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Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.10.1968, Az.: V ZR 181/65

Abschluss eines Baubetreuungsvertrages; Räumung und Herausgabe eines Kaufeigenheims ; Auslegung eines Vertrages

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
11.10.1968
Aktenzeichen
V ZR 181/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1968, 12025
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Karlsruhe - 28.10.1965

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 1968
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Piepenbrock, Dr. Rothe, Dr. Freitag, Will und Offterdinger
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 28. Oktober 1965 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die klagende Wohnungsbaugesellschaft, die sich durch die Stadt K. zwecks Schaffung von Familienwohnungen Erbbaurechte an städtischem Gelände hatte einräumen lassen, erstellte dort u.a. für die Beklagten ein Kaufeigenheim. Nachdem zwischen den Parteien zunächst ein "Baubetreuungsvertrag" zustandegekommen war, schlossen sie am 2. Februar 1959 einen "Bewerber-Vertrag". Darin wurde der voraussichtliche Veräußerungspreis "einschließlich des Grundstücks" mit 49.500 DM angegeben. Die Beklagten, die damals miteinander verlobt waren, versicherten vor Vertragsabschluß mündlich, daß sie nach ihrem Einzug in das Kaufeigenheim heiraten würden. Sie bewohnen das Anwesen seit dem 1. Juni 1960 und zahlen der Klägerin dafür eine Nutzungsvergütung. Zum Abschluß des im Bewerbervertrag vorgesehenen notariellen Kaufvertrages über das Erbbaurecht ist es bisher nicht gekommen.

2

Aus Anlaß von öffentlichen Erörterungen über das Geschäftsgebaren der Klägerin, an denen sich auch ihr Geschäftsführer W. und der Erstbeklagte mit Leserzuschriften an eine K.er Tageszeitung beteiligten, erließ das dortige Landgericht auf Antrag der Zweitbeklagten am 10. Dezember 1962 eine einstweilige Verfügung, durch die W. untersagt wurde, die Intimsphäre der Antragstellerin durch Veröffentlichungen über ihre geplante, aber noch nicht vollzogene Heirat zu verletzen. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Anwaltschreiben an die Beklagten vom 12. Dezember 1962 den Rücktritt vom Bewerbervertrag, focht diesen Vertrag vorsorglich wegen arglistiger Täuschung an und berief sich zugleich auf Wegfall der Geschäftsgrundlage. Cie hat im Januar 1963 die vorliegende Klage erhoben mit den Anträgen auf Feststellung, daß der genannte Vertrag unwirksam sei, und auf Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, das von ihnen bewohnte Anwesen zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagten haben am 23. März 1963 die Ehe geschlossen. Sie beantragen Klageabweisung.

3

Während der Rechtsstreit vor dem Landgericht schwebte, bot die Klägerin mit Schreiben vom 5. Dezember 1963 unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunkts den Beklagten den Erwerb des Erbbaurechts zum Kaufpreis von 74.345,07 DM zuzüglich 5.604,53 DM Stundungszinsen an. Als die Beklagten in ihrem Antwortschreiben auf den Preis von 49.500 DM, wie er im Bewerbevertrag vorgesehen war, verwiesen und um nähere Auskunft über die Mehrkosten baten, setzte ihnen die Klägerin unter dem 14. Januar 1964 eine Zweiwochenfrist mit dem Bemerken, daß sie nach Fristablauf ihr Angebot weder aufrechterhalten noch ein anderes abgeben werde. Dieses Schreiben ließen die Beklagten unbeantwortet.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Anträge weiter.

5

Die Beklagten beantragen

Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

6

1.

Daß die Klägerin neben ihrer Leistungsklage auf Räumung und Herausgabe des Kaufeigenheims zugleich die Feststellung begehrt, der Bewerbervertrag vom 2. Februar 1959 sei rechtsunwirksam, hat das Berufungsgericht, vom Landgericht abweichend, mit Recht als verfahrensrechtlich zulässig angesehen (§§ 256, 280 ZPO). Auch die Revision erhebt insoweit verständlicherweise keine Beanstandungen.

7

2.

Die Gründe, aus denen die Klägerin in den Vorinstanzen die Unwirksamkeit jenes Vertrages herzuleiten versuchte, sind vom Berufungsgericht für nicht stichhaltig erachtet worden. Hiergegen wendet sich die Revision in erster Linie. Das angefochtene Urteil hält jedoch in diesem Punkt einer rechtlichen Nachprüfung stand.

8

Es geht dabei einmal um die Tatsache, daß die Beklagten nicht alsbald nach ihrem Einzug in das Kaufeigenheim, sondern erst geraume Zeit später geheiratet haben; ferner sollen sie, wie die Klägerin behauptet, deren Geschäftsführer in der Öffentlichkeit verleumdet und mit unbegründeten Strafanzeigen verfolgt haben; ihnen wird schließlich die Nichtannahme des Kaufangebots vom 5. Dezember 1963 zum Vorwurf gemacht. Mit diesen drei Tatsachenkomplexen hat sich das Oberlandesgericht auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe den Bewerbervertrag weder mit Erfolg wegen arglistiger Täuschung angefochten, noch habe sie rechtswirksam von ihm zurücktreten können; auch vermöge sie sich nicht auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen.

9

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wenn die verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkte in der Urteilsbegründung nicht bei jeden einzelnen Vorgang ausdrücklich allesamt erörtert werden, sondern je nach Sachlage bald nur der eine von ihnen und dann wieder ein anderer im Vordergrund steht, so geht daraus entgegen der Meinung der Revision nicht hervor, daß der Berufungsrichter den Sachverhalt unvollständig gewürdigt habe. Er hat ihn vielmehr, wie der Zusammenhang seiner Ausführungen zeigt, unter sämtlichen in Betracht kommenden Gesichtspunkten geprüft. Bei dieser Prüfung sind ihm auch keine Verfahrensverstöße oder sachlich-rechtlichen Fehler unterlaufen.

10

a)

Wenn die Revision darin, daß die Eheschließung der Beklagten zunächst unterblieb, einen "dringenden Grund" im Sinne des Bewerbervertrages (Nr. 8.24) erblickt, der die Klägerin zum Rücktritt berechtigt habe, weil ihr die Aufrechterhaltung dieses Vertrages nicht mehr zumutbar gewesen sei, so setzt sie sich in Widerspruch zu der rechtsirrtumsfreien und daher für die Revisionsinstanz bindenden (§ 561 Abs. 2 ZPO) tatrichterlichen Vertragsauslegung, wonach ein solcher Grund nicht vorgelegen hat. Im angefochtenen Urteil wird dazu ausgeführt, die Klägerin hätte, nachdem sie zuvor fast 2 1/2 Jahre lang nichts unternommen habe, nicht ohne weiteres am 12. Dezember 1962 den Rücktritt erklären dürfen, sondern wäre verpflichtet gewesen, den Beklagten zunächst zu eröffnen, daß sie vom Bewerbervertrag zurücktreten werde, wenn nicht binnen angemessener Frist die Eheschließung erfolge; die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen rechtfertigten nicht den Schluß, daß ein solches Vorgehen für sie unzumutbar gewesen wäre, zumal da die Beklagten für das Kaufeigenheim bereits Leistungen erbracht hätten, die mit 49.618,62 DM die Höhe des ursprünglich vorgesehenen Kaufpreises erreichten. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, brauchte sich das Berufungsgericht weder, wie die Revision meint, mit dem Text des Bewerbervertrages und des dort (Nr. 2) in Bezug genommenen Kauf Vertragsentwurfes, wo (§ 10) von einem "Familienheim" die Rede war, auseinanderzusetzen noch besonders auf die Angaben der Beklagten über ihren zukünftigen Personenstand in dem an die Landeskreditanstalt gerichteten Baudarlehens-Antrag einzugehen; denn daß sie vor Vertragsabschluß erklärt hatten, sie würden nach ihrem Einzug in das Kaufeigenheim heiraten, war unstreitig (BU S. 2).

11

Der weitere, nach dem Bewerbervertrag (Nr. 8.22) zum Rücktritt berechtigende Tatbestand, daß der Bewerber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, war im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erfüllt, weil er ausdrücklich "Mahnung und Fristsetzung" voraussetzt, woran es hier unstreitig gefehlt hat. Daß die Klägerin, um dem Verdacht der Kuppelei (§ 180 StGB) oder der Beihilfe zu. Straftaten der Beklagten (außereheliches Zusammenleben im Sinne von § 72 BadPolStGB) zu entgehen, unverzüglich und ohne Fristsetzung hätte vom Vertrage zurücktreten müssen, kann der Revision nicht zugegeben werden, und zwar um so weniger, falls die Klägerin wirklich, wie sie behauptet (Schriftsatz vom 14. Oktober 1965, S. 5), erst im Zusammenhang mit der gegen ihren Geschäftsführer erlassenen einstweiligen Verfügung vom 10. Dezember 1962 erfahren hatte, daß die Beklagten unverheiratet zusammenlebten; mindestens bei dieser Sachlage hätte ihr niemand einen Vorwurf daraus machen können, wenn sie sich nicht bereits zwei Tage später vom Vertragsverhältnis lossagte, sondern zunächst einmal den Beklagten Gelegenheit gab, ihre Beziehungen innerhalb angemessener Zeit zu legalisieren. Außerdem aber gehörte die Eheschließung schon ihrem Wesen nach gar nicht zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten (vgl. auch § 1297 BGB), sondern hätte, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, allenfalls zur Bedingung des Bewerbervertrages gemacht werden können. Infolgedessen bedarf es keines, Eingehens auf das, was die Revision in diesem Zusammenhang - unter Hinweis auf das sittliche Wesen der Ehe, deren Eingehung eine höchstpersönliche Angelegenheit der Verlobten sei - über die angebliche Unmöglichkeit ausführt, die Beklagten unter Fristsetzung zur Heirat aufzufordern. Nicht stichhaltig ist deshalb auch die weitere Rüge, daß der Bewerbervertrag, da er die Beklagten zum dauernden eigenen Bewohnen des Kaufeigenheims verpflichte (Nr. 2), vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus "eine Aufforderung und Verpflichtung zur Unzucht" darstellen würde. Über die von der Revision behauptete Gefahr, daß die Familien in den Nachbarhäusern Anstoß an dem Zusammenleben der Beklagten hätten nehmen können, ist in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen, geschweige denn festgestellt worden (§ 561 Abs. 1 ZPO).

12

Ob eine Eheschließung innerhalb angemessener Zeit nach dem Einzug Geschäftsgrundlage für die weitere Erfüllung des Bewerbervertrages war, wird vom angefochteten Urteil bezweifelt, aber letzten Endes unentschieden gelassen, so daß in der Revisionsinstanz davon auszugehen ist, das sei doch der Fall gewesen. Dieser Umstand nötigt indessen, entgegen der Ansicht der Revision, nicht zu der Schlußfolgerung, daß das Berufungsgericht den Vertragsrücktritt der Klägerin nicht von einer vorgängigen Abmahnung und Fristsetzung hätte abhängig machen dürfen. Geschäftsgrundlage-Wegfall führt in der Regel nicht zur Beseitigung des Vertragsverhältnisses, sondern zu seiner Anpassung an die veränderte Sachlage (BGH LM BGB § 242 Ba Nr. 2 und Nr. 27). Daß der Klägerin im vorliegenden Fall ein Festhalten am Vertrag nicht mehr habe zugemutet werden können, hat der Berufungsrichter mit Recht verneint. Eine Verwirkung ihrer vertraglichen Rechte ist dabei nicht angenommen worden; daher geht die Revisionsrüge, es fehle an einer Feststellung besonderer, zum bloßen Zeitablauf hinzutretender Umstände (vgl. LM BGB § 779 Nr. 4), ins Leere.

13

b)

Die Behauptung in der Klageschrift, die Klägerin und ihr Geschäftsführer würden, wie gerichtsbekannt sei, von einer Personengruppe, der auch die Beklagten angehörten, in der Presse verleumdet und mit Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft verfolgt, hatte das Landgericht für nicht bewiesen erachtet. Entgegen der Meinung der Revision war es daher keine "Überraschungsentscheidung", wenn das Berufungsgericht sich auf den gleichen Standpunkt stellte. Ebensowenig bestand bei der gegebenen Sachlage Anlaß, die Klägerin gemäß § 139 ZPO auf die Notwendigkeit eines Beweisantritts hinzuweisen. Was die Klägerin in der Berufungsbegründung zu diesem Punkt vortrug, erschöpfte sich in einer Wiederholung des erstinstanalichen Vorbringens verbunden mit den Hinweis, daß die behauptete "Hetzkampagne" dem erkennenden oberlandesgerichtlichen Senat aus einem anderen, näher bezeichneten Verfahren bekannt sei. Dieser Vortrag entbehrte, wie das angefochtene Urteil zutreffend ausführt, der erforderlichen Substantiierung. Das Berufungsgericht brauchte infolgedessen die Akten jenes anderen Verfahrens nicht beizuziehen.

14

c)

Ohne Erfolg beanstandet die Revision, daß das Oberlandesgericht den nachgeschobenen Rücktrittsgrund, die Beklagten hätten während des gegenwärtigen Prozesses durch Nichtannahme des Kaufvertragsangebots vom 5. Dezember 1963 ihre Pflichten aus dem Bewerbervertrag verletzt, nicht hat durchgreifen lassen. Das angefochtene Urteil hat hierzu erwogen: Zwar sei die Klägerin nach den Bewerbervertrag (Nr. 6 Abs. 2) "zu einem detaillierten Nachweis über die Zusammensetzung des Kaufpreises nicht verpflichtet" gewesen; werde aber, wie im vorliegenden Fall, der voraussichtliche Kaufpreis um etwa 50 % überschritten, so verstoße das Wohnungsbauunternehmen gegen Treu und Glauben, wenn es unter Berufung auf jene Vertragsklausel die vorbehaltlose Annahme seines Kaufangebots verlange; bei einer derart erheblichen Überschreitung des vorgesehenen Preises sei die Klägerin wenigstans zu einem überschlägigen Nachweis der Mehrkosten, den die Beklagten in angemessener Frist hätten nachprüfen können, verpflichtet gewesen; dieser Verpflichtung sei sie - das wird im Urteil näher dargelegt - nicht nachgekommen.

15

Diese Erwägungen sind rechtsirrtumsfrei und werden durch das, was die Klägerin dagegen ins Feld führt, nicht erschüttert. Insbesondere trifft es nicht zu, daß die angeführte Vertragsbestimmung völlig klar und daher jeder richterlichen Auslegung und Ergänzung entzogen sei. Sie ist ersichtlich auf den Regelfall zugeschnitten, d.h. auf Kaufangebote, deren Preishöhe sich, bezogen auf die im Bewerbervertrag eingesetzten Zahlen, in einem angemessenen Rahmen hält. Übersteigt dagegen, wie hier, der endgültig geforderte Preis den ursprünglich vorgesehenen um mehr als die Hälfte, dann erweist sich die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts in Anwendung des § 157 BGB als rechtlich bedenkenlos. Daß dem Kaufeigenheim-Bewerber ein Anspruch mindestens auf Auskunfterteilung, wenn nicht gar auf Rechnungslegung in solchen Fällen zusteht, wo er ohne sein Verschulden über Bestehen und Umfang seiner Verpflichtungen im Ungewissen und deshalb auf den Gegner angewiesen ist, während dieser ihm die erforderlichen Einzelangaben unschwer machen kann, und daß er deshalb ein Kaufangebot mit wesentlich erhöhtem Preis nicht unbesehen anzunehmen braucht, hat der erkennende Senat schon mehrfach ausgesprochen (Urteile vom 16. Februar 1965, V ZR 235/62, WM 1965, 674, 677, und vom 12. Juli 1967, V ZR 136/64, WM 1967, 1037, 1038 f; vgl. Mattern, DNotZ 1967, 661, 676 f mit weiteren Nachweisen). Hieran ist festzuhalten.

16

d)

Soweit die Revision den Standpunkt vertritt, der Bewerbervertrag sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig (§ 138 BGB), weil die Parteien sich bei seinem Abschluß "gemeinschaftsschädigend" verhalten hätten, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im gegenwärtigen Rechtszug keine Beachtung finden kann (§ 561 Abs. 1 ZPO). Die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in seiner am 5. Dezember 1962 in einer Tageszeitung abgedruckten Leserzuschrift (Bl. 147 der Akten 1 Q 8/62 LG Konstanz), wonach die Parteien, "um die Gewährung der öffentlichen Mittel nicht zu gefährden", im Bewerbervertrag einen zu niedrigen Kaufpreis angegeben haben sollen, waren unsubstantiiert; sie enthielten keine näheren Tatumstände, aus denen auf sittenwidriges Verhalten der einen oder anderen Partei geschlossen werden könnte.

17

3.

Waren mithin alle bisherigen Rügen unbegründet, so ist der Revision jedoch der Erfolg nicht zu versagen, soweit es um die Frage der Formnichtigkeit geht. Verfehlt ist allerdings die von ihr gezogene Schlußfolgerung, daß die Klägerin, wäre der Bewerbervertrag gemäß § 125 BGB nichtig, aus "wichtigem Grunde" von ihm hätte zurücktreten können. Denn bei Vertragsnichtigkeit ist für einen Rücktritt kein Raum. Allein es würde in diesem Falle für die Innehabung des streitigen Anwesens durch die Beklagten an einem rechtlichen Grund im Sinne von § 812 BGB fehlen, und sie wären in Ermangelung eines Rechts zum Besitz (§ 986 BGB) zur Räumung und Herausgabe verpflichtet.

18

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte der Bewerbervertrag vom 2. Februar 1959 - der unstreitig bloß privatschriftlich abgeschlossen wurde - der Form des § 313 BGB bedurft, da er die Verpflichtung der Klägerin enthalte. "Grundstückseigentum bzw. ein Erbbaurecht" zu übertragen (richtigerweise wäre dann freilich, da es sich in vorliegenden Fall um ein Erbbaurecht an städtischem Gelände handelt, nicht auf § 315 BGB unmittelbar abzustellen gewesen, sondern auf § 11 Abs. 1 Satz 1 ErbbauVO, der die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchsüber Grundstücke nur für "entsprechend" anwendbar erklärt). Das angefochtene Urteil führt indessen aus, die Klägerin habe sich auf den Formmangel nicht berufen, und sie könne dies auch nicht tun, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen; denn sie habe ihn, wenn auch ohne böse Absicht, dadurch herbeigeführt, daß sie es unterlassen habe, die Beklagten über die zu wahrenden Formvorschriften, die ihr hätten bekannt sein müssen, aufzuklären.

19

Diese Ansicht beruht, wie der Revision zuzugeben ist, auf einem Rechtsirrtum. Entbehrt ein Vertrag der gesetzlich vorgeschriebenen Form, so kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht darauf an, ob einer der Vertragspartner diesen Mangel geltend macht und daraus Folgerungen herleitet. Die Frage der Formwahrung ist sachlich-rechtlicher Natur, sie betrifft eine rechtsbegründende Tatsache und muß im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung von Amts wegen beachtet werden; dem Gericht ist es verwehrt, eine vertragliche Vereinbarung, deren Nichtigkeit auf Grund von § 125 Satz 1 BGB feststeht, so zu behandeln, als ob sie rechtswirksam wäre (BGHZ 29, 7, 12 [BGH 03.12.1958 - V ZR 28/57]; Mattern a.a.O. S. 672). Ebensowenig geht es an, gesetzliche Formvorschriften, die in Interesse der Rechtssicherheit unbedingt eingehalten werden müssen, aus allgemeinen Billigkeitserwägungen (§ 242 BGB) außer Anwendung zu lassen; Ausnahmen von diesem Grundsatz sind, wie der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat, nur in besonders liegenden Fällen statthaft, namentlich wenn die Nichtanerkennung des formnichtigen Vertrages zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis fuhren würde (BGHZ 45, 179, 184 f [BGH 25.02.1966 - V ZR 126/64];  48, 396, 398 f [BGH 27.10.1967 - V ZR 153/64] mit weiteren Nachweisen). Daß letzteres hier der Fall wäre, läßt sich aus den tatrichterlichen Feststellungen nicht entnehmen, zumal da den Beklagten, falls sie etwa infolge einer Vertragsnichtigkeit das mit ihren eigenen Mitteln finanzierte und schon seit vielen Jahren bewohnte Haus verlassen müssen, möglicherweise ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß zustünde (über Inhalt und Umfang dieses Anspruchs vgl. Urteil des Senats vom 29. Januar 1965, V ZR 53/64, NJW 1965, 812 = WM 1965, 315).

20

Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Andererseits ist der erkennende Senat außerstande, gemäß § 565 Abs. 3 ZPO bereits abschließend in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Frage der Vertragsnichtigkeit im Sinne von § 11 ErbbauVO i.V.m. §§ 313, 125 BGB erneuter Prüfung bedarf und hierzu weitere tatsächliche Feststellungen notwendig sind. Der Bewerbervertrag vom 2. Februar 1959 wäre nämlich, entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Rechtsauffassung, dann nicht formbedürftig gewesen, falls durch ihn keine Verpflichtung der Klägerin, das Erbbaurecht den Beklagten zu übertragen, neu begründet wurde, sondern eine solche Übertragungspflicht bereits vorher auf Grund anderer Abmachungen zwischen den Parteien bestand. Unstreitig ist dem erwähnten Bewerbervertrag zeitlich ein Baubetreuungsvertrag vorangegangen, der nach der unwidersprochen gebliebenen Sachdarstellung der Beklagten (Schriftsatz vom 11. April 1964, S. 2; vgl. auch ihr Schreiben vom 20. Dezember 1963) am 11. Januar 1958 abgeschlossen worden sein soll. Erst nach seinem Abschluß- und zwar auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses vom Oktober 1958 - will die Klägerin, wie sie in der Klageschrift vorträgt, von der Stadt K. das "Erbbaurechtsgelände für den Bau von Familienheimen" erworben haben. Sollte sie das in Erfüllung einer ihr schon nach dem Baubetreuungsvertrag obliegenden Verpflichtung getan haben, was das Berufungsgericht aus diesem Vertrag - erforderlichenfalls im Wege seiner unmittelbaren oder ergänzenden Auslegung (§ 157 BGB) - zu ermitteln haben wird, so wäre sie kraft Gesetzes (§§ 675, 667 BGB) verpflichtet, das aus ihrer Geschäftsbesorgung Erlangte an die Beklagten herauszugeben, und damit entfiele die Notwendigkeit gerichtlicher oder notarieller Beurkundung (vgl. das bereits angeführte BGH-Urteil vom 12. Juli 1967).

21

Dieser rechtliche Gesichtspunkt ist, entgegen der Meinung der Revision, im gegenwärtigen Rechtszug zu beachten, weil nach dem Parteivorbringen in den Tatsacheninstanzen hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Klägerin das Erbbaurecht nicht im eigenen Interesse, sondern für die Beklagten erworben hat (vgl. auch den Inhalt des Antrags auf Gewährung eines Baudarlehens vom 15. August 1958). Allerdings hat das Berufungsgericht zu Beginn seines Urteilstatbestandes (S. 2) festgestellt, die Klägerin habe die Kaufeigenheime "für eigene Rechnung" errichtet. Es wird jedoch Veranlassung haben, diese Feststellung - von der aus den Akten nicht ersichtlich ist, worauf sie sich gründet - mindestens insoweit zu überprüfen, als es um den Erwerb und die Bebauung des den Beklagten zugedachten Geländeteils geht. Gegen jene Annahme und für ein Tätigwerden der Klägerin als bloße Zwischenerwerberin könnte die Klausel im Bewerbervertrag, (Nr. 1.3) sprechen, wonach in den Veräußerungspreis, den die Beklagten zu entrichten hatten, auch ein Entgelt für das Grundstück (richtig: das Erbbaurecht) enthalten war. Möglicherweise spielt in diesem Zusammenhang zugleich die - von der Klägerin bestrittene (Schriftsatz vom 14. Oktober 1965, S. 6) - Behauptung der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung vom 21. September 1965 (S. 4) eine Rolle, daß die Klägerin die Häuser ausschließlich mit den Geldern der Bewerber und mit Krediten erstellt habe (zu den hier einschlägigen Fragen im einzelnen vgl. Mattern a.a.O. S. 669 f und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

4.

Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Cache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO). Dieses wird in der neuen mündlichen Verhandlung, falls es die Klage für begründet erachten sollte, den Beklagten gemäß § 139 ZPO Gelegenheit zu geben haben, wegen ihres etwaigen Schadenersatzanspruchs (vgl. oben zu Nr. 3) ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen und zu diesem Zweck den Anspruch in geeigneter Weise zu begründen.

23

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens richtet sich nach dem endgültigen Prozeßausgang und ist daher gleichfalls dem Berufungsgericht zu übertragen.

Dr. Piepenbrock
Rothe
Dr. Freitag
Hill
Offterdinger