher nicht darauf an, ob hier eine vierjährige Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 2 BGB), gilt, wie das die Revision meint. Auf die dazu und zu der Frage der unzulässigen Rechtsausübung von ihr erhobenen Rügen braucht somit nicht eingegangen zu werden.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu prüfen haben, ob die vom Beklagten gegen die Werklohnforderung selbst gerichteten Einwendungen gerechtfertigt sind.
Rietschel
Erbel
Vogt
Schmidt