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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 25.03.1965, Az.: V BLw 25/64

Ablauf eines langen Zeitraumes seit Erlass einer dem Beschwerdeführer nicht zugestellten gerichtlichen Entscheidung; Rechtsmissbräuchlichkeit einer Einlegung der sofortigen Beschwerde; Übertragung eines Hofes im Wege der verfrühten Erbfolge; Voraussetzungen der Rechtskraft eines Beschlusses; Zustellung eines Beschlusses; Voraussetzungen der Teilung eines Hofes; Neuregelung des Beschwerderechts durch das Grundstückverkehrsgesetz (GrstVG)

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
25.03.1965
Aktenzeichen
V BLw 25/64
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1965, 11402
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Braunschweig - 22.05.1964
AG Liebenburg

Fundstellen

  • BGHZ 43, 289 - 295
  • DNotZ 1966, 545-550
  • JZ 1965, 362 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1965, 564-565 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1965, 1532-1533 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Genehmigung des Übergabevertrages vom ... 1947 (Nr. .../1947 der Urkundenrolle des Notars Dr. Albrecht Sch. in Wa.-Sa.)

Sonstige Beteiligte

Landwirtschaftskammer H. in H.

Ehefrau Annerose Bo. geb. P. in B., F.straße ...

Bauer Johannes P. in Ha.

Amtlicher Leitsatz

Der Ablauf eines langen Zeitraumes seit dem Erlaß einer dem Beschwerdeführer nicht zugestellten gerichtlichen Entscheidung genügt allein nicht, um die Einlegung der sofortigen Beschwerde als mißbräuchlich ansehen zu können.

Die Anschlußrechtsbeschwerde setzt eine Rechtsbeeinträchtigung voraus.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs als Senat für Landwirtschaftssachen hat
in der Sitzung vom 25. März 1965
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin,
der Bundesrichter Dr. Piepenbrock und Dr. Grell sowie
der landwirtschaftlichen Beisitzer Brückel und Schmidt
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Landwirtschaftskammer Hannover wird der Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 22. Mai 1964 aufgehoben.

    Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

  2. II.

    Die Anschlußrechtsbeschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zu 3 als unzulässig verworfen.

  3. III.

    Gerichtskosten werden im übrigen für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

  4. IV.

    Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 210.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die verwitwete Bäuerin Ella Fe. geb. P. war nach dem Tode ihres Ehemannes als befreite Vorerbin Eigentümerin des im Grundbuch von Ha. Band ... Blatt ... und Band ... Blatt ... eingetragenen Grundbesitzes. Es handelt sich um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, der aus zwei früher selbständigen Höfen, dem Ackerhof Nr. ... und dem Halbspännerhof Nr. ..., entstanden war. Der Hof ist rund 124 ha groß. Hiervon sind etwa 12 ha Ödland und etwa 32 ha Wald, während, rund 80 ha landwirtschaftlich genutzt werden.

2

Zu Nacherben waren die aus der Ehe Fe. hervorgegangenen Söhne Wilfried und Wolfgang eingesetzte Wolfgang Fe ist im Jahre 1941 gefallen. Wilfried Fe. war seit dem Jahre 1941 vermißt. Sein Tod ist am 8. April 1960 durch die Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht dem Standesamt in Ha. angezeigt worden.

3

Frau Fe. hatte drei Brüder namens Johannes, Alexander und Max, die sämtlich Landwirte waren. Johannes und Alexander P. hatten im Kreise Kö./Ne. größere eigene Besitzungen. Nachdem sie im Jahre 1945 ihren Grundbesitz infolge der Kriegsereignisse verloren hatten, übernahmen sie gemeinsam die Bewirtschaftung des Hofes ihrer Schwester in Ha. Max P., der eine Besitzung in der Al. hatte, kam erst im Jahre 1953 in die Bundesrepublik und übernahm eine Pachtung im Landkreis He.

4

Durch notariellen Vortrag vom 23. November 1947 übertrug Frau Fe. ihren Hof "im Wege der verfrühten Erbfolge" etwa je zur Hälfte auf ihre Brüder Johannes und Alexander P. Aus den Grundbesitz sollten zwei selbständige Höfe gebildet werden. Jedem der beiden Brüder wurden in dem Vertrag bestimmte Grundstücke zugeteilt. Die zur selbständigen Bewirtschaftung der beiden Höfe erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude, soweit sie noch nicht vorhanden waren, sollten aus den Gesamterträgnissen beider Höfe errichtet worden. Das lebende und tote Inventar wurde zur Hälfte unter Johannes und Alexander P. auf geteilt. Die Witwe Fe. behielt sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundbesitz vor und erteilte den Erwerbern Auflassungsvollmacht. Die Auflassung sollte nach der zum Teil noch erforderlichen Vermessung vorgenommen werden.

5

Das Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht) Li. genehmigte durch Beschluß vom 29. Juni 1948 den Übergabevertrag, nachdem die Kreislandwirtschaftsämter G. und Wa.-Sa. keine Bedenken gegen die Übertragung erhoben hatten. Eine Ausfertigung des Beschlusses wurde nach einem in den Akten befindlichen Vermerk den beiden Kreislandwirtschaftsämtern und für die Vertragsteile dem amtierenden Notar formlos übersandt.

6

Die Umschreibung des Grundbesitzes auf die Übernehmer ist bisher nicht erfolgt. Frau Fe. blieb vielmehr Eigentümerin des Hofes und verpachtete ihn an ihre beiden Brüder zur gemeinsamen Bewirtschaftung. Inzwischen wurde in der Gemeinde Ha. ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt, in das auch der Hof einbezogen wurde. Alexander P. verstarb am ... 1955. Er wurde zu 1/4 von seiner Ehefrau und zu 3/4 von seiner Tochter, der Ehefrau Annerose Bo. geb. P. (Beteiligten zu 2), beerbt. Am 4. November 1955 verstarb auch seine Ehefrau; Alleinerbin wurde ihre Tochter, Frau Bo. Am ... 1962 verstarb die Witwe Fe. Hoferbe wurde nach dem Hoffolgezeugnis des Amtsgerichts Sa.-Bad vom 19. April 1962 ihr ältester Bruder Johannes P. (Beteiligter zu 3), der inzwischen auch als Eigentümer des Hofes im Grundbuch eingetragen ist. Hinsichtlich des übrigen Nachlasses wurde Frau Fe. von ihren Brüdern Johannes und Max P. sowie ihrer Nichte, Frau Bo., zu je 1/3 beerbt.

7

Im September 1962 erhob Frau Bo. gegen ihren Onkel Johannes P. beim Landgericht Br. Klage auf Auflassung der ihrem Vater durch den Vertrag vom ... 1947 übertragenen Grundstücke. Das Landgericht setzte durch Beschluß vom 21. Februar 1963 den Rechtsstreit aus bis zur rechtskräftigen Erledigung des landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens, weil der Beschluß des Amtsgerichts Li. vom 29. Juni 1948 der Landwirtschaftskammer H. nicht zugestellt und deshalb nicht rechtskräftig geworden sei.

8

Nachdem nunmehr das Amtsgericht Li. den Genehmigungsbeschluß an 11. April 1963 der Landwirtschaftskammer zugestellt hatte, hat diese gegen den Beschluß am 23. April 1963 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Landwirtschaftskammer ist der Auffassung, daß angesichts der nach dem Abschluß des Übergabevertrages eingetretenen Änderung der Verhältnisse eine Teilung des Hofes aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu verantworten sei.

9

Sie hat deshalb beantragt,

unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts den Übergabevertrag die Genehmigung zu versagen.

10

Das Oberlandesgericht hat die sorfortige Beschwerde aus den Gesichtspunkt der mißbräuchlichen Rechtsausübung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Landwirtschaftskammer die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht erstrebt.

11

Der Beteiligte zu 3 hat sich der Rechtsbeschwerde der Landwirtschaftskammer angeschlossen.

12

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG zulässig und auch begründet.

13

1.

Das Oberlandesgericht hat ein Beschwerderecht der Landwirtschaftskammer ohne Rechtsirrtum bejaht. Die Beschwerdebefugnis der Landwirtschaftskammer richtet sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, nach den Bestimmungen der am 1. Januar 1948 in Kraft getretenen Verfahrensordnung für Landwirtschaftssachen (LVO). Die Landwirtschaftskammer war nach § 4 Abs. 2 LVO die obere Landwirtschaftsbehörde, der nach § 30 Abs. 1 LVO die gerichtlichen Entscheidungen in den dort bezeichneten Angelegenheiten zuzustellen waren und der gegen die Entscheidung des Amtsgerichts die sofortige Beschwerde zustand. Die zunächst umstrittene Frage, ob zu diesen Angelegenheiten auch Hofübergabeverträge gehörten, ist durch den Beschluß des Senats vom 13. März 1951 (BGHZ 1, 253) in bejahendem Sinne entschieden worden. Die Änderung der Rechtslage durch § 32 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Vorfahren in Landwirtschaftssachen (LwVG), wonach nunmehr - abweichend von § 30 Abs. 1 LVO - die gerichtlichen Entscheidungen in Genehmigungsverfahren der (unteren) Landwirtschaftsbehörde zuzustellen waren, ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil abgesehen davon, daß auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes das Beschwerderecht der Landwirtschaftskammer bestehen blieb (BGHZ 13, 174), gemäß § 58 LwVG die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die vor den 1. Oktober 1953 erlassenen Entscheidungen sich nach den bisher geltenden Vorschriften richtet. Die Neuregelung des Beschwerderechts durch das Grundstückverkehrsgesetz gilt nach § 32 Abs. 2 des Gesetzes nicht für vor seinem Inkrafttreten anhängig gewordene Genehmigungsverfahren.

14

Gewisse Zweifel an der Zulässigkeit der Beschwerde könnten, so meint das Oberlandesgericht, schon deshalb bestehen, weil es zu der Zeit, als der Beschluß des Amtsgerichts Li. erging, in Niedersachsen keine Landwirtschaftskammern gegeben habe. Richtig ist, daß, wie auch das Beschwerdegericht ausführt, durch das Reichsnährstandsauflösungsgesetz vom 21. Januar 1948 (WiGBl 21) die früheren Landesbauernschaften, die sich in Landwirtschaftskammern umbenannt hatten, mit Wirkung vom 5. März 1948 aufgelöst wurden und daß seit diesem Zeitpunkt in Niedersachsen eine Stelle, welche die Aufgaben der oberen Landwirtschaftsbehörde wahrzunehmen hatte, zunächst nicht vorhanden war. Erst durch die Verordnung vom 1. November 1948 (GVBl 173), die am 24. November 1948 in Kraft trat, wurden vorläufige Landwirtschaftskammern in H. und O. errichtet, die nach dem Runderlaß des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 30. Dezember 1948 (abgedruckt bei Wöhrmann, Landwirtschaftsrecht S. 351) obere Landwirtschaftsbehörden im Sinne des § 4 Abs. 2 LVO waren, Der Niedersächsische Justizminister hat diesen Runderlaß durch die Allgemeine Verfügung vom 10. Januar 1949 (NdsRpfl 1949, 6 - abgedruckt bei Wöhrmann a.a.O. S. 351) bekannt gegeben und dazu unter B ergänzend auf folgenden hingewiesen:

"Die Aufgaben der oberen Landwirtschaftsbehörde, die hiernach von den bisherigen Landwirtschaftskammern zu erfüllen sind, ergeben sich vor allem aus den §§ 18, 20 und 30 LVO.

Von besonderer praktischer Bedeutung sind die Zustellungen nach § 30 LVO. Für diese gilt folgendes:

1.
Entscheidungen, die bisher noch nicht nach § 30 LVO zugestellt worden sind, sind nunmehr umgehend den bisherigen Landwirtschaftskammern in H. bzw. O. zuzustellen.

2.
Entscheidungen, die dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zugestellt worden sind, brauchen nicht erneut den bisherigen Landwirtschaftskammern zugestellt zu werden, da der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wie er mir mitgeteilt hat, bei diesen Zustellungen die Zuständigkeit an sich gezogen hat und diese Sachen nunmehr an die zuständigen Landwirtschaftskammern abgeben wird. Die Rechtsmittelfrist ist somit wirksam in Lauf gesetzt worden.

3.
Entscheidungen, die künftig ergehen, sind nicht mehr den Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sondern den bisherigen Landwirtschaftskammern zuzustellen."

15

Die Tatsache, daß zu der Zeit, als der Beschluß des Amtsgerichts Liebenburg erlassen wurde, eine obere Landwirtschaftsbehörde noch nicht vorhanden war, hat nicht etwa den Fortfall des Beschwerderechts zur Folge. Die Zustellung gerichtlicher Entscheidungen hätte, solange noch keine obere Landwirtschaftsbehörde bestimmt war, rechtswirksam auch an die "oberste Landesbehörde für Ernährung und Landwirtschaft" erfolgen können, weil diese nach § 4 Abs. 3 LVO die Stolle zu bestimmen hatte, die die Aufgaben der unteren und oberen Landwirtschaftsbehörde wahrzunehmen hatte. Jedenfalls mußte, wenn eine Zustellung an den Minister nicht erfolgt war, nach Bildung der Landwirtschaftskammern eine bisher nicht erfolgte Zustellung nunmehr nachgeholt werden. Von dieser Rechtslage geht auch die vorerwähnte Allgemeine Verfügung vom 10. Januar 1949 aus.

16

2.

Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob, wie das Oberlandesgericht meint, die Einlegung der Beschwerde einen Rechtsmißbrauch darstellt. Daß Beschwerdegericht führt dazu aus:

17

Im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde seien seit der Genehmigung des Übergabevertrages bereits 15 Jahre verstrichen gewesen. Alle unmittelbar am Vertragsschluß Beteiligten seien bis dahin stets davon ausgegangen, daß der Vertrag rechtswirksam genehmigt sei, gleichgültig, aus welchen Gründen er bis zum Tode der Witwe Fe. noch nicht ausgeführt worden sei. Von den beiden zuständigen Kreislandwirtschaftsämtern seien im Genehmigungsverfahren keinerlei Bedenken gegen den Übergabevertrag erhoben worden. Selbst das eigene Vorbringen der Landwirtschaftskammer lasse erkennen, daß sie, wenn ihr der Beschluß damals zugestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich kein Rechtsmittel dagegen eingelegt haben würde, weil die Aufteilung des Hofes auf die beiden als tüchtige Landwirte bekannten Brüder der Frau Fe. unter den damaligen Verhältnissen als eine vernünftige und tragbare Lösung der Hofnachfolge habe angesehen werden können. Wenn daher die Landwirtschaftskammer nach 15 Jahren den Zustellungsmangel zum Anlaß nehme, um auf Grund der inzwischen eingetretenen Änderung der Anschauungen und der persönlichen Verhältnisse der Beteiligten die Versagung der Genehmigung zu erreichen, so stehe das mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr im Einklang. Hinzu komme, daß die Landwirtschaftskammer, wenn sie auch den Genehmigungsbeschluß nicht gekannt habe, sich ohne Schwierigkeiten Kenntnis hiervon hätte beschaffen können. Sie hätte entweder über die Kreislandwirtschaftsämter oder unter Inanspruchnahme der Mithilfe des zuständigen Ministeriums sicherstellen müssen, daß ihr alle bisher nicht zugestellten Genehmigungsbeschlüsse nachträglich zugestellt wurden. Da sie sich jedoch völlig untätig verhalten habe, müsse sie sich so behandeln lassen, als sei ihr die Entscheidung des Amtsgerichts schon längst bekannt gewesene Auch aus diesem Grunde sei die jetzt eingelegte Beschwerde als mißbräuchlich anzusehen.

18

Die Ausführungen des Oberlandesgerichts werden von der Rechtsbeschwerde mit Recht beanstandet. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, daß der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Verfahrensrecht gilt, und zwar sowohl im Prozeßverfahren wie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch im Verfahren in Landwirtschaftssachen (§ 12 LVO, § 9 LwVG). Es kommen Fälle in Betracht, in denen ein an keine Frist gebundenen Rechtsmittel nach einer unangemessen langen Zeit eingelöst wird. Die späte Einlegung eines Rechtsmittels kann einen Verstoß gegen Treu und Glauben (Rechtsmißbrauch) bedeuten, der es rechtfertigt, das Rechtsmittel als unzulässig zu behandeln. Man spricht in einen solchen Fall auch von einer Vorwirkung des Beschwerderechts, die einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung bildet. Zu dem Zeitablauf müssen allerdings noch besondere Umstände hinzukommen, um eine späte Rechtsmitteleinlegung als mißbräuchlich erscheinen zu lassen. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn die Beteiligten den durch die angefochtene Entscheidung geschaffenen Zustand infolge Ausbleibens eines Rechtsmittels als endgültig angeschen haben und ansehen durften (vgl. dazu z.B. BGH 20, 198, 206; BayObLG 1953, 357, 360 und 1963, 65, 66; Keidel, FGG 80 Aufl. § 21 Anm. 22, S. 444 Fußn. 1 sowie Rpfleger 1960, 240 und Jansen, FGG § 21 Anm. 10, jeweils mit weiteren Nachweisen; Baumgärtel, ZZP 67, 423; für das landwirtschaftsgerichtliche Vorfahren vgl. Lange/Wulff, LwVG Nachtrag S. 28 zu Anm. VIII).

19

Die sofortige Beschwerde im Verfahren in Landwirtschaftssachen ist an eine Frist von zwei Wochen gebunden, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt (§ 23 Abs. 1 LVO, § 21 LwVG). Eine nach Ablauf der Frist eingelegte sofortige Beschwerde ist unzulässig.

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Eine Verwirkung des Beschwerderechts ist in der Rechtsprechung allerdings nicht auf unbefristete Rechtsmittel beschränkt, sondern auch bei befristetem Rechtsmittel bejaht worden (vgl. dazu OLG Celle DNotZ 1956, 429, 432; BayObLG 1960, 110, 120; BGH vom 10. Oktober 1962, V ZR 189/60, LM Nr. 2 zu § 339 ZPO). Die Frage der Verwirkung kann sich etwa dann stellen, wenn die Zustellung wegen eines Mangels unwirksam war und deshalb die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt wurde, der Beschwerdeführer also von der Entscheidung Kenntnis erlangt und die Einlegung eines Rechtsmittels so lange hinauszögert, daß sie nach Lage der Sache gegen Treu und Glauben verstößt. Der Ablauf eines langen Zeitraumes allein genügt indessen auch hier für die Verwirkung nicht. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Anfechtbarkeit einer Entscheidung nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne, unabhängig davon, ob eine Zustellung erfolgt ist oder nicht, stets ihr Ende finde, hat in der Gesetzgebung keinen Ausdruck gefunden. Eine zeitliche Beschränkung der Anfechtbarkeit von gerichtlichen Entscheidungen bedarf vielmehr einer ausdrücklichen Regelung, wie sie für einzelne, hier nicht in Betracht kommende Fälle (z.B. §§ 516, 552 ZPO) erfolgt ist (BGHZ 14, 179, 187) [BGH 07.07.1954 - V BLw 5/54]. Der Tatsache, daß die am Abschluß des Vertrages Beteiligten stets davon ausgegangen sind, der Vertrag sei rechtswirksam genehmigt, kann schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil die vorgesehene Aufteilung des Hofes bisher nicht erfolgt ist, der Hof vielmehr nach den Abschluß des Vertrages von den beiden Brüdern der Frau Fe. gemeinsam bewirtschaftet wurde. Entscheidend für die Beurteilung ist die Tatsache, daß die Landwirtschaftskammer von der Genehmigung des Vertrages erst durch die Zustellung der Entscheidung am 11. April 1963 Kenntnis erlangt hat. Schon allein aus diesem Grunde kann die innerhalb der Beschwerdefrist eingelegte Beschwerde, obwohl seit dem Erlaß der Entscheidung viele Jahre vergangen sind, keine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Der Umstand, daß die Landwirtschaftskammer, wenn ihr damals die Entscheidung zugestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich kein Rechtsmittel eingelegt hätte, ist für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde ohne Bedeutung. Die Landwirtschaftskammer nimmt im Genehmigungsverfahren öffentliche Interessen wahr. Daß sie mit der sofortigen Beschwerde die Berücksichtigung der seit 1948 veränderten Verhältnisse erreichen will, berührt ebenfalls die Zulässigkeit der Beschwerde nicht.

21

Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die Landwirtschaftskammer sich so behandeln lassen müsse, als ob ihr der Genehmigungsbeschluß des Amtsgerichts schon längst bekannt gewesen wäre. Auf die Frage, ob die Landwirtschaftskammer ohne Schwierigkeiten in der Lage war, sich Kenntnis von den Entscheidungen, die ihr hätten zugestellt werden müssen, zu verschaffen, kommt es nicht an. Die Landwirtschaftskammer war nicht verpflichtet, hierüber Ermittlungen anzustellen. Das Beschwerdegericht übersieht, daß die Zustellung gerichtlicher Entscheidungen Aufgabe des Gerichts ist. Die Landwirtschaftskammer konnte in Hinblick auf die Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 10. Januar 1949 davon ausgehen, daß Entscheidungen, die ihr bisher noch nicht gemäß § 30 LVO zugestellt waren, nachträglich zugestellt würden. Das gilt auch, soweit es sich um Beschlüsse über die Genehmigung von Hofübergabeverträgen handelt, die vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des Senats aus dem Jahre 1951 erlassen waren. Für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde spielt es auch keine Rollo, daß die zuständigen Kreislandwirtschaftsämter von dem Genehmigungsverfahren Kenntnis gehabt und offenbar auch den Genehmigungsbeschluß erhalten haben. Erst die Neuregelung der Zustellung durch § 32 Abs. 2 LwVG hatte zur Folge, daß die Landwirtschaftskammer, wenn sie von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen wollte, dafür sorgen mußte, daß sie rechtzeitig von den der (unteren) Landwirtschaftsbehörde zuzustellenden Entscheidungen in Kenntnis gesetzt wurde. Die Frage, ob auch nach rechtskräftiger Genehmigung des Übergabevertrages die zur Aufteilung des Hofes erforderliche Auflassung der Genehmigung bedarf, ist nicht Gegenstand des gegenwärtigen Verfahrens. Es ist deshalb auch für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob die Landwirtschaftskammer in einen Verfahren über die Genehmigung der Auflassung eine Prüfung der von ihr vorgetragenen Tatsachen erreichen könnte.

22

3.

Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen somit keine Bedenken. Die Sache mußte deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen werden.

23

III.

Die Anschlußrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 ist zwar an sich statthaft; denn nach § 28 Abs. 1 LwVG kann ein Beteiligter sich bis zum Ablauf der Begründungsfrist der Rechtsbeschwerde eines anderen Beteiligten anschließen, selbst wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat. Die Anschlußrechtsbeschwerde muß in der Anschlußschrift begründet werden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 LwVG).

24

Die Frage, ob der Schriftsatz vom 7. Juli 1964 oder der innerhalb der verlängerten Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingereichte Schriftsatz vom 20. August 1964 den Anforderungen des § 28 Abs. 2 Satz 2 LwVG entspricht, kann offen bleiben; denn die Anschlußrechtsbeschwerde setzt. auch wenn sie kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne ist, ebenso wie die Rechtsbeschwerde eine Rechtsbeeinträchtigung des Beschwerdeführers voraus (vgl. Barnstedt, LwVG § 22 Anm. 27; Pritsch, LwVG § 28 Bern. II c 1 S. 347; Lange/Wulff, LwVG § 22 Anm. D IV 3, B VI 1 f Abs. 3 sowie Anm. zu § 28; a.A. Wöhrmann/Herminghausen, LwVG § 22 Anm. 67). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beteiligte zu 3 war an dem Abschluß des Übergabevertrages beteiligt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht gegen die uneingeschränkte Genehmigung eines Vertrages keinem Vertragsteil ein Beschwerderecht zu. Der Beteiligte zu 3 hätte deshalb gegen den Genehmigungsbeschluß des Amtsgerichts keine Beschwerde einlegen können. Infolgedessen steht ihm auch gegen den angefochtenen Beschluß kein Beschwerderecht zu. Die Anschlußrechtsbeschwerde mußte deshalb als unzulässig verworfen wer den.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 33, 44 LwVG i.V.m. § 131 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 KostO.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 210.000 DM festgesetzt.

Dr. Augustin
Dr. Piepenbrock
Dr. Grell