Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.12.1968, Az.: V ZR 80/67
Besitzrecht aus einem Kaufanwartschaftsvertrag; Formnichtigkeit eines Kaufanwartschaftsvertrages; Berufung auf die Formnichtigkeit eines Vertrages
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.12.1968
- Aktenzeichen
- V ZR 80/67
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 12038
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Celle - 08.03.1967
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1969, 303 (amtl. Leitsatz)
- DB 1969, 301-302 (amtl. Leitsatz)
- DNotZ 1969, 670-672
- MDR 1969, 468-469 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zum Umfang der Parteiherrschaft im Zivilprozeß: Die Parteien können nicht dadurch, daß sie übereinstimmend einen formnichtigen Grundstückskaufvertrag als gültig behandelt wissen wollen, eine anderweitige rechtliche Beurteilung seitens des Gerichts ausschließen.
Zur Frage, inwieweit der Bewerber um eine Kaufeigentumswohnung berechtigt ist, von dem Wohnungsbauunternehmer Auskunft über dessen Mehrforderungen zu verlangen.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Rothe, Dr. Freitag, Dr. Mattern und Offterdinger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. März 1967 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die klagende Wohnungsbaugesellschaft, die in L. auf eigenem Gelände Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen erstellte, schloß unter dem 30. Dezember 1958/18. Februar 1959 mit dem Beklagten und seiner Ehefrau einen privatschriftlichen Kaufanwartsehaftsvertrag. Den Gegenstand des Vertrages bildete ein von der Klägerin zu errichtendes Reihenhaus, das zusammen mit acht weiteren derartigen Häusern auf einem einheitlichen Grundstück zu stehen kam; der Beklagte und seine Ehefrau sollten nach Maßgabe des Wohnungseigentumsgesetzes das Sondereigentum am Haus und einen Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Grundstück erhalten.
In dem Vertrag wurden die "Erwerbskosten (Kaufpreis = Gesamtherstellungskosten einschl. Kosten für den Grundstücksanteil)" auf 30.700 DM veranschlagt. Dieser Betrag erhöhte sich später auf Grund einer am 19. Juli 1960 getroffenen "Zusatzvereinbarung über Sonderausstattung" um die dafür erforderlichen Kosten, die man damals auf etwa 4.000 DM schätzte. Auch unabhängig hiervon sah der Kaufanwartschaftsvertrag (Nr. I 10 und 11) die Möglichkeit von Kostenerhöhungen vor, insbesondere bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse infolge Steigens der Lohn- und Materialkosten sowie der Zins- und Kreditbedingungen; die Erwerber verpflichteten sich (Nr. 10 a.a.O.),
"diese Mehrkosten zu übernehmen, wenn die .... (Klägerin) diese durch nachprüfbare Belege nachweisen kann".
Zur Bestreitung der auf ihren Anteil entfallenden Zins- und Tilgungsleistungen sowie der geschätzten laufenden Kosten hatten die Erwerber ein monatliches Wohngeld "von voraussichtlich 131 DM" zu entrichten (Nr. I 16), dessen Höhe laut Vertrag ebenfalls Änderungen unterworfen sein konnte und nach Ablauf des ersten auf die Fertigstellung folgenden Kalenderjahres neu festgestellt werden sollte (Nr. I 17). Das Haus sollte, wenn es fertig war, von der Klägerin nach Maßgabe eines besonderen Verwaltervertrages mindestens bis zur Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel verwaltet werden (Nr. II § 8). Laut Kaufanwartschaftsvertrag hatte die Klägerin das "Einzel-Eigentum" an die Erwerber aufzulassen, sobald diese ihren sämtlichen Verpflichtungen nachgekommen seien (Nr. I 14). Der genannte Vertrag enthielt auch Einzelheiten über ein den Vertragspartnern unter bestimmten Umständen zustehendes Kündigungsrecht und über die Folgen seiner Ausübung (Nr. II §§ 9 bis 11).
Der Beklagte hatte als Eigenkapital eine Barzahlung von 1.140 DM zu erbringen (Anlage 1 zum Kaufanwartschaftsvertrag). In einem prämienbegünstigten Kapitalansammlungsvertrag vom 31. Dezember 1958 verpflichtete er sich, bei der Klägerin insgesamt 900 DM anzusparen. Die übrigen Kosten sollten im Wege der Zwischenfinanzierung durch Hypothekendarlehen und Lastenausgleichsleistungen (Aufbaudarlehen) beschafft werden.
Nach Fertigstellung und Gebrauchsabnahme wurde das Haus im November 1960 von dem Beklagten und seiner Ehefrau bezogen. Der Beklagte bewohnt es noch heute, während die Ehefrau, mit der er in Scheidung lebt, im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits wieder ausgezogen ist.
Seit 1961 kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der vom Beklagten geschuldeten Geldbeträge. An Wohngeld entrichtete er zunächst, wie ursprünglich vereinbart, monatlich 131 DM; diesen Betrag setzte er ab 1. Oktober 1961, nachdem sich bei der Anrechnung von Lastenausgleichsmitteln eine Veränderung zu seinen Gunsten ergeben hatte, auf 121,17 DM herab. Spätere Forderungen der Klägerin auf ein erhöhtes Wohngeld lehnte er als unberechtigt ab und weigerte sich, die ihm vorgelegten Entwürfe für entsprechende "Zusatzvereinbarungen" zu unterschreiben; das war insbesondere der Fall, als die Klägerin am 7. Mai 1962 monatlich 145 DM Wohngeld verlangte und dieses am 5. Dezember 1962 wiederum anderweitig auf 132,75 DM festsetzte. Auch eine Abrechnung vom selben Tage, wonach der Kaufpreis nunmehr 33.608,50 DM betragen und darauf bis zum 31. Dezember 1962 eine Nachzahlung von 4.511,50 DM geleistet werden sollte, erkannte der Beklagte nicht an. Mit Schreiben vom 30. August 1963 erhöhte die Klägerin den Gesamtkaufpreis auf 41.070,42 Über die Berechtigung ihrer verschiedenen Nachforderungen fand ein Schriftwechsel statt, bei dem auf beiden Seiten auch Rechtsanwälte beteiligt waren. Der Beklagte persönlich erstattete aus Anlaß dieser Streitigkeiten mehrere Strafanzeigen gegen die Klägerin und ihre Angestellten mit dem Vorwurf des Betruges und anderer Vergehen; die Klägerin ihrerseits zeigte durch ihren Anwalt den Beklagten wegen Nötigung an; die hierauf eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wurden sämtlich eingestellt. Einen weiteren Streitpunkt zwischen den Parteien bildete die Abrechnung über die am 19. Juli 1960 vereinbarte Sonderausstattung; die Klägerin verklagte dieserhalb den Beklagten auf Zahlung von 599,23 DM, der Beklagte verlangte widerklagend 42,15 DM; der Prozeß (3 C 805/61 AG Hannover) endete mit der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten in Höhe von 327,93 DM; die weitergehende Klage und die Widerklage wurden abgewiesen.
Während jener Vorprozeß noch in der Berufungsinstanz schwebte, schrieb die Klägerin am 4. Januar 1963 dem Beklagten, daß sie den Kaufanwartschaftsvertrag hiermit kündige, und verlangte Räumung des Hauses bis zum 31. Januar 1963; zur Begründung berief sie sich auf andauernde Vertragsverletzung, geschaftsschädigendes Verhalten, Herabsetzung ihrer Geschäftsleitung bei dritten Stellen und Nichterfüllung übernommener Verpflichtungen. Der Beklagte widersprach der Kündigung mit Anwalt schreiben vom 5. Juni 1963 und forderte die Klägerin auf, ihm die Berechtigung ihrer Mehrforderungen durch nachprüfbare Belege nachzuweisen.
Mit der vorliegenden, im Februar 1965 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Verurteilung des Beklagten, die von ihm innegehabte Wohnung zu räumen und an sie herauszugeben. Sie wiederholt die in ihrem Kündigungsschreiben angeführten Gründe und vertritt den Standpunkt, der Beklagte habe durch sein Verhalten, insbesondere auch durch leichtfertige und unbegründete Strafanzeigen, eine ordnungsmäßige Vertragsabwicklung unmöglich gemacht. Der Beklagte, der Klageabweisung beantragt, stellt eine Vertragsverletzung seinerseits in Abrede und bestreitet, daß seine Strafanzeigen leichtfertig erstattet worden seien; er habe sich mangels Vorlage prüfbarer Belege durch die ständig wechselnden Berechnungen der Klägerin getäuscht gefühlt und keinen anderen Weg gesehen, um sich Gewißheit über seine Rechte und Pflichten zu verschaffen. Hilfsweise macht er ein Zurückbehaltungsrecht geltend wegen seines Anspruchs auf Ersatz der von ihm aufgewendeten und durch die Benutzung des Anwesens nicht verbrauchten Geldbeträge.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben, letzteres unter Gewährung einer Räumungsfrist für den Beklagten bis zum 30. Juni 1967. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.
Der Erfolg des auf § 985 BGB gegründeten Räumungs- und Herausgabeverlangens der Klägerin hängt in erster Linie davon ab, ob dem Beklagten ein Recht zum Besitz nach § 986 BGB zusteht. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist das nicht der Fall; denn die. Klägerin habe den Kaufanwartschaftsvertrag vom 30. Dezember 1958/18. Februar 1959, aus dem sich für den Beklagten ein solches Besitzrecht ergeben könnte, mit ihrem Schreiben vom 4. Januar 1963, spätestens aber durch Erhebung der vorliegenden Klage rechtswirksam gekündigt. Den weiteren Einwand des Beklagten, daß er gemäß § 273 BGB wegen seiner Kaufpreiszahlungen ein Zurückbehaltungsrecht habe und allenfalls Zug um Zug gegen Rückempfang der gezahlten Beträge zur Räumung und Herausgabe verurteilt werden könne (§ 274 Abs. 1 BGB), hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht durchgreifen lassen, da der Beklagte nach dem Vertragsinhalt nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt sei und seinen Rückzahlungsanspruch auch nicht dargelegt habe.
Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Recht. Ihr ist schon aus dem Grunde der Erfolg nicht zu versagen, weil die Erwägungen, mit denen das angefochtene Urteil ein Zurückbehaltungsrecht verneint hat, sich als fehlerhaft erweisen.
2.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Kaufanwartschaftavertrag, da durch ihn die Klägerin zur Übertragung von Sondereigentum an dem Reihenhaus sowie eines Miteigentumsbruchteils am Grundstück habe verpflichtet werden sollen, nach § 4 Abs. 3 WEG i.V.m. § 313 BGB gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedurft hätte und daß er mangels dieser Form gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig sei. Es halt jedoch "diese bei Siedlungsunternehmen zunehmend aus Kostengründen üblich gewordene Verletzung der gesetzlichen Formvorschrift" im vorliegenden Falle für unerheblich: die Klägerin wolle aus dem Formmangel nach ihrer ausdrücklichen Erklärung keine Rechte für sich herleiten, und das könne sie nach. Treu und Glauben auch nicht, weil sie sich "auf Grund des von ihr selbst herbeigeführten Formfehlers allein" nicht von dem Vertrag lossagen dürfe.
Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Entbehrt ein Vertrag der gesetzlich vorgeschriebenen Form, dann kommt es nicht darauf an, ob einer der Vertragspartner sich auf diesen Mangel beruft und daraus Folgerungen herleitet. Die Frage der Formwahrung ist sachlich-rechtlicher Natur, sie betrifft eine rechtsbegründende Tatsache und muß im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung von Amts wegen beachtet werden; dem Richter ist es verwehrt, eine Vereinbarung, deren Dichtigkeit auf Grund von § 125 BGB er für erwiesen hält, gleichwohl so zu behandeln, als ob sie rechtswirksam wäre (BGHZ 29, 7, 12 [BGH 03.12.1958 - V ZR 28/57]; Urteil des Senats vom 11. Oktober 1968, V ZR 181/65, S. 12). Auch geht es nicht an, gesetzliche Formvorschriften, die im Interesse der Rechtssicherheit eingehalten werden müssen, aus allgemeinen Billigkeitserwägungen (§ 242 BGB) außer Anwendung zu lassen; Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur in besonders liegenden Fällen statthaft, namentlich wenn die Nichtanerkennung des formnichtigen Vertrages zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (BGHZ 45, 179, 184 f [BGH 25.02.1966 - V ZR 126/64]; 48, 396, 398 f [BGH 27.10.1967 - V ZR 153/64] m.w.Nachw.). Wieso letzteres hier der Fall sein sollte, lassen die tatrichterlichen Feststellungen nicht erkennen.
Der Notwendigkeit, einen Formmangel des Kaufanwartschaftsvertrages bei der Entscheidung zu beachten, wurde der Berufungsrichter auch nicht dadurch enthoben, daß die Klägerin ihr Räumungs- und Herausgabebegehren nicht auf diesen Umstand stützte, sondern den Vertrag so angesehen wissen wollte, als ob er rechtswirksam zustandegekommen wäre. Nach dem sogenannten Verhandlungsgrundsatz können freilich die Parteien bis zu einem gewissen Grade frei über den Streitstoff verfügen (Baumbach/Lauterbach, ZPO 29. Aufl. Grundzüge Nr. 3 vor § 128), und das Gericht ist an den Sachvortrag einer Partei gebunden, soweit er vom Gegner zugestanden oder nicht bestritten wird (§§ 288, 138 Abs. 3 ZPO). Im vorliegenden Fall war auch der Beklagte der von der Klägerin gewünschten Betrachtungsweise nicht ausdrücklich entgegengetreten, zumal da sie für ihn auf den ersten Blick vorteilhaft erschien; denn die Klägerin hatte von ihrem Standpunkt aus, um mit der Klage durchzudringen, nunmehr zusätzlich noch darzulegen und zu beweisen, daß er sich vertragswidrig verhalten und ihr damit berechtigten Anlaß zur Kündigung gegeben habe. Gleichwohl durfte das Oberlandesgericht sich jenen Standpunkt nicht zu eigen machen.
Einmal ist die Parteiherrschaft im Zivilprozeß keineswegs unbegrenzt; sie erstreckt sich auf tatsächliches Vorbringen, während der Richter in der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt frei ist; die Parteien können nicht mittels übereinstimmender Kundgabe von Rechtsansichten eine eigene rechtliche Beurteilung durch das Gericht ausschließen (BGH Urteil vom 29. September 1958, II ZR 342/56, WM 1958, 1391,1392 = NJW 1958, 1968). Außerdem führt möglicherweise die Ansicht, daß die Klägerin sich auf den von ihr selbst herbeigeführten Formfehler nicht berufen dürfe und deshalb der Kaufanwartschaftsvertrag als gültig behandelt werden müsse, zu einer Benachteiligung gerade des anderen Vertragspartners, in dessen Interesse das Berufungsgericht diese Handhabung nach Treu und Glauben für geboten hielt. Dem Beklagten würde nämlich dadurch sein Zurüekbehaltungsrecht genommen, das er anderenfalls der Räumungsklage hätte entgegensetzen können.
Ein solches Recht, so wird hierzu im angefochtenen Urteil ausgeführt, stehe dem Beklagten "nach dem Gesamtinhalt des Vertrages" ebensowenig zu wie einem Mieter (gedacht ist dabei anscheinend an die Regelung in § 556 Abs. 2 BGB); vielmehr sei die Klägerin ihrerseits nach Nr. II § 11 Abs. 3 des Kaufanwartschaftsvertrages berechtigt, solange mit der Auszahlung eines Überschusses an den Beklagten zurückzuhalten, bis sie einen Nachfolger für das Reihenhaus gefunden und dieser die erforderlichen Zahlungen geleistet habe. Inwieweit eine derartige Vertragsauslegung den Angriffen der Revision standhält, mag hier dahingestellt bleiben. Denn ein Rechtsfehler, der auch ohne Rüge berücksichtigt werden muß (§ 559 Satz 2 ZPO), liegt auf jeden Fall darin, daß der Berufungsrichter überhaupt den nach seiner Ansicht formnichtigen Kaufanwartschaftsvertrag herangezogen hat, um zu prüfen, ob der Beklagte gemäß § 273 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt sei. Entbehrte der Vertrag der Rechtswirksamkeit, dann galt das für seinen gesamten Inhalt (§ 139 BGB), also zugleich für diejenigen Vereinbarungen, aus denen das angefochtene Urteil den Ausschluß eines Zurückbehaltungsrechts entnehmen möchte. Dadurch, daß gleichwohl auf sie zurückgegriffen wurde, kann der Beklagte beschwert sein. Ihn traf unstreitig kein Verschulden an der Formnichtigkeit; sich darauf zu "berufen", wäre ihm somit selbst vom Standpunkt des Oberlandesgerichts aus nicht verwehrt gewesen. Falls es aber an einem gültigen Vertrag fehlte, hatten die Parteien einander die empfangenen Leistungen nach den Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugewähren (§§ 812 ff BGB). Im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses durfte der Beklagte dann auch nach §§ 273, 274 BGB verlangen, daß die Rückgewähr Zug um Zug erfolgte.
Das Berufungsgericht hat allerdings - wohl im Sinne einer Hilfsbegründung ("im übrigen") - noch erwogen, daß der Beklagte seinen Rückzahlungsanspruch "nicht dargelegt" habe. Insoweit rügt jedoch die Revision mit Recht Verletzung des § 286 ZPO. Das Zurückbehaltungsrecht wegen bereits geleisteter Kaufpreiszahlungen war vom Beklagten ausdrücklich geltend gemacht worden. Nach seiner Darstellung hatte er schon am 10. Oktober 1958, also noch vor Vertragsabschluß, das "Eigengeld" von 1.140 DM und die Gebühr für den Anwartschaftsvertrag in Höhe von 100 DM auf das Konto der Klägerin überwiesen; im Juli 1960 habe dann die Klägerin weitere 3471,61 DM erhalten (Schriftsatz vom 9. Juni 1965, S. 3). In der Berufungsbegründung war der Beklagte erneut auf diesen Punkt zurückgekommen und hatte dem Landgericht vorgeworfen, ihn nicht unter Ausübung des Fragerechts (§ 139 ZPO) zur Stellung sachdienlicher Anträge veranlaßt zu haben, die auf eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Erstattung der bereits aufgewendeten und nicht durch Nutznießung verbrauchten Beträge abgezielt hätten (S. 2); ferner hatte er daselbst sein Aufbaudarlehen von 5.900 DM erwähnt, das ebenfalls in voller Höhe "in dem Objekt stecke" (S. 3). Zutreffend verweist die Revision schließlich auf die von der Klägerin im Termin vom 11. Juni 1965 überreichte und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Aufstellung vom 8. Oktober 1963, aus der sich Einzelheiten über die Finanzierung der Sonderausstattung und die darauf gezahlten Beträge ergaben. Angesichts dieser Zahlenangaben kann von einer mangelnden Substantiierung nicht gesprochen werden. Das Berufungsgericht hätte ihnen nachgehen und, bevor es über das Zurückbehaltungsrecht entschied, den Umfang der vom Beklagten insgesamt erbrachten Leistungen klären müssen.
3.
Das angefochtene Urteil läßt sich daher mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten. Da der Fehler, der zu seiner Aufhebung führt, die dem Beklagten möglicherweise gebührende, Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung betrifft, erhebt sich die Frage, ob das Urteil im übrigen bestehen bleiben kann und die Sache lediglich insoweit, als das Zurückbehaltungsrecht in Betracht kommt, gemäß §§ 564, 565 Abs. 1 ZPO in die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß (BGHZ 45, 287 [BGH 02.06.1966 - VII ZR 162/64]; Urteile des erkennenden Senats vom 30. September 1966, V ZR 140/65, WM 1966, 1207, 1210 = NJW 1966, 2356, und vom 24. November 1967, V ZR 4/67, WM 1968, 443, 447). Allein für eine bloße Teilaufhebung ist im vorliegenden Falle kein Raum. Die Erwägungen des Oberlandesgerichts sind nämlich, wie im folgenden darzulegen sein wird, auch sonst nicht frei von Bedenken. Es erscheint deshalb angezeigt, ihm durch Aufhebung und Zurückverweisung im ganzen Umfang Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt in seiner Gesamtheit erneut zu würdigen.
a)
Daß der Kaufanwartschaftsvertrag vom 30. Dezember 1958/18. Februar 1959 gerichtlicher oder notarieller Beurkundung bedurft habe, folgert das Berufungsgericht daraus, daß er, wenn auch nur mittelbar, auf Übertragung von Sondereigentum am Gebäude und von Miteigentum am Grundstück gerichtet sei (§ 4 Abs. 3 WEG, § 313 BGB). Es hat aber nicht geprüft, ob die Pflicht der Klägerin zur Eigentumsübertragung unabhängig von jenem Vertrag bestand, und zwar auf Grund eines Auftragsverhältnisses. In den Beiakten 3 C 805/61, die in den Tatsacheninstanzen Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, befindet sich ein mit "Auftragserteilung" überschriebenes, von beiden Parteien unterzeichnetes Schriftstück vom 29. September 1958 (Fotokopie Bl. 99 f, Abschrift Bl. 113 f a.a.O.), wonach die Klägerin "auf ihr gehörendem oder noch von ihr zu erwerbendem Grundbesitz" Reihenhäuser im Eigenheimvorratsbau zu errichten beabsichtigte, die nach Fertigstellung an die Bewerber zu Eigentum übertragen werden sollten. Nach dem Text des Kaufanwartschaftsvertrages scheint sie damals noch nicht Eigentümerin des heute mit dem streitigen Haus bebauten Geländes gewesen zu sein; denn dort (vgl. Nr. I 1 und 2) ist von einem Kaufvertrag mit der Stadt Lüneburg vom 30. September 1958 die Rede. Falls die Parteien schon einen Tag vorher - was der Tatrichter im Wege der Auslegung des erwähnten Schriftstücks zu ermitteln haben wird - übereingekommen sind, daß die Klägerin das Grundstück für Rechnung des Beklagten (und der übrigen acht Bewerber) zu Eigentum erwerben und bebauen sollte, so ergibt sich ihre Pflicht zur Weiterübereignung unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 675, 667 BGB). Das wiederum hätte zur Folge, daß der spätere Kaufanwartschaftsvertrag nicht formbedürftig war (Urteile des Senats vom 12. Juli 1967, V ZR 136/64, WM 1967, 1037, 1038, und vom 11. Oktober 1968, V ZR 181/65, S. 13 f). Unter Umständen wird auch noch zu prüfen sein, ob ein Anspruch des Beklagten aus den §§ 54, 56, 61 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gegeben ist.
b)
Sollte das Oberlandesgericht nunmehr den Vertrag als gültig ansehen, dann wird es die Frage, ob die Klägerin ihn wirksam gekündigt habe, erneut prüfen müssen. Denn seine bisherigen Ausführungen zu diesem Punkt werden von der Revision mit Recht beanstandet. Hier braucht nicht auf sämtliche Rügen im einzelnen eingegangen zu werden, da es dem Beklagten freisteht, sie in der Berufungsverhandlung selbst vorzubringen. Der Senat kann sich mit folgenden allgemeinen Hinweisen begnügen.
Soweit das angefochtene Urteil dem Beklagten vorwirft, er habe sich uneinsichtig verhalten und durch seine Weigerung, die von der Klägerin angestrebten Änderungen der Wohngeldberechnung und der Gesamtkosten als berechtigt anzuerkennen, eine ordnungsmäßige Vertragsabwicklung unmöglich gemacht, verkennt es Inhalt und Umfang der einem Wohnungsbauunternehmen in derartigen Fällen obliegenden Auskunftspflicht (§§ 242, 259 f BGB; vgl. Urteil des Senats vom 16. Februar 1965, V ZR 235/62, WM 1965, 674, 677, sowie die bereits angeführten Urteile vom 12. Juli 1967 und 11. Oktober 1968; ferner Mattern, DNotZ 1967, 661, 676 f m.w.Nachw.; Locher, NJW 1968, 2324). Der Beklagte war nach dem Kaufanwartschaftsvertrag zur Übernahme von Mehrkosten nur insoweit verpflichtet, als sie ihm durch prüf bare Belege nachgewiesen wurden (Nr. I 10). Daß die Klägerin einen dahingehenden Nachweis geführt oder auch nur zu führen versucht habe, wird im Urteil nicht festgestellt. Der Standpunkt des Berufungsgerichts, der Beklagte habe sich seinerseits um Einsichtnahme in ihre schriftlichen Unterlagen "bemühen" müssen (BU S. 12), findet zum mindesten im Wortlaut des Vertrages keine Grundlage. Er wird auch nicht durch die Behauptung der Klägerin gerechtfertigt, daß dem Beklagten die Einsicht in solche Belege, die in ihrer Geschäftsstelle bereitgelegen hätten, niemals verweigert worden wäre; denn die bloße Bereitschaft, den Beklagten nicht an einer Einsichtnahme zu hindern, genügte nicht, sie hätte vielmehr auch nach außen kundgegeben werden müssen; daß letzteres geschehen sei, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Wenn der Beklagte angesichts ihrer häufig wechselnden Zahlenangaben - die Höhe des ihm abverlangten Wohngeldes z.B. änderte sich innerhalb des Jahres 1962 nicht weniger als dreimal, und laut Abrechnung vom 5. Dezember 1962 sollte er binnen 3 1/2 Wochen eine Nachzahlung von immerhin 4511,50 DM leisten - Bedenken hatte, die Mehrforderungen unbesehen und ohne Nachweis im einzelnen als berechtigt hinzunehmen, so reicht dieses Verhalten für sich allein noch nicht aus, um eine Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grunde zu rechtfertigen.
Der Tatrichter wird gegebenenfalls auch Veranlassung haben, sich mit dem Vorbringen der Revision zu den verschiedenen Strafanzeigen auseinanderzusetzen, Falls er wiederum zu dem Ergebnis gelangt, die Kündigung sei wirksam gewesen, wird zum Zurückbehaltungsrecht ebenfalls erneut Stellung zu nehmen sein. Dem Beklagten bleibt es unbenommen, die Beanstandungen zu wiederholen, die er zu diesen Punkten in der Revisionsinstanz vorgebracht hat.
c)
Ergibt die neue mündliche Verhandlung, daß der Kaufanwartschaftsvertrag wegen Formmangels nichtig ist und daß auch kein Anspruch auf Grund der Vorschriften des Zweiten Wohnungsbaugesetzes besteht, so hat der Beklagte möglicherweise eine Schadensersatzforderung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß (Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1965, V ZR 53/64, WM 1965, 315 = NJW 1965, 812). Das Berufungsgericht wird ihm alsdann Gelegenheit geben müssen, eine derartige Forderung, sofern er sie im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend machen will (§ 273 BGB), sachgemäß zu begründen. Auch in diesem Zusammenhang könnte die Frage eine Rolle spielen, ob der Beklagte der Klägerin berechtigten Anlaß zur Kündigung gegeben hat; denn solchenfalls hätte ihm auch ein formgültiger Vertrag wenig Vorteil gebracht und sein Schaden infolge einer von der Klägerin verschuldeten Vertragsnichtigkeit wäre erheblich geringer.
4.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens hängt von dem endgültigen Prozeßausgang ab. Sie ist daher ebenfalls dem Berufungsgericht zu übertragen.
Rothe
Dr. Freitag
Mattern
Offterdinger