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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.09.1966, Az.: V ZR 140/65

Abfindung von zur Aufgabe ihrer Pachtstellen gewzungenen Gärtnerhofsiedlern; Verpflichtung zur Gestellung von Ersatzland; Bedeutsamkeit des Fehlens von zur Umsiedlung geeigneten Grundstücke; Wechsel des geltenden Rechts als sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.09.1966
Aktenzeichen
V ZR 140/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1966, 11971
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Bremen - 13.07.1965
LG Bremen

Fundstellen

  • DB 1966, 1847 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1967, 98 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1967, 35 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1966, 2356-2357 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

1. Landwirt Heinrich G. in B., V. Feldweg ...

2. Landwirt Willi T. in B., V. Feldweg ...

3. Gärtnermeister und Landwirts Karl Bu. in B., V. Feldweg ...

Prozessgegner

Stadtgemeine B.,
vertreten durch den Senator für das Bauwesen in B. P.straße

Amtlicher Leitsatz

Erweist sich bei der Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen eine vom Kläger zu bewirkende Gegenleistung nur der Teil der Entscheidung, der die Gegenleistung betrifft, als rechtsfehlerhaft, so kann das Revisionsgericht gleichwohl das ganze Urteil aufheben und die Sache im vollen Umfang an die Vorinstanz zurückverweisen (Ergänzung zu BGHZ 45, 287[BGH 02.06.1966 - VII ZR 162/64]).

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1966
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr., Augustin und
der Bundesrichter Dr. Piepenbrock, Dr. Rothe, Dr. Mattern und Hill
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13. Juli 1965 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des gegenwärtigen Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die klagende Stadtgemeinde hatte nach dem letzten Kriege, um die Versorgung ihrer Einwohner mit Feldgemüse zu verbessern, im Stadtgebiet sogenannte Gärtnerhofsiedlungen errichtet und den 29 Siedlern im Rahmen privatschriftlicher Landpachtverträge das Recht eingeräumt, die Hofstellen später zu Eigentum zu erwerben. In den fünfziger Jahren wies sie die Beklagten, die bis dahin außerhalb B. Pachtstellen bewirtschaftet hatten, in drei infolge Auszuges der bisherigen Inhaber freigewordene Gärtnerhöfe ein; die Pachtverträge, die sie 1953 mit den Beklagten abschloß, enthielten keine Übereignungsklausel. Als 1957 der größte Teil des Siedlungsgeländes zugunsten des Wohnungsbauunternehmens "G." enteignet wurde, fanden zur Lösung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und den Gärtnerhofsiedlern vor der Enteignungsbehörde Verhandlungen statt; sie endigten damit, daß die Klägerin sämtlichen Siedlern, die ihre Gärtnerhöfe aufgeben mußten, Entschädigungen teils in Geld, teils in Ersatzland und teils in beidem gewährte.

2

Die Grundstücke der von den drei Beklagten bewirtschafteten Gärtnerhofstellen, die nicht von dem Bauvorhaben der G. betroffen wurden, verkaufte die Klägerin an das Industrieunternehmen C.. Sie hat die Pachtverträge mit den Beklagten zum November 1962 gekündigt. Mit der vorliegenden Klage begehrt sie ihre Verurteilung zur Räumung der Ländereien und Gebäude. Die Beklagten weigern sich, die Gärtnerhöfe zu räumen; sie haben widerklagend Übereignung der drei Anwesen gefordert, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung angemessener Kaufpreise unter Anrechnung der von ihnen geleisteten Pachtzinszahlungen. Das Landgericht hat der Räumungsklage stattgegeben und die Widerklagen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Teilurteil die Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist auf Revision der Klägerin vom erkennenden Senat aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden (Revisionsurteil vom 26. Februar 1965, V ZR 64/64, LM GG Art. 3 Nr. 84).

3

In der neuen Berufungsverhandlung hat die Klägerin ihr Räumungsbegehren mit der Einschränkung aufrechterhalten, daß sie sich zur Zug um Zug-Zahlung von 60.000 DM an den Erstbeklagten, von 55.000 DM an den Zweitbeklagten und von 150.000 DM an den Drittbeklagten erboten hat. Die Beklagten haben weiterhin um Klageabweisung gebeten. Hilfsweise ist von ihnen beantragt worden, ihre Räumungspflicht davon abhängig zu machen, daß die Klägerin sie für die entstehenden Vermögensverluste in angemessener Weise entschädige; diese Entschädigung sollte bestehen in der Übereignung von Ersatzland gleicher Beschaffenheit zu angemessenen Kaufpreisen, in der Wiedererrichtung aller ihnen jetzt zur Verfügung stehenden Baulichkeiten auf dem neuen Gelände, in zahlenmäßig näher bezeichneten Vergütungen für die aufzugebenden Betriebe sowie für Bewuchs und sonstige Anlagen, in der Aufbereitung des Bodens auf dem Ersatzgelände, in bestimmten Geldbeträgen für Verdienstausfall, in der Zahlung von Umzugs- und Verlagerungskosten, in einem Geldausgleich für etwaige weitere Entfernung des Ersatzgeländes von der Stadtmitte, in der Erlaubnis zum "Ausschlachten" oder Mitnehmen aller verwertbaren Gegenstände, in der Verlagerung des Mutterbodens (in einer Tiefe von 30 cm) von dem bisherigen auf das neue Gelände, in der Rückzahlung des bisher entrichteten Pachtzinses und in dem Ersatz aller weiteren aus der Räumung noch entstehenden Schäden. Der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte haben außerdem im Wege der Widerklage für den Fall des Erfolgs der Räumungsklage hilfsweise die Verurteilung der Klägerin beantragt, die vorgenannten Entschädigungsleistungen Zug um Zug gegen Räumung des Pachtgeländes zu erbringen.

4

Das Oberlandesgericht hat nunmehr die drei Beklagten, unter Zurückweisung ihrer Berufungen im übrigen, zur Räumung der Gärtnerhofsiedlungen innerhalb bestimmter Fristen verurteilt Zug um Zug gegen Zahlung von 76.329,86 DM an den Erstbeklagten, von 72.824,75 DM an den Zweitbeklagten und von 223.381,92 DM an den Drittbeklagten. Es hat festgestellt, daß die Beklagten berechtigt seien, bestimmte im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Peppler aufgeführte Maschinen und Geräte einzeln oder im ganzen zu den jeweils dafür vom Sachverständigen eingesetzten Einzelpreisen mitzunehmen sowie Gebäude, Aufwuchs und sonstiges Inventar - mit der sich für Maschinen und Geräte ergebenden Einschränkung - auszuschlachten und für sich zu verwerten. Auf die Widerklagen hat es die Klägerin verurteilt, an den Erstbeklagten 76.329,86 DM und an den Zweitbeklagten 72.824,75 DM jeweils Zug um Zug gegen Räumung der von ihnen gepachteten Gärtnerhofsiedlungen zu zahlen. Die weitergehenden Anträge der Parteien sind abgewiesen worden.

5

Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

6

1.

Daß die Beklagten keine Übereignung der von ihnen bewirtschafteten drei Gärtnerhöfe verlangen können, sondern diese Höfe räumen müssen, steht nach dem ersten Revisionsurteil ebenso fest wie die Pflicht der Klägerin, sie für die Hergabe ihres Pachtbesitzes im gleichen Maße wie die anderen Gärtnerhofsiedler zu entschädigen; die beiden Verpflichtungen sind gemäß §§ 273, 274 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Hiervon ist das Berufungsgericht mit Recht ausgegangen, und insoweit besteht auch zwischen den Parteien jetzt kein Streit mehr. Die Beklagten beantragen allerdings nach wie vor Klageabweisung und bitten nur hilfsweise um entsprechende Zug um Zug-Verurteilung. Aber mit dieser Antragstellung wenden sie sich, wie die Revisionsbegründung ergibt, nicht gegen ihre Räumungspflicht als solche; vielmehr wollen sie erreichen, daß die Verurteilung so, wie das Oberlandesgericht sie ausgesprochen hat - nämlich gekoppelt mit einer Entschädigung bloß in Geld anstatt des gewünschten Ersatzlandes -, nicht bestehen bleibe. Es geht also im jetzigen Verfahrensstande in erster Linie um Art und Umfang der den Beklagten gebührenden Gegenleistung.

7

Die Klägerin will ihnen lediglich Geldentschädigung in bestimmter Höhe gewähren; zur Übereignung von Ersatzland hält sie sich nicht für verpflichtet. Diese Auffassung hat der Berufungsrichter grundsätzlich gebilligt, wenn er auch bei Bemessung der Geldbeträge nicht unerheblich über die Summen hinausgegangen ist, zu deren Zahlung die Klägerin sich bereit erklärt hat. Er begründet seine Entscheidung mit zwei Erwägungen, von denen seiner Ansicht nach bereits jede für sich allein zu dem Ergebnis führt, daß den Beklagten kein Anspruch auf Ersatzlandgestellung zustehe: einmal sei in der Zwischenzeit nach Abfindung der übrigen Gärtnerhofsiedler ein Wechsel in der Gesetzgebung eingetreten, und zum anderen habe die Klägerin heute - im Gegensatz zu der Zeit, als die anderen Siedler von der G. verdrängt wurden - kein Ersatzland mehr zur Verfügung.

8

Der Revision, die dies als rechtsirrig bekämpft, ist zuzugeben, daß weder der eine noch der andere Gesichtspunkt die angefochtene Entscheidung trägt.

9

2.

Der erste Grund, den das Berufungsgericht für maßgeblich erachtet, ist das Außerkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes vom 3. August 1953 (BGBl I 720), und zwar insbesondere seines § 16; diese Vorschrift gilt gemäß §§ 186 Abs. 1 Nr. 20, 189 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl I 341) seit dem 30. Oktober 1960 nicht mehr.

10

Wie das angefochtene Urteil im einzelnen feststellt, hat seinerzeit in sämtlichen Fällen, in denen seitens der zur Aufgabe ihrer Pachtstellen gezwungenen Gärtnerhofsiedler Ansprüche auf Gestellung von Ersatzland erhoben wurden, der § 16 BaulBeschG eine entscheidende Rolle gespielt. Man habe die Ersatzlandgestellung nicht lediglich von entsprechend geäußerten Wünschen der einzelnen Siedler abhängig gemacht, sondern von Fall zu Fall geprüft, ob die Tatsachen vorlagen, die nach damals geltendem Recht eine solche Maßnahme notwendig sein ließen. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BaulBeschG, so heißt es im Urteil, hätten die Eigentümer von landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Familienbetrieben einen Rechtsanspruch auf Zuweisung von Ersatzland gehabt, wenn der Bestand des Betriebes durch die Enteignung gefährdet würde, und das sei in Satz 2 a.a.O. folgerichtig weiterentwickelt worden für den Fall, daß jemand einen Familienbetrieb auf Pachtland führte. Unter diesen Gesichtspunkten seien auch tatsächlich die Wünsche der von der G. verdrängten Siedler in den Verfahren vor der Enteignungsbehörde betrachtet worden, wobei sich jedoch die Besonderheit ergeben habe, daß man die Gärtnerhofsiedler als Eigentumanwärter angesehen und deshalb ihre Ersatzlandanträge vielfach ähnlich behandelt habe, wie dies bei Eigentümern enteigneter Familienbetriebe vorgesehen gewesen sei (mithin nicht nach Satz 2, sondern nach Satz 1 a.a.O.). Die Entscheidung, ob Ersatzland gewährt wurde, sei also, wie das Berufungsgericht an einer Reihe von Einzelfallen aufzeigt, auf Grund der Bestimmungen des damals geltenden Rechts getroffen worden.

11

Soweit die Revision gegen diese Feststellungen mit Verfahrungsrügen aus § 286 ZPO angeht, kann sie keinen Erfolg haben. Einer Vernehmung des Zeugen Wieding bedurfte es nicht, weil die in sein Wissen gestellten Behauptungen sich im wesentlichen mit dem deckten, was im Urteil über die Art der Abfindung der Gärtnerhofsiedler ausgeführt wird. Daß die Klägerin den Siedlern D. und F. ihre Höfe belassen und unter Aufteilung der Hofstelle S. sogar zu Eigentum übertragen hat, ist seit langem unstreitig (vgl. früheres Revisionsurteil; ferner Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 7). Der Inhalt der Entschädigungsakten anderer Gärtnerhofsiedler ist vom Berufungsgericht keineswegs übersehen worden, es hat ihn vielmehr eingehend ausgewertet und gewürdigt; in diesem Zusammenhang hat insbesondere die Tatsache Berücksichtigung gefunden, daß die Klägerin nicht nur bei förmlich durchgeführtem Enteignungsverfahren, sondern auch bei Vergleichsverhandlungen mit einzelnen Siedlern von den Bestimmungen in § 16 Abs. 1 und 2 BaulBeschG ausgegangen ist. Die Entschädigungsfälle Albert Sc. und Rolf (nicht Rudolf) Me. werden in den Entscheidungsgründen ausführlich abgehandelt (BU S. 23 und 22 f), wobei aus den Entschädigungsakten Me. auch das Protokoll vom 26. (nicht 28.) Oktober 1959, dessen Berücksichtigung die Revision vermißt, einschließlich der Ausführungen des damaligen Vorsitzenden verwertet wird (dieses Protokoll ist, was die Revision bei Anführung von Blattzahlen übersieht, in den Akten 630-02-25/265 doppelt vorhanden, vgl. Bl. 106 ff und 119 ff a.a.O.). Daß ursprünglich nach den Richtlinien des Regierenden Bürgermeisters der Klägerin die Entschädigung der Gärtnerhofsiedler grundsätzlich in Geld hatte erfolgen sollen (BU S. 20), hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Revision nicht als entscheidungserheblich angesehen, vielmehr hat es auf die spätere tatsächliche Handhabung abgestellt (S. 22 ff); da es hierbei allgemein zu der Feststellung gelangt ist, daß den Siedlern, soweit sie die Voraussetzungen des damals geltenden Baulandbeschaffungsgesetzes erfüllten, auf Wunsch grundsätzlich Ersatzland gewährt wurde, sind die Beklagten durch die Nichterwähnung des Entschädigungsfalles Johann Friedrich R. nicht beschwert; aus dem gleichen Grunde erübrigte sich auch eine Stellungnahme zu dem Schreiben des Stadtplanungsamtes vom 14. September 1959.

12

Mit Recht wendet sich jedoch die Revision gegen die Folgerungen, die das Berufungsgericht aus dem festgestellten Sachverhalt in Verbindung mit dem Außerkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes gezogen hat. Es hält die Weigerung der Klägerin, den Beklagten als Abfindung ebenfalls Ersatzland zu gewähren, für berechtigt, weil heute keine dem § 16 BaulBeschG entsprechende Vorschrift mehr bestehe. Die Rechtslage habe sich gegenüber früher so tiefgreifend verändert, daß die Klägerin, ohne sich dem Vorwurf willkürlichen Verhaltens auszusetzen, nunmehr den Standpunkt vertreten dürfe, sie sei auch dann nicht mehr zur Ersatzlandgestellung verpflichtet, wenn ein Siedler auf der Hofstelle einen Familienbetrieb unterhalte. Der Wechsel des geltenden Rechts stelle einen sachlichen Grund dar für eine unterschiedliche Behandlung der drei Beklagten gegenüber den von der Gewoba verdrängten Siedlern.

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Dem kann nicht beigetreten werden. Die Beklagten haben Anspruch darauf, daß man sie für den bevorstehenden Verlust ihrer Pachtanwesen genau so entschädigt wie seinerzeit die anderen Gärtnerhofsiedler. Das ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG): gleichliegende Sachverhalte müssen auch rechtlich übereinstimmend beurteilt werden, und es geht nicht an, innerhalb einer Gruppe von Fällen mit denselben äußeren Merkmalen einen einzelnen Beteiligten (oder einige wenige von ihnen) aus sachfremden Gründen schlechter zu stellen als die übrigen. Diese Notwendigkeit hat an sich auch der Berufungsrichter nicht verkannt. Aber er meint zu Unrecht, der von ihm festgestellte Sachverhalt rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung gerade der drei Beklagten. Ein sachlicher Grund hierfür liegt entgegen seiner Ansicht nicht vor. Wie das angefochtene Urteil in tatsächlicher Hinsicht ergibt, hat die Klägerin bei der Abwicklung des Gärtnerhof-Siedlungsprojekts bisher Art und Umfang ihrer Entschädigungsleistungen nach § 16 BaulBeschG bemessen und demgemäß, soweit die Voraussetzungen jener Gesetzesvorschrift erfüllt waren, alle Siedler, die das wünschten, mit Ersatzland abgefunden. Infolgedessen muß jetzt den Beklagten gegenüber ebenfalls nach diesen Grundsätzen verfahren werden. Das Ansinnen an sie, sich mit bloßer Geldentschädigung zu begnügen, ist willkürlich.

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Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der § 16 BaulBeschG nicht mehr gilt. Irrig ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts, die Vorschrift sei ersatzlos weggefallen (BU S. 21), da in Wirklichkeit der § 100 des heute geltenden Bundesbaugesetzes nach wie vor eine Entschädigung "in geeignetem Ersatzland" ausdrücklich vorsieht; ähnliche Bestimmungen finden sich auch im § 22 des Landbeschaffungsgesetzes vom 22. Februar 1957 (BGBl I 134; in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 1960, BGBl I 1078) sowie in den §§ 3 und 4 der Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften vom 15. Dezember 1944 (RGBl I 347). Auf jeden Fall hat das Recht der Beklagten, ebenso entschädigt zu werden wie die anderen Gärtnerhofsiedler, durch das Außerkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes keine inhaltliche Einschränkung erfahren. Wenn die Klägerin für die Räumung der drei streitigen Gärtnerhöfe einen Ausgleich gewähren muß, so erwächst diese Pflicht gar nicht aus den Vorschriften des genannten Gesetzes; denn es handelt sich hier weder um einen Enteignungsfall - die Beklagten sind Pächter und sollen lediglich deshalb räumen, weil ihre Pachtverträge gekündigt wurden (§§ 581 Abs. 2, 556 Abs. 1 BGB) -, noch verfolgt die Klägerin mit ihrer Kündigung irgendeinen der in den §§ 1 und 2 BaulBeschG aufgezählten Zwecke, Nicht der § 16 BaulBeschG ist also die Rechtsgrundlage für die Ersatzlandforderung der Beklagten; diese berufen sich auf ihn vielmehr nur aus dem Grunde,; weil er seinerzeit bei der Entschädigung der anderen Gärtnerhofsiedler angewendet worden ist und sie mit Recht der Ansicht sind, ihnen stehe gemäß Art. 3 Abs. 1 GG ein Recht auf gleiche Behandlung zu. Dient aber jene Vorschrift aus dem früheren Baulandbeschaffungsgesetz hier bloß als Maßstab für Art und Umfang der von der Klägerin im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes geschuldeten Leistung, dann spielt es keine Rolle, daß das Gesetz inzwischen außer Kraft getreten ist. Zwecks Ermittlung des Leistungsinhalts kann mindestens im vorliegenden Fall, da es hier um die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz geht und außerdem die oben erwähnten Gesetze den Gedanken der Entschädigung in Ersatzland weiterhin aufrechterhalten, auch an eine nicht mehr in Geltung befindliche Vorschrift angeknüpft werden.

15

3.

Die zweite Erwägung, mit der das Berufungsgericht den Anspruch der Beklagten auf Ersatzlandgestellung verneint hat. geht dahin, daß die Klägerin gegenwärtig - anders als zu der Zeit, in der die übrigen Siedler von der G. verdrängt wurden - kein Ersatzland zur Verfügung habe, das zur Errichtung von Gärtnerhöfen geeignet sei. Dies wird im angefochtenen Urteil auf Grund von Zeugenaussagen festgestellt und zusätzlich auf die eigene Erfahrung des Berufungsgerichts verwiesen, wonach die landwirtschaftliche Nutzung im Gebiet des Landes B. durch das stürmische Anwachsen der Bevölkerung und die anhaltende rege Bautätigkeit immer weiter zurückgedrängt werde. Aufgabe der Klägerin sei es, im öffentlichen Interesse die Nutzung ihres Gebietes auf lange Sicht zu planen; ihr gereiche, so meint das Berufungsgericht, nicht zum Vorwurf, wenn sie insbesondere den Erwerb eines bestimmten "auslaufenden" Hofes zu überhöhten Preisen abgelehnt habe, abgesehen davon, daß auch dieses Gelände nur für Wohnbauzwecke oder zur Ansiedlung von Industriebetrieben in Betracht gekommen wäre; die Veränderung der Lage seit den Jahren 1957 und 1958 zeige sich darin; daß ein Gelände in Mahndorf, auf dem man damals einige Gärtnerhofsiedler angesiedelt habe, heute ebenfalls nicht mehr für landwirtschaftliche, sondern für gewerbliche Nutzung vorgesehen sei. Hierin erblickt das Berufungsgericht einen weiteren sachlichen Grund, der die unterschiedliche Behandlung der Beklagten im Vergleich zu den anderen Siedlern rechtfertige und das ablehnende Verhalten der Klägerin nicht als Willkür erscheinen lasse.

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Diese Urteilsausführungen werden von der Revision mit Recht beanstandet. Sie beruhen auf einer Verkennung der für die klagende Stadtgemeinde aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz sich ergebenden Folgen. Eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse entbindet die Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung gegenüber den Siedlern und deren Familien, die seinerzeit von ihr veranlaßt worden sind, im B. Stadtgebiet eine Existenz aufzubauen, und die nunmehr der neuer. Planung weichen müssen. Grundsätzlich hat sie sich dieser Erkenntnis auch nicht verschlossen, sondern die überwiegende Mehrzahl der Gärtnerhofsiedler für den Verlust ihres Pachtbesitzes gerecht und in großzügiger Weise entschädigt, wobei festgestelltermaßen alle, die einen dahingehenden Wunsch äußerten und den Voraussetzungen des § 16 BaulBeschG entsprachen, durch Gewährung von Ersatzland abgefunden wurden. Darin darf sie aber nicht im Falle der drei Beklagten, die als letzte noch übrig sind, anders verfahren, indem sie ihnen als einzigen das gewünschte Ersatzland verweigert. Daß mit dem Verbot einer derartigen Handlungsweise nicht in die der Klägerin allein obliegende Planung eingegriffen wird, versteht sich von selbst.

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Entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts ist es ohne Bedeutung, wenn die Klägerin im gegenwärtigen Zeitpunkt Grundstücke, die zur Umsiedlung der Beklagten geeignet sind, selbst nicht zur Verfügung haben sollte. Denn dann muß sie sich das fehlende Ersatzland anderweitig beschaffen. Mir Recht vermißt die Revision im angefochtenen Urteil eine Feststellung darüber, welche Versuche bisher seitens der Klägerin in dieser Richtung unternommen worden seien. Deshalb kann hier dahingestellt bleiben, ob der Berufungsrichter den Antrag der Beklagten, die Zeugen Amtmann Sch. und Baudirektor K. an Hand der städtischen Pläne und Unterlagen über den zur Zeit vorhandenen Grundbesitz der Klägerin zu vernehmen, als vermeintlichen Ausforschungsbeweis ablehnen durfte (BU S. 26 f), oder ob es nicht Sache der Klägerin gewesen wäre, ihrerseits darzutun und zu beweisen, daß die unterschiedliche Behandlung, die sie den Beklagten im Vergleich zu den übrigen Gärtnerhofsiedlern zuteil werden lassen will, nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße.

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Ob der Klägerin, wie das Berufungsgericht meint, kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, daß sie den Erwerb eines "auslaufenden" Hofes wegen überhöhten Preises unterlassen habe, braucht hier nicht abschließend beurteilt zu werden; ihre eigene Sache ist es jedenfalls, durch Bereitstellung von Ersatzland die Voraussetzungen für die Durchsetzung des Räumungsanspruches zu schaffen; auf welche Weise sie das erreicht, muß ihr selbst überlassen bleiben. Bei seinem Hinweis, auch in übrigen Fällen hätten "planungsverdrängte" Landwirte in B. kein Ersatzland zur Verfügung gestellt erhalten oder erwerben können, übersieht der Berufungsrichter, daß die Beklagten zum Kreise der Gärtnerhofsiedler gehören und daher gegenüber sonstigen auf Landerwerb angewiesenen Personen eine Sonderstellung einnehmen; in ihrem Falle muß, um eine vom Grundgesetz verbotene Schlechterbehandlung auszuschließen, an die Entschädigungspflicht der Klägerin ein strenger Maßstab angelegt werden. Auf welche Tatsachen sich die Meinung des Oberlandesgerichts stützt, die Beklagten hätten keinen Anspruch darauf, daß ihnen die Klägerin Ersatzland außerhalb der bremischen Landesgrenzen beschaffe, geht aus der Urteilsbegründung nicht hervor; daher kann vorerst offen bleiben, ob die Klägerin nicht gegebenenfalls auch hierzu verpflichtet wäre, zumal da alle drei Beklagten bevor sie Gärtnerhofsiedler wurden, in Jardinghausen im Kreis S. - also außerhalb B., aber unweit der Landesgrenze - Pachtstellen bewirtschaftet haben; sollte der Klägerin keine andere Möglichkeit bleiben, als Gelände jenseits ihrer Grenzen für die Beklagten anzukaufen, müßte allerdings noch geprüft werden, ob sie ihnen nicht zusätzlich eine besondere Entschädigung für die Erschwernisse zu gewähren hat, die dann möglicherweise bei dem Verkauf der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Erzeugnisse infolge Verlängerung der Anfahrtswege entstehen.

19

4.

In der Ersatzland-Frage läßt sich daher das angefochtene Urteil mit der bisherigen Begründung nicht aufrechterhalten. Dieser Punkt bedarf der weiteren Klärung durch den Tatrichter. Die hiernach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung hat zur Folge, daß auch die Entscheidung über die restlichen Gegenansprüche der Beklagten nicht bestehen bleiben kann. Denn sie hängen eng mit ihrem Anspruch auf Ersatzlandgestellung zusammen.

20

Aufzuheben ist das angefochtene Urteil ferner insoweit, als es dem Räumungsbegehren der Klägerin stattgegeben hat. Die Beklagten müssen freilich nach rechtswirksamer Kündigung ihrer Pachtverträge gemäß §§ 556 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB die von ihnen bewirtschafteten Gärtnerhöfe an die Klägerin zurückgeben, aber sie brauchen dies, wie der Senat im früheren Revisionsurteil (S. 25 f) dargelegt hat, nur zu tun, wenn sie dafür von der Klägerin in gleicher Weise wie die übrigen Siedler entschädigt werden, und zwar mindestens Zug um Zug mit der Räumung (§§ 273, 274 BGB). Ihnen ist nicht zuzumuten, daß sie zunächst räumen und dann erst ihre Entschädigungsansprüche gerichtlich durchzusetzen versuchen. Dieser Gefahr wären die Beklagten ausgesetzt, wenn die vom Oberlandesgericht ausgesprochene und für vorläufig vollstreckbar erklärte Verurteilung zur Räumung bestehen bliebe und die Entscheidung nur hinsichtlich der Gegenansprüche, die sie im Wege des Zurückbehaltungsrechts und die Beklagten zu 1 und 2 außerdem mit ihrer Widerklage geltend machen, aufgehoben und die Sache bloß insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen würde.

21

Allerdings hat der VII, Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, unlängst in einem Fall, der ebenfalls eine Zug um Zug-Verurteilung betraf und in dem, wie hier, lediglich die Entscheidung über die Gegenleistung einen Rechtsfehler aufwies, es für zulässig erachtet, das Berufungsurteil nur insoweit aufzuheben, als dies zur Beseitigung des Mangels erforderlich ist, und im übrigen die Revision zurückzuweisen (Urteil vom 2. Juni 1966, VII ZK 162/64, BGHZ 45, 287[BGH 02.06.1966 - VII ZR 162/64]). Mag eine solche Möglichkeit bestehen, so ist indessen das Revisionsgericht nicht gehalten, von ihr stets und unter allen Umständen Gebrauch zu machen; ob es dies tut, hängt vom Einzelfall ab. Der vom VII. Zivilsenat beurteilte Sachverhalt hatte gegenüber dem hier zur Entscheidung stehenden die Besonderheit, daß bei der dortigen Zug um Zug-Leistung bloß ein verhältnismäßig geringfügiger Nebenpunkt, nämlich die Höhe gewisser Auslagen, Gebühren und Steuerbeträge, ungeklärt geblieben war, während es für die jetzigen Beklagten um die lebenswichtige Frage der Ersatzlandgestellung geht. Da hier der Streitwert der Klage, der sich gemäß § 12 Abs. 2 GKG lediglich nach dem Jahrespachtzins bemißt, weit geringer ist als die Gegenansprüche, erwachsen bei Zurückverweisung und Neuverhandlung der ganzen Sache den Parteien auch nicht, wie in jenem Falle, erhebliche Mehrkosten.

22

Vor allem aber unterscheidet sich der frühere Fall von dem jetzigen dadurch, daß damals auf Abgabe einer Willenserklärung geklagt wurde (vgl. § 894 Abs. 1 Satz 2 ZPO); dort durfte der Klagepartei also nach der Ausnahmevorschrift im zweiten Halbsatz des § 726 Abs. 2 ZPO bis zur Beseitigung des Mangels, der zur Teil-Aufhebung und -Zurückverweisung führte, keine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt werden; hierauf hat der VII. Zivilsenat in seinem Urteil maßgeblich abgestellt und daraus den Schluß gezogen, der beklagten Partei entstehe durch das Rechtskräftigwerden des gegen sie gerichteten Urteilsausspruchs kein ungerechtfertigter Nachteil. Im vorliegenden Fall ist das anders. Bliebe die Verurteilung der Beklagten zur Räumung ihrer Siedlerstellen bestehen, so hätte die Klägerin einen unbeschränkt vollstreckbaren Titel und erhielte gemäß § 726 Abs. 2 ZPO (erster Halbsatz) ohne weiteres die vollstreckbare Ausfertigung (Stein/Jonas/Schönke, ZPO 18. Aufl. § 726 Anm. III; Baumbach/Lauterbach, ZPO 280 Aufl. § 726 Anm. 3). Gegenüber ihrem etwaigen Versuch, daraufhin die Vollstreckung zu beginnen, könnten die Beklagten sich nur im Rahmen von § 756 ZPO zur Wehr setzen. Hierbei wäre ihre Lage ohne Zug um Zug-Verurteilung ungünstiger, weil sie dem Gerichtsvollzieher den Nachweis erbringen müßten, daß noch ein Gegenanspruch im Streit ist. Dieser Notwendigkeit wären sie dagegen enthoben, wenn sie das Berufungsurteil nicht angefochten hätten. Daß eine Partei sich im Falle einer Rechtsmitteleinlegung schlechter stellen soll als sonst, entspräche schwerlich den Grundsätzen des geltenden Prozeßrechts. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, erscheint es dem erkennenden Senat angezeigt, hier auch die Entscheidung über die Klage icht bestehen zu lassen.

23

5.

Das Berufungsgericht, an das sie Sache zurückzuverweisen ist (§ 565 ZPO), muß zugleich über die Kosten des Revisionsverfahrens befinden; denn von wem sie zu tragen sind, richtet sich nach dem endgültigen Ausgang des Rechtsstreits.

Dr. Augustin
Dr. Piepenbrock
Rothe
Mattern
Hill