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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.05.1966, Az.: VI ZR 252/64

Bemessung des Schadensersatzes für ein zerstörtes Kraftfahrzeug; Erwerb eines gleichwertigen gebrauchten Fahrzeugs; Erwerb eines Neuwagens; Zumutbarkeit der Reparatur eines im Rahmen eines Unfalls beschädigten Wagens; Verkehrswert eines Wagens; Bemessung eines Sachschadens unter Einschätzung eines vom Zeitwert abweichenden Gebrauchswertes

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
17.05.1966
Aktenzeichen
VI ZR 252/64
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1966, 11919
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Karlsruhe - 05.02.1964
LG Mannheim

Fundstellen

  • DB 1966, 975 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1966, 525-526 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1966, 829-830 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1966, 1454-1456 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1966, 2159 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1966, 1807 (amtl. Leitsatz)

Prozessführer

Kurt M., M., L.straße ...

Prozessgegner

Bundesrepublik Deutschland in Prozeßstandschaft für die Vereinigten Staaten von Amerika
handelnd und vertreten durch den Bundesminister der Finanzen,
dieser vertreten durch das Finanzministerium Baden-Württemberg,
dieses vertreten durch das Regierungspräsidium Nordbaden, Karlsruhe

Amtlicher Leitsatz

Bei der Bemessung des Schadensersatzes für ein zerstörtes Kraftfahrzeug ist in der Regel von dem Preis auszugehen, den der Geschädigte aufwenden muß, um ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug zu erwerben. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Geschädigte es vorzieht, sich einen neuen Wagen anzuschaffen. Vom Schädiger kann nicht deshalb generell ein Risikozuschlag verlangt werden, weil beim Ankauf eines gebrauchten Wagens mit verborgenen Mängeln zu rechnen ist.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 1966
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Engels und
der Bundesrichter Dr. Hauß, Kessler, Heinr. Meyer und Dr. Nüßgens
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. Februar 1964 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

1

Am 20. Oktober 1961 wurde der Opel-Rekord-Pkw des Klägers (Baujahr 1961, Kilometerstand 8.862 km) von einem Kraftwagen der amerikanischen Streitkräfte, dessen Fahrer das Vorfahrtsrecht verletzt hatte, angefahren und erheblich beschädigt. Von einer Reparatur, die nach einem Kostenvoranschlag 3.458,30 DM gekostet hätte, sah der Klüger ab. Er kaufte einen neuen Pkw des gleichen Modells zum Preise von 7.556,40 DM. Die Beklagte, deren Ersatzpflicht dem Grunde nach unstreitig ist, hat dem Kläger zum Ausgleich des Sachschadens, der Kredit- und Gutachterkosten, sowie zur Abgeltung der Aufwendungen für die Anmietung eines Ersatzwagens einen Betrag von 4.559,41 DM gezahlt. Der Kläger hat mit der Klage weitere 1.944,80 DM nebst Zinsen gefordert.

2

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.586,88 DM nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht den zu zahlenden Betrag auf 1.090,29 DM ermäßigt und die über diesen Betrag hinausgehende Klageforderung abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision bittet der Kläger, das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als die Klage in Höhe weiterer 250 DM abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe

3

I.

Das Berufungsgericht legt seiner Beurteilung zugrunde, es habe dem Kläger angesichts der schweren Beschädigung seines Wagens nicht zugemutet werden können, diesen in Reparatur zu geben und alsdann weiter zu benutzen. Das läßt die Beklagte gelten. Nach Ansicht des Berufungsgerichts wird der Kläger für den Verlust seines Wagens dadurch genügend entschädigt, daß ihm die Beklagte den Betrag zur Verfügung stellt, der für die Anschaffung eines gleichartigen Gebrauchtwagens aufzuwenden war. Die Beschaffung eines solchen Wagens, so führt das Berufungsgericht aus, sei möglich und dem Kläger zumutbar gewesen. Allerdings berge jeder Gebrauchtwagenkauf ein gewisses Risiko in sich, weil das bisherige Schicksal und die bisherige Pflege des Wagens nicht genau bekannt seien und weil man unter Umständen mit gewissen, äußerlich nicht erkennbaren Fehlern rechnen müsse. Dieses Risiko sei bei einem Kraftwagen, der erst etwa 9.000 km gefahren sei, nicht erheblich. Es könne praktisch dadurch so gut wie ausgeschlossen werden, daß der Käufer vor dem Ankauf genaue Angaben über die Vorgeschichte des Wagens verlange und eine eingehende Generaluntersuchung des Wagens in einer Vertragswerkstatt durchführen lasse. Kaufe er den Wagen bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler, so pflege dieser durchweg eine gewisse Werkstattengarantie (meist für 5.000 km) zu geben, wenn der erworbene Wagen nicht mehr als 10.000 bis 15.000 km gefahren worden sei. Nur beim Vorliegen besonderer Umstände könne der Geschädigte verlangen, daß ihm die Kosten für den Erwerb eines Neufahrzeugs unter Abzug eines geringen Betrages für den erhaltenen Mehrwert erstattet würden. Beim Kläger seien keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigten, die Ersatzschuld in der mit der Klage vorgeschlagenen Weise zu bemessen.

4

Das Berufungsgericht hat aufgrund eines kraftfahrtechnischen Gutachtens den Zeitwert des beschädigten Wagens vor dem Unfall auf 5.850 DM geschätzt. Diesen Betrag hat es um 850 DM erhöht, weil der Kläger bei einem Kauf von einem Gebrauchtwagenhändler wahrscheinlich einen höheren Preis zahlen müsse. In diesem Zusatzbetrag sind auch die Kosten für eine Generaluntersuchung eines gebrauchten Wagens und die Vergütung für die Gewährung einer Werkstättengarantie enthalten. Von dem Betrag von 6.700 DM hat das Berufungsgericht 1.950 DM für den Restwert des beschädigten Wagens und 50 DM für ein Doppeltonhorn abgezogen, so daß ein Betrag von 4.700 DM für die Schadensberechnung bleibt.

5

Demgegenüber möchte die Revision den Standpunkt des Klägers durchsetzen, ihm habe die Anschaffung eines Gebrauchtwagens nicht zugemutet werden dürfen, weil ein im freien Handel gekauftes Gebrauchtfahrzeug des gleichen Wagentyps mit etwa gleicher Fahrleistung nicht als gleichwertiges Fahrzeug anzusehen sei. Auch wenn das Fahrzeug bei einem seriösen Händler gekauft und vorher einer gründlichen technischen Untersuchung unterzogen werde, sei ein solcher Kauf ein Risiko, da im Gebrauchtwarenhandel die Haftung für Sachmängel allgemein ausgeschlossen werde. Die Beklagte könne nicht verlangen, daß der Kläger, der sonst nur neue Wagen gekauft habe, das Risiko eines Gebrauchtwagenkaufs eingehe. Erkenne man an, daß der Kläger berechtigt gewesen sei, sich ein neues Fahrzeug anzuschaffen, so brauche er sich nur den Mehrwert anrechnen zu lassen, der über dem individuellen Gebrauchswert des gefahrenen Wagens liege. Dieser vom Landgericht auf 750 DM geschätzte Mehrwert sei wesentlich geringer als die Differenz, die zwischen dem Neuwert und dem Marktwert des beschädigten Fahrzeugs vor dem Unfall bestehe. Da der Kläger seinen gefahrenen Wagen zum weiteren Gebrauch bestimmt habe, sei der Marktwert keine geeignete Grundlage zur Berechnung seines Schadens. Die Revision meint, die Schadensberechnung unter Zugrundelegung eines Neuwagenankaufs müsse dahin führen, daß dem Kläger mindestens noch weitere 250 DM zuzusprechen seien.

6

II.

Der Senat stimmt der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts zu.

7

Muß der Eigentümer den erheblich beschädigten Wagen auswechseln, weil eine Reparatur keine ausreichende Schadensbehebung darstellt, so ist im allgemeinen der Zeitwert (Verkehrswert) des Wagens vor dem Unfall der geeignete objektive Anhaltspunkt für die Bemessung der, Sachschadens. Da es darauf ankommt, einen Zustand herzustellen, der demjenigen wirtschaftlich entspricht, der ohne das Schadensereignis bestanden hatte, fragt das Berufungsgericht mit Recht, welchen Betrag der Ersatzberechtigte auf wenden muß, um einen ähnlichen, bereits gebrauchten Wagen zu erwerben (vgl. auch Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 8. Aufl. TZ 1536; OLG Düsseldorf VersR 1965, 770 [OLG Düsseldorf 08.04.1965 - 1 U 292/64]). Durch den Aufschlag auf den vom Sachverständigen geschätzten Zeitwert des vom Zusammenstoß betroffenen Wagens ist der Kläger in die Lage versetzt worden, einen ähnlichen Wagen nach einer gründlichen technischen Überprüfung von einem seriösen Gebrauchtwagenhändler zu erwerben und sich von diesem Händler für eine gewisse Zeit eine Werkstättengarantie geben zu lassen. Indem das Berufungsgericht die Beklagte außerdem zur Vergütung von Finanzierungskosten verurteilt, hat es dem Kläger einen den Anforderungen des § 249 BGB gerecht werdenden Ersatz seines Schadens zugebilligt. Ob der Kläger diesen Betrag zum Ankauf eines Gebrauchtwagens verwandte oder ob er den Unfall zum Anlaß nahm, einen Neuwagen anzuschaffen, war seine Sache. Der Kläger kann aber nicht verlangen, daß ihm die Beklagte deshalb einen höheren Ersatzbetrag zahlt, weil er von der Möglichkeit, einen gleichwertigen und technisch überprüften Gebrauchtwagen zu kaufen, aus persönlichen Gründen keinen Gebrauch gemacht hat. Maßgebend ist nicht, wie gerade der Kläger den Wert seines alten und den Wert eines Ersatzfahrzeugs ansetzt, sondern ob eine Schätzung unter objektiven Wertmaßstäben zur Feststellung einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit führt. Dabei geht es nicht an, den Schädiger generell deshalb mit einem Risikozuschlag zu belasten, weil beim Kauf eines gebrauchten Wagens stets damit gerechnet werden müsse, daß der Wagen verborgene Mängel aufweise (so mit Recht OLG Hamburg, VersR 1965, 963 [OLG Hamburg 13.04.1965 - 7 U 145/65]; a.M. KG NJW 1966, 735). Einmal trägt in aller Regel schon die Bemessung des Kaufpreisen für einen Gebrauchtwagen diesem Risiko Rechnung. Sodann ist zu bedenken, daß sich auch bei dem unfallbetroffenen Wagen später Mängel hätten zeigen können, wenn er nicht zerstört, sondern weiter benutzt worden wäre. Bei einem Vergleich kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß hinsichtlich der bisherigen Wartung und Pflege wesentliche, für die Bemessung ins Gewicht fallende Unterschiede bestehen. Eine subjektive Abneigung des Klägers gegen den Ankauf und die Benutzung eines gebrauchten Wagens rechtfertigt es allein noch nicht, vom Schädiger einen höheren Ersatz zu verlangen. Bei der Bewertung solcher Sachschäden ist eine gewisse Objektivierung, die von individuellen Sonderheiten absieht und sich an die im Verkehr geltenden Wertmaßstäbe hält, unerläßlich. Diese Objektivierung führt vielfach auch zu einer Begünstigung des Ersatzberechtigten, dem etwa der im Handel anerkannte merkantile Minderwert selbst dann ersetzt wird, wenn er den Wagen weiterbenutzt und ausfährt, ohne daß sich Unfallfolgen zeigen (BGHZ 35, 396). Eine gewisse, dem Ersatzberechtigten günstige Objektivierung der Schadensberechnung ergibt sich ferner aus der Rechtsprechung zum Ausgleich der gestörten Gebrauchsmöglichkeit eines Personenkraftwagens (BGHZ 40, 345; ferner das zum Abdruck in der amtlichen Sammlung vorgesehene Urteil des Senats - VI ZR 271/64 - vom 15. April 1966 = VersR 1966, 497). Der Senat vermag daher dem Standpunkt der Revision nicht zu folgen, der Grundsatz der vollständigen Behebung des Schadens erfordere es, daß die Beklagte dem Kläger die Kosten für die Anschaffung eines Neuwagens des gleichen Typs ersetze und den Wertzuwachs nur mit einem geringen Abzugsbetrag berücksichtige, der vom individuellen Gebrauchswert des betroffenen Wagens ausgehe. Indem der Senat diesen Standpunkt ablehnt, verkennt er nicht, daß es durchaus Schadensfälle geben kann, in denen der Sachschaden nur unter Einschätzung eines vom Zeitwert abweichenden Gebrauchswertes sachgemäß bemessen werden kann. Zu denken ist insbesondere an teuere Wagen, die nach ganz geringer Fahrleistung total beschädigt werden, ferner an alte Wagen mit großer Fahrleistung, deren Marktwert praktisch mit null anzusetzen ist (vgl. hierzu Ruhkopf VersR 1962, 930; H.W. Schmidt VersR 1965, 962 und NJW 1966, 717). Im vorliegenden Fall sind Umstände, die es rechtfertigen könnten, von den im Verkehr anerkannten Bewertungsmaßstäben abzugehen, nicht ersichtlich. Überdies fehlt es an jeder Unterlage, um einen vom Marktwert abweichenden individuellen Gebrauchs wert des beschädigten Wagens ziffernmäßig schätzen zu können.

8

Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Kläger für eine längere Zeit Kosten für die Beschaffung eines Mietwagens zusprechen müssen, wenn es ihm die Beschaffung eines Gebrauchtwagens zumute, ist unbegründet. Der Kläger hat in der Tatsacheninstanz nicht geltend gemacht, daß ihm der Kauf eines gleichwertigen Gebrauchtwagens in der Zeit von zehn Tagen nicht möglich gewesen wäre. Ersichtlich geht das Berufungsgericht davon aus, daß diese Möglichkeit durchaus bestand (§ 287 ZPO).

9

Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

Engels
Dr. Hauß
Meyer
Kessler
Dr. Nüßgens