Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.04.1968, Az.: II ZR 26/67
Verfügung über einen Gesellschaftsanteil durch den Treuhänder ; Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für einen Vertrag über die Verfügung über einen Gesellschaftsanteil; Verfügung über einen Gesellschaftsanteil in eigenem Namen; Änderung eines Gesellschaftsvertrages; Entgeltlicher Erwerb eines Erwerbsgeschäfts ; Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts; Ein zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangener Gesellschaftsvertrag; Vornahme eines Rechtsgeschäftes erkennbar unter Missbrauch der Vollmacht des Bevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.04.1968
- Aktenzeichen
- II ZR 26/67
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 11680
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Saarbücken - 22.12.1966
- LG Saarbücken
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1968, 932-933 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1968, 428-429 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1968, 791 (red. Leitsatz mit Anm.)
- MDR 1968, 564 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1968, 1471 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
Prozessführer
Ehefrau Ursula K...-B... geb. B..., S..., P... Straße ...
Prozessgegner
1. Kaufmann Dr. Otto Alfred B..., S..., M... Straße ...
2. Kaufmann Hermann B..., S..., M... Straße ...
Amtlicher Leitsatz
Auf das Rechtsverhältnis eines Gesellschafter-Treuhänders ist der Grundsatz nicht übertragbar, daß aus einem Rechtsgeschäft keine Rechte hergeleitet werden können, das der Bevollmächtigte erkennbar unter Mißbrauch seiner Vollmacht vorgenommen hat.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Kuhn und
der Bundesrichter Dr. Nörr, Dr. Schulze, Fleck und Stimpel
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 22, Dezember 1966 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Vater der Klägerin, Walter B..., und die beiden Beklagten waren Brüder. Alle drei waren die Mitglieder mehrerer Gesellschaften. Walter B... war unter anderem Komplementär der Kommanditgesellschaft H. B. & Sohn.
Im Jahre 1933 erwarben die Beklagten und die Mutter der Klägerin, Hedwig B..., die Grundstücke S..., M... Straße ...1 - ...5. Die Erwerber bildeten eine Gesellschaft zur "bestmöglichen wirtschaftlichen Verwertung der Grundstücke", an der sie mit je 1/3 beteiligt waren. Auf den Grundstücken befinden sich Betriebsstätten der Gesellschaften, deren Gesellschafter die Beklagten und Walter Becker waren.
Am 28. März 1943 starb der Vater dar Klägerin. Er wurde von seiner Ehefrau zu 1/4 und von der Klägerin und deren Schwester zu je 3/8 beerbt.
Durch notariellen Vertrag vom 19. August 1953 kauften die Beklagten und Hedwig B... als Mitglieder der Grundstücksgesellschaft die Grundstücke S..., M... Straße ...7 - ...9. Am selben Tage trafen sie eine privatschriftliche Vereinbarung, durch die sie die Anteile an der Grundstücksgesellschaft neu festsetzten, und zwar für Hedwig B... auf 20 % und für die beiden Beklagten auf je 40 %. Zum Ausgleich aller Ansprüche, die sich aus dieser Neuregelung der Anteile ergaben, erhielt die Mutter der Klägerin eine Gutschrift von 5.611.264 ffrs.
Am 11. Februar 1954 starb Hedwig B.... Sie wurde von der Klägerin und deren Schwester zu je 1/2 beerbt.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihre Mutter sei lediglich als Treuhänderin von Walter B... Mitgesellschafterin gewesen. An dessen Stelle als Treugeber seien nach seinem Tod die Erben getreten. Vor Abschluß der privatschriftlichen Vereinbarung vom 19. August 1953 hätten die Beklagten mit sämtlichen Erben verhandelt. Der Vertrag sei auch zwischen den Erben und den Beklagten zustande gekommen. Er sei nichtig, weil sie (Klägerin) damals minderjährig gewesen sei und ihr Pfleger zu dem Vertrag keine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt habe. Sie habe nach Eintritt der Volljährigkeit die Genehmigung endgültig verweigert. Nach § 139 BGB sei nicht nur der obligatorische Vertrag, sondern auch die teilweise Abtretung des Anteils unwirksam. Somit sei sie nicht nur mit 10 %, sondern mit 16 2/3 % an der Grundstücksgesellschaft beteiligt, soweit diese sich auf die Grundstücke M... Straße ...1 - ...5 bezieht. Falls aber die Abtretung wirksam sein sollte, müßten die Beklagten den ihnen übertragenen Gesellschaftsanteil an die Erbengemeinschaft nach Hedwig B... gemäß § 812 BGB herausgeben.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß sie über den ihr bereits zustehenden Anteil von 10 % hinaus mit 6 2/3% an der Grundstücksgesellschaft "betreffend den Grundbesitz M... Straße ...1 - ...5 beteiligt sei, hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, je 6 2/3 % ihrer sich auf je 40 % belaufenden Beteiligung an der Grundstücksgesellschaft der Erbengemeinschaft nach Hedwig B... abzutreten.
Die Beklagten haben um Klageabweisung gebeten und für den Fall, daß dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben werden sollte, um Verurteilung Zug um Zug gegen Zahlung von 90.289,83 DM nebst Zinsen und Übertragung von 20 % der Beteiligung der Erbengemeinschaft nach Hedwig B... an dem 1953 hinzuerworbenen Grundbesitz gebeten. Bei dem Geldbetrag handelt es sich um den Gegenwert der Gutschrift auf Grund des Vertrags vom 19. August 1953 und eines weiteren Entgelts von 5.000.000 ffrs., das die Beklagten für den erworbenen Gesellschaftsanteil gezahlt haben wollen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin ihr Klagebegehren auch darauf gestützt, daß ihr gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zustehen würden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre früheren Anträge weiter. Die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zu Gunsten der Klägerin unterstellt, daß ihre Mutter Treuhänderin ihres Vaters hinsichtlich des Anteils an der Grundstücksgesellschaft war oder daß dem Vater zumindest ein später auf die Erbengemeinschaft übergegangener Anspruch auf Übertragung des Anteils zustand. Die Mutter der Klägerin konnte als Treuhänderin wirksam über den Gesellschaftsanteil verfügen. Das Berufungsgericht hat in Betracht gezogen, daß die Verfügung über den Anteil dann nichtig sein könnte, wenn außerdem ein Rechtsgeschäft zwischen den Erben und den Beklagten oder zwischen der Klägerin, ihrer Schwester und ihrer Mutter vorläge, wenn diese Verträge nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit hätten bilden sollen und wenn zumindest eine der Abreden unwirksam wäre, weil die erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht eingeholt oder weil der Pfleger der Klägerin nicht hinzugezogen worden ist. Auf Grund des Textes der Urkunde vom 19. August 1953 und der Beweisaufnahme ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß solche Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen. Diese Würdigung ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
II.
Die Revision meint, der Vertrag über die Änderung der Gesellschaftsanteile hätte nach den §§ 1812, 1821 Abs. 1 und 1822 Nrn.3, 5 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft und sei mangels dieser Genehmigung nichtig.
a)
Das trifft sehen deshalb nicht zu, weil die Mutter im eigenen Namen über den Gesellschaftsanteil verfügte und nicht im Namen der damals noch minderjährigen Klägerin oder im Namen der Erbengemeinschaft nach Walter B....
b)
Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach § 1821 Abs. 1 BGB war auch deshalb nicht erforderlich, weil durch die privatschriftliche Vereinbarung vom 19. August 1953 lediglich die Gesellschaftsanteile geändert wurden. Darin lag keine Verfügung über ein Grundstück oder über eine Forderung, die auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet war, und keine Verpflichtung zu einer solchen Verfügung. Die Änderung der Gesellschaftsanteile kann solchen Geschäften nicht gleichgestellt werden, denn aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine strenge formale Auslegung des § 1821 BGB geboten (BGHZ 17, 163 [BGH 30.04.1955 - II ZR 202/53]; 38, 28 [BGH 20.09.1962 - II ZR 209/61]; BGH WM 1964, 471).
c)
Auch der Fall eines nach § 1822 BGB genehmigungsbedürftigen Geschäfts liegt nicht vor. Die Vereinbarung war weder auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts gerichtet noch ein zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangener Gesellschaftsvertrag. Die Mutter der Klägerin und die Beklagten änderten lediglich den Gesellschaftsvertrag. Änderungen von Gesellschaftsverträgen sind nicht nach § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungsbedürftig (BGHZ 38, 26). Die Vereinbarung enthielt entgegen der Meinung der Revision auch keinen Miet- oder Pachtvertrag (§ 1822 Nr. 5 BGB).
III.
Die Revision macht geltend, die Beklagten müßten sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre der Vertrag, durch den die Gesellschaftsanteile geändert wurden, nicht geschlossen worden. Die Mutter der Klägerin habe den Anteil zwar im eigenen Namen, aber als verdeckte Stellvertreterin ihres Ehemannes erworben. Das Innenverhältnis zwischen den Eheleuten sei ein Auftragsverhältnis gewesen, das eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand gehabt habe. Zu Lebzeiten ihres Ehemannes sei die Mutter der Klägerin auf Grund dieses Auftragsverhältnisses gehalten gewesen, über die ihr treuhänderisch anvertrauten Rechte nur nach Maßgabe der Weisungen ihres .Ehemannes au verfügen. Nach dem Tode ihres Ehemannes habe sie in gleicher Weise den Weisungen der Erbengemeinschaft unterlegen. Sie habe daher über den Anteil nicht ohne Einverständnis der Erbengemeinschaft verfügen dürfen. An diesem Einverständnis fehle es, weil die für die damals noch minderjährig gewesene Klägerin erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht vorliege. Die Beklagten seien über diese Verhältnisse genau unterrichtet gewesen und hätten mit dem Abschluß der Vereinbarung vom 19. August 1953 ihre Fürsorgepflicht gegenüber der Witwe ihres Bruders und Mitgesellschafterin verletzt.
Die Revision will damit auf das Treuhandverhältnis den Grundsatz übertragen, daß aus einem Rechtsgeschäft keine Rechte hergeleitet werden können, das der Bevollmächtigte erkennbar unter Mißbrauch seiner Vollmacht vorgenommen hat (BGH NJW 1966, 1911 [BGH 28.02.1966 - VII ZR 125/65] m.w.N.). Bas ist ausgeschlossen. Der Vertreter handelt im Namen des Vertretenen. Gegen dessen Willen kann das Geschäft für ihn nicht wirksam werden, wenn dem Vertragspartner dieser abweichende Wille bekannt war oder bekannt sein mußte. Beim Treuhandverhältnis handelt der Treuhänder im eigenen Namen und verfügt über ein eigenes Recht. Das etwa im Innenverhältnis zum Treugeber bestehende Verfügungsverbot hat keine dingliche Wirkung (§ 137 BGB). Die Verfügungen des Treuhänders müssen deshalb auch bei Verstoß gegen das Verfügungsverbot grundsätzlich als wirksam anerkannt werden (Huber, Die Rechtsstellung des Treugebers gegenüber Gläubigern und Rechtsnachfolgern des Treuhänders, in "Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung", Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des Instituts für ausländisches und internationales Privat und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg, 1967, S. 410). "Das erfordert schon die Rechtsklarheit (Soergel/Schultze-v. Lasaulx BGB 10. Aufl. § 164 Vorbem. 73). Daran kann entgegen der Ansicht der Revision auch die Treuepflicht im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses und ein Verwandtschaftsverhältnis unter den Beteiligten nichts ändern. Der Treugeber kann - abgesehen von einem ihm gegen den Treuhänder zustehenden Schadenersatzanspruch - nur im Rahmen der §§ 138, 823 Abs. 2 (in Verbindung mit § 266 StGB) oder 826 BGB geschützt werden. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nichts zugunsten der Klägerin. Sie hat insbesondere nicht behauptet, daß die Beklagten mit ihrer Mutter in doloser Weise zu ihrem Nachteil oder zum Nachteil der Erbengemeinschaft nach Walter Becker zusammengewirkt hätten. Das Berufungsgericht hat zudem festgestellt, daß die Mutter der Klägerin bei dem Geschäft die wirtschaftlichen Interessen ihrer Kinder nach besten Kräften berücksichtigt habe.