Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.06.1968, Az.: V ZR 22/65
Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Alleineigentums gegenüber einem bestreitenden Miterben nach dessen Veräußerung des Erbteils; Klage auf Feststellung der Zugehörigkeit eines vor dem Tod eines Erblassers veräußerten Grundstücks zum Nachlass; Rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer Sache als Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 der Zivilprozessordnung (ZPO); Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.06.1968
- Aktenzeichen
- V ZR 22/65
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 11023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 04.12.1964
- LG Köln
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1968, 829 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1968, 1109
Amtlicher Leitsatz
Wer von einem Erblasser zu dessen Lebzeiten ein Grundstück erworben hat, kann bei Streit über dessen Zugehörigkeit zum Nachlaß ein Interesse an alsbaldiger Feststellung seines Eigentums auch gegenüber einem Miterben nahen, der seinen Erbteil veräußert hat.
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Festzustellende Rechtsverhältnisse im Sinne des § 256 ZPO können auch betagte oder bedingte Rechtsgeschäfte sein.
- 2.
Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Alleineigentums gegenüber einem bestreitenden Miterben, der sein Erbteil veräußert hat.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Mattern, Hill, Offterdinger und Dr. Grell
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Erstbeklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 4. Dezember 1964 insoweit aufgehoben, als es über die Feststellungsklage sowie über den Kostenpunkt im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten entschieden hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist der zweiteheliche Sohn, der Erstbeklagte sowie die zwei früheren Mitbeklagten sind die erstehelichen Kinder des 1955 verstorbenen August E. (Vater). Dieser wurde von seiner zweiten Ehefrau, der 1958 verstorbenen Mutter des Klägers, allein beerbt. Deren Vertragserben sind alle vier Parteien zu je 1/4.
Der Erstbeklagte hat seinen Erbteil 1959 auf seine Ehefrau übertragen.
Die Parteien stritten insbesondere über die Nachlaßzugehörigkeit des Hausgrundstücks Hinter den W. in K., nämlich darüber, ob seine Übertragung 1945 durch den Vater auf den Kläger rechtswirksam oder nur zum Schein erfolgt und deshalb nichtig ist.
Der Kläger erhob im Jahr 1960 Klage gegen die drei Beklagten auf Feststellung, daß er Alleineigentümer sei, sowie auf Zahlung von je 806,50 DM (angebliche Aufwendungsersatzansprüche an den Mutter-Nachlaß). Die Zweitbeklagte erhob Widerklage auf Grundbuchberichtigung, Zahlung, Auskunfterteilung, Rechnungslegung, Erbauseinandersetzung und Herausgabe von Unterlagen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Auf die nur vom Erstbeklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht den Feststellungsausspruch ihm gegenüber bestätigt und seine Zahlungsverurteilung auf 539,05 DM herabgesetzt.
Mit der Revision verfolgt der Erstbeklagte seinen Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1.
Anerkanntermaßen stellt auch die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer Sache, wie das Eigentum, ein Rechtsverhältnis im Sinn des § 256 ZPO dar (BGHZ 22, 43, 47). Und weil das Eigentum als dingliches Recht gegen jedermann wirkt, besteht das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung der Kläger begehrt, auch dem Erstbeklagten gegenüber ohne Rücksicht darauf, ob er dann, wenn das Eigentum nicht dem Kläger, sondern der Erbengemeinschaft zustünde, an diesem Eigentum noch gesamthänderisch beteiligt wäre oder wogen seiner Erbteilsveräußerung nicht mehr. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, daß zur Feststellungsklage eine Identität zwischen den Prozeßparteien und den am Rechtsverhältnis materiell Beteiligten nicht notwendig ist (Senatsurteile vom 3. Dezember 1954, V ZR 114/53 LM ZPO § 256 Nr. 25 und vom 28. Oktober 1960, V ZR 71/59 LM BGB § 425 Nr. 4).
Weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist jedoch ein rechtliches Interesse des Klägers daran, daß jenes Rechtsverhältnis - sein Eigentum am Grundstück - alsbald festgestellt werde, und zwar gerade gegenüber diesem Beklagten.
Das Berufungsgericht hat dieses Feststellungsinteresse wie folgt bejaht: Vor seiner Erbteilsübertragung an die Ehefrau habe der Erstbeklagte als Miterbe nach der Mutter des Klägers bei den Auseinandersetzungsverhandlungen über ihren Nachlaß vor dem Notar ebenso wie die anderen Beklagten das Alleineigentum des Klägers in Abrede gestellt; diese Einstellung des Beklagten habe die Erbteilserwerberin und die übrigen Miterben beeinflußt und damit die tatsächliche Unsicherheit des Klägers verstärkt. Denselben Rechtsstandpunkt habe der Erstbeklagte noch nach der Erbteilsübertragung vertreten in einer eidesstattlichen Versicherung vom 9. November 1961 zu einem Verfahren der einstweiligen Verfügung, in dem die Zweitbeklagte die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch erstrebte, sowie noch im ersten Rechtszug des vorliegenden Rechtsstreits; selbst im Berufungsverfahren habe er das Eigentum des Klägers noch nicht zugestanden, auch wenn er die Entscheidung des Landgerichts, daß die Feststellungsklage begründet sei, nicht (ausdrücklich) angegriffen habe. Nach der Erbteilsübertragung habe von ihm, um ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers auszuräumen, die Äußerung erwartet werden müssen, daß er die Einwendungen der übrigen Beklagten gegen das Alleineigentum des Klägers nicht teile. Gegenüber seiner Ehefrau habe das Feststellungsurteil zwar keine materielle Rechtskraftwirkung, weil die Erbteilsübertragung schon vor Klagerhebung erfolgt sei (vgl. dazu Urteil vom 30. März 1953, IV ZR 241/52 LM ZPO § 256 Nr. 13); es müsse aber, wenn auch nicht rechtlich, so doch tatsächlich deren Rechtsstellung beeinflussen und sei daher geeignet, die Rechtsstellung des Klägers gegenüber der Ehefrau des Erstbeklagten in tatsächlicher Hinsicht zu festigen.
2.
Die Revision leugnet, daß der Erstbeklagte Einfluß auf die Einstellung seiner Ehefrau und der Übrigen Miterben ausüben und hiermit die Rechtsstellung des Klägers gefährden könne: seine Ehefrau halte nach seinem unbestrittenen Vortrag im Berufungsverfahren die Übereignung an den Kläger für wirksam und sei bereit, das anzuerkennen, und den übrigen Miterben gegenüber sei das Eigentum des Klägers bereits durch das von ihnen nicht angegriffene Urteil des Landgerichts rechtskräftig festgestellt.
Diese Rüge ist begründet.
Ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinn des § 256 ZPO ist dann gegeben, wenn der Beklagte durch sein Verhalten das Eigentümerrecht des Klägers gefährdet oder doch erkennbaren Anlaß zur Besorgnis einer solchen Gefährdung gibt (RGZ 95, 304, 306), also der Rechtslage des Klägers eine Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Senatsurteil vom 3. Dezember 1954, V ZR 114/53 LM ZPO § 256 Nr. 25). Bei den beiden früher Mitbeklagten waren diese Voraussetzungen schon wegen ihrer Eigenschaft als Inhaber von Erbteilen gegeben: indem sie als Mitberechtigte am Nachlaß das fragliche Grundstückseigentum als zum Nachlaß gehörig ansahen und deshalb mit für sich in Anspruch nahmen, haben sie die vom Kläger beanspruchte Rechtsstellung als Alleineigentümer ohne weiteres gefährdet, und das Feststellungsurteil gegen sie war zur Beseitigung der Gefährdung geeignet. Beim Erstbeklagten liegt der Fall jedoch insofern anders, als er durch die schon vor Klagerhebung erfolgte Übertragung seines Erbteils an seine Ehefrau die Teilhaberschaft an dem für die Erbengemeinschaft beanspruchten Eigentum verloren hat. Er kann sich also in keinem Fall mehr eigenen Miteigentums am Grundstück berühmen und tut das nicht. Daß er, ohne eigenes Eigentum geltend zu machen, das Alleineigentum des Klägers in Zweifel zieht, berührt die Rechtsstellung des Klägers noch nicht in jedem Fall. Anhaltspunkte dafür, daß eine erfolgreiche Einwirkung des Erstbeklagten auf das Verhalten der übrigen Eigentumsprätendenten möglich und zu erwarten wäre, sind nicht gegeben; seine Ehefrau und Erbteilsnachfolgerin erkennt unstreitig das Alleineigentum des Klägers an - andernfalls käme eine Feststellungsklage gegen sie in Betracht -, und den beiden übrigen Miterben gegenüber ist das Alleineigentum des Klägers bereits rechtskräftig festgestellte Eine Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers wird entgegen seiner Auffassung auch noch nicht ohne weiteres dadurch begründet, daß der Beklagte trotz der Erbteilsübertragung seine rechtliche Eigenschaft als Miterbe behalten hat, daß deshalb er und nicht seine Ehefrau im Erbschein auszuführen ist, daß beim etwaigen Wegfall eines Miterben dessen Erbteil ihn und nicht der Ehefrau anfallen würde, daß er und nicht die Ehefrau Beteiligter bei der Frage der Abberufung eines Testamentsvollstreckers wäre und daß er nach wie vor für die Nachlaßverbindlichkeiten haftet; denn alle diese Umstände liegen entweder nicht vor (Wegfall eines Miterben, Testamentsvollstreckung) oder haben mit dem Eigentum des Klägers am Grundstück und seiner Bekämpfung nicht unmittelbar zu tun (bei etwaigem Anfall des Erbteils eines künftig wegfallenden Miterben an den Beklagten würde übrigens nach § 325 ZPO die Rechtskraft des gegen die ändern Miterben ergangenen Feststellungsurteils auch gegen den Beklagten als deren Rechtsnachfolger wirken).
Hiernach kann die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Feststellungsklage mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten werden.
3.
Das Revisionsgericht kann jedoch das Feststellungsinteresse des Klägers gegenüber dem Erstbeklagten noch nicht von sich aus abschließend verneinen und deshalb insoweit die Klage als unzulässig abweisen. Denn nicht ausgeräumt ist die naheliegende Möglichkeit, daß der Beklagte auf andere Weise als durch Einwirkung auf die drei genannten Erbteilsinhaber die Rechtsstellung des Klägers gefährden kann, nämlich dadurch, daß er seine fortdauernde Auffassung über den Scheincharakter der Eigentumsübertragung von 1945 und damit über das fehlende Alleineigentum des Klägers bei dritten Personen geltend macht und dadurch dem Kläger die Verwertbarkeit des Grundstücks, insbesondere bei einer Kreditaufnahme oder Veräußerung, beeinträchtigt. Diese Möglichkeit liegt beim Erstbeklagten näher als bei einem beliebigen Dritten, weil er nicht nur ein naher Angehöriger der jetzigen Erbteilsinhaber ist und ursprünglich selbst Erbteilsinhaber war, sondern infolge dieser früheren Erbteilsinhaberschaft noch jetzt in einem Erbschein als Miterbe aufzuführen ist und deshalb gestützt auf diese äußere Legitimation Kredit- und Verkaufsverhandlungen des Klägers konkret stören konnte. Eine solche Beeinträchtigung würde eine Gefährdung des Eigentümerrechts des Klägers darstellen, und die Gefährdung könnte durch das von ihm erstrebte Urteil beseitigt werden; in diesem Fall wäre die Feststellungsklage gegenüber dem Erstbeklagten zulässig. Diese Gefährdung wäre dagegen zu verneinen, wenn mit einer Grundstücksverwertung der genannten Art beim Kläger in absehbarer Zeit überhaupt nicht zu rechnen wäre.
Allerdings hat sich der Kläger auf diesen Gesichtspunkt, soweit ersichtlich, bisher nicht ausdrücklich berufen. Aber jedenfalls nachdem das Landgericht sein Feststellungsinteresse auch gegenüber dem Erstbeklagten aus anderem Grund bejaht hatte, wäre im Berufungsverfahren insoweit ein Hinweis nach § 139 ZPO veranlaßt gewesen. Dies ist vom Revisionsgericht auch ohne ausdrückliche "Rüge" des Revisionsbeklagten zu berücksichtigen (vgl. Rothe, Ehrengabe für Bruno Heusinger 1968 S. 257 ff, S. 263 zu Fußn. 8 sowie S. 266 zu und in Fußn. 14 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Die hiernach noch erforderliche tatsächliche Aufklärung war dem Tatrichter zu überlassen. Die Sache ist derzeit noch nicht zur Endentscheidung reif. Deshalb war sie im erkannten Umfang unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Mattern
Hill
Offterdinger
Dr. Grell