Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.06.1963, Az.: VII ZR 117/62
Rechtsmittel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.06.1963
- Aktenzeichen
- VII ZR 117/62
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1963, 13676
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 26.04.1962
In dem Rechtsstreitverfahren hat
der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 1963
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Glanzmann und
der Bundesrichter Dr. Winkelmann, Dr. Heimann-Trosien, Erbel und Dr. Finke
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. April 1962 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Architekt. Im Mai 1960 schlug er dem Beklagten vor, auf dessen Grundstücken in B., R. Straße ... Wohnbauten des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues zu errichten. Nachdem er selbst hierüber mit den maßgebenden Stellen verhandelt hatte, besprach er am 18. Juni 1960 mit dem Beklagten die Einzelheiten. Dabei übergab er ihm sein sich mit der Angelegenheit befassendes Schreiben vom 14. Juni 1960. Ferner ließ er den Beklagten folgendes von ihm, dem Kläger, angefertigtes Schreiben unterschreiben, in das der Beklagte auch das Datum vom 18. Juni 1960 einsetzte:
"Betrifft: Bebauung meines Grundstücks R. Str. ...,
Sehr geehrter Herr S.!
Hiermit bestätige ich Ihnen, daß ich, falls ich das oben genannte Grundstuck im Sozialen Wohnungsbauprogramm bebauen werde, Sie als Architekt damit beauftragen werde.
Hochachtungsvoll"
Der Beklagte hat später seine Grundstücke von einem anderen Architekten im sozialen Wohnungsbau bebauen lassen. Als der Kläger dies erfuhr, stellte er ihm eine Rechnung über 22.160 DM Architektenhonorar aus; er verlangte für einen Probeentwurf 3.600 DM, ferner 18.560 DM, d.s. 40 % von dem weiteren Honorar, das ihm nach seiner Meinung bei Durchführung des Architektenauftrags zugestanden hätte.
Der Kläger hat 5.000 DM nebst Zinsen eingeklagt, nämlich 3.600 DM für den Vorentwurf und von dem weiteren Honorar einen Teilbetrag von 1.400 DM.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, der Kläger habe seine Unterschrift unter dem Schreiben vom 18. Juni 1960 mit der Behauptung erschlichen, er quittiere damit die Rückgabe der vom Kläger überlassenen Unterlagen. Auch habe er wegen der unwahren Angaben des Klägers in dessen Schreiben vom 14. Juni 1960 über eine drohende Enteignung der Grundstücke kein Vertrauen mehr zu ihm gehabt und deshalb das Bauvorhaben einem anderen Architekten übertragen.
Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Kläger den eingeklagten Teilbetrag von 1.400 DM nebst Zinsen zugesprochen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und dessen Widerklage auf Feststellung, daß der Kläger auch über die geltend gemachten Ansprüche hinaus keinen weiteren Honoraranspruch gegen ihn habe, abgewiesen.
Mit seiner Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage, soweit ihr das Landgericht durch das Teilurteil stattgegeben hat, und verfolgt er die begehrte Feststellung weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält auf Grund mehrerer von ihm dargelegten Umstände für erwiesen, daß sich der Beklagte über den Inhalt des von ihm datierten und unterschriebenen Auftragsschreibens vom 18. Juni 1960 völlig im klaren war. Was die Revision hiergegen vorträgt, ist nur ein unzulässiger Angriff auf die tatrichterlichen Feststellungen.
Danach ist zwischen den Parteien an dem genannten Tage ein Architektenvertrag zustande gekommen.
Darin, daß der Kläger dem Beklagten die Bebauung des Grundstücks vorschlug und ihn das Schriftstück unterschreiben ließ, lag keine standeswidrige Werbung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob, wie die Revision meint, ein durch unzulässige Werbung zustandegekommener Architektenvertrag nach § 138 BGB nichtig wäre.
II.
Einem anderen Revisionsangriff hält das Urteil jedoch nicht stand.
1.
Der Kläger hat nach dem Inhalt seines Schreibens vom 14. Juni 1960, das er dem Beklagten bei der Unterredung vom 18. Juni 1960 übergab, diesem vor Augen gestellt, es drohe ihm die baldige Enteignung, wenn er sich nicht zum Bauen entschließe. Der Beklagte hat im Rechtsstreit wiederholt vorgetragen, daß diese Angaben des Klägers jeder Grundlage entbehrten, und sich zum Beweise dessen, wie die Gründe des Berufungsurteils ergeben, auf eine amtliche Auskunft berufen. Er hat weiter geltend gemacht, daß er zu einem Architekten, der mit derart unrichtigen Angaben auf einen Vertragsschluß hinarbeite, kein Vertrauen haben könne und sich auch aus diesem Grunde mit Recht von dem Architektenvertrag losgesagt habe.
Hierzu hat der Berufungsrichter ausgeführt, die Erklärung des Klägers habe nur eine Meinungsäußerung enthalten, die sich von den tatsächlichen Verhältnissen nicht soweit entfernt habe, daß ihm Leichtfertigkeit vorzuwerfen sei. Ein etwa entstandenes Mißtrauen des Beklagten müsse zurücktreten, weil der Kläger fachlich hinreichend befähigt und die Wohnungsbaukreditanstalt mit ihm einverstanden gewesen sei.
Diese Ausführungen beanstandet die Revision mit Recht.
Das Verhältnis zwischen Bauherrn und Architekten muß auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut sein. Das gilt umsomehr, wenn es sich um ein Bauvorhaben im Werte von ca. 1 Million DM handelt, aus dem dem Bauherrn eine Honorarschuld von 50.000 DM erwachsen soll. Es ist nicht verständlich, inwiefern fehlendes Vertrauen durch fachliche Fähigkeiten des Architekten oder das Einverständnis einer öffentlich-rechtlichen Kreditanstalt ersetzt werden könnte. Hat der Kläger mit Angaben, die der tatsächlichen Grundlage entbehrten, auf den Abschluß eines Architektenvertrags hingearbeitet, so konnte dies das Vertrauen des Beklagten durchaus zerstören, selbst wenn der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt hat und ihm nur mangelnde Erkundigung vorzuwerfen war. Dies nachzuweisen, war der Zweck des Beweisantrags des Beklagten. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht ihn abgelehnt hat, nimmt das Beweisergebnis in unzulässiger Weise vorweg und verstößt gegen das Verfahrensrecht.
2.
Nicht haltbar ist auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, für den Beklagten seien ersichtlich andere Überlegungen maßgebend gewesen, denn er habe das Bauvorhaben mit dem Architekten P. durchgeführt. Dabei ist nicht berücksichtigt, daß der Beklagte den einmal gefaßten Entschluß zum Bauen beibehalten, die Durchführung aber dem anderen Architekten deshalb übertragen haben kann, weil er zum Kläger kein Vertrauen mehr hatte.
3.
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe den Architektenvertrag nicht gekündigt. Dabei ist aber nicht Stellung genommen zu dem Vortrag des Klägers, daß er schon Ende Juni 1960 dem Kläger erklärt habe, er fühle sich getäuscht, das Vertrauen sei weg. Darin kann eine Kündigung liegen, zumindest aber wird eine solche in dem Prozeßvorbringen des Beklagten enthalten sein.
Eine Kündigung befreit den Besteller nach § 649 BGB grundsätzlich nicht von der Pflicht, den Werklohn zu bezahlen. Das gilt aber nach der Rechtsprechung nicht, wenn die Kündigung durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten des Unternehmers veranlaßt war (BGHZ 31, 224, 229) [BGH 26.11.1959 - VII ZR 120/58]. Unter diesem Gesichtspunkt wäre das Vorbringen des Beklagten zu prüfen gewesen.
Ist dem Beklagten, als er sich erstmals von dem Architektenvertrag lossagte, das von ihm jetzt geltend gemachte Verhalten des Klägers (angeblich drohende Enteignung) noch nicht bekannt gewesen, so ist er doch berechtigt, sich nachträglich auf diesen Kündigungsgrund zu berufen (vgl. Urt. d. erkennenden Senats in LM Nr. 10 zu § 626 BGB).
4.
Für die Frage, ob der Kläger Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verlangen kann, gelten die vorstehenden Gesichtspunkte sinngemäß.
III.
Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Bundesrichter Dr. Winkelmann und Dr. Heimann-Trosien haben ihren Urlaub angetreten und sind an der Unterschrift verhindert. Glanzmann
Erbel
Finke