Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.09.1970, Az.: I ZR 47/69
„Branchenverzeichnis“
Anweisung eines Unternehmers an einen Handelsvertreter als interner Vorgang; Zur Möglichkeit der Beurteilung eines internen Vorgangs als wettbewerbswidrig; Verschweigen der Konkurrenz beim Vertrieb von Branchenverzeichnissen für den Fernschreibverkehr
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 25.09.1970
- Aktenzeichen
- I ZR 47/69
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1970, 11297
- Entscheidungsname
- Branchenverzeichnis
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 06.03.1969
- LG München I - 21.05.1968
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DB 1970, 2211-2212 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1971, 28 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1970, 2294-2295 (Volltext mit amtl. LS) "Branchenverzeichnis"
Verfahrensgegenstand
Branchenverzeichnis
Prozessführer
Firma U.-Verlag GmbH, München, S. straße ...,
gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer Georg O., Arendt B., und Gerhard F.
Prozessgegner
Firma T.-Verlag, J. & W. oHG, D., H.,
gesetzlich vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter Erwin W.,
Amtlicher Leitsatz
Die Anweisung des Unternehmers an einen für den Betrieb arbeitenden Handelsvertreter, eine gegen § 1 UWG verstoßende Werbebehauptung zu verwenden, ist ein interner Vorgang und stellt selbst noch keinen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Sie kann aber Grundlage einer vorbeugenden Unterlassungsklage sein.
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 1970
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Alff, Dr. Sprenkmann, Dr. Merkel, Dr. Schönberg und Dr. Frhr. v. Gamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. März 1969 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung und zum Schadensersatz zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Mai 1968 teilweise wie folgt abgeändert:
Die Klage wird zu Ziffer II (Feststellung der Schadensersatzpflicht) und zu Ziffer III (Auskunftsanspruch) abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien stellen Branchenverzeichnisse für den Fernschreibverkehr her und vertreiben sie als Wettbewerber. Das aus einem Band bestehende Branchenverzeichnis der Klägerin umfaßt die Fernschreibteilnehmer der ganzen Welt (W. T. Telex). Das Branchenverzeichnis der Beklagten besteht aus zwei Bänden (C. Telex Europe); der erste Band enthält die Fernschreibteilnehmer in Deutschland, der zweite die Fernschreibteilnehmer in den übrigen Ländern Europas.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte weise ihre Vertreter an, mit der unrichtigen Behauptung zu werben, sie sei die einzige, die ein nach Branchen geordnetes Verzeichnis der deutschen Fernschreibteilnehmer herausbringe. Darüber hinaus erwecke sie den unrichtigen Anschein, als stelle ihr Verzeichnis eine Ergänzung zum amtlichen Telex-Verzeichnis der Deutschen Bundespost dar. Die Klägerin hat sich hierzu auf ein Schreiben der Beklagten an ihren früheren Vertreter Kempe vom 21. Februar 1967 bezogen, in dem es u.a. heißt:
"Wenn Sie dann noch darauf hinweisen, daß unser Branchenverzeichnis das einzige Verzeichnis ist, das zum amtlichen Verzeichnis die Teilnehmer branchenmäßig bringt, dann sollte es doch nicht allzu schwierig sein, Aufträge schreiben zu können".
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
der Beklagten unter Strafandrohung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zu behaupten oder behaupten zu lassen, ein von ihr herausgegebenes Fern-Schreibverzeichnis sei das einzige Verzeichnis, das zum amtlichen Verzeichnis die Teilnehmer branchenmäßig bringe,
- 2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr durch seit dem 1. Januar 1967 begangene Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, seit wann sie die in Ziffer 1 bezeichnete Behauptung aufstellt und wieviel Eintragungsaufträge ihr seit dem 1. Januar 1967 erteilt worden sind.
Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. Sie hat bestritten, ihre Vertreter in der behaupteten Weise angewiesen zu haben, und in Abrede gestellt, daß einer ihrer Vertreter die beanstandete Erklärung bei der Werbung abgegeben habe. Weiter hat sie geltend gemacht, das von ihr in einem besonderen Band herausgegebene Branchenverzeichnis der deutschen Fernschreibteilnehmer stelle tatsächlich eine Ergänzung zu dem von der Deutschen Bundespost herausgegebenen Telex-Verzeichnis dar. Sie sei die einzige, die für Deutschland ein Branchenverzeichnis der Fernschreibteilnehmer in einem besonderen Bande herausbringe. Nur so sei das Schreiben an den Zeugen K. vom 21. Februar 1967 zu verstehen, wie der Zeuge aufgrund einer Besprechung mit ihrem Geschäftsführer und aufgrund seiner Branchenkenntnisse gewußt habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei im geschäftlichen Verkehr und zu Wettbewerbszwecken geschehen, daß die Beklagte ihrem früheren Vertreter Kempe nahegelegt habe, die mit der Klage angegriffene Werbebehauptung zu verwenden. Die Beklagte habe damit unmittelbar auf die Wettbewerbslage einwirken wollen; deshalb handle es sich nicht bloß um eine betriebsinterne Mitteilung. Die Werbebehauptung verstoße gegen § 1 UWG, da sie der tatsächlichen Sachlage nicht entspreche. Die Wiederholungsgefahr sei wegen der Fortdauer des Konkurrenzkampfes zu vermuten. Zumindest sei der Unterlassungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Vorbeugung begründet. Das Auskunfts- und Schadensersatzbegehren sei aufgrund des festgestellten Wettbewerbsverstoßes ebenfalls begründet. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Klägerin ein Schaden entstanden sei, da derartige Verkaufsargumente von den an ihren Erfolgen interessierten Vertretern auch benutzt würden.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg.
II.
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung richtet.
1.
Die Revision hat allerdings darin recht, daß die Mitteilung der Beklagten an ihren früheren Vertreter Kempe im Schreiben vom 21. Februar 1967 noch keinen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt. Nicht jedes auf die Förderung des eigenen Absatzes gerichtete geschäftliche Verhalten eines Gewerbetreibenden ist auch wettbewerbliches Verhalten. Das trifft erst zu, wenn dieses Verhalten in der Außenwelt in Erscheinung tritt und sich auf gegenwärtige oder mögliche Mitbewerber auswirken kann. Betriebsinterne Vorgänge gehören dazu nicht. Sie stellen kein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 1 UWG dar (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 9. Aufl., Einl. UWG Rdz. 141, 144; Ulmer/Reimer, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedsstaaten der EWG, Bd. III, Anm. 69). Das gilt auch für die Mitteilung der Beklagten an den Zeugen Kempe. Der Umstand, daß der Zeuge Handelsvertreter der Beklagten war und die Stellung eines selbständigen Gewerbetreibenden im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB hatte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Als ausschlaggebend angesehen werden muß vielmehr, daß er im Innenverhältnis der Beklagten gegenüber zur Geschäftsbesorgung verpflichtet war (§§ 611 ff, 675 BGB) und ihren Weisungen unterstand. Diese Abhängigkeit läßt es als gerechtfertigt erscheinen, ihn als zum Betrieb der Beklagten gehörend anzusehen, wofür auch spricht, daß er jedenfalls Glied der Vertriebsorganisation der Beklagten war. Der erkennende Senat hat zu § 13 Abs. 1 UWG ausgesprochen, daß von einem Inverkehrbringen im Sinne dieser Vorschrift dann nicht gesprochen werden kann, wenn Waren nur innerhalb eines Konzerns verteilt werden, da es dann an der Herstellung von Außenbeziehungen fehle (BGH GRUR 1969, 479, 480 - Colle de Cologne). Auch in dieser Entscheidung ist nicht auf die rechtliche Selbständigkeit der beteiligten Unternehmen, sondern auf ihre Bindung im Innenverhältnis, insbesondere den wirtschaftlichen Zusammenhang, abgestellt worden. Für die Frage, ob ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 1 UWG vorliegt, müssen im Grunde die gleichen Erwägungen Platz greifen. Daß danach ein Handelsvertreter in der Regel erst recht als zum Betrieb des Unternehmers gehörend angesehen werden muß, für den er arbeitet, liegt auf der Hand. Hiermit steht im Einklang, daß der Unternehmer gemäß § 13 Abs. 3 UWG für die Handlungen des Vertreters einstehen muß, ohne sich entlasten zu können. Auch im Sinne dieser Vorschrift gehört der Handelsvertreter zum geschäftlichen Betrieb des Unternehmers (Baumbach/Hefermehl, § 13 UWG Rdz. 27).
Hieraus folgt, daß das Schreiben der Beklagten an den Zeugen Kempe nur eine betriebsinterne Mitteilung ist. Unabhängig davon, ob die empfohlene Werbebehauptung als solche wettbewerbswidrig ist, kann die Anweisung hierzu selbst noch keinen Wettbewerbsverstoß darstellen. Wenn es auch richtig ist, daß die Beklagte, wie das Berufungsgericht hervorhebt, mit dieser Mitteilung auf die Wettbewerbslage zwischen den Parteien einwirken wollte, so gibt doch den Ausschlag, daß es an einer solchen Einwirkung noch fehlt, solange der Vertreter von der Anweisung nicht Gebrauch gemacht hat.
2.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß der Zeuge K. oder ein anderer Vertreter der Beklagten die streitige Werbebehauptung tatsächlich verwendet habe. Hinsichtlich des Zeugen Kempe ist das Gegenteil sogar unstreitig. Ihre sich auf andere Vertreter beziehenden Beweisanträge hat die Klägerin nicht aufrecht erhalten. Sie hat auch nicht behauptet, daß die Beklagte selbst in dieser Weise bei ihren Kunden geworben habe, sondern vielmehr vorgebracht, die Beklagte habe das wohlweislich vermieden.
3.
Fehlt es somit feststellbar an einem der Beklagten zur Last fallenden Wettbewerbsverstoß, dann kann das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage zwar nicht damit begründet werden, daß eine "Wiederholungsgefahr" bestehe. Das Berufungsgericht nimmt aber ohne Rechtsverstoß an, daß das Unterlassungsbegehren zumindest aus dem Gesichtspunkt der Vorbeugung begründet sei.
a)
Nach den rechtsirrtumsfreien Feststellungen des Berufungsgerichts entspricht die dem Zeugen Kempe nahegelegte Werbebehauptung nicht der Wahrheit. Die Beklagte ist nicht der einzige Verlag, der ein Branchenverzeichnis der deutschen Fernschreibteilnehmer herausbringt. Sollte die Beklagte gemeint und dem Zeugen Kempe in einer Besprechung auch mitgeteilt haben, daß sie die einzige sei, die ein nach Branchen geordnetes Verzeichnis der deutschen Fernschreibteilnehmer in einem gesonderten Band herausgebe, so würde dadurch die Formulierung des Schreibens vom 21. Februar 1967 nicht richtig, wie das Berufungsgericht ebenfalls feststellt. Das Berufungsgericht hätte zusätzlich noch darauf hinweisen können, daß gegenüber schriftlichen Mitteilungen dieser Art etwaige mündliche Erläuterungen nach der Lebenserfahrung keine Bedeutung haben. Es stellt daher auch keinen Verstoß gegen § 448 ZPO dar, daß das Berufungsgericht über die behauptete Besprechung nicht auch noch den Geschäftsführer der Beklagten vernommen hat.
b)
Die Beklagte verstößt daher gegen § 1 UWG, wenn sie die mit der Klage angegriffene Werbebehauptung im Wettbewerb gebraucht oder gebrauchen läßt. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die naheliegende Gefahr dieser Rechtsgutverletzung besteht. Wenn es sinngemäß zum Ausdruck bringt, daß wegen der Fortdauer des Konkurrenzkampfes damit zu rechnen sei, daß die Beklagte in ähnlich gelagerten Fällen die gleiche Anweisung geben werde, so liegt das auf dem Gebiet der dem Tatrichter vorbehaltenen freien Beweiswürdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die vorbeugende Unterlassungsklage ist daher begründet.
III.
Die Feststellung der Schadensersatzpflicht und die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung können dagegen nicht aufrecht erhalten bleiben. Beide Ansprüche setzen voraus, daß eine einschlägige Verletzungshandlung bereits begangen ist und die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach feststeht (BGH GRUR 1957, 342, 346 - Underberg). Hieran fehlt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Falle, wie oben unter II 1 ausgeführt wurde.
Die Revision war daher insoweit zurückzuweisen, als die Beklagte zur Unterlassung verurteilt worden ist; im übrigen mußte sie Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Sprenkmann
Merkel
Schönberg
v. Gamm