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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.07.1966, Az.: VI ZR 1/65

Verwendung einer Schätzurkunde für ein Grundstück gegenüber einem Dritten zur Sicherung eines Finanzierungskredits; Annahme eines Sittenverstoßes durch Erteilung einer Schätzurkunde ohne Besichtigung des zu schätzenden Grundstücks; Architekt und öffentlich bestellter und vereidigter Schätzer für das Bauwesen, Wohnungswesen und Grundstückswesen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.07.1966
Aktenzeichen
VI ZR 1/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1966, 15898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Karlsruhe - 13.11.1964

Fundstellen

  • DB 1966, 1269 (Volltext)
  • DB 1966, 1763-1764 (Kurzinformation)
  • DB 1966, 1768 (Kurzinformation)

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 1966
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Hanebeck, Dr. Hauß, Heinrich Meyer, Dr. Pfretzschner und Dr. Nüßgens
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 13. November 1964 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

1

Im Frühjahr 1961 bat der Transportunternehmer Th. den Versicherungsvertreter B. und dessen Vertreter T. um Vermittlung eines Finanzierungskredits in Höhe von 20.000 DM für den Kauf eines Lastkraftwagens. Th. konnte für den Kredit keine eigenen Sicherheiten anbieten. Er erklärte aber, das dem Gärtner M. gehörende 20,07 ar große Grundstück in I. Lgb.Nr. ... könne als Sicherheit dienen. M. erklärte sich gegenüber B. und Th. mit einer Belastung seines Grundstücks einverstanden. In den Verhandlungen zwischen B. und der Klägerin zeigte sich diese zur Gewährung des Kredits gegen Sicherung durch eine gleichhohe Briefgrundschuld bereit. Es war vorgesehen, dieses Grundpfandrecht zugunsten des B. zu bestellen und von diesem an die Klägerin abzutreten. Die Klägerin verlangte jedoch zuvor eine Schätzung des Grundstücks.

2

Deshalb suchten B. und T. im Mai 1961 den damals im Krankenhaus liegenden Beklagten auf, der Architekt und öffentlich bestellter und vereidigter Schätzer für das Bau-, Wohnungs- und Grundstückswesen ist. Er nahm den Auftrag an. Da der Beklagte infolge seiner Krankheit verhindert war, fuhr sein Bürovorsteher, der Architekt R. - sein Streithelfer - mit B. und T. nach I. Er besichtigte das Grundstück und fertigte die Schätzungsurkunde vom 23. Mai 1961 an. Der Beklagte unterschrieb sie im Krankenhaus. Die Urkunde hat folgenden Wortlaut:

"Egon Edm. D. Bauing., Architekt, Öfftl. best. u. vereidigter Schätzer für das Bau-, Wohnungs- und Grundstückswesen

HerrnP., 23. Mai 1961
Bi.straße ...
Ernst M.Tel. ...

I./Württ.

Im G.

Betreff:

Ihr Grundstück in I., Im mi. Sch.

Schätzung

O.b. Grundstück wurde von mir in Augenschein genommene Es handelt sich um Ackerland, das direkt an einer Durchgangsstraße liegt. Dasselbe ist bereits im Umlegungsverfahren bzw. im Bebauungsplan, so daß in absehbarer Zeit das Grundstück als Bauplatz gewertet werden kann. Der Baumwuchs ist nicht mitgeschätzt, da es sich nur um zwei mittlere Bäume handelt. Meine Schätzung bezieht sich auf den derzeitigen Grund- und Bodenwert, der mit 18,- DM/qm veranschlagt wird. Das Grundstück hat eine Größe von 20,07 ar. Dieses entspricht einem derzeitigem Wert von 36.126,- DM.

Oben angeführte Schätzung gebe ich nach bestem Wissen und Gewissen.

Vereidigter Schätzer:

gez. D. "

3

Diese Schätzungsurkunde legte Becht der Klägerin vor. Gegen Abtretung der unterdessen für Becht bestellten Briefgrundschuld über 20.000 DM nebst Zinsen gewährte die Klägerin Th. am 13. Juni 1961 ein Darlehen in Höhe von 20.000 DM.

4

Da Th. seinen Rückzahlungsverpflichtungen nicht nachkam, veranlaßte die Klägerin die Versteigerung des Grundstücks. Die aus diesem Anlaß eingeholte Schätzung eines anderen Sachverständigen ergab einen Verkehrswert von 3.000 DM. Er ging von einem Preis von 1,50 DM/qm aus, weil nach Auskunft des Bürgermeisteramtes der Gemeinde I. das Grundstück des M. im Flächennutzungsplan als landwirtschaftlich genutzt ausgewiesen und eine Bebauung weder vorgesehen noch abzusehen sei. Die Versteigerung erbrachte einen Erlös von 3.280 DM. Den Restbetrag konnte die Klägerin von Th. nicht erlangen.

5

Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Ersatz ihres Schadens in Anspruch, den sie mit Zinsen auf 19.220 DM beziffert. Sie hat vorgetragen, sie habe Th. das Darlehen nur gewährt, weil ihr das günstige Gutachten des Beklagten vorgelegt worden sei. Das im Auftrage des M. erstattete Gutachten enthalte bewußt wahrheitswidrige Angaben, so die, der Beklagte habe das Grundstück in Augenschein genommen und sich davon überzeugt, daß es sich um Baugelände handele, obgleich er weder das Grundstück gesehen noch den Bebauungsplan der Gemeinde eingesehen habe. Der Beklagte habe eine der wahren Sachlage nicht entsprechende viel zu günstige Schätzurkunde erstellt. Er habe auch gewußt, daß die Schätzung im Zusammenhang mit der dinglichen Belastung des Grundstücks vorgenommen werden sollte. Mit seinen teils bewußt unwahren, teils leichtfertig unrichtigen Angaben habe der Beklagte seine Pflichten als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger grob verletzt und gegen die guten Sitten verstoßen. Das sittenwidrige Verhalten spreche auch für sein vorsätzliches Handeln. Aus der Art und Weise des Verhaltens des Beklagten ergebe sich, daß er einerseits zu einem ungerechtfertigten Vermögensvorteil habe verhelfen wollen und sich andererseits der Möglichkeit der Vermögensschädigung Dritter vollauf bewußt gewesen sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob ihm bekannt gewesen sei, wer von dem möglichen Schaden betroffen werden könnte. Die Möglichkeit einer Drittschädigung sei allein schon aus der allgemeinen Zweckbestimmung einer solchen Urkunde ersichtlich. Das gelte hier ganz besonders deshalb, weil der Beklagte von der geplanten Belastung des Grundstücks gewußt habe.

6

Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten. Er hat vorgetragen, bei Auftragserteilung habe ihm B. erklärt, das Grundstück liege im Baugebiet. Der Eigentümer wolle nur Klarheit über den Grundstückswert gewinnen. Daher handele es sich lediglich um eine Privat Schätzung. Auch bei der Grundstücksbesichtigung durch seinen Vertreter R. sei nicht davon die Rede gewesen, daß die Schätzung für ein Kreditgesuch benötigt werde. Die Schätzung sei auftragsgemäß unter der Voraussetzung erfolgt, daß es sich um eine reine Privatschätzung ohne weitergehenden Zweck handele und das Grundstück im Bebauungsplan liege. R. habe sie nach bestem Wissen angefertigt. Von einer sittenwidrigen Schädigung könnte keine Rede sein. Zu keiner Zelt habe er das Bewußtsein gehabt, daß die von ihm unterschriebene Schätzurkunde inhaltlich unrichtig sei und zu einer möglichen Schädigung eines Dritten führen könne.

7

Der Architekt R. ist nach Streitverkündung durch den Beklagten dem Rechtsstreit auf dessen Seite beigetreten. Er hat sich dessen Sachvortrag zu eigen gemacht und seinen Anträgen angeschlossen.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Sprungrevision, welcher der Beklagte und der Streithelfer zugestimmt haben, verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

9

Das Landgericht verneint eine Haftung aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung.

10

I.

1.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß einer vertraglichen oder auch nur vertragsähnlichen (vgl. BGHZ 12, 105, 109) Haftung nicht schon entgegensteht, daß nicht die Klägerin den Beklagten mit der Schätzung beauftragt hat. Wer, insbesondere mit Sachkunde, schuldhaft eine falsche Auskunft erteilt, haftet dem Empfänger nach Vertragsgrundsätzen auf Schadensersatz schon dann, wenn sie erkennbar für diesen von erheblicher Bedeutung war und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen gemacht hat (BGH Urteil vom 7. Januar 1965 - VII ZR 28/63 - WPM 1965, 287 mit weiteren Nachweisen). Das Fehlen sonstiger Vertragsbeziehungen steht einer solchen Haftung nicht entgegen. Eine derartige Haftung des Auskunftgebers gegenüber dem Vertrauenden kann auch dann begründet sein, wenn die Auskunft oder Bescheinigung nicht dem darauf Vertrauenden, sondern, wie hier, einem anderen erteilt ist. Dann ist aber, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend annimmt, erforderlich, daß sie (auch) für jenen bestimmt und der Auskunftgeber sich bewußt war, daß sie für weitere Kreise in der oben erwähnten Weise bedeutsam sein und unter Umständen als Grundlage entscheidender Vermögensdispositionen dienen werde (BGH Urteil vom 7 - Januar 1965 - VII ZR 28/63 - a.a.O.; BGHZ 12, 105, 109; vgl. auch OLG München BB 1956, 866; Soergel-Erdsiek-Mühl 9. Aufl. § 676, 32; Palandt/Gramm BGB 25. Aufl. § 676, 3).

11

Eine solche Kenntnis des Beklagten hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht.

12

2.

Ob, wie die Revision meint, die Auffassung zu eng ist, die das Bewußtsein des Beklagten von der beabsichtigten dinglichen Sicherung eines Bankkredits von 20.000 DM fordert, kann dahinstehen. Es mag ausreichen, wenn ihm die Verwendung der Schätzurkunde gegenüber einem Dritten bewußt war, für dessen ihm im einzelnen nicht bekannte Maßnahmen der geschätzte Grundstückswert von entscheidender Bedeutung war. Erforderlich ist aber jedenfalls, daß der Beklagte überhaupt von einer derartigen Verwendung gegenüber einem Dritten in solcher Richtung wußte; es genügt nach anerkannten Rechtsgrundsätzen entgegen der Meinung der Revision nicht, daß der Aussteller mit einer solchen Verwendung nur rechnen mußte. Vom Vorliegen dieses Erfordernisses hat sich das Landgericht aber gerade nicht überzeugt.

13

3.

Bei seiner Würdigung ist das Landgericht der Bekundung des B., er habe den Beklagten anläßlich der Auftragserteilung im Krankenhaus über den Zweck der Schätzung unterrichtet, nicht gefolgt. Hierbei hat es berücksichtigt, daß sich der ebenfalls anwesende T. an eine solche Erklärung nicht erinnern konnte und weder B. noch T. noch der Beklagte dem Zeugen R. von einem solchen Zweck erzählt hat. Nach Auffassung des Landgerichts sprechen sogar für das Vorbringen des Beklagten, man habe ihm bei Auftragserteilung im Gegenteil erklärt, es handelt, sich um eine Schätzung zu reinen Privatzwecken für den Grundstückseigentümer, die Besonderheiten der Schätzurkunde. Sie enthält keine Lgb.Nr. oder eine grundbuchmäßig nähere Bezeichnung, so daß sie sich auf jedes beliebige Grundstück im Gewann "Im hi. Sch." in I. habe beziehen können, sofern es 20,07 ar groß war und Ernst M. gehörte. Das sei aber unüblich und auch ungenügend für eine Schätzung, die einer Bank als Grundlage für Grundstücksbelastungen dienen solle. Zudem sei die Schätzung ausdrücklich an den Grundstückseigentümer M. gerichtet. Schließlich hat sich das Landgericht darauf gestützt, daß nach seiner Überzeugung B. ein erhebliches eigenes Interesse daran hatte, den Beklagten möglichst nicht eingehend zu informieren. Diese Überzeugung hat es auf Grund folgender Feststellungen und Erwägungen gewonnen:

14

B. wußte, daß für den LKW-Kauf mindestens 20.000 DM beschafft werden mußten und als einzige bankmäßige Sicherheit mangels eigener Werte des Th. das M. gehörende Grundstück zur Verfügung stand. Der Eigentümer M., der das Fehlen der Baulandeigenschaft genau kannte, wurde weder von Th. noch von B. jemals nach Wert und Eigenschaft als Baugelände befragt, was nach Meinung des Landgerichts seriöser Geschäftsübung entsprochen hätte. B. war an einer möglichst hohen Schätzung des Grundstücks interessiert. Dem entsprach eine Zurückhaltung des eigentlichen Schätzzwecks, weil der Beklagte bei Kenntnis voraussichtlich gründlicher als bei Schätzung zu reinen Privatzwecken verfahren werde. Für diesen Beweggrund des B. spricht nach Meinung des Landgerichts auch das festgestellte Verhalten des B. und insbesondere des T. bei der Grundstücksbesichtigung mit R. Bei ihr führte sich der dem R. nicht bekannte T. als Eigentümer auf und hielt diesen mit dem Hinweis, er als Eigentümer müsse ja schließlich um die Baulandeigenschaft des Grundstücks wissen, davon ab, sich auf dem Rathaus in I. von der Richtigkeit des Umstandes zu überzeugen.

15

Diese Würdigung ist sachlich-rechtlich nicht zu beanstand.

16

4.

Damit hat das Landgericht auch nicht festzustellen vermocht, daß die Schätzurkunde, wie die Revision meint, für "alle-, die es angeht" bestimmt war (vgl. hierzu: BGHZ 12, 105, 109; Palandt/Gramm 25. Aufl. § 676, 3) mit der daraus folgenden Haftung nach Vertragsgrundsätzen gegenüber jedem beliebigem Dritten. Weder die Würdigung des Wortlauts der Schätzurkunde noch die Umstände, unter denen sie erteilt wurde, rechtfertigen nach der rechtlich nicht angreifbaren Würdigung des Landgerichts eine solche Annahme.

17

II.

1.

Bei Erörterung des § 826 BGB geht das Landgericht zutreffend davon aus, daß ein leichtfertiges, grob fahrlässiges Verhalten einen Sittenverstoß darstellen kann (BGHZ 10, 228, 233 mit weiteren Nachweisen; BGH Urteil vom 13. Juli 1956 - VI ZR 132/55 - LM BGB § 826 [Gb] Nr. 4 = VersR 1957, 641 - MDR 1957, 29 [BGH 13.07.1956 - VI ZR 132/55] mit Anm. Pohle) und eine solche Annahme besonders nahe liegt, wenn der Schädiger mit Rücksicht auf sein Ansehen und seinen Beruf eine Vertrauensstellung einnimmt (BGH Urteil vom 13. Juli 1956 - VI ZR 132/55 - a.a.O.). Es nimmt an, daß diese Voraussetzungen im Verhalten des Beklagten, eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, gegeben sind. Hierzu weist es darauf hin, daß der Beklagte nach dem Wortlaut Der. Schätzurkunde das Grundstück in Augenschein genommen hat, während er es in Wirklichkeit nie gesehen habe. Auch bescheinige er unrichtig in der Urkunde, das Grundstück liege im gemeindlichen Bebauungsplan, obgleich diese Feststellung nicht auf eigener Überzeugungsbildung beruhe, sondern auf einer ungeprüft übernommenen unrichtigen Behauptung. Dieser Ursprung habe jedenfalls in der Urkunde deutlich bezeichnet werden müssen. Das angefochtene Urteil bejaht ersichtlich auch die Schadensursächlichkeit der leichtfertigen und unrichtigen Schätzung, ohne sich hierüber allerdings ausdrücklich auszusprechen.

18

Dagegen verneint das Landgericht das Vorliegen des erforderlichen Schädigungsvorsatzes, auch in der bedingten Form.

19

2.

Ohne Erfolg wendet sich hiergegen die Revision mit der Begründung, der Begriff des Vorsatzes sei verkannt.

20

a)

Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß für die Bejahung des bedingten Vorsatzes erforderlich, aber auch genügend wäre, wenn der Beklagte mit der Möglichkeit rechnete, daß irgend jemand einen Schaden erleiden könnte und er außerdem dieses Ergebnis in Kauf nahm.

21

b)

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es sich aber nicht zu überzeugen vermocht.

22

Hat das Landgericht aber zutreffend die für die Beurteilung des Schädigungsvorsatzes erheblichen Gesichtspunkte erkannt, so gehört seine Verneinung vorwiegend dem Bereich der Tatsachenwürdigung an und kann daher im Revisionsrechtszug nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden (vgl. BGH Urteil vom 1. April 1958 - VI ZR 119/57 - VersR 1958, 445). Das gilt hier im besonderen Maße deshalb, weil im Verfahren nach § 566 a ZPO (Sprungrevision) Verfahrensverstöße, die nur auf Büge zu beachten sind, wie insbesondere solche aus §§ 139 und 286 ZPO, nicht nachprüfbar sind (§ 566 a Abs. 3 ZPO; vgl. Wieczorek ZPO § 566 a. B III). Daß das Landgericht bei seiner Beurteilung Rechtsfehler begangen hätte, kann der Revision nicht zugegeben werden.

23

c)

Das Landgericht hält das Vorbringen des Beklagten nicht für widerlegt, er habe bei Anfertigung der Schätzurkunde die Richtigkeit der von seinem Untergebenen R. zugrundegelegten Baugeländeeigenschaft angenommen. Zutreffend läßt es die von ihm erwogene Möglichkeit nicht ausreichen, daß der Beklagte mit der Fehlerhaftigkeit der Feststellungen des R. habe rechnen müssen. Bei einer solchen Annahme läge allenfalls grobe Fahrlässigkeit vor, die in Bezug auf die Schädigung im Rahmen des § 826 BGB nicht genügt. Zudem hat es sich zur Feststellung außerstande gesehen, daß der Beklagte bei Aushändigung der Schätzurkunde mit der Möglichkeit rechnete, ein Dritter könne im Vertrauen auf die Richtigkeit der Urkunde Schaden erleiden, und daß er außerdem diesen schädigenden Erfolg billigend in Kauf genommen hat. Diese Würdigung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

24

d)

Der Revision ist in ihrer Auffassung zuzustimmen, daß in vielen Fällen die Frage der vorsätzlichen Schädigung nicht ohne die - davon zu trennende - Frage eines Sittenverstoßes beantwortet werden kann. Art und Weise des sittenwidrigen Verhaltens können Anhaltspunkte auch dafür bieten, ob der Schädiger mit Vorsatz gehandelt hat (RGZ 90, 106; E.-Lehmann 15. Aufl. § 236 II 3 c; Erman-Drees 3. Aufl. § 826, 2 c aa). Indes hat das Landgericht diesen Zusammenhang nicht verkannt. Es hat in eingehender Würdigung im Verhalten des Beklagten einen Sittenverstoß erblickt. Trotzdem hat es sich vom Vorliegen eines auch nur bedingten Schädigungsvorsatzes nicht zu überzeugen vermocht. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Trotz des erwähnten Zusammenhangs vermag die Annahme eines Sittenverstoßes den Vorsatz niemals zu ersetzen (vgl. BGH Urteil vom 13. Juli 1956 - VI ZR 132/55 - a.a.O.; Urteil vom 6. Juni 1962 - V ZR 125/60 - LM BGB § 826 [C] Nr. 3).

25

III.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen die Verneinung einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB.

26

Das Landgericht hat den Schutz Charakter der Sachverständigenordnung der Industrie- und Handelskammer K. - "Vorschriften der Industrie- und Handelskammer K. über die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen (Sachverständigenordnung)" -, gegen deren Gebote der Beklagte durch die leichtfertige Art der Grundstücksschätzung möglicherweise verstoßen habe, mit der Begründung verneint, mit ihren Ordnungsvorschriften wolle sie keinen besonderen Schutz gegenüber Pflichtverletzungen von Sachverständigen gewähren, der über die allgemeinen Schadensersatzvorschriften hinausgehe.

27

Dieser Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen.

28

Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist zwar jede Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), d.h. jede von der Rechtsordnung festgestellte Segel im Gegensatz zu den Normen, die durch Rechtsgeschäft für bestimmte Verhältnisse aufgestellt sind (RGZ 135, 243, 245). Sie muß aber dem Schutz des einzelnen im Gegensatz zur Gesamtheit dienen und dienen sollen. Daß sie die Wirkung hat, dem einzelnen zu nutzen, reicht nicht (BGHZ 22, 293, 297; 12, 146, 148). Erforderlich ist vielmehr, daß ihr nach dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers auch die Bestimmung und der Zweck zukommt, gerade dem einzelnen einen Rechtschutz zu verleihen (vgl. Haager in RGRK § 823 Anm, 103). Daran fehlt es hier. Die Sachverständigenordnung setzt die Sorgfaltspflicht des Sachverständigen voraus, begründet sie aber nicht selbständig Zudem ist Sinn ihrer Vorschriften nicht, einem Dritten, demgegenüber dem Sachverständigen mangels rechtlicher Sonderverbindung keine besonderen Pflichten obliegen, einen zusätzlichen Rechtsschutz zu gewähren.

29

IV.

Daher war die Revision unbegründet und mit der Kostenfolge aus §§ 97, 101 ZPO zurückzuweisen.

Hanebeck
Dr. Hauß
Meyer
Dr. Pfretzschner
Dr. Nüßgens