Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.02.1971, Az.: VIII ZR 188/69
Kauf einer Caterpillar D 4 C Moor-Planierraupe unter Eigentumsvorbehalt; Anforderungen für das Recht auf abgesonderte Befriedigung; Wirkungen des erweiterten Eigentumsvorbehalt im Konkursverfahren
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 10.02.1971
- Aktenzeichen
- VIII ZR 188/69
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11878
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 28.05.1969
Rechtsgrundlagen
- § 455 BGB
- § 43 KO
- § 27 VerglO
- § 36 VerglO
Fundstellen
- DB 1971, 521-522 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1971, 506-507 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1971, 481 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1971, 799 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma Theodor H., Alleininhaber Theodor H. in F. Nr. ...,
Prozessgegner
Firma Z. Metallwerke Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Garching, S. Straße ...,
vertreten durch den Geschäftsführer Direktor K.,
Amtlicher Leitsatz
Ein erweiterter Eigentumsvorbehalt in Form eines sogenannten Kontokorrentvorbehalts gewährt dann, wenn die Sache, deren Eigentum vorbehalten ist, bereits voll bezahlt wurde, kein Aussonderungsrecht, sondern lediglich ein Absonderungsrecht.
Wer auf Grund eines erweiterten Eigentumsvorbehalts in Form eines sogenannten Kontokorrentvorbehalts ein Abscnderungsrecht wegen der Forderungen aus laufender Geschäftsverbindung mit dem Vergleichsschuldner an einem von diesem bereits voll bezahlten Gegenstand hat, ist grundsätzlich nicht Vergleichsgläubiger.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr, Haidinger sowie
der Bundesrichter Dr. Gelhaar, Dr. Messner, Mormann und Dr. Hiddemann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. Mai 1969 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Durch Kaufvertrag vom 23. März 1965 verkaufte die Klägerin unter Vereinbarung ihrer Verkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten eine Caterpillar D 4 C Moor-Planierraupe zum Preise von 71.387 DM. Die Beklagte leistete eine Anzahlung von 14.000 DM durch Verrechnung und gab für den Rest des Kaufpreises der Klägerin Wechsel.
In den Verkaufs- und Lieferbedingungen ist bestimmt unter III 5:
"An allen Kaufgegenständen behalten wir uns bis zur vollständigen Erfüllung aller Verpflichtungen des Käufers aus der Geschäftsverbindung mit uns das Eigentum vor. Der Eigentumsvorbehalt gilt insbesondere auch für alle unsere Forderungen aus Reparaturen, Ersatzteil-, Zubehör- und Betriebsstofflieferungen, Einstell- und Versicherungskosten."
Nach III 10 der Lieferbedingungen sollte im Falle der Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens über das Vermögen des Käufers die gesamte Restschuld fällig und die Klägerin berechtigt sein, sofort die Herausgabe des Kaufgegenstandes unter Ausschluß jeglichen Zurückbehaltungsrechts des Käufers zu verlangen.
Die Planierraupe war am 1. Juni 1967 voll bezahlt. Jedoch hatte die Klägerin an die Beklagte Ersatzteile geliefert und Kundendienst geleistet. Sie hatte hierfür am 30. Mai 1967 den Betrag von 921,89 DM zu fordern. Auch in der Folgezeit erhielt die Beklagte Ersatzteile und Kundendienstleistungen, so daß ihr Konto bei der Klägerin niemals ausgeglichen war.
Am 28. Mai 1968 wurde über das Vermögen der Beklagten das Vergleichsverfahren eröffnet. Die Forderung der Klägerin, die unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen noch 3.612,04 DM betrug, wurde als Vergleichsforderung anerkannt. Der vom Gericht bestätigte Vergleich sieht eine Quote von 50 % bei Erlaß der Restforderung vor.
Das Verlangen der Klägerin auf Herausgabe der Raupe zum Zwecke der abgesonderten Befriedigung wegen des Betrages von 3.612,04 DM nebst Zinsen lehnte der Vergleichsverwalter ab. Darauf erhob die Klägerin Klage mit dem Antrage, die Beklagte zur Herausgabe der Planierraupe zu verurteilen, jedoch mit der Maßgabe, daß die Beklagte diesen Anspruch durch Zahlung von 3.612,04 DM nebst Zinsen sowie der Kosten des Rechtsstreits abwenden könne.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszuge hat die Klägerin hilfsweise die Herausgabe der Raupe zum Zwecke der abgesonderten Befriedigung mit derselben Maßgabe verlangt.
Das Berufungsgericht hat durch das in MDR 1969, 840 abgedruckte Urteil diesem Hilfsantrag stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1.
Das Berufungsgericht hat den erweiterten Eigentums vorbehält in Form des sogenannten Kontokorrentvorbehalts, der in III 5 der zum Inhalt der vertraglichen Beziehungen der Parteien gewordenen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin enthalten ist, als wirksam angesehen. Diese Beurteilung, die von der Revision nicht ausdrücklich angegriffen wird, entspricht der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Auffassung, der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat (Urteil vom 20. Mai 1958 - VIII ZR 329/56 - LM BGB § 127 Nr. 1 = NJW 1958, 1231; BGHZ 42, 53, 59) [BGH 15.06.1964 - VIII ZR 305/62]. Ein Ausnahmefall, in dem die Ausgestaltung des erweiterten Eigentumsvorbehalts so sehr dem Sinne eines Kaufvertrages widerspricht, daß in der Erstreckung des Eigentumsvorbehalts eine mißbräuchliche Ausnutzung der Vertragsfreiheit erblickt werden müßte, ist ersichtlich nicht gegeben. Der Berufung auf den Eigentumsvorbehalt an der Planierraupe steht auch nicht entgegen, daß die Klägerin, wie die Revision unter Hinweis auf das Schreiben des Vergleichsverwalters vom 9. August 1968 geltend macht, sich möglicherweise an die von ihr gelieferten Ersatzteile halten und deren Aussonderung verlangen kann. Einmal haben gebrauchte Ersatzteile, selbst wenn sie sich ohne allzu hohe Aufwendungen wieder ausbauen lassen, erfahrungsgemäß nur einen sehr geringen Wert. Außerdem würde den Kundendienstleistungen der Klägerin überhaupt kein Sachwert gegenüberstehen, an den sie sich halten könnte. Ist aber die Klägerin kraft des erweiterten Eigentumsvorbehalts Eigentümerin der Planierraupe geblieben, so kann sie grundsätzlich auch die Rechte geltend machen, die ihr der Eigentumsvorbehalt gewährt.
Mit Recht und ohne Widerspruch der Revision hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß der Eigentumsvorbehalt der Klägerin nicht erloschen ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhange, daß trotz voller Bezahlung des Kaufpreises für die Planierraupe das Konto der Beklagten bei der Klägerin infolge der von dieser erbrachten Ersatzteillieferungen und Kundendienstleistungen niemals ausgeglichen war. Dabei ist ohne Bedeutung, ob zwischen den Parteien ein echtes Kontokorrentverhältnis bestanden hat, was die Revision in Abrede stellt, denn es ist anerkannt, daß der sogenannte Kontokorrentvorbehalt das Bestehen eines echten Kontokorrentverhältnisses im Sinne des § 355 HGB nicht voraussetzt (Bley/Mohrbutter VerglO 3. Aufl. § 36 Anm. 44 c; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung Bd. I § 15 III 1 b S. 423). Der Eigentumsvorbehalt deckt den vollen von der Beklagten bei Vergleichseröffnung geschuldeten Betrag; denn für einen vereinbarten erweiterten Eigentumsvorbehalt in Form des Kontokorrentvorbehalts gilt nicht der Grundsatz der niedrigsten Saldohaftung, gleichgültig, ob ein echtes Kontokorrentverhältnis besteht oder nicht (Serick a.a.O. S. 422 und 424; vgl. BGHZ 26, 142, 150) [BGH 28.11.1957 - VII ZR 42/57]. Der zwischen den Parteien vereinbarte Eigentumsvorbehalt bezieht sich mithin auf die gesamte Forderung aus der Geschäftsverbindung in ihrer jeweiligen Höhe.
2.
Das Berufungsgericht hält in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Vorschrift des § 36 Abs. 1 VerglO zugunsten der Klägerin nicht für anwendbar, weil die Beklagte den Kaufvertrag über die Planierraupe dadurch, daß sie den Kaufpreis in voller Höhe gezahlt hat, vollständig erfüllt habe. Ob diese der Beklagten günstigen und von der Revision naturgemäß nicht angegriffenen Ausführungen einer rechtlichen Prüfung standhalten, kann dahingestellt bleiben, denn das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin schon deshalb nicht Vergleichsgläubigerin ist, weil sie im Konkurse der Beklagten wenn auch nicht Aussonderung, so doch abgesonderte Befriedigung aus der Planierraupe beanspruchen könne.
a)
Ein Eigentumsvorbehalt gewährt zwar grundsätzlich ein Aussonderungsrecht. Hier ist aber die Besonderheit gegeben, daß die Planierraupe, um die der Rechtsstreit geht, voll bezahlt ist und nur noch die Bezahlung von Ersatzteilen und Dienstleistungen aussteht. In einem derartigen Falle erfüllt der erweiterte Eigentumsvorbehalt die Aufgabe, die im allgemeinen einer Sicherungsübereignung zukommt, denn er dient der dinglichen Sicherung von Forderungen, die nicht den Sicherungsgegenstand betreffen. Ebenso wie bei der Sicherungsübereignung kann daher auch durch die Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts dann, wenn die Sache, deren Eigentum vorbehalten ist, bereits voll bezahlt wurde, nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung im Konkurse des Vorbehaltskäufers entstehen (Flume NJW 1950, 841, 849 f; Böhle-Stamschräder KO 9. Aufl. § 43 Anm. 3; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1970 - VIII ZR 52/69 - WM 1971, 71 = Betrieb 1971, 87 für den verlängerten Eigentumsvorbehalt). Das Berufungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, daß der Klägerin aufgrund ihres erweiterten Eigentumsvorbehalts hier nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zustehen kann.
b)
Nach § 27 VerglO sind absonderungsberechtigte Gläubiger grundsätzlich nicht Vergleichsgläubiger. Bley (Z Ak D R 1937, 41) und Bley/Mohrbutter (VerglO 3. Aufl. § 36 Anm. 44) wollen dem Vorbehaltsverkäufer, der einen Kontokorrentvorbehalt vereinbart hat, sowohl ein Aussonderungs- als auch ein Absonderungsrecht dann versagen, wenn der Gegenstand, den der Vorbehaltsverkäufer aufgrund des Vorbehalts in Anspruch nehmen will, bereits voll bezahlt ist (ebenso auch Böhle-Stamschräder VerglO 7. Aufl. § 36 Anm. 3). Sie begründen diese Ansicht damit, daß der Kontokorrentvorbehalt die schuldrechtliche Selbständigkeit der einzelnen Kaufverträge im Hinblick auf die Bestimmung des § 36 VerglO nicht beeinträchtige. Es sei aber mit den allgemeinen Vertragsgrundsätzen gemäß §§ 157, 242 BGB unvereinbar und im Ergebnis untragbar, wenn sich der Gläubiger mit jeder Neulieferung an möglicherweise bereits vor Jahren gelieferte und längst bezahlte Ware halten könnte.
Diesen Gedankengängen vermag ebenso wie das Berufungsgericht auch der erkennende Senat nicht zu folgen. Zu Unrecht berufen sich Bley/Mohrbutter a.a.O. in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg KTS 1962, 63, denn in dem von diesem Gericht entschiedenen Falle war das erste, Gerät schon voll bezahlt, als später ein zweites bestellt und geliefert wurde. Zur Zeit des Verkaufs des zweiten Geräts war also der Eigentumsvorbehalt an dem ersten Gerät bereits erloschen. Er konnte durch bloße Parteivereinbarung nicht wieder aufleben, vielmehr hätte eine Sicherung des Verkäufers durch das erste Gerät, dessen Eigentum auf den Käufer übergegangen war, nur dadurch herbeigeführt werden können, daß das erste Gerät dem Verkäufer zur Sicherung übereignet wurde, was ersichtlich nicht geschehen war. Aus diesem Urteil läßt sich daher für die von dem erkennenden Senat abgelehnte Ansicht nichts herleiten. Der von Bley/Mohrbutter a.a.O. als entscheidend angesehene Umstand, daß die einzelnen Verträge zwischen Verkäufer und Vergleichsschuldner auch bei Vereinbarung eines Kontokorrentvorbehalts als rechtlich selbständig anzusehen sind, ist jedenfalls für sich allein nicht geeignet, die von ihnen vertretene Auffassung zu rechtfertigen. Dabei mag ihnen zugegeben werden, daß § 36 Abs. 1 VerglO zugunsten des Vorbehaltsverkäufers dann nicht anwendbar ist, wenn der Vergleichsschuldner den Gegenstand, an dem sich der Verkäufer aufgrund der Kontokorrentklausel das Eigentum vorbehalten hat, voll bezahlt hat. Hierauf kommt es indes nicht an. Bei der von Bley/Mohrbutter gegebenen Begründung lassen sie nämlich außer acht, daß der Vorbehaltsverkäufer, der aufgrund des Kontokorrentvorbehalts abgesonderte Befriedigung aus einem Gegenstand verlangt, an dem zu seinen Gunsten ein Eigentumsvorbehalt besteht, sich darauf stützen kann, daß er nach § 27 Abs. 1 VerglO kein Vergleichsgläubiger ist. Maßgebend für die Anwendung des § 27 VerglO ist allein die dingliche Rechtslage. Der Eigentumsvorbehalt, das gilt auch für den erweiterten Vorbehalt, gibt aber dem Vorbehaltsverkäufer eine gesicherte dingliche Rechtsposition: Er ist Eigentümer der Sache geblieben. Allerdings darf er die Sache, die der Käufer bereits voll bezahlt hat, nicht aussondern, denn die Sache dient nur seiner Sicherung. Er hat aber eine dem Sicherungseigentümer vergleichbare Stellung erlangt und darf sich deshalb wegen der gesicherten Forderung aus der Sache befriedigen. Ihm steht also ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zur Seite. Dieses Recht hat seine Bedeutung gerade dann, wenn der Schuldner insolvent wird und der Gläubiger darauf angewiesen ist, sich wegen seiner Forderung an die Sache zu halten, an der er sich das Eigentum vorbehalten hatte. Deshalb entfaltet der erweiterte Eigentumsvorbehalt, wie einhellig anerkannt wird (Mentzel/Kuhn KO 7. Aufl. § 43 Anm. 42; Böhle-Stamschräder KO § 43 Anm. 3 b), seine Wirkung auch im Konkursverfahren.
Für das Vergleichsverfahren kann nichts anderes gelten. Sowohl das Konkurs- als auch das Vergleichsverfahren lassen die Rechte der dinglich gesicherten Gläubiger grundsätzlich unberührt. Auch der von Meißner (NJW 1962, 1559 [BFH 27.02.1962 - I - 208/60 S]) hervorgehobene Zweck des Vergleichsverfahrens, das Unternehmen des unverdient in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Schuldners zu erhalten, rechtfertigt es nicht, dem Gläubiger im Vergleichsverfahren des Vorbehaltskäufers das ihm zustehende Absonderungsrecht aufgrund des erweiterten Eigentumsvorbehalts zu versagen, wie Henseler (NJW 1963, 845) überzeugend nachgewiesen hat. Der Kontokorrentvorbehalt hat daher im Vergleichsverfahren die gleichen Wirkungen wie im Konkurse des Vorbehaltskäufers. Mithin ist die Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht Vergleichsgläubigerin.
3.
Der erkennende Senat folgt somit sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung dem Urteil des Berufungsgerichts, auf das im übrigen verwiesen werden kann. Die Revision hat keine Gesichtspunkte angeführt, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Die Revision der Beklagten muß daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden.
Dr. Gelhaar
Dr. Messner
Mormann
Dr. Hiddemann