Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.04.1971, Az.: IV ZR 16/70
Möglichkeit den Prozesskostenvorschuß für einen Ehescheidungsprozess zurückzufordern; Verpflichtung des Ehegatten, die Kosten eines persönlichen Rechtsstreits vorzuschießen; Rückerstattung des Vorschusses entsprechend der Kostenentscheidung; Herleitung der Pflicht zur Rückzahlung des Prozesskostenvorschusses aus den für die Gütergemeinschaft getroffenen Regelungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.04.1971
- Aktenzeichen
- IV ZR 16/70
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11914
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 08.12.1969
- LG Dortmund
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 56, 92 - 97
- MDR 1971, 654 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Otto B., H., W.straße ...
Prozessgegner
Ehefrau Anneliese B. geb. F., H., R.
Amtlicher Leitsatz
Die gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB vorgeschossenen Mittel brauchen nur dann zurückgezahlt zu werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vorschußempfängers wesentlich gebessert haben oder die Rückforderung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Hauß und
der Bundesrichter Johannsen, Wüstenberg, Dr. Reinhardt und Dr. Buchholz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Dezember 1969 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Ihre Ehe ist, nachdem die Ehescheidungsklage des Beklagten im ersten Rechtszug abgewiesen worden war, auf die Berufung des Beklagten durch Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Dezember 1965 rechtskräftig geschieden worden. Im Urteil ist ausgesprochen, daß beide Parteien die Schuld an der Scheidung tragen. Die Kosten des Rechtsstreits sind gegeneinander aufgehoben worden. Während des Ehescheidungsverfahrens hat der Beklagte aufgrund einstweiliger Anordnung an die Klägerin zu Händen ihres Prozeßbevollmächtigten in erster und zweiter Instanz Prozeßkostenvorschüsse in Höhe von 1.503,80 DM gezahlt.
Im anhängigen Rechtsstreit hat der Beklagte - über die Klage ist durch Teilurteil des Landgerichts entschieden - mit der Widerklage Rückzahlung der im Ehescheidungsprozeß geleisteten Prozeßkostenvorschüsse von 1.503,80 DM, von zuviel gezahltem Unterhalt von 150,- DM und verauslagte Miete von 700,- DM verlangt. Er hat beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 2.353,80 DM nebst 8 % Zinsen seit Zustellung der Widerklage zu verurteilen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, zur Rückzahlung der Prozeßkostenvorschüsse nicht verpflichtet zu sein. Auch handle der Beklagte arglistig, wenn er diese Beträge zurückfordere, da er im Ehescheidungsverfahren zu höheren Unterhaltszahlungen herangezogen worden wäre, wenn er die Vorschüsse nicht hätte leisten müssen. Würde sie die Prozeßkostenvorschüsse nicht erhalten haben, so wäre ihr das Armenrecht bewilligt worden. Im übrigen hat die Klägerin mit Gegenansprüchen gegen den Beklagten aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klägerin zur Rückzahlung der geleisteten Prozeßkostenvorschüsse von 1.503,80 DM nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage im übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts geändert und die Widerklage in vollem Umfang abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt. Er verfolgt seinen Antrag, die Klägerin zur Rückzahlung der ihr geleisteten Prozeßkostenvorschüsse zu verurteilen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß der Beklagte in dem hier zu entscheidenden Falle den der Klägerin gezahlten Prozeßkostenvorschuß nicht zurückfordern kann.
Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, dann ist der andere Ehegatte nach § 1360 a BGB verpflichtet, ihm diese vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und auch im rechtswisserschaftlichen Schrifttum ist umstritten, ob der Empfänger eines solchen Vorschusses diesen dem Vorschußgeber nach Beendigung des Rechtsstreits zurückzugewähren hat; insbesondere ob die Rückerstattung, wenn es sich um einen Rechtsstreit zwischen den Ehegatten handelt, entsprechend der Kostenentscheidung zu erfolgen hat oder ob die Rückerstattung nur unter besonderen Verhältnissen verlangt werden kann. Für die Rückerstattung entsprechend der Kostenentscheidung haben sich u.a. ausgesprochen: OLG München, NJW 1960, 430 und NJW 1965, 1721; OLG Braunschweig - 1, Zivilsenat - MDR 1963, 1012; OLG Frankfurt, NJW 1966, 1515 und OLG Düsseldorf, NJW 1971, 56 [OLG Düsseldorf 09.09.1970 - 10 W 114/70] sowie Pastor FamRZ 1958, 298 und 1960, 46; Reinicka JZ 1958, 53 und Pohle in Stein/Jonas ZPO 19. Aufl. ZPO § 104 II 7 m.w.Nachw. in Anm. 58. Dagegen nehmen eine Verpflichtung zur Rückzahlung nur unter besonderen Voraussetzungen an:
OLG Braunschweig - 2. Zivilsenat - MDR 1959, 769; OLG Frankfurt, FamRZ 1959, 373 und Bosch FamRZ 1958, 420. Die Auffassung, daß der Vorschießende die Kosten, soweit der Vorschuß reicht, endgültig zu tragen und den Vorschuß unter keinen Umständen zurückfordern kann, wird, soweit ersichtlich, von niemand vertreten.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß der Vorschuß nur unter besonderen Verhältnissen zurückgefordert werden kann, die nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen hier nicht gegeben sind.
Damit, daß der Beklagte der Klägerin für die Führung ihres Ehestreits einen Prozeßkostenvorschuß zur Verfügung stellte, hat er ihr kein Darlehen gewährt, das er zurückfordern könnte. Vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 (BGBl. I, 609) enthielten die güterrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches Vorschriften darüber, welche Kosten eines Rechtsstreits, den eine Ehefrau führte, von dem Ehemann zu tragen waren (§§ 1387, 1464, 1529 BGB a.F.). Auch die Pflicht des Mannes, seiner Ehefrau, mit der er im gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung lebte, einen Kostenvorschliß für einen Ehescheidungsstreit zu leisten, wurde aus den ihm durch den Güterstand auferlegten Pflichten hergeleitet (BGH RGRK 9. Aufl. § 1387 Anm. 6 b; RG JW 1901, 274 und 735). Bei der Gütertrennung bestand keine Verpflichtung, einen solchen Vorschuß zu zahlen (vgl. Brühl, FamRZ 1958, 197 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese Rechtsauffassung hat der Gesetzgeber im Gleichberechtigungsgesetz aufgegeben. Die in § 1360 a Abs. 4 BGB getroffene Regelung läßt erkennen, daß er die gegenseitige Pflicht der Ehegatten, einander einen Prozeßkostenvorschuß zu gewähren, als einen Ausfluß ihrer durch die Ehe begründeten gegenseitigen Unterhaltspflicht betrachten will (vgl. dazu BGH LM BGB § 1709 Nr. 5 und 9).
Soweit die Pflicht, einen Prozeßkostenvorschuß zu zahlen, vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes aus den güterrechtlichen Bestimmungen hergeleitet wurde, war dort auch die Verpflichtung zur Rückzahlung des Vorschusses geregelt. Bei dem gesetzlichen Güterstand der Verwaltung und Nutznießung fielen nach § 1416 Abs. 1 a.F. BGB die Kosten eines Rechtsstreits, den die Ehegatten gegeneinander geführt hatten, im Verhältnis der Ehegatten zueinander dem Vorbehaltsgut zur Last, soweit nicht der Mann sie zu tragen hatte. Es richtete sich also nach der in dem Rechtsstreit getroffenen Kostenentscheidung, ob und in welchem Umfang die Ehefrau dem Ehemann den gezahlten Prozeßkostenvorschuß zu erstatten hatte. Die Kosten für einen eine persönliche Angelegenheit der Frau betreffenden Rechtsstreit gegen einen Dritten hatte nach § 1416 Abs. 2 Satz 2 a.F. BGB der Mann zu tragen.
Das BGB in seiner jetzt geltenden Fassung enthält keine Bestimmung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der Empfänger des Prozeßkostenvorschusses diesen zurückzuzahlen hat.
Eine uneingeschränkte Pflicht zur Rückzahlung des Prozeßkostenvorschusses kann nicht etwa aus den in §§ 1441-1443 und 1463-1465 BGB für die Gütergemeinschaft getroffenen Regelungen hergeleitet werden. Diese Bestimmungen sind speziell auf den ihnen zugrunde liegenden Güterstand ausgerichtet. § 1443 BGB besagt, daß im Verhältnis der Ehegatten zueinander die Kosten eines Rechtsstreits, den die Ehegatten miteinander führen, dem Ehegatten zur Last fallen, der sie nach den allgemeinen Vorschriften zu tragen hat. Soweit der Prozeßkostenvorschuß aus dem Gesamtgut gewährt worden ist, ist er von dem Empfänger, der die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, dem Gesamtgut zu erstatten. Die Ausgleichung findet aber nach § 1446 BGB erst nach der Beendigung der Gütergemeinschaft statt. Entsprechendes gilt nach §§ 1465, 1468 BGB. Diese Regelung kann auf die sich beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft ergebenden vermögensrechtlichen Beziehungen nicht übertragen werden.
Die für die Rückzahlung des Prozeßkostenvorschusses notwendigen Voraussetzungen, sind unter dem Charakter der Leistung als Beitrag zum Unterhalt des Empfängers zu entnehmen. Ein Ehegatte, der verpflichtet ist, seinen Ehepartner zu unterhalten, muß ihm auch die Mittel zur Führung eines Rechtsstreits, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, zur Verfügung stellen, wenn der andere nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Er muß es ihm ermöglichen, einen solchen Rechtsstreit zu führen. Der Natur des Vorschusses als Beitrag zum Unterhalt würde es widersprechen, wenn der Ehegatte nach Beendigung des Rechtsstreits den Vorschuß zurückfordern könnte, ohne daß die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Ehepartners sich geändert hätten. Wenn der Empfänger als Beitrag zu seinem Unterhalt Anspruch auf den Vorschuß hatte, kann ihm dieser bei gleichbleibender wirtschaftlicher Lage grundsätzlich nicht wieder entzogen werden. Entbehrungen, die er nicht auf sich zu nehmen brauchte, um die Kosten für den Rechtsstreit aufzubringen, können ihm auch nach Beendigung des Rechtsstreits nicht zugemutet werden, soweit es sich darum handelt, den Vorschuß zurückzuzahlen. Daraus, daß der Empfänger des Vorschusses in dem Rechtsstreit unterlegen und verurteilt worden ist, die Kosten ganz oder teilweise zu tragen, folgt noch nicht, daß er das Vorgeschossene zurückzugewähren hat. Die in dem Rechtsstreit ergehende Kostenentscheidung betrifft nur die prozessuale Kostentragungspflicht. Sie beruht allein auf der Tatsache des Unterliegens. Die Frage, ob der Vorschuß zurückzuzahlen ist, ist dagegen nach dem den §§ 1360 ff BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken zu entscheiden. Auch dann, wenn die Ehe geschieden ist und der Empfänger des Vorschusses keinen Unterhaltsanspruch mehr gegen seinen geschiedenen Ehepartner hat, ist dieser doch verpflichtet, ihm den gewährten Vorschuß zu belassen, wenn sich, abgesehen von der Scheidung der Ehe, die Verhältnisse im Vergleich zu denen, die bestanden, als der Vorschuß gegeben wurde, nicht entscheidend geändert haben. In einem solchen Fall kann das, was einmal als Unterhalt geleistet ist, nicht zurückgefordert werden.
Für die Entscheidung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Pflicht zur Rückzahlung des Vorschusses besteht, kann auch nicht außer Betracht bleiben, daß der Vorschußempfänger, wenn er keinen Vorschuß hätte beanspruchen können und mittellos gewesen wäre, das Armenrecht bewilligt erhalten hätte. Die Bewilligung des Armenrechts aber hätte nach § 125 ZPO zur Folge gehabt, daß er zur Nachzahlung der Beträge, von deren Berichtigung er einstweilen befreit war, erst verpflichtet gewesen wäre, sobald er ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts dazu in der Lage war. Es muß sich seine wirtschaftliche Lage in solcher Weise gebessert haben, daß er nicht mehr als arm anzusehen ist. Der Vorschußempfänger kann dadurch, daß er von seinem sich aus § 1360 a Abs. 4 BGB ergebenden Unterhaltsanspruch Gebrauch machen mußte, um einen Rechtsstreit in einer persönlichen Angelegenheit zu führen, nicht schlechter gestellt sein, als eine Partei, die von ihrem Ehegatten einen solchen Vorschuß nicht erlangen kann und daher für die Führung dieses Rechtsstreits das Armenrecht hätte in Anspruch nehmen müssen.
Andererseits geht die durch § 1360 a Abs. 4 BGB begründete Pflicht aber auch nicht dahin, daß der Ehegatte die seinem Ehepartner auferlegten Prozeßkosten stets endgültig zu tragen hat. Der bedürftige Ehegatte hat nur Anspruch auf einen "Vorschuß". Er muß den empfangenen Vorschuß zurückgewähren, wenn die Voraussetzungen, die ihn berechtigten, den Vorschuß zu verlangen, nicht mehr gegeben sind. So ist es insbesondere, wenn sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich gebessert haben, so daß er in der Lage ist, das Empfangene zurückzugewähren, ohne dadurch seinen oder seiner Familie notwendigen Unterhalt zu gefährden. Wenn die Ehe aufgelöst ist und der Empfänger des Vorschusses gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Zugewinnausgleich hat, kann der zugewinnausgleichspflichtige Ehegatte gegenüber diesem Anspruch mit seinem Anspruch auf Rückzahlung des gewährten Prozeßkostenvorschusses aufrechnen. Es tritt dadurch eine Lage ein, die mit der zu vergleichen ist, die unter entsprechenden Umständen nach § 1446 BGB für Eheleute besteht, die in Gütergemeinschaft leben.
Schließlich kann der Vorschuß zurückgefordert werden, wenn die Rückforderung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht. Dabei kann die Tatsache, daß der Empfänger des Vorschusses in dem Rechtsstreit ganz oder teilweise unterlegen ist, den Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses allerdings allein nicht rechtfertigen. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die eine Verpflichtung zur Rückzahlung als billig erscheinen lassen.
Da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen die Rückforderung des Vorschusses verlangt werden kann, nicht gegeben sind, war die Revision zurückzuweisen.
Johannsen
Wüstenberg
Dr. Reinhardt
Dr. Buchholz